491/AB XXV. GP

Eingelangt am 27.03.2014
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

Alois Stöger

Bundesminister

 

 

 

 

GZ: BMG-11001/0018-I/A/15/2014

Wien, am 25. März 2014

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 533/J der Abgeordneten Dr. Franz, Kolleginnen und Kollegen nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Einleitend ist festzuhalten, dass zur Beantwortung der vorliegenden parlamenta-rischen Anfrage eine Stellungnahme des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger eingeholt wurde, die den nachstehenden Ausführungen zugrunde liegt.

 

Zur Verschreibung von Psychopharmaka im Kindesalter ist generell auszuführen, dass diese im besonderen Maße von fundiertem Fachwissen abhängt.

Selbst wenn die Krankenkassen über die angefragten Zahlen und Daten verfügen, handelt es sich dabei um Rohdaten, aus denen eine fundierte Aussage über eine Zunahme kinder- und jugendpsychiatrischer Auffälligkeiten nicht direkt abgeleitet werden kann. Die Rohdaten müssten zuerst aufgearbeitet und einer entsprechenden fachlichen Diskussion zugeführt werden.

 

Frage 1:

Dazu verweise ich auf die in der Beilage angeschlossenen Daten, die vom Haupt-verband der österreichischen Sozialversicherungsträger zur Verfügung gestellt wurden (Beilage 1).

 

Frage 2:

Auch hier darf ich auf die vom Hauptverband übermittelten Daten verweisen (Beilagen 2 und 3).

 

Ergänzend weist der Hauptverband dazu auf Folgendes hin:

 

„Auswertungen in der gewünschten Form sind erst ab 2009 möglich. Angaben zur abgegebene Menge (DDD) stehen erst ab 2010 zur Verfügung. Für 2013 liegen derzeit nur für das erste Halbjahr vollständige Daten vor.

Die Daten umfassen die auf Kosten der sozialen Krankenversicherung im extra-muralen Bereich abgegebenen Arzneispezialitäten. Arzneispezialitäten mit einem Kassenverkaufspreis unter der Rezeptgebühr sind nur für von dieser befreiten Personen enthalten. Der Bereich der Kostenerstattung ist in den vorliegenden Daten nicht enthalten.

 

Zu den nachfolgend gelisteten ATC-Codes existieren im Erstattungskodex jeweils nur Produkte eines Anbieters. Die Daten lassen daher unter Umständen Rückschlüsse auf den Umsatz des jeweiligen Unternehmens zu. Aus datenschutz-rechtlichen Gründen werden sie daher nur in Summe dargestellt.“

 

N05AA02

Levomepromazin

N05AF03

Chlorprothixen

N05AH02

Clozapin

N05AL03

Tiaprid

N05AX07

Prothipendyl

N05AX12

Ariprazol

 

Fragen 3 und 4:

Der Hauptverband teilte dazu Folgendes mit:

 

„Entsprechende Aufzeichnungen, Statistiken oder Studien liegen nicht vor.

Den Krankenversicherungsträgern stehen aus dem niedergelassenen Bereich keine codierten Diagnosen zur Verfügung. Elektronische Auswertungen sind damit nicht möglich.

Eine Auswertung stationärer Aufenthalte (bzw. darauf aufbauend eine Hochrech-nung auf die Gesamtfälle) erscheint nicht aussagekräftig, da es sich bei Spitalsauf-enthalten eher um schwere Fälle handelt, die weitaus größere Anzahl von Kindern und Jugendlichen jedoch im niedergelassenen Bereich betreut werden.

Auf Basis der Heilmittel-Verordnungen auf Kassenkosten wäre unter der Annahme einer zulassungskonformen Indikationsstellung der Rückschluss von der Medikation auf die Diagnose lediglich in bestimmten Fällen möglich (z. B. bei den gegen ADHS eingesetzten Präparaten Ritalin, Concerta und Strattera). Eine gesicherte Aussage

zur Richtigkeit der Indikationsstellung bzw. generell zur Qualität der Behandlung kann aber auch daraus nicht abgeleitet werden.

 

Da somit seriöse Angaben zu der Gesamtzahl nicht gemacht werden können, wird von allenfalls möglichen Auswertungen (z. B. Heilmittelkosten, stationäre Aufent-halte) von den Sozialversicherungsträgern vorsichtshalber Abstand genommen, um keine Fehlschlüsse wegen nicht aussagekräftiger Datenbestände auszulösen.

 

Es wird jedoch auf Folgendes hingewiesen:

 

Die Krankenversicherungsträger unterstützten ein von der AGES (Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH) zum Thema „Verwen-dung von Arzneimitteln in der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe“ durchgeführtes Projekt. Die Ergebnisse des Projektes waren Teil einer von der EMA (European Medicines Agency) durchgeführten europaweiten Studie [Ergebnisbericht siehe Beilage 4].

 

Die Medikamentenversorgung bei Kindern und Jugendlichen, darunter auch jene mit Psychopharmaka ohne Zulassung bei Kindern, wurde in der Vergangenheit auf Basis der Daten der Krankenversicherungsträger untersucht und im Jahr 2012 bei der Tagung „Kinder- und Jugendgesundheit“ der Österreichischen Gesellschaft für Public Health als Poster präsentiert [siehe Beilage 5].

 

Weiters wurde die Verordnung von ADHS-Medikamenten unter anderem bei Kindern im Jahr 2012 von den Krankenversicherungsträgern untersucht. Die Ergebnisse wurden in der Vertragspartnerzeitung Top Tipps Nr. 4/2012 publiziert [siehe Beilage 6]“.

 

Fragen 5 und 9:

Im Bundes-Zielsteuerungsvertrag Zielsteuerung-Gesundheit ist unter Punkt 7.2.1. als Maßnahme 2 die Erstellung eines Konzeptes inklusive Vorschlägen für Pilot-projekte für die verbindliche Einführung einer standardisierten und codierten Diagnosedokumentation im ambulanten Bereich vorgesehen.

 

Darüber hinaus ist sowohl von Seiten des Hauptverbandes (Strategie der österrei-chischen Sozialversicherung zu bestimmten Aspekten der Kinder- und Jugendgesund-heit, 2012), wie auch im Rahmen der Kinder-und Jugendgesundheitsstrategie 2011 meines Ressorts das Vorhaben der Verbesserung der Datenlagen formuliert.


Frage 6:

Die Regelungen über die Pharmakovigilanz sind durch die Richtlinie 2001/83/EU EU‑weit abschließend harmonisiert und im Abschnitt IX des Arzneimittelgesetzes umgesetzt. Darüber hinausgehende Regelungen sind auf Grund der Vollharmoni-sierung dieses Bereiches nicht möglich.

 

Diese Bestimmungen sehen eine Meldepflicht für Ärztinnen/Ärzte an das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) für alle ihnen auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit bekannt gewordenen vermuteten Nebenwirkungen von Humanarznei-spezialitäten vor. Zusätzlich haben Patient/inn/en und Angehörige seit Anfang 2013 die Möglichkeit, beobachtete Nebenwirkungen direkt bei der zuständigen Behörde (BASG) zu melden.

 

Fragen 7 und 8:

Jeder Zulassungsinhaber ist verpflichtet, dem Bundesamt für Sicherheit im Gesund-heitswesen in regelmäßigen Abständen einen sog. Periodic Safety Update Report (PSUR) zu übermitteln, der eine Zusammenfassung aller Daten, die für die Beurteilung des Nutzens und der Risiken einer Arzneispezialität von Interesse sind, einschließlich der Ergebnisse aller Studien, die mögliche Auswirkungen auf die Zulassung haben sowie eine wissenschaftliche Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses der Arznei-spezialität enthalten muss: diese Bewertung muss auf sämtlichen verfügbaren Daten beruhen.

 

Weiters müssen alle Daten im Zusammenhang mit dem Umsatzvolumen der Arznei-spezialität sowie alle dem Zulassungsinhaber vorliegenden Daten im Zusammenhang mit dem Verschreibungsvolumen, einschließlich einer Schätzung der Anzahl der Per-sonen, die die Arzneispezialität anwenden, enthalten sein. In diesem Zusammenhang erfolgt selbstverständlich auch eine Auswertung aller Nebenwirkungsmeldungen. Unabhängig davon erfolgt eine Auswertung aller Nebenwirkungsmeldungen über die Eudravigilanz-Datenbank.

 

Frage 10:

Zu der in der Frage 10 formulierten, vermuteten Korrelation zwischen einer Zunahme potenzieller Verschreiber/innen, vor allem Kinder- und Jugendpsychiater/innen, und der Steigerung von Psychopharmaka-Verordnungen für Kinder und Jugendliche be-ziehe ich mich auf eine Stellungnahme der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie (ÖGKJP), die sich sowohl in ihren Weiterbildungsrichtlinien, als auch in ihren öffentlichen Stellungnahmen seit jeher für eine multimodale Behand-lung von psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen ausspricht.

 

Das bedeutet zum einen, dass therapeutische Interventionen bei den Patient/inn/en in deren Familie und im sozialen Umfeld gesetzt werden müssen, da eine ausschließ-lich auf das Kind zentrierte Intervention zumeist nicht ausreichend ist. Zum anderen heißt es, dass bei allen Problemstellungen zuerst nicht-pharmakologische Interven-tionen (wie kinder- und jugendpsychiatrische Beratung, Psychoedukation, Schulrück-sprachen, Klärung der Ausbildungssituation, Psychotherapie, Ergotherapie, Physio-therapie, Logopädie, psychologische Förderprogramme, Einbindung der Jugendwohl-fahrt und andere) anzuwenden sind.

 

Erst wenn diese Maßnahmen nach ausreichender Dauer keinen Erfolg zeitigen, kann es notwendig sein, eine medikamentöse Behandlung zu beginnen.

Mit dieser Haltung steht die österreichische Kinder- und Jugendpsychiatrie im Übrigen nicht alleine - alle europäischen Fachverbände präferieren dieses Vorgehen und empfehlen es in ihren Leitlinien. 

 

Unabhängig von der Häufigkeitsentwicklung psychischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen nahm allgemein die Sensibilität, psychische Problemlagen bei Minderjährigen zu erkennen und zu benennen, zu; auch der in den letzten Jahr-zehnten erfreulicherweise beobachtbare Entstigmatisierungsprozess bei psychischen Erkrankungen setzt sich weiter fort. Beides trug zu einer Erhöhung der Inanspruch-nahme kinder- und jugendpsychiatrischer Leistungen bei, eine Entwicklung, die aus-schließlich positiv zu bewerten ist und bereits bis jetzt viel Leid bei Kindern und Jugendlichen und ihren Familien verhindern konnte (vielleicht am besten illustrierbar durch die epidemiologisch unstrittige Abnahme der Suizidrate bei den unter

20-Jährigen).

 

Die Verordnung von Psychopharmaka in Österreich stieg in den letzten Jahren von einem sehr niedrigen auf ein niedriges Niveau. Dafür ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nur zu einem geringen Teil die Zunahme der Anzahl der Fachärztinnen und -ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie verantwortlich, da sich die Zahl in den letzten Jahren nur unwesentlich erhöht hat und die Kinder- und Jugendpsychiatrie unter den Medi-zinischen Sonderfächern offiziell den Status eines Mangelfaches hat.

 

Frage 11:

Aus der Mannheimer Longitudinalstudie (M. Laucht) und vielen anderen Quellen ist bekannt, dass mit Zunahme von psychosozialem Stress und Belastungsfaktoren vor allem in der frühen Kindheit ein kumulatives Risiko besteht, psychisch zu erkranken. Dem kann gesellschaftlich durch eine Stärkung der Ressourcen und Reduktion von Risikofaktoren entgegengewirkt werden.

 

In diesem Zusammenhang sind zwei wichtige Initiativen, die mein Ressort in den vergangenen zwei Jahren in die Wege geleitet hat, hervorzuheben – die Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie und die Entwicklung von Rahmengesundheitszielen für Österreich.

 

Ganz spezifisch wird derzeit die Umsetzung eines Systems der „Frühen Hilfen“ im Rahmen eines Modellprojekts in fünf Bundesländern erprobt und soll in Folge flächendeckend ausgerollt werden. Dies ist eine wesentliche und wirksame präven-tive Maßnahme, um werdende und junge Eltern in ihrer Rolle unterstützen zu können, womit das gesunde Aufwachsen von Kindern auch in psychosozialer Hinsicht gefördert werden kann.


Anmerkung der Parlamentsdirektion:

 

Die vom Bundesministerium übermittelten Anlagen stehen nur als Image, siehe

Anfragebeantwortung (gescanntes Original)

zur Verfügung.