1690 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 2215/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Herstellung von mehr Verbindlichkeit bei der Gefahrenevaluierung bei schwerer Lastenhandhabe

Die Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 7. Juni 2017 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Angesichts der dominierten Debatte zur Digitalisierung werden körperlich anstrengende Arbeitsbedingungen gerne vergessen. Es stimmt, manuelle Tätigkeiten werden weniger, in den letzten zwanzig Jahren ist der Anteil um cirka zehn Prozent zurückgegangen (Bock-Schappelwein, Digitalisierung und Arbeit, WISO 39. Jg. (2016), Nr. 4, S. 104). Allerdings liegt der Beschäftigungsanteil der manuellen Tätigkeiten noch immer bei 40%. Das Hantieren von schweren Lasten gehört zum Arbeitsalltag von mehr als einem Viertel aller Beschäftigten (27,1% bzw. 1,1 Mio. Erwerbstätige, Statistik Austria, 2014). Diese Belastung wird von rund jedem zehnten Erwerbstätigen auch als gesundheitliches Hauptrisiko eingestuft.

Jeder dritte erwerbstätige Mann und jede fünfte erwerbstätige Frau ist mit körperlich schwerer Arbeit durch Heben, Tragen oder Schieben konfrontiert (Statistik Austria, 2014). Diese Belastungsart findet sich in vielen Berufsfeldern, vor allem in der Baubranche und im Gesundheitsbereich. Über Jahre hinweg können aus zu schwerer Belastung dauerhafte gesundheitliche Folgen entstehen: ein Fünftel aller Krankenstandstage wird durch Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes verursacht (Fehlzeitenreport 2016, S. 47). 2015 gab es 11.033 Arbeitsunfälle, die durch schweres Heben und Tragen verursacht wurden (AUVA Statistik, 2016). ArbeiterInnen, insbesondere SchichtarbeiterInnen, haben aufgrund der vermehrten körperlichen Arbeit ein höheres Risiko diese Art von Arbeitsunfällen zu erleiden und als langfristige Folge daraus durch Skelett- und Muskulaturprobleme in ihrer Lebensqualität gesundheitlich einschränkt zu sein.

Es gibt seit Anfang der 1990iger Jahre eine EU-Richtlinie, die Mindestvorschriften zum Schutz der ArbeitnehmerInnen vor Gefährdungen durch manuelle Lastenhandhabungen vorsieht (RL 90/269), es wurden aber nur allgemeine Bestimmungen im österreichischen ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (§64 ASchG) umgesetzt. Doch was fehlt ist die konkrete Verordnung, wie diese Lasten-Ermittlung aussehen soll. Obwohl das ASchG im §72 den Bundesminister für Arbeit auffordert nähere Bestimmungen durch Verordnungen zu regeln, gibt es bis heute keine. In anderen Bereichen wie der Bildschirmarbeit oder der Kennzeichnung gefährlicher Arbeitsstoffe gibt es Verordnungen. Bei der manuellen Lastenhandhabung existiert eine Lücke im ArbeitnehmerInnenschutz, die durch die lasche Praxis in der Arbeitsplatzevaluierung zu Lasten der Gesundheit von ArbeitnehmerInnen gehen kann. Es gibt derzeit verschiedene wissenschaftliche Verfahren und Methoden wie die Belastung durch Lasten erfasst und berechnet werden kann. Eine gesetzliche Verpflichtung diese Methoden einzusetzen und zu verwenden gibt es aber nicht – lediglich den Verweis, dass die Arbeitgeber verpflichtet sind sich bei bestehenden Gefahren über den neuesten Stand der Technik und Wissen im Bereich der Arbeitsgestaltung entsprechend zu informieren (§3 Abs 2 ASchG). Das Arbeitsinspektorat empfiehlt die international anerkannte Leitmerkmalmethode bei der Arbeitsplatzevaluierung.

Während Betriebe gesundheitlich eingeschränkte MitarbeiterInnen durch jüngere MitarbeiterInnen ersetzen können, kommt volkswirtschaftlich die Allgemeinheit für Gesundheitskosten auf. Denn Erkrankungen durch schweres Heben und Tragen übertragen sich als Gesundheitskosten im Sinne von Krankengeld, Medikamenten, Operationen, bis hin zu möglicher Rehabilitation und Kosten der aktiven Arbeitsmarktpolitik für Umschulungen, etc.. Diesem Auseinanderklaffen der betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Perspektive kann und muss durch Maßnahmen des ArbeitnehmerInnenschutzes entgegengewirkt werden.

Eine einzige Verordnung verbessert augenscheinlich die Arbeitsbedingungen nicht. Aber sie würde durch die Verbindlichkeit ein Umdenken mit sich ziehen, eine Kultur des Hinschauens in Betrieben und auch bei der Kontrolle durch ArbeitsinspektorInnen, ein systematisches Mitdenken bei der Arbeitsplatzevaluierung, eine Stärkung des Einsatzes von Arbeitshilfmitteln und ein Hinterfragen der weitläufigen Annahme, dass Kreuzweh einfach zur Arbeit dazu gehört.

Der ArbeitnehmerInnenschutz wurde in den letzten Monaten aufgrund von skandalisierten Einzelfällen von WirtschaftsvertreterInnen belustigt und als nicht mehr zeitgemäß verunglimpft. Die nähere Betrachtung zeigt allerdings auf, dass im Bereich des Hebens und Tragens schwerer Gegenstände eine Gesetzeslücke besteht. Um Schaden für ArbeitnehmerInnen abzuwenden und den ArbeitnehmerInnenschutz zu stärken braucht es die Schließung dieser Lücke und ein Umdenken, dass Arbeit ohne Schinden auch Arbeit sein kann.“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 13. Juni 2017 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Birgit Schatz die Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Mag. Gerald Loacker und Karl Öllinger sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit (für den Antrag: G, T, dagegen: S, V, F, N).

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Gabriel Obernosterer gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2017 06 13

                            Gabriel Obernosterer                                                           Josef Muchitsch

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann