Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Mit der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle BGBl. I Nr. 114/2013 wird die Möglichkeit, die Prüfung der Verordnungen, der Kundmachungen über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrages), der Gesetze und der Staatsverträge beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen, erweitert. Zum einen wird jedes (also auch ein in erster Instanz zuständiges) ordentliche Gericht einen Antrag auf Aufhebung einer generellen Norm beim Verfassungsgerichtshof zu stellen haben, wenn es gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit, einer Kundmachung über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrages) aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit, eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit oder eines Staatsvertrages aus dem Grund der Rechtswidrigkeit Bedenken hat (Art. 89 Abs. 2). Zum andern wird auch die Möglichkeit geschaffen, dass Personen, die Partei einer von einem ordentlichen Gericht entschiedenen Rechtssache sind, unter bestimmten Voraussetzungen einen derartigen Antrag stellen können. Die diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen werden mit 1. Jänner 2015 in Kraft treten.

Mit der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle BGBl. I Nr. 115/2013 wurde die Möglichkeit geschaffen, durch Bundes- oder Landesgesetz Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte in jenen Angelegenheiten des Wahlrechts und der direkten Demokratie vorzusehen, in welchen Bescheide oder Entscheidungen einer Verwaltungsbehörde beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 141 Abs. 1 lit. a bis f B‑VG selbstständig anfechtbar sind.

Der Entwurf enthält einfachgesetzliche Ausführungsbestimmungen zu diesen Bundes-Verfassungsgesetz-Novellen sowie einige kleinere legistische Anpassungen.

Kompetenzgrundlagen:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung des vorgeschlagenen Bundesgesetzes ergibt sich hinsichtlich der Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 – VfGG, BGBl. Nr. 85/1953, aus Art. 10 Abs. 1 Z 1 B‑VG („Verfassungsgerichtsbarkeit“) und hinsichtlich der Änderung der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, des Außerstreitgesetzes – AußStrG, BGBl. I Nr. 111/2003, und der Strafprozeßordnung 1975 – StPO, BGBl. Nr. 631/1975, aus Art. 10 Abs. 1 Z 6 B‑VG („Zivilrechtswesen einschließlich des wirtschaftlichen Assoziationswesens, jedoch mit Ausschluss von Regelungen, die den Grundstücksverkehr für Ausländer und den Verkehr mit bebauten oder zur Bebauung bestimmten Grundstücken verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen, einschließlich des Rechtserwerbes von Todes wegen durch Personen, die nicht zum Kreis der gesetzlichen Erben gehören“; „Strafrechtswesen mit Ausschluss des Verwaltungsstrafrechtes und des Verwaltungsstrafverfahrens in Angelegenheiten, die in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallen“).

Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953)

Zu Z 1 (§ 12 Abs. 5), Z 2 (§ 19 Abs. 3 Z 1), Z 4 (§ 57a), Z 5 (§ 58 Abs. 1 letzter Satz), Z 6 (§ 62a), Z 7 (§ 63 Abs. 1 letzter Satz) und Z 8 (§ 66 Z 1 letzter Satz):

Gemäß Art. 139 Abs. 1 Z 4 B‑VG in der ab 1. Jänner 2015 geltenden Fassung erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels. Entsprechendes gilt gemäß Art. 139a B‑VG für die Anfechtung von Kundmachungen über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrages), gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. d B‑VG in der ab 1. Jänner 2015 geltenden Fassung für die Anfechtung von Gesetzen und gemäß Art. 140a B‑VG für die Anfechtung von Staatsverträgen.

Der Entwurf sieht vor, dass ein solcher „Parteiantrag auf Normenkontrolle“ von einer Person erhoben werden kann, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache rechtzeitig ein zulässiges Rechtsmittel erhebt und wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet. Der Antrag soll, ebenso wie ein sog. „Individualantrag“, unmittelbar beim Verfassungsgerichtshof einzubringen sein.

Hervorzuheben ist, dass ein Parteiantrag auf Normenkontrolle schon von Verfassung wegen nur von einer Person gestellt werden kann, die wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet. Verwaltungsorgane und Organe der Gerichtsbarkeit sind nicht legitimiert, einen Parteiantrag auf Normenkontrolle zu stellen, weil sie als Rechtsträger über keine Rechte verfügen, sondern Kompetenzen ausüben und durch die Anwendung einer generellen Norm daher nicht in ihren Rechten verletzt sein können (vgl. VfSlg. 17.220/2004).

Eine Legitimation der Staatsanwaltschaft zur Stellung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle ist demnach schon nach dem Wortlaut der Art. 139 Abs. 1 Z 4 und 140 Abs. 1 Z 1 lit. d B-VG (aber auch im Hinblick auf § 281 Abs. 2 und 3 StPO) ausgeschlossen. Für die Finanzstrafbehörde, die gemäß § 200 Abs. 2 lit. a FinStrG gerichtliche Entscheidungen im gleichen Umfang wie die Staatsanwaltschaft anfechten kann, gilt Entsprechendes.

Jedenfalls antragsberechtigt sind belangte Verbände nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz – VbVG, BGBl. I Nr. 151/2005, da diesen ex lege die Rechte des Beschuldigten zukommen (§ 13 Abs. 1 letzter Satz VbVG bzw. im Verfahren gegen natürliche Personen § 15 Abs. 1 letzter Satz VbVG), Haftungsbeteiligte gemäß § 86 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes – LMSVG, BGBl. I Nr. 13/2006, § 3 und § 8 des Pornographiegesetzes, BGBl. Nr. 97/1950, § 82c des Arzneimittelgesetzes – AMG, BGBl. Nr. 185/1983, § 4 des Bundesgesetzes über das Verbot von blindmachenden Laserwaffen, BGBl. Nr. 4/1998, § 11 des Zugangskontrollgesetzes – ZuKG, BGBl. I Nr. 60/2000, und § 5 des Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetzes – NPSG, BGBl. I Nr. 146/2011, sowie Eigentümer der der Vernichtung oder Unbrauchbarmachung unterliegenden Gegenstände gemäß § 92 des Urheberrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 111/1936. Da auch dem Medieninhaber gemäß § 1 Z 8 des Mediengesetzes – MedienG, BGBl. Nr. 314/1981, Parteistellung zukommt, ist auch dieser antragslegitimiert.

In Jugendstrafsachen soll auch der gesetzliche Vertreter eines jugendlichen Beschuldigten legitimiert sein, einen Parteiantrag auf Normenkontrolle zu stellen, da dieser auch im Strafprozess Rechtsmittel und Rechtsbehelfe erheben kann (vgl. § 38 Abs. 3 des Jugendgerichtsgesetzes 1988 – JGG, BGBl. Nr. 599/1988). Die vorgeschlagenen §§ 57a Abs. 2 und 62a Abs. 2 sehen daher eine solche Legitimation des gesetzlichen Vertreters vor.

Voraussetzung der Zulässigkeit des Parteiantrages auf Normenkontrolle soll sein, dass die Partei rechtzeitig ein zulässiges Rechtsmittel erhebt. Aus diesem Grund soll der Verfassungsgerichtshof das ordentliche Gericht erster Instanz (bei welchem auch das Rechtsmittel, aus Anlass dessen ein Parteiantrag auf Normenkontrolle gestellt wird, einzubringen ist) unverzüglich vom Parteiantrag auf Normenkontrolle verständigen, da dieses über die Rechtzeitigkeit und Zulässigkeit des Rechtsmittels zu entscheiden hat. In weiterer Folge soll das ordentliche Gericht erster Instanz dem Verfassungsgerichtshof seine – auch für das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof maßgebliche – Entscheidung über die Rechtzeitigkeit und Zulässigkeit des Rechtsmittels mitteilen (vgl. die vorgeschlagenen §§ 57a Abs. 5 und 62a Abs. 5). Ist das Rechtsmittel verspätet eingebracht worden oder unzulässig, soll der Verfassungsgerichtshof das Normenprüfungsverfahren einzustellen haben.

Der Verfassungsgerichtshof soll das ordentliche Gericht erster Instanz auch deshalb verständigen, weil die Stellung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle Rechtswirkungen entfaltet: Das Rechtsmittelgericht (das kann bei remonstrativen Rechtsmitteln auch das ordentliche Gericht erster Instanz sein) soll bis zur Verkündung bzw. Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes nur solche Handlungen vornehmen oder Anordnungen und Entscheidungen treffen, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.

Welches ordentliche Gericht das Verfahren – gegebenenfalls auf Grund der bereinigten Rechtslage – zu führen hat, nachdem der Verfassungsgerichtshof entschieden hat, soll in den Verfahrensvorschriften geregelt werden.

Zu den Ausnahmen der §§ 57a Abs. 1 und 62a Abs. 1 im Einzelnen:

Gemäß Art. 139 Abs. 1a erster Satz und Art. 140 Abs. 1a erster Satz B‑VG kann die Stellung eines Antrages gemäß Art. 139 Abs. 1 Z 4 bzw. Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. d B‑VG durch Bundesgesetz für unzulässig erklärt werden, wenn dies zur Sicherung des Zwecks des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht erforderlich ist. In der im Bericht des Verfassungsausschusses wiedergegebenen Begründung des im Verfassungsausschuss eingebrachten gesamtändernden Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen (AB 2380 d.B. XXIV. GP, 9) wird dazu ausgeführt, dass in bestimmten verfahrensrechtlichen Konstellationen (etwa in Provisorialverfahren) die Stellung eines Parteiantrages den Zweck des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht gefährden oder vereiteln könne. Dies gelte auch für Sachentscheidungen, etwa solche, die rasch zu ergehen hätten, oder für Rechtssachen, in welchen eine neuerliche Entscheidung auf faktische Unmöglichkeiten stoße (etwa im Insolvenz- oder Exekutionsverfahren). Wie in den vergleichbaren Bestimmungen des B-VG sei der Begriff „erforderlich“ auch hier im Sinne von „unerlässlich“ zu verstehen. Laut der – vom Nationalrat unter einem mit der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle BGBl. I Nr. 114/2013 angenommenen – Entschließung betreffend Einführung einer Gesetzesbeschwerde (wiedergegeben im Stenographischen Protokoll der 207. Sitzung des Nationalrates am 13. Juni 2013, XXIV. GP, 130 [133]) sollen Ausnahmen im Sinne der verfassungsrechtlichen Ermächtigung jedenfalls für Angelegenheiten des Exekutions- und Insolvenzrechts geschaffen werden.

Unter Inanspruchnahme dieser verfassungsgesetzlichen Ermächtigung soll gemäß den vorgeschlagenen §§ 57a Abs. 1 und 62a Abs. 1 die Stellung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle in den darin genannten zivil- und strafgerichtlichen Verfahren für unzulässig erklärt werden.

Ein eigener Ausnahmetatbestand für das strafprozessuale Ermittlungsverfahren ist ungeachtet seines besonderen Charakters nicht erforderlich. Dass im strafprozessualen Ermittlungsverfahren ein Parteiantrag auf Normenkontrolle jedenfalls unzulässig ist, ergibt sich schon aus der Bezugnahme der Art. 139 Abs. 1 Z 4 und 140 Abs. 1 Z 1 lit. d B-VG auf „eine von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedene Rechtssache“ und dem Umstand, dass in Strafsachen eine mit ordentlichem Rechtsmittel anfechtbare gerichtliche Entscheidung in der Sache jedenfalls erst nach Einbringen der Anklage erfolgen kann. Ergänzend wird auf die Begründung des im Nationalrat in zweiter Lesung eingebrachten Abänderungsantrages (AA-336 XXIV. GP, wiedergegeben im Stenographischen Protokoll der 207. Sitzung des Nationalrates am 13. Juni 2013, XXIV. GP, 132) verwiesen, wo es lautet: „Die Gründe, aus denen ein Parteiantrag gestellt werden kann, sollen zusammengefasst werden: Einen solchen Antrag kann die Partei eines gerichtlichen Verfahrens aus Anlass eines Rechtsmittels gegen eine in der Sache ergangene Entscheidung des ordentlichen Gerichts erster Instanz stellen, also nicht in einem zivilgerichtlichen Provisorialverfahren oder in einem strafgerichtlichen Ermittlungsverfahren.“ Da in einigen Teilbereichen der zivilgerichtlichen Verfahren mit provisorialem Charakter gerichtliche Entscheidungen auch die Sache selbst betreffen können und einem ordentlichen Rechtsmittel zugänglich sind, sollen hier hingegen im Rahmen der verfassungsgesetzlichen Ermächtigung entsprechende Ausnahmen vorgesehen werden. Gleiches gilt für Verfahren der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, insbesondere Auslieferung, Übergabe, Rechtshilfe, gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung (Z 10).

Zu Z 1 (Verfahren zur Anordnung oder Durchsetzung der Rückstellung widerrechtlich verbrachter oder zurückgehaltener Kinder, § 111a AußStrG):

Beim Verfahren zur Anordnung oder Durchsetzung der Rückstellung widerrechtlich verbrachter oder zurückgehaltener Kinder handelt es sich um ein der einstweiligen Verfügung angenähertes Verfahren. Die Rechtsprechung geht von folgendem Konzept aus: Das Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (Haager Kindesentführungsübereinkommen – HKÜ), BGBl. Nr. 512/1988, bezweckt die Sicherstellung der sofortigen Rückführung widerrechtlich in einen Vertragsstaat verbrachter oder dort zurückgehaltener Kinder in den Staat des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts und die tatsächliche Beachtung der in einem Vertragsstaat bestehenden Obsorge- und Kontaktentscheidungen in den anderen Vertragsstaaten (Art. 1 HKÜ). Dazu haben die Vertragsstaaten schnellstmögliche (vgl. zuletzt 6 Ob 86/13k) Verfahren anzuwenden (Art. 2 HKÜ), also entformalisierte Schnellverfahren unter weitgehender Ausblendung von Rechtsfragen (zuletzt LGZ Wien EFSlg. 105.365; LG Wels EFSlg. 108.638; 2 Ob 103/09z). Damit wird nicht die Betrauung mit der Obsorge neu geregelt, sondern es werden in einem dem Eilgebot unterliegenden Verfahren die ursprünglichen Tatsachenverhältnisse wiederhergestellt. An ein solches Verfahren schließt sich das eigentliche Sorgerechtsverfahren an; erst in diesem wird endgültig über die familienrechtlichen Beziehungen zwischen den Verfahrensbeteiligten entschieden.

Die mit der Durchführung eines Normenprüfungsverfahrens auf Antrag der Partei notwendigerweise verbundene Zeitverzögerung würde den Zweck des Verfahrens zur Anordnung oder Durchsetzung der Rückstellung widerrechtlich verbrachter oder zurückgehaltener Kinder gefährden. Der Parteiantrag auf Normenkontrolle soll daher in diesem Verfahren nicht zulässig sein. Hinzu kommt, dass der Partei die Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens ohnedies im nachfolgenden Sorgerechtsverfahren offen steht.

Zu Z 2 (Besitzstörungsverfahren, §§ 454 bis 459 ZPO):

Beim Besitzstörungsverfahren (§§ 454 bis 459 ZPO) handelt es sich um ein Eilverfahren, dessen Ergebnis bloß provisorischer Natur ist.

Die besondere Dringlichkeit ergibt sich aus dem Ziel des Verfahrens, das auf Schutz und Wiederherstellung des letzten Besitzstandes gerichtet ist (§ 454 Abs. 1 ZPO). Aus diesem Grund ist eine solche Klage binnen 30 Tagen ab Kenntnis von der Besitzstörung einzubringen und unterliegen Besitzstörungsverfahren auch nicht der Fristenhemmung des § 222 Abs. 1 ZPO (§ 222 Abs. 2 Z 3 ZPO).

Gemäß § 459 ZPO ist die Entscheidung im Besitzstörungsverfahren lediglich provisorisch, hat sie sich doch auf die Feststellung des letzten Besitzstandes und der Störung, allenfalls auf die Untersagung künftiger Störungen und die Wiederherstellung des früheren Zustands zu beschränken. Die spätere gerichtliche Geltendmachung des Rechts zum Besitz und davon abhängiger Ansprüche wird dadurch nicht gehindert.

Die mit der Durchführung eines Normenprüfungsverfahrens auf Antrag der Partei notwendigerweise verbundene Zeitverzögerung würde den Verfahrenszweck eines raschen Schutzes des letzten Besitzstandes gefährden. Der Parteiantrag auf Normenkontrolle soll daher im Besitzstörungsverfahren nicht zulässig sein. Hinzu kommt, dass der Partei die Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens ohnedies in einem nachfolgenden petitorischen Verfahren über das Recht zum Besitz offen steht.

Zu Z 3 (Beweissicherungsverfahren, §§ 384 bis 389 ZPO):

Bei der Sicherung der Beweisführung nach den §§ 384 bis 389 ZPO handelt es sich um zivilverfahrensrechtliche Eilmaßnahmen. Durch ihren Charakter als Sicherungsverfahren weist die Beweissicherung Ähnlichkeiten mit dem Provisorialverfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung auf. Verfahrenszweck ist die vorsorgliche Beweisaufnahme vor einem Rechtsstreit oder vor der Beweisaufnahme in einem Rechtsstreit durch Vornahme eines Augenscheins oder Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, vorausgesetzt eine Partei kann glaubhaft machen, dass eine Beweisvereitelung oder Beweiserschwerung droht, oder ein rechtliches Interesse an der Feststellung des gegenwärtigen Zustands einer Sache besteht.

Zwar ist der Beschluss, der einem Beweissicherungsantrag stattgibt, nicht anfechtbar (§ 386 Abs. 4 ZPO) und ist bereits aus diesem Grund die Stellung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle ausgeschlossen. Ein die Beweissicherung ablehnender Beschluss kann jedoch mit Rechtsmittel angefochten werden. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, dass das Rechtsmittelgericht die erstinstanzliche Entscheidung abändert und den Sicherungsantrag bewilligt. Folglich gebietet der Verfahrenszweck der Beweissicherung ein entsprechend dringliches Vorgehen auch des Rechtsmittelgerichts.

Die mit der Durchführung eines Normenprüfungsverfahrens auf Antrag der Partei notwendigerweise verbundene Zeitverzögerung liefe dem Zweck des Beweissicherungsverfahrens zuwider; da die Gefahr des Beweisverlusts bestehen kann, könnte ein Normenprüfungsverfahren die Beweissicherung unter Umständen sogar endgültig vereiteln. Der Parteiantrag auf Normenkontrolle soll daher auch im Beweissicherungsverfahren ausgeschlossen sein.

Zu Z 4 (Verfahren gemäß § 37 Abs. 1 MRG, § 52 Abs. 1 WEG 2002 und § 22 Abs. 1 WGG) und Z 5 (Verfahren über die Kündigung von Mietverträgen und über die Räumung von Mietgegenständen):

Bei diesen Verfahren handelt es sich durchwegs um Verfahren, deren Zweck eine rasche Klärung der Rechtslage ist und die nach ihrer Konzeption keine Verzögerung dulden.

Zu Z 6 (Verfahren betreffend mittlerweilige Vorkehrungen, § 180 NO):

Das Disziplinargericht für Notare hat die Suspension vom Amt als mittlerweilige Vorkehrung gemäß § 180 der Notariatsordnung – NO, RGBl. Nr. 75/1871, zu verhängen, wenn der Notar im Zuge eines Strafverfahrens nach der StPO verhaftet wird, wenn die Fortsetzung seiner Amtsführung während einer Disziplinaruntersuchung oder eines Strafverfahrens nach der StPO bedenklich erscheint, wenn er seiner Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der Haftpflichtversicherung trotz Aufforderung durch die Notariatskammer nicht nachkommt sowie wenn gegen den Notar ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt oder in Ansehung des Notars ein Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters eingeleitet und auf Grund der Ergebnisse der Erstanhörung fortgesetzt wird und in diesen Fällen die Fortsetzung seiner Amtsführung wegen zu besorgender schwerer Nachteile für die Interessen der rechtsuchenden Bevölkerung oder das Ansehen des Standes bedenklich erscheint.

Die bei den Oberlandesgerichten und beim Obersten Gerichtshof eingerichteten Disziplinarsenate für Notare gehören nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes der ordentlichen Gerichtsbarkeit an. Gegen den Beschluss des Disziplinargerichtes, mit dem die provisorische Suspension nach § 180 NO verhängt wird, steht die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof als Disziplinargericht zweiter Instanz zu, sodass die Stellung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle an sich auch im Rechtsmittelverfahren möglich wäre. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass es sich bei der mittlerweiligen Vorkehrung gemäß § 180 NO um eine im Provisorialverfahren getroffene Eilmaßnahme handelt, die – neben dem Schutz der Ehre und Würde des Standes – insbesondere dem Schutz der rechtsuchenden Bevölkerung dient. Gleichzeitig machen gerade Rechtsschutzüberlegungen zugunsten des von der provisorischen Suspension betroffenen Notars auch das Rechtsmittelverfahren besonders dringlich, zumal die Suspension sofort zu vollziehen ist und der Beschwerde dagegen keine aufschiebende Wirkung zukommt (§ 181 Abs. 2 NO).

Die mit der Durchführung eines Normenprüfungsverfahrens notwendigerweise verbundene Verzögerung der Entscheidung im Verfahren betreffend mittlerweilige Vorkehrungen gemäß § 180 NO stünde im Widerspruch zur besonderen Dringlichkeit dieses Verfahrens. Daher soll der Parteiantrag auf Normenkontrolle in diesem Verfahren nicht zulässig sein.

Zu Z 7 (Verfahren gemäß den Bestimmungen des Unterhaltsvorschußgesetzes 1985):

Das Unterhaltsvorschußgesetz 1985 – UVG, BGBl. Nr. 451/1985, dient im Wesentlichen der Unterhaltssicherung von Kindern, denen der ihnen gesetzlich zustehende Geldunterhalt trotz eines vollstreckbaren Titels vom Unterhaltsverpflichteten nicht ausgezahlt wird. Die Entscheidung über den Anspruch auf Unterhalt (gegen die Eltern) selbst und über dessen Höhe erfolgt im gerichtlichen Unterhaltsverfahren, in dem der Partei die Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens hinsichtlich der den gesetzlichen Unterhalt regelnden Vorschriften offen steht.

Ein Parteiantrag auf Normenkontrolle würde dem Unterhaltsverpflichteten (als Partei des Verfahrens) die Möglichkeit eröffnen, eine rasche Klärung der Rechtslage zu verhindern und die Auszahlung von Unterhaltsvorschüssen zu verzögern. Der Parteiantrag auf Normenkontrolle soll daher im Verfahren gemäß den Bestimmungen des UVG nicht zulässig sein.

Zu Z 8 (Insolvenzverfahren) und Z 9 (Exekutionsverfahren und Verfahren betreffend einstweilige Verfügungen gemäß den Bestimmungen der Exekutionsordnung einschließlich des Verfahrens über die Vollstreckbarerklärung):

Vgl. die ausdrückliche Nennung dieser Verfahren in der im Bericht des Verfassungsausschusses wiedergegebenen Begründung des im Verfassungsausschuss eingebrachten gesamtändernden Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen (AB 2380 d.B. XXIV. GP, 9) und in der Entschließung des Nationalrates vom 13. Juni 2013 betreffend die Einführung einer Gesetzesbeschwerde (wiedergegeben im Stenographischen Protokoll der 207. Sitzung des Nationalrates am 13. Juni 2013, XXIV. GP, 133). Zu den Exekutionsverfahren gehören auch Verfahren nach § 110 AußStrG.

Zu Z 10 (Verfahren der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, insbesondere Auslieferung, Übergabe, Rechtshilfe, gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung):

Es sollen alle Formen der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen ausgenommen werden. Der Begriff „justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen“ ist umfassend zu verstehen; er erfasst daher Auslieferung und traditionelle Rechtshilfe ebenso wie die Formen der gegenseitigen Anerkennung (etwa das Übergabeverfahren auf Grund eines Europäischen Haftbefehls), die Übertragung eines Verfahrens und jegliche Vollstreckungshilfe. Er umfasst die im Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz – ARHG, BGBl. Nr. 529/1979, und die im Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – EU-JZG, BGBl. I Nr. 36/2004, geregelten Formen der Zusammenarbeit ebenso wie Zusammenarbeit unmittelbar auf Grund von völkerrechtlichen Verträgen.

Allen diesen Verfahren ist gemeinsam, dass die Republik Österreich nur über Ersuchen eines anderen Staates tätig wird. Die zugrunde liegende Anordnung (etwa auf Zeugenvernehmung oder Kontenöffnung oder ein Europäischer Haftbefehl) stammt nicht von einer österreichischen Behörde und gründet sich nicht auf österreichisches Recht. Sie stammt vielmehr von einer ausländischen Behörde und wurde auf Grund von Rechtsvorschriften des ersuchenden Staates erlassen, die als solche nicht der Normenkontrolle durch den Verfassungsgerichtshof unterliegen.

Zwar sind viele Formen der justiziellen Zusammenarbeit als Teil eines Ermittlungsverfahrens anzusehen und fallen damit nicht in den Anwendungsbereich des Art. 140 Abs. 1 lit. d B-VG. Es gibt aber auch Formen, bei denen dies nicht der Fall ist, etwa wenn im Stadium einer Hauptverhandlung Rechtshilfeersuchen gestellt werden, oder bei Vollstreckungshilfe (so gibt es zwei Arten eines Europäischen Haftbefehls, nämlich jenen zur Verfolgung und jenen zur Vollstreckung). Zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten wird daher vorgeschlagen, den Ausnahmetatbestand umfassend zu formulieren.

Zu Z 3 (§ 20 Abs. 2 bis 5) und Z 15 (§ 83 Abs. 3):

Infolge eines Redaktionsversehens blieb in § 20 Abs. 2 und 3 VfGG die Notwendigkeit einer Aktenvorlage durch Verwaltungsgerichte unberücksichtigt. Gemäß dem vorgeschlagenen § 20 Abs. 2 soll es möglich sein, dass der Verfassungsgerichtshof nicht nur die Herbeischaffung von Amtsakten, sondern auch von Gerichtsakten (das sind Akten sowohl der Verwaltungsgerichte als auch der ordentlichen Gerichte), verfügen kann. Die belangte Behörde soll auch die Möglichkeit haben, anlässlich der Vorlage von Akten durch das Verwaltungsgericht zu verlangen, dass bestimmte Akten oder Aktenbestandteile im öffentlichen Interesse von der Akteneinsicht ausgenommen werden.

Nach geltender Rechtslage kann der Verfassungsgerichtshof unter bestimmten Umständen auf Grund der Behauptungen des Antragstellers (Beschwerdeführers) erkennen. Diese Anordnung war aus dem Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes bekannt und wurde mit der Verfassungsgerichtshofgesetz-Novelle 1947, BGBl. Nr. 132/1947, für das Verfahren des Verfassungsgerichtshofes übernommen (vgl. RV 359 d.B. V. GP, 2). Da dies jenen Parteien eines Mehrparteienverfahrens, welche nicht Beschwerde erheben, zu einem von ihnen nicht zu vertretenden Nachteil gereichen kann, sehen weder das VwGVG noch das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, in der Fassung des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33/2013, Entsprechendes vor. § 20 Abs. 2 letzter Satz VfGG soll daher im vorgeschlagenen § 20 Abs. 2 nicht übernommen werden.

Zu Z 9 (Überschrift zu Abschnitt I des 2. Hauptstückes des 2. Teiles), Z 10 (§ 67 Abs. 3 und 4 und § 68 Abs. 1), Z 11 (§ 68 Abs. 1 und § 71a Abs. 1), Z 12 (§ 71a Abs. 1) und Z 13 (§ 71a Abs. 4):

Gemäß Art. 141 Abs. 1 lit. g B‑VG können Prüfungsgegenstand in wahlrechtlichen Angelegenheiten nicht nur selbstständig anfechtbare Bescheide und Entscheidungen einer Verwaltungsbehörde, sondern auch Erkenntnisse oder Beschlüsse eines Verwaltungsgerichtes sein. Die diesbezüglichen Bestimmungen sollen daher ergänzt werden.

Zu Artikel 2 (Änderung der Zivilprozessordnung) und zu Artikel 3 (Änderung des Außerstreitgesetzes):

Mit dem vorgeschlagenen § 528b ZPO soll der Parteiantrag auf Normenkontrolle für den Bereich des Zivilprozesses umgesetzt werden. Die Voraussetzungen und Wirkungen einer Antragstellung sind in den oben zitierten Verfassungsnormen sowie den diesbezüglich vorgeschlagenen Bestimmungen des VfGG geregelt. Aus diesen ergibt sich, dass ein Antrag auf Normenkontrolle von einer Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache zusammen mit einem rechtzeitigen und zulässigen Rechtsmittel gegen diese Entscheidung erhoben werden kann (siehe die in Art. 1 vorgeschlagenen §§ 57a Abs. 1, 62a Abs. 1 VfGG). Voraussetzung einer Antragstellung auf Normenkontrolle ist also – entsprechend der Formulierung in den oben angeführten Verfassungsbestimmungen – die Einbringung eines Rechtsmittels in einer „in erster Instanz entschiedenen Rechtssache“, somit eines (rechtzeitigen und auch sonst zulässigen) Rechtsmittels gegen eine die Rechtssache erledigende Entscheidung erster Instanz. Zur Auslegung dieser Formulierung bietet die bestehende umfangreiche Judikatur zu den §§ 529 Abs. 1, 530 Abs. 1 ZPO (Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage) verwertbare Anhaltspunkte, weil hier wie dort die in Rede stehenden Bestimmungen im Wesentlichen zum Ausdruck bringen, dass es sich bei einer „entschiedenen Rechtssache/erledigten Sache“ um die Entscheidung in der Hauptsache des jeweiligen Verfahrens handelt.

Der Antrag auf Normenkontrolle ist direkt beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Dieser hat daraufhin das Gericht erster Instanz unverzüglich von der Antragstellung zu verständigen, damit das Gericht die Einschränkung seiner Entscheidungsbefugnisse berücksichtigen kann, die während des beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Normenprüfungsverfahrens in den in Art. 1 vorgeschlagenen §§ 57a Abs. 6, 62a Abs. 6 VfGG vorgesehen ist. Die Verständigung des Verfassungsgerichtshofes von der Antragstellung wird zum Prozessakt genommen und ist dem Gegner zur Kenntnis zu bringen.

Im Gerichtsverfahren ist dennoch – ungeachtet der Antragstellung auf Normenkontrolle – über die Rechtzeitigkeit und Zulässigkeit des Rechtsmittels zu entscheiden (§§ 468 Abs. 1, 523 ZPO). Von einer rechtskräftigen Zurückweisung des Rechtsmittels als verspätet oder sonst unzulässig sowie von einer Zurücknahme des Rechtsmittels hat das Gericht den Verfassungsgerichtshof unverzüglich in Kenntnis zu setzen, weil das Vorliegen eines Rechtsmittels Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof ist.

Darüber hinaus sollen im Gerichtsverfahren bis zur Verkündung bzw. Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes – wie auch bereits bisher im Fall eines von einem Gericht gestellten Prüfungsantrages nach Art. 89 Abs. 2 B-VG – nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden können, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten (vgl. die in Art. 1 vorgeschlagenen §§ 57a Abs. 6, 62a Abs. 6 VfGG). Im vorgeschlagenen § 528b Abs. 2 dritter Satz ZPO wird mit Beziehung darauf ausdrücklich angeordnet, dass solche Handlungen, Anordnungen oder Entscheidungen, die die vorläufige Verbindlichkeit, Rechtsgestaltungswirkung oder Vollstreckbarkeit einer Entscheidung betreffen, nicht unter die Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnisse fallen sollen und demnach ungeachtet der Antragstellung vorgenommen oder getroffen werden können. Solche Maßnahmen sollen, unabhängig davon, ob sie kraft Gesetzes eintreten oder vom Gericht angeordnet werden, stets einer besonderen Interessenabwägung Rechnung tragen, welche den Eintritt dieser Entscheidungswirkungen im konkreten Fall bereits vor Rechtskraft der Entscheidung erforderlich macht oder diese Konsequenz im Einzelfall eben gerade nicht eintreten lassen will. Diese in bestimmten Verfahrenskonstellationen notwendige Flexibilität soll auch während eines anhängigen Normenprüfungsverfahrens erhalten bleiben. Das bedeutet, dass etwa ein Beschluss nach § 524 Abs. 2 ZPO auf einstweilige Hemmung des Verfahrens, der Ausführung des angefochtenen Beschlusses oder der aufgrund desselben einzuleitenden Exekution auch nach einer Antragstellung auf Normenkontrolle beim Verfassungsgerichtshof verfügt werden kann. Auch über ein Rechtsmittel gegen eine die beantragte einstweilige Hemmung verweigernde Entscheidung kann abgesprochen werden. Ebenso können gerichtliche Handlungen, Anordnungen und Entscheidungen in Bezug auf die Ausführung des angefochtenen, die Sache erledigenden Beschlusses oder dessen Vollstreckung vorgenommen oder getroffen werden, wenn – entsprechend dem Regelfall in der ZPO – dem Rekurs keine aufschiebende Wirkung zukommt (§ 524 Abs. 1 erster Satz ZPO). Gleiches gilt auch für sonstige gesetzliche Anordnungen, nach denen die Erhebung eines Rechtsmittels nicht den Eintritt der (vorläufigen) Verbindlichkeit, Rechtsgestaltungswirkung oder Vollstreckbarkeit hemmt (wie etwa gemäß § 61 des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes – ASGG, BGBl. Nr. 104/1985).

Aufgrund der wechselseitigen wirkungsbezogenen Verknüpfung des Rechtsmittels und des gleichzeitig beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Prüfungsantrages hat das Gericht im Fall einer Antragstellung einer Partei auf Normenkontrolle die Prüfung der Rechtzeitigkeit und Zulässigkeit des Rechtsmittels möglichst unverzüglich vorzunehmen und eine allfällige das Rechtsmittel zurückweisende Entscheidung so rasch wie möglich zu treffen. Dieses Erfordernis kann das in erster Instanz tätige Gericht und auch das Rechtsmittelgericht treffen, wobei letzteres im angesprochenen Fall – wohl abweichend von der sonstigen Praxis – die Prüfung der Rechtzeitigkeit und Zulässigkeit vorzuziehen hätte, ohne gleichzeitig in eine inhaltliche Prüfung der Rechtsmittelgründe einzusteigen. Wenn das erstinstanzliche Gericht keinen Grund zur Zurückweisung des Rechtsmittels erblickt, hat es im Regelfall nach § 469 Abs. 1 ZPO vorzugehen und die Akten dem Rechtsmittelgericht vorzulegen. Falls der Verfassungsgerichtshof mit der Verständigung über die Antragstellung auf Normenkontrolle auch den Gerichtsakt anfordert, wird sich die Vorlage eines Kopienaktes an das Rechtsmittelgericht in Anbetracht der die Entscheidungsbefugnisse einschränkenden Wirkung der Antragstellung auf das Gerichtsverfahren hingegen erübrigen. Ein Kopienakt wird lediglich dann anzulegen sein, wenn über die Rechtzeitigkeit und Zulässigkeit des Rechtsmittels noch nicht (rechtskräftig) entschieden sein sollte.

Nach Einlangen des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes soll das Verfahren unverzüglich von Amts wegen vor dem Rechtsmittelgericht fortgesetzt werden. Dieses ist bei seiner Entscheidung über das Rechtsmittel an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auch insofern soll der Gleichklang hergestellt werden zwischen der Rechtswirkung einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes auf das Anlassverfahren aufgrund eines Parteiantrages auf Normenkontrolle einerseits und der bisher von den Gerichten gestellten Normprüfungsanträge andererseits.

Im Verfahren außer Streitsachen soll die vorgeschlagene Bestimmung des § 528b ZPO sinngemäß zur Anwendung kommen (vgl. den in Art. 3 vorgeschlagenen § 80a AußStrG). Die Voraussetzungen und Wirkung einer Antragstellung auf Normenkontrolle in Verfahren außer Streitsachen entsprechen jenen für das streitige Verfahren, weil in den maßgeblichen Bestimmungen des Verfassungsgerichtshofgesetzes nicht zwischen den Verfahrensarten im Anlassverfahren differenziert wird, sondern lediglich auf eine vor einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedene Rechtssache abgestellt wird. Anders als im Zivilprozess entscheidet nach § 54 AußStrG stets das Rechtsmittelgericht über die Rechtzeitigkeit und Zulässigkeit des Rechtsmittels. Hier wäre folglich nach Verständigung von einem Normenprüfungsverfahren durch den Verfassungsgerichtshof der Prozessakt (bzw. dessen für das Rekursverfahren maßgeblichen Bestandteile, vgl. § 51 Abs. 3 AußStrG) so rasch wie möglich dem Rekursgericht vorzulegen. Dieses hätte dann ausnahmsweise – wie oben bereits für das streitige Verfahren dargestellt – die Prüfung der Rechtzeitigkeit und Zulässigkeit des Rekurses vorzuziehen, ohne gleichzeitig eine inhaltliche Prüfung der Rechtssache vorzunehmen.

Die vorgeschlagene Regelung, dass Handlungen, Anordnungen oder Entscheidungen, die die vorläufige Verbindlichkeit, Rechtsgestaltungswirkung oder Vollstreckbarkeit einer Entscheidung betreffen, nicht unter die Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnisse fallen, hat für das außerstreitige Verfahren zur Konsequenz, dass Entscheidungen nach § 44 Abs. 1 AußStrG sowohl vom Erstgericht als auch vom Rechtsmittelgericht ungeachtet der Antragstellung auf Normenkontrolle getroffen werden können. Auch steht ein anhängiges Normenprüfungsverfahren Handlungen, Anordnungen oder Entscheidungen im Zusammenhang mit einer allfälligen Vollstreckung der (im Anlassverfahren für die Normenprüfung ergangenen und mit Rechtsmittel bekämpften) erstinstanzlichen Entscheidung aufgrund eines Beschlusses nach § 44 Abs. 1 AußStrG oder aufgrund einer entsprechenden gesetzlichen Regelung (vgl. etwa § 107 Abs. 2 dritter Satz AußStrG) nicht entgegen. Voraussetzung für die vorläufige Zuerkennung von Beschlusswirkungen nach § 44 Abs. 1 AußStrG ist, dass ohne diese Zuerkennung ein erheblicher Nachteil für die Partei oder die Allgemeinheit entstehen würde. Derartige Nachteile sind auch im Fall eines aus Anlass derselben Rechtssache beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Antrages auf Normenkontrolle jedenfalls zu vermeiden. Entsprechendes gilt für die Möglichkeit der Abänderung der vorläufigen Wirksamkeit oder Vollstreckbarkeit, wenn deren Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.

Die im Begutachtungsentwurf enthaltenen Ausnahmen für Verfahren über pflegschaftsgerichtliche Entscheidungen nach § 283 ABGB sowie nach dem UbG und HeimAufG haben sich als überschießend erwiesen und sollen gestrichen werden. Der Parteiantrag auf Normenkontrolle ist in diesen Verfahren daher zulässig. Das Gericht zweiter Instanz soll jedoch in den bei ihm anhängigen und im in Art. 3 vorgeschlagenen § 80a Abs. 2 AußStrG genannten Rechtsmittelverfahren auch im Fall eines aufgrund eines Parteiantrages eingeleiteten Normprüfungsverfahrens entscheiden. Dadurch sollen Nachteile für Personen, die in ihren Grundrechten eingeschränkt oder gefährdet werden, hintangehalten werden.

Zu Artikel 4 (Änderung der Strafprozeßordnung 1975):

Gemäß den in Art. 1 vorgeschlagenen §§ 57a Abs. 5 zweiter Satz und 62a Abs. 5 zweiter Satz VfGG hat das Gericht erster Instanz (BG, Einzelrichter des LG, Vorsitzender des Schöffengerichts oder Vorsitzender des Schwurgerichtshofs) den Verfassungsgerichtshof jedenfalls von seiner Entscheidung über die Rechtzeitigkeit und Zulässigkeit des eingebrachten Rechtsmittels zu verständigen.

Die Beurteilung der Rechtzeitigkeit und Zulässigkeit seiner Einbringung obliegt nur im Verfahren vor dem Landesgericht als Schöffengericht dem erkennenden Gericht und dies auch nur für den Fall der Nichtigkeitsbeschwerde, im Übrigen jedoch dem jeweiligen mit Berufung angerufenen Oberlandes- oder Landesgericht (siehe §§ 285a und 285b, 294 Abs. 4, 344, 470 Z 1 und 489 Abs. 1 StPO). Daher muss sichergestellt werden, dass die jeweils zuständige gerichtliche Instanz dem Verfassungsgerichtshof die Fälle der Zurückweisung eines Rechtsmittels mitteilt.

Die vorgeschlagenen Bestimmungen dienen daher der Verständigung des Verfassungsgerichtshofes über Beschlüsse auf Zurückweisung von Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung wegen mangelnder Rechtzeitigkeit oder Zulässigkeit.