Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

Allgemeines:

1. Im Februar 2013 hat die damalige Justizministerin Univ. Prof. Dr. Beatrix Karl eine Arbeitsgruppe mit dem Ziel eingesetzt, einen Bericht darüber vorzulegen, welche Änderungen im StGB für erforderlich erachtet werden, damit das Strafgesetzbuch – ein im Jahr 1975 epochales Werk – seine Eigenschaft als verständliche und möglichst breit akzeptierte Kodifikation dessen, was in einer demokratischen Gesellschaft mit den schärfsten Sanktionen bedroht sein soll, in vollem Umfang behält oder wiedererlangt. Der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ wurde folgender Auftrag erteilt:

„Die Strafdrohungen des gerichtlichen Strafrechts spiegeln Werthaltungen der Allgemeinheit wider, die einer Veränderung unterliegen, auf die nicht punktuell nach Art einer Anlassgesetzgebung reagiert werden soll.

Das bestehende System gestufter Strafsätze gerät auch dadurch unter Druck, dass im Rahmen von Rechtsakten der Europäischen Union Mindeststrafdrohungen harmonisiert werden, die nicht nur eine Anhebung der Strafdrohungen nach sich ziehen, sondern mitunter auch nur schwer in das System des österreichischen Strafrechts einzuordnen sind.

Die Differenzierung zwischen den Strafrahmen im Bereich der Delikte gegen Leib und Leben und den Vermögensdelikten mit ihren von Wertgrenzen abhängigen Strafsätzen wird seit Jahren kritisch betrachtet. Auf diese Kritik hat der Gesetzgeber mit diversen Maßnahmen, wie z.B. der Einführung von Untergrenzen im Bereich der Delikte gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung sowie bei Gewaltdelikten gegen Unmündige reagiert, eine systematische Aufarbeitung jedoch bislang noch nicht vorgenommen. Auf der anderen Seite ist auch zu hinterfragen, ob das System der Wertgrenzen und deren Abstufung noch mit der realen Entwicklung übereinstimmen.

Seit Inkrafttreten des StGB 1975 hat sich auch das Verständnis von den Strafzwecken verändert, einzelne Entwicklungen, wie z.B. die neuen Tatbestände der beharrlichen Verfolgung und der fortgesetzten Gewaltausübung machen die Orientierung anhand opferbezogener Faktoren deutlich. So ist etwa auch die Entwicklung im Rahmen des Einbruchsdiebstahls zu sehen, weil hier mitunter kritisiert wird, dass das Gewicht der Verletzung der Privat- und Intimsphäre keinen Widerhall in einer Differenzierung der anzuwendenden Strafrahmen findet.

Diese Überlegungen sollen auch unmittelbare Konsequenzen auf das Jugendstrafrecht und das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz mit einbeziehen.“

Das Vorhaben „StGB 2015“ fand auch Eingang in das Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung 2013 – 2018 und wurde unter Bundesminister Univ. Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter fortgesetzt.

Nach der konstituierenden Eröffnungssitzung der Arbeitsgruppe am 27. Februar 2013 traf sich diese zu insgesamt 14 weiteren Sitzungen. Letztlich wurden die Sitzungen der Arbeitsgruppe am 4. Juli 2014 abgeschlossen. Resultierend aus den erzielten Ergebnissen und Vorschlägen wurde ein Bericht (Bericht der Arbeitsgruppe „StGB 2015“) verfasst, der gemäß der Entschließung des Nationalrates vom 29. April 2014, 17 E/XXV. GP (Bericht des Bundesministers für Justiz über die Fortschritte der Reformgruppe zum Strafgesetzbuch) Ende September dem Parlament übermittelt wurde (Bericht III 104 d.B. XXV. GP) und Gegenstand der Diskussion in der 4. Sitzung des Justizausschusses am 14.Oktober 2014 war.

Die im Bericht enthaltenen Empfehlungen der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ bilden die Grundlage für den vorliegenden Entwurf. Sie beinhalten zahlreiche Vorschläge zur Strafenrelation im Sinne einer Senkung der Strafdrohungen im Bereich der Vermögensdelikte und einer Anhebung der Strafdrohungen für die qualifizierte Körperverletzung. Darüber hinaus wird eine Neugestaltung der Fahrlässigkeitsdelikte, insbesondere die Schaffung eines eigenen Tatbestandes „grob fahrlässige Tötung“ empfohlen. Dem technischen Fortschritt wird vor allem durch die Empfehlungen im Cybercrime-Bereich und dem Vorschlag eines neuen Tatbestandes des Ausspähens von Daten eines unbaren Zahlungsmittels Rechnung getragen. Den sozialen Medien kommt in der heutigen Zeit eine große Bedeutung zu, weshalb die Arbeitsgruppe es für erforderlich hielt, dem unerwünschten neuen gesellschaftlichen Phänomen „Cybermobbing“ mit einer eigenen Strafbestimmung im StGB entgegenzuwirken. Schließlich wird auch eine Vereinheitlichung und Vereinfachung hinsichtlich der Strafdrohungen von Bestimmungen, welche eine Geldstrafe alternativ zu einer Freiheitsstrafe vorsehen, angesprochen, die mit der vorgeschlagenen Aufnahme einer alternativ angedrohten Geldstrafe in allen Delikten mit einer Strafdrohung bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe erreicht werden soll.

Die vorgeschlagene Neuregelung der Gewerbsmäßigkeit (nunmehr „Erwerbsmäßige Begehung“ – siehe die Erläuterungen zu Artikel 1 Z 16, 37, 38, 74, 81, 83, 87, 88, 95 bis 97, 99, 109, 113, 115, 116, 122, 145, 152, 163, 178, 181, 206 und 207 (§§ 70, 96 Abs. 1 und 2, 130, 138 Z 4, 145 Abs. 2 Z 1, 148, 148a Abs. 2, 153d Abs. 3, 153e Abs. 1, 154 Abs. 3, 155 Abs. 1 und 2, 164 Abs. 4, 165 Abs. 1, 168a Abs. 1 Z 3, 177b Abs. 3, 184, 207a Abs. 2, 217 Abs. 1, 241a Abs. 2, 241e Abs. 2, 305 Abs. 4 Z 3 und 306 Abs. 3 StGB) – wird auch in zahlreichen Nebengesetzen Änderungen erfordern; diese sollen einem gesondertem Entwurf vorbehalten bleiben, um die Ergebnisse des gegenständlichen Gesetzgebungsverfahrens berücksichtigen zu können.

2. Darüber hinaus dienen die vorgeschlagenen Änderungen im Bereich der vermögensrechtlichen Anordnungen der Umsetzung der Richtlinie 2014/42/EU über die Sicherstellung und Einziehung von Erträgen aus Straftaten in der EU ABl. Nr. L 127 vom 29.04.2014 S. 39, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 138 vom 13.05.2014 S. 114 (im Folgenden: „RL Einziehung“), jene im Bereich der Geldfälschung der Umsetzung der Richtlinie 2014/62/EU zum strafrechtlichen Schutz des Euro und anderer Währungen gegen Geldfälschung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2000/383/JI des Rates, ABl. Nr. L 151 vom 21.05.2014 S. 1 (im Folgenden: „RL Eurofälschung“). Mit den im Bericht der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ vorgeschlagenen Änderungen soll auch die Richtlinie 2013/40/EU über Angriffe auf Informationssysteme und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2005/222/JI des Rates ABl. Nr. L 218 vom 14.08.2013 S. 8 (im Folgenden: „RL Cybercrime“) umgesetzt werden.

3. Im Bereich Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt sollen weitere Schritte gesetzt werden. Damit soll zum einen der wiederholten Bezugnahme auf dieses Thema im Regierungsprogramm für die laufende Legislaturperiode (so etwa im Justizteil auf S 85) Rechnung getragen werden. Insbesondere sollen damit auch Vorhaben des Nationalen Aktionsplans zum Schutz von Frauen vor Gewalt 2014 – 2016 umgesetzt werden, der von der interministeriellen Arbeitsgruppe „Schutz von Frauen vor Gewalt“ ausgearbeitet und am 26. August 2014 von der österreichischen Bundesregierung beschlossen wurde. Nicht zuletzt dienen die in diesem Bereich vorgeschlagenen Maßnahmen auch zur weiteren Umsetzung des von Österreich am 14. November 2013 ratifizierten und am 1. August 2014 in Kraft getretenen Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, BGBl III Nr. 164/2014.

4. Sozialbetrug verursacht jährlich Schäden in Millionenhöhe, führt zu Wettbewerbsverzerrungen und wirkt sich negativ auf den Wirtschaftsstandort Österreich aus. Das Regierungsprogramm 2013 – 2018 sieht unter anderem „Maßnahmen gegen Scheinanmeldungen“ vor (S 14). Die vorgeschlagene Änderung des § 153d StGB soll eine effizientere Bekämpfung dieses Phänomens durch die strafrechtliche Erfassung aller „betrügerischer“ Anmeldungen und die Erweiterung der Strafbarkeit auf das „Vermitteln“ bzw. „In-Auftrag-Geben“ solcher Anmeldungen bewirken.

5. Das Regierungsprogramm 2013 – 2018 sieht unter anderem auch eine Evaluierung der Tatbestände und Sanktionen im Bereich der Bilanzdelikte vor (S 85). In diesem Sinn (vgl. zur Entstehungsgeschichte im Übrigen unten bei § 163a StGB) sollen die derzeit in zahlreichen Einzelgesetzen des Gesellschaftsrechts bestehenden Straftatbestände der „Bilanzfälschung“ (§ 255 AktG, § 122 GmbHG, § 64 SEG, § 89 GenG, § 43 ORF-Gesetz, § 41 PSG, § 114 VAG (ab 1.1.2016: § 323 VAG 2016, BGBl. I Nr. 34/2015), § 18 SpaltG) durch einheitliche Straftatbestände der „Bilanzfälschung“ im StGB (§§ 163a, 163b) ersetzt werden.

6. Durch die vorgeschlagenen Änderungen im Bereich des § 283 StGB sollen u.a. Verpflichtungen aus dem Rahmenbeschlusses 2008/913/JI zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, ABl. Nr. L. 328 vom 06.12.2008 S. 55, und Vorgaben des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art, CETS Nr. 189, das von Österreich am 30. Jänner 2003 unterzeichnet und bislang noch nicht ratifiziert wurde sowie – dies sowohl im Bereich des § 283 StGB als auch des § 278 Abs. 2 StGB – Empfehlungen der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) und Empfehlungen des Ausschusses für die Beseitigung der Rassendiskriminierung (CERD) umgesetzt werden. Das Regierungsprogramm sieht in diesem Zusammenhang eine verbesserte Erfassung der Phänomenologie des (Rechts-)Radikalismus“ vor (S 85). Der Vorschlag soll aber insbesondere auch die Ergebnisse des am 14. Oktober 2014 abgehaltenen „Gipfels gegen Hass und Hetze“ reflektieren.

7. Im Jahr 2014 rückte auch der Tatbestand des „Landfriedensbruches“ vermehrt in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit (vgl. etwa den Antrag der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (Straftatbestand Landfriedensbruch), 393/A XXV. GP). Mit der vorgeschlagenen Änderung soll § 274 StGB zeitgemäß formuliert und präzisiert werden.

8. Am 14. Juli 2014 ratifizierte Österreich die Änderung des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs, mit der u.a. das Verbrechen der Aggression definiert und Bedingungen für die Ausübung der Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs über dieses Verbrechen festgelegt wurden. Nach der StGB-Novelle 2014, mit der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in das StGB aufgenommen wurden, stellt die vorgeschlagene Aufnahme des Verbrechens der Aggression in das StGB einen weiteren wichtigen Schritt zur Umsetzung des Völkerstrafrechts dar.

9. Aufgrund der in der Praxis auftretenden Umtriebe bei Zwangsversteigerungsverfahren nach der EO wurde in der Exekutionsordnung im Jahr 2014 die Möglichkeit geschaffen, bei unzulässigen Bieterabsprachen eine Ordnungsstrafe zu verhängen. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass diese Möglichkeit alleine nicht ausreicht, um derartige Malversationen im Zusammenhang mit Zwangsversteigerungsverfahren zu unterbinden, weshalb die Einführung eines gerichtlichen Straftatbestandes sinnvoll erscheint.

10. Die derzeitigen Verfahrensabläufe bei Suchtmitteldelinquenz bewirken einen hohen bürokratischen Aufwand, der eine rasche Reaktion verzögert. Dies ist gerade aus gesundheitspolitscher Sicht kontraproduktiv. Schließlich ist bekannt, dass gesundheitsbezogene Maßnahmen insbesondere dann zweckmäßig sind, wenn sie in einem frühen Stadium von Substanzmissbrauch ansetzen. Die Dauer des Suchtmittelmissbrauchs kann sich erheblich auf das Therapieverhalten und die Erfolgswahrscheinlichkeiten auswirken. Aus diesem Grund ist es bedeutsam, die gesundheitsbezogenen Maßnahmen so rasch wie möglich anzusetzen. Dahersollen die Abläufe vereinheitlicht und der Informationsfluss vereinfacht werden. Damit soll eine raschere Reaktion der Gesundheitsbehörden bei Suchtmittelmissbrauch ermöglicht werden. Die vorgeschlagenen Änderungen sollen auch zu einer erheblichen Reduktion von Anfragen an das Suchtmittelregister sowie von Stellungnahmen der Bezirksverwaltungsbehörden als Gesundheitsbehörden führen.

Mit der vorgeschlagenen Änderung soll Österreich dem internationalen Trend der Ressourcenkonzentration auf schwerwiegendere Suchtgiftdelikte folgen, ohne dass damit eine Entkriminalisierung einhergeht. Die hier vorgeschlagenen Regelungen ändern nichts an den Straftatbeständen, weshalb sie auch mit den Verpflichtungen aus internationalen Übereinkommen sowie nach Unionsrecht im Einklang stehen.

11. Die vorgeschlagenen Änderungen der Strafprozessordnung dienen im Wesentlichen der Anpassung an die neuen Bestimmungen des StGB, wobei eine Änderung der Zuständigkeit auf Grund der Anhebung der zweiten Wertgrenze und damit eine belastungsmäßig nicht verkraftbare Verlagerung der Zuständigkeit im Rechtsmittelverfahren auf die Oberlandesgerichte vermieden werden soll.

Was im Übrigen die Änderungen im materiellen Recht betrifft, so wird die Anhebung der Wertgrenzen und damit die Änderung in den Strafrahmen auch Auswirkungen auf solche Ermittlungsmaßnahmen haben, deren Zulässigkeit davon abhängt, ob der Verdacht einer vorsätzlich begangenen Straftat besteht, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist. Abgesehen davon, dass die gegenüber dem Ministerialentwurf vorgenommenen Änderungen in der Definition des § 70 StGB („Erwerbsmäßigkeit“) vorgetragenen Sorgen eines unzureichenden Ermittlungsinstrumentariums zum Teil entkräften, ist dies Ausdruck des im Bereich der Grundrechtseingriffe zu wahrenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (siehe schon § 5 Abs. 1 StPO bzw. § 173 Abs. 1 StPO: „…Bedeutung der Straftat oder zu der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis …“). Eine Öffnung der Zulässigkeitsvoraussetzungen für bestimmte Ermittlungsmaßnahmen begegnet daher grundrechtlicher Bedenken, weil damit die Bewertung des Unrechts durch den Gesetzgeber im Bereich des zur Verfügung stehenden Ermittlungsinstrumentariums nicht nachvollzogen bzw. in das Gegenteil verkehrt würde. Im Übrigen sollen die Ermittlungsmaßnahmen der Strafprozessordnung weiterhin der Aufklärung des Sachverhalts und nicht der bloßen Gefahrenabwehr dienen.

Weiters soll künftig auch hinsichtlich jener Delikte, die zwar nicht mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, jedoch in die schöffen- bzw. geschworenengerichtliche Zuständigkeit fallen, ein diversionelles Vorgehen zulässig sein und so ein breiteres Spektrum der Reaktion und Sanktionierung durch verstärkte Bezugnahme auf den Einzelfall ermöglicht werden. In Anbetracht des hohen Stellenwertes des Rechtsgutes der sexuellen Selbstbestimmung und sexuellen Integrität soll diese Ausweitung auf Straftaten im Bereich des 10. Abschnittes des Besonderen Teils des StGB, die mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, keine Anwendung finden. Im Übrigen soll insbesondere im Rahmen des Tatausgleichs sichergestellt werden, dass jedenfalls Opfer von häuslicher Gewalt über ihren Anspruch auf Prozessbegleitung, die in Betracht kommenden Opferschutzeinrichtungen belehrt werden. Die Ausgleichsverhandlungen solle in Anwesenheit der Vertretung des Opfers stattfinden, wobei dem Opfer und seiner Vertretung auch ausreichende Zeit zur Vorbereitung und Überlegung einzuräumen ist. Die Anwendung der Diversion, insbesondere des Tatausgleichs wird daher vermehrt Opferinteressen berücksichtigen, sodass auf den im Ministerialentwurf noch vorgesehenen Ausschluss der Diversion bei Vorliegen bestimmter Erschwerungsgründe verzichtet werden kann. Als weitere Maßnahme zur Verringerung der Verfahrensdauer soll es der Staatsanwaltschaft vor dem Hintergrund des Bemühens um eine zügige und effektive Verfolgung des Hauptvorwurfs künftig möglich sein, aus Opportunitätserwägungen von der Verfolgung einzelner Straftaten endgültig oder unter Vorbehalt späterer Verfolgung abzusehen und das Ermittlungsverfahren insoweit einzustellen, wenn dem Beschuldigten mehrere Straftaten zur Last liegen und dies voraussichtlich weder auf die Strafen oder vorbeugenden Maßnahmen, auf die mit der Verurteilung verbundenen Rechtsfolgen noch auf diversionelle Maßnahmen wesentlichen Einfluss hat.

Auf Ebene des Europarates gibt es verstärkt Bemühungen, dem in mehr als der Hälfte der Mitgliedstaaten bestehenden Problem der Überbelegung von Gefängnissen entgegenzuwirken. So fand am 8. und 9. Dezember 2014 das erste Treffen des Drafting Committee on Prison Overcrowding des Europarats statt. Es bestehen bereits zahlreiche Berichte, Empfehlungen und Richtlinien (ua. European Prison Rules, Council of Europe Probation Rules, Rec [2014]4, Rec [2012]12) des Europarates zur Reduktion des Überbelages von Gefängnissen. In diesen wird neben der Entkriminalisierung bestimmter Handlungen und einer Änderung der Art der geeigneten strafrechtlichen Sanktion auch der vermehrte Einsatz von die Resozialisierung fördernden Reaktionsmöglichkeiten (z. B. Diversion) empfohlen. Der vorliegende Entwurf entspricht – insbesondere im Hinblick auf die veränderte Definition und qualifizierende Wirkung der Erwerbsmäßigkeit und Anhebung der Wertgrenzen und dadurch der Milderung der anzuwendenden Strafrahmen auch diesen internationalen Empfehlungen und Zielsetzungen.

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

1.      Erhöhung der Wertgrenzen von derzeit 3 000 Euro auf 5 000 Euro und von 50 000 Euro auf 300 000 Euro

2.      Einführung einer Definition der groben Fahrlässigkeit in § 6 Abs. 3 StGB und Ersetzung des Tatbestandes „Fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen“ durch den Tatbestand „Grob fahrlässige Tötung“

3.      Erweiterung der Konfiskation

4.      Erweiterung der Aufzählung der besonderen Erschwerungsgründe

5.      Erweiterung der Anwendbarkeit des § 37 StGB und Aufnahme der alternativen Androhung einer Geldstrafe in allen Bestimmungen mit einer Strafdrohung von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe

6.      Ausdehnung der inländischen Gerichtsbarkeit nach § 64 StGB auf § 233 StGB und das Bilanzstrafrecht

7.      Ersetzung der „Gewerbsmäßigkeit“ durch die „Erwerbsmäßigkeit“

8.      Erweiterung der Aufzählung der Rechtsgüter in § 74 Abs. 1 Z 5 StGB

9.      Aufnahme einer Definition der kritischen Infrastruktur in § 74 StGB

10.    Senkung der Mindeststrafdrohung in § 79 StGB

11.    Einführung einer Qualifikation in den §§ 80, 88 StGB

12.    Neugestaltung der §§ 84 bis 87 StGB unter Differenzierung des Strafrahmen je nachdem, ob der Täter mit Misshandlungs- oder mit Verletzungsvorsatz gehandelt hat sowie Erhöhung des Strafrahmens für die qualifizierte Körperverletzung

13.    Ausdehnung der Privilegierung für Angehörige eines gesetzlich geregelten Gesundheitsberufes in § 88 StGB

14.    Einführung eines Tatbestandes „Zwangsheirat“ (§ 106a StGB)

15.    Einführung eines neuen Tatbestandes „Fortgesetzte Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems“ (§ 107c StGB) und Einführung einer Qualifikation des Selbstmordes in § 107a StGB

16.    Ausdehnung der §§ 118a, 126a und 126b StGB

17.    Senkung der Strafdrohung für Fälle des Einbruchsdiebstahles, soweit kein Einbruch in eine Wohnstätte bzw. kein Einbruch mit einer Waffe vorliegt

18.    Schaffung einer Qualifikation betreffend die kritische Infrastruktur

19.    Erweiterung des Strafrahmens für den schweren Raub von bisher 5 bis 15 Jahre auf 1 bis 15 Jahre,

20.    Streichung der Qualifikation hinsichtlich des Versetzens von Grenzzeichen (§ 147 Abs. 1 Z 2 StGB),

21.    Senkung der Strafrahmens für das Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung (§ 153c StGB)

22.    Erweiterung der Strafbarkeit des § 153d StGB

23.    Erhöhung des Betrages betreffend die Qualifikation des § 159 StGB von bisher 800.000 Euro auf 1.000.000 Euro

24.    Schaffung einheitlicher Straftatbestände der „Bilanzfälschung“ (§§ 163a, 163b StGB) unter Differenzierung zwischen Taten von der Gesellschaft angehörenden Personen (Organen) und Taten von externen Prüfern (insbesondere Abschlussprüfern) und besserer Abstimmung mit Begriffen des Gesellschafts- und Rechnungslegungsrechts

25.    Erweiterung des § 166 um die Delikte §§ 241a ff StGB

26.    Erweiterung der Privilegierung der Entwendung auf den Tatbestand der Hehlerei

27.    Streichung der lebenslangen Freiheitstrafe in § 169 Abs. 3 StGB

28.    Einführung einer neuen Strafbestimmung „Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung“ (§ 205a StGB)

29.    Erweiterung des § 207a Abs. 5 StGB

30.    Erweiterung des § 218 StGB

31.    Erhöhung des Strafrahmens des § 222 StGB

32.    Erhöhung des Strafrahmens des § 233 StGB

33.    Einführung einer neuen Strafbestimmung „Ausspähen von Daten eines unbaren Zahlungsmittels“ (§ 241h StGB)

34.    Präzisierung des § 274 StGB

35.    Aufnahme der „Verhetzung“ in die Deliktsaufzählung in § 278 Abs. 2 StGB

36.    Erweiterung des § 283 Abs. 1 StGB und Schaffung von Qualifikationen

37.    Einführung eines neuen Tatbestandes „Unzulässige Bieterabsprachen in exekutiven Versteigerungsverfahren“ (§ 292c StGB)

38.    Einführung eines neuen Tatbestandes „Verbrechen der Aggression“ (§ 321k StGB)

39.    Änderung des Fahrlässigkeitsgrades in § 303 StGB

40.    Raschere Reaktionsmöglichkeit der Gesundheitsbehörden bei Suchtmittelmissbrauch und Steigerung der Effizienz gesundheitsbezogener Maßnahmen (Vereinheitlichung der Verfahrensabläufe, Entbürokratisierung, Reduktion der Anfragen an das Suchtmittelregister)

41.    Erweiterung des Anwendungsbereichs der Diversion

42.    Berücksichtigung von Opportunitätserwägungen bei der Verfolgung einzelner Straftaten

Auswirkungen auf die Beschäftigungslage und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Strafrechtswesen) und 12 („Gesundheitswesen“).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuches):

Zu Z 1, 20, 22, 23, 30, 31, 41, 44. 103, 126, 134, 137, 140, 142, 144, 152, 161, 205 (§§ 6 Abs. 3, 80, 81, 88, 89, 104a Abs. 4, 106 Abs. 3, 159 Abs. 1 bis 3, 177e, 181c Abs. 3, 181e Abs. 1, 181g, 181i, 183a Abs. 2, 207a Abs. 2, 215a Abs. 2, § 303 StGB):

Der Begriff der groben Fahrlässigkeit ist bereits in zahlreichen Straftatbeständen enthalten (§§ 104a, 106, 159, 177c, 181c, 181e, 181g, 181i, 183a, 207a, 215 StGB sowie § 48b BörseG). Eine allgemeine Definition dieses Begriffes gibt es bisher im StGB jedoch nicht. Im Zuge der Neugestaltung der §§ 80, 81, 88, 89 StGB erscheint es sinnvoll, auch eine Definition der groben Fahrlässigkeit in den Allgemeinen Teil des StGB (§ 6 StGB) aufzunehmen.

Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der vorgeschlagenen Definition vor, wenn jemand ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig handelt, wobei der Eintritt eines dem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhaltes als geradezu wahrscheinlich vorhersehbar war. Demnach sind nur jene Fälle als grob fahrlässig einzustufen, die das gewöhnliche Maß an nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens ganz erheblich übersteigen (RIS-Justiz RS0030303). Bei der Auslegung des Begriffes kann sowohl die zivil- (vgl. RIS-Justiz RS0030644) als auch die strafrechtliche Judikatur (vgl. RIS-Justiz RS0117930 sowie RS0129425) herangezogen werden, was auch zu einer Erleichterung der Führung von Folgeprozessen vor den Zivilgerichten führen wird. So sollte dadurch auch die Beurteilung, ob ein grobes Fehlverhalten im medizinischen Bereich vorliegt, gegenüber der bisherigen Rechtslage vereinfacht werden.

Bei der Auslegung des Begriffes der groben Fahrlässigkeit soll aufgrund der Tatsache, dass der Strafrahmen für die grob fahrlässige Tötung im Vergleich zum Grunddelikt verdreifacht und bei der grob fahrlässig begangenen Körperverletzung verdoppelt wird, restriktiv vorgegangen werden.

Im Hinblick darauf, dass sich das Begriffspaar der „ungewöhnlichen und auffallenden“ Sorgfaltswidrigkeit mittlerweile nicht nur in der zivilrechtlichen Judikatur und Lehre sowie in der Auslegung des schweren Verschuldens iSv § 88 Abs. 2 StGB idgF, sondern auch sowohl in der strafrechtlichen Judikatur (siehe die vorstehenden Zitate) als auch im strafrechtlichen Schrifttum (vgl. etwa Rainer in SbgK StGB Rz 59 zu § 159 StGB; Nimmervoll in SbgK § Rz 90 zu § 104a; Schwaighofer in WK StGB2 Rz 25 zu § 106; Kirchbacher in WK StGB2 Rz 31 zu § 159; Hinterhofer in SbgK StGB Rz 73 zu § 207a; List in SbgK StGB Rz 35 zu § 215a; Rosbaud/Manquet, Die „fahrlässige Krida“ geht – was bleibt? Zur Reform des § 159 StGB, wbl 2001, 97) verfestigt hat, wird von einer gelegentlich im Begutachtungsverfahren angeregten Neuumschreibung der Kriterien für die grobe Fahrlässigkeit Abstand genommen.

Für Fälle, in denen zwar keine Begehung unter „besonders gefährlichen Verhältnissen“ nach § 81 StGB angenommen werden kann, jedoch mehrere Menschen durch eine fahrlässige Handlung zu Tode gekommen sind, erscheint eine Strafdrohung von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe unter Berücksichtigung des Stellenwertes des Rechtsguts „Leben“ zu gering. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen und eine weite Auslegung des Begriffes „grobe Fahrlässigkeit“ (um die höhere Strafdrohung des § 81 StGB anwenden zu können) in solchen Fällen zu vermeiden, wird vorgeschlagen, eine eigene Qualifikation in § 80 StGB mit einer Strafdrohung von bis zu 2 Jahren zu schaffen. Eine qualifizierte Begehung liegt somit dann vor, wenn durch die Handlung mehrere – somit zumindest zwei Personen – zu Tode kommen. Über die Empfehlung der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ hinaus wird vorgeschlagen, eine solche Qualifikation auch in die §§ 81 und 88 StGB (hier jedoch bezogen auf den Tod einer größeren Zahl von Menschen) aufzunehmen. Die Schaffung einer Qualifikation im Hinblick auf die Gefährdung einer größeren Anzahl von Personen in § 89 StGB ist nicht erforderlich, weil in diesen Fällen auf § 177 StGB – mit einer Strafdrohung von bis zu einem Jahr – zurückgegriffen werden kann. Bei der Strafdrohung für die qualifizierte Begehung darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich bei diesen Delikten lediglich um Fahrlässigkeitsdelikte handelt. Es wird daher bei qualifizierter Begehung nach § 81 Abs. 3 zwar eine Strafdrohung von 6 Monaten bis zu 5 Jahren und bei qualifizierter Begehung nach§ 88 Abs. 4 eine Strafdrohung von bis zu 3 Jahren vorgeschlagen, jedoch erscheint eine derart hohe Strafdrohung nur im Falle der Tötung/Verletzung einer größeren Zahl von Menschen gerechtfertigt.

Der Tatbestand der „Fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen“ (§ 81 StGB) ist komplex strukturiert und bereitet der Praxis immer wieder Schwierigkeiten. So sind in diesem Zusammenhang oft umfangreiche Sachverständigengutachten erforderlich und Fälle zu verzeichnen, in denen trotz auffallender und ungewöhnlicher Sorgfaltswidrigkeit keine „besonders gefährlichen Verhältnisse“ im Sinne des § 81 Abs. 1 Z 1 StGB vorlagen. Für solche Fälle erscheint eine Strafdrohung von lediglich bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe zu gering. Die Ersetzung der „Fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen“ durch die „Grob fahrlässigen Tötung“ ermöglicht nunmehr die Erfassung aller Fälle, in denen jemand ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig handelt und soll zugleich eine wesentliche Vereinfachung der Rechtslage mit sich bringen.

In der vorgeschlagenen Bestimmung wurde die bisherige Z 2 des § 81 Abs. 1 StGB (Tatbegehung unter Alkohol- oder Drogeneinfluss) in Abs. 2 unverändert übernommen. Wenngleich es sich dabei nicht notwendigerweise um grobe Fahrlässigkeit handeln muss, erscheint es dennoch gerechtfertigt, diese Fälle generell wie Fälle grober Fahrlässigkeit zu behandeln. Es würde den Zielsetzungen dieses Entwurfes gerade nicht entsprechen, hier zu differenzieren und in Fällen „bloß“ leichter Fahrlässigkeit eine geringere Strafdrohung vorzusehen als nach geltendem Recht. Die bisherige Z 3 (gefährliche Tiere) kann aufgrund der mangelnden Relevanz in der Praxis entfallen.

Die verantwortungsvolle Tätigkeit von Angehörigen der gesetzlich geregelten Gesundheitsberufe bringt es mit sich, dass schon alleine aufgrund der Tätigkeit ein erhöhtes Risiko der Verwirklichung einer fahrlässigen Körperverletzung besteht. Um diesem Umstand und dem Ultima- Ratio-Prinzip im Strafrecht Rechnung zu tragen, wird vorgeschlagen, eine eigene Privilegierung für Angehörige der gesetzlich geregelten Gesundheitsberufe – wie bereits vor der Änderung des StGB durch das Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010 – aufzunehmen. Bis zu dieser Änderung war die generelle Straflosigkeit der fahrlässigen Körperverletzung unter der (weiteren) Voraussetzung, dass kein schweres Verschulden vorgelegen ist, mit drei Tagen Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit limitiert, während die Straflosigkeit (nur) bei den gesetzlich geregelten Gesundheitsberufen bis zu 14 Tage ging. Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 wurde die Schwelle unter Berufung auf den Ultima-Ratio-Gedanken generell mit 14 Tagen festgelegt (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Budgetbegleitgesetzes 2011, 981 BlgNR XXIV. GP, hier: 88 f). Ein „Nachziehen“ bei den Gesundheitsberufen wurde damals (noch) nicht thematisiert, weshalb es keiner Sonderreglung mehr bedurfte. Ein konsequentes Fortdenken des Ultima-Ratio-Prinzips lässt eine Hervorhebung der Gesundheitsberufe jedoch sehr wohl weiterhin indiziert erscheinen. Angehörige dieser Berufsgruppe sollen somit dann nicht wegen fahrlässiger Körperverletzung strafbar sein, wenn die Körperverletzung (fahrlässig) in Ausübung des Berufes zugefügt wurde und es sich nicht um eine schwere Körperverletzung im Sinne des § 84 Abs. 31 handelt. § 84 Abs. 1 in der Fassung des vorliegenden Entwurfes entspricht den Kriterien des geltenden Rechts: abgesehen von einer an sich schweren Körperverletzung sind dies eine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit von mehr als 24 Tagen. Ab dem 25. Tag ist sohin in jedem Fall strafrechtliche Verantwortlichkeit gegeben. Soweit eine an sich schwere Körperverletzung mit einer kürzeren Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit überhaupt denkbar ist (vgl. dazu Messner in SbgK StGB § 84 Rz 48 ff), steht diese bei einer mehr als 14-tägigen, aber nicht mehr als 24-tägigen Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit einer Straflosigkeit entgegen; bei einer zwar an sich schweren aber mit einer Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit von nicht mehr als 14 Tagen verbundenen Verletzung würde Ärzten und Ärztinnen hingegen der allgemeine Straflosigkeitsgrund des Abs. 2 Z 2 zugutekommen. Die Privilegierung gilt allerdings – ebenso wie in den übrigen Fällen – nicht für grob fahrlässige Körperverletzungen. In der geltenden Fassung steht einer Straflosigkeit bei fahrlässiger Körperverletzung nach der Einleitung des § 88 Abs. 2 ein „schweres Verschulden“ des Täters entgegen. Vor dem Hintergrund eines Verständnisses dieses Begriffs, das von einer auffallenden und ungewöhnlichen Sorgfaltswidrigkeit, vom Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes und (schon derzeit) einer Interpretation im Sinne der zivilrechtlichen groben Fahrlässigkeit geprägt ist (vgl. Burgstaller/Schütz in WK2 StGB § 88 Rz 19 ff; RIS-Justiz RS0030385), kann davon ausgegangen werden, dass der Wechsel zur „groben Fahrlässigkeit“ als Ausschlussgrund für Straflosigkeit bei fahrlässiger Körperverletzung keine praktischen Konsequenzen zeitigen wird.

§ 89 StGB soll wie bisher auch vorsätzlich begangen werden können, sofern sich der Vorsatz (auch) auf die Umstände bezieht, die eine Annahme einer groben Fahrlässigkeit im Sinne des § 81 Abs. 1 oder 2 StGB rechtfertigen. Die gegenüber dem Begutachtungsentwurf geänderte Formulierung dient der im Begutachtungsverfahren gewünschten Klarstellung, welche der Fälle des § 81 StGB umfasst sein sollen.

In jenen Bestimmungen des StGB, in denen die Wendung „grob fahrlässig“ bereits enthalten ist, ist als Klammerzitat der Verweis auf den neuen § 6 Abs. 3 StGB aufzunehmen.

Zu Z 2 und 3 (§ 19a Abs. 1 und 1a StGB):

§ 19a stellt derzeit hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse an den allenfalls zu konfiszierenden Gegenständen auf die „Zeit der Entscheidung“ ab. Einer Anregung des Obersten Gerichtshofs im Begutachtungsverfahren folgend soll im Hinblick auf die Rechtsnatur der Berufungsentscheidung (vgl. Ratz, WK-StPO § 295 Rz 2) zur Steigerung der Effektivität ausdrücklich auf den Urteilszeitpunkt erster Instanz abgestellt werden.

Die Änderungen in § 19a dienen der Umsetzung des Art. 4 Abs. 1 der RL Einziehung.

Art. 4 Abs. 1 der RL Einziehung verpflichtet die Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass Tatwerkzeuge und Erträge oder Vermögensgegenstände, deren Wert diesen Tatwerkzeugen oder Erträgen entspricht, vorbehaltlich einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Straftat, auch durch Verfahren in Abwesenheit, ganz oder teilweise eingezogen werden.

Der neu eingefügte Abs. 1a erweitert den Anwendungsbereich der Konfiskation daher auf Ersatzwerte für Gegenstände nach Abs. 1. Hingegen wird entsprechend den überwiegenden Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren davon Abstand genommen, die Konfiskation auch auf Nutzungen aus den ihr unterliegenden Gegenständen zu erstrecken. Den europarechtlichen Vorgaben (vgl. Art 4 Abs. 1 iVm Erwägungsgrund 11 der RL) wird insoweit ohnehin bereits durch § 20 Abs. 2 StGB Rechnung getragen, demzufolge sich der Verfall von Erträgen aus Straftaten auch auf die Nutzungen daraus erstreckt.

Zu Z 4 (§ 33 Abs. 1 Z 5 StGB):

Durch die vorgeschlagene Änderung soll ausdrücklich klargestellt werden, dass nicht bloß rassistische und fremdenfeindliche, sondern auch andere Beweggründe, die sich gegen eine der in § 283 Abs. 1 Z 1 StGB genannten Gruppen von Personen oder ein Mitglied einer solcher Gruppe ausdrücklich wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe richten, als besonders verwerfliche Beweggründe im Sinne der Z 5 gelten. Damit soll dem gesteigerten Handlungsunwert im Bereich der Hassverbrechen (hate crimes), also strafbarer Handlungen, die aus einem bestimmten diskriminierenden Motiv heraus begangen werden, Rechnung getragen werden.

Zu Z 5 (§ 33 Abs. 1 Z 8 StGB):

Dieser Erschwerungsgrund dient der Umsetzung von Art. 9 Abs. 5 der RL Cybercrime, der einen solchen Erschwerungsgrund für die Art. 4 und 5 der RL vorsieht. Diese Bestimmungen sind innerstaatlich durch die §§ 126a und 126b StGB umgesetzt. Zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein solcher „Identitätsdiebstahl“ auch außerhalb des Computerstrafrechts begangen werden kann, soll der neu vorgeschlagene Erschwerungsgrund im allgemeinen Teil verankert werden.

Zu Z 6 und 7 (§ 33 Abs. 2 und 3 StGB):

Diese Vorschläge dienen der Umsetzung von Artikel 46 des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, BGBl III Nr. 164/2014. Nach dieser Bestimmung („Erschwerende Umstände“) treffen die Vertragsparteien die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die folgenden Umstände, soweit sie nicht bereits Tatbestandsmerkmale darstellen, im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen des internen Rechts bei der Bemessung der Strafe für die nach diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten als erschwerend berücksichtigt werden können:

a)     Die Straftat wurde gegen eine frühere oder derzeitige Ehefrau oder Partnerin im Sinne des internen Rechts beziehungsweise gegen einen früheren oder derzeitigen Ehemann oder Partner im Sinne des innerstaatlichen Rechts oder von einem Familienmitglied, einer mit dem Opfer zusammenlebenden Person oder einer ihre Autoritätsstellung missbrauchenden Person begangen;

b)     die Straftat oder mit ihr in Zusammenhang stehende Straftaten wurden wiederholt begangen;

c)     die Straftat wurde gegen eine aufgrund besonderer Umstände schutzbedürftig gewordene Person begangen;

d)     die Straftat wurde gegen ein Kind oder in dessen Gegenwart begangen;

e)     die Straftat wurde von zwei oder mehr Personen gemeinschaftlich begangen;

f)      der Straftat ging ein extremer Grad an Gewalt voraus oder mit ihr einher;

g)     die Straftat wurde unter Einsatz oder Drohung mit einer Waffe begangen;

h)     die Straftat führte zu schweren körperlichen oder psychischen Schäden bei dem Opfer;

i)      der Täter beziehungsweise die Täterin ist bereits wegen ähnlicher Straftaten verurteilt worden.

Bereits in den Erläuterungen anlässlich der Ratifizierung des Übereinkommens, 2449 BlgNR XXIV. GP, 27 f, wurde dazu ausgeführt, dass diese Erschwerungsgründe teils den Qualifikationen der einzelnen Tatbestände entsprechen (siehe etwa §§ 201 Abs. 2, 202 Abs. 2, 205 Abs. 2, 206 Abs. 3 StGB), teils eigene Tatbestände bestehen (§§ 107b, 212 StGB) und auf die nicht taxative und daher die Annahme weiterer Umstände nicht ausschließende Aufzählung zu den besonderen Erschwerungsgründen in § 33 StGB sowie auf § 39a StGB verwiesen. Zugleich wurde aber auch in Aussicht gestellt, dass zu prüfen sein wird, inwieweit sich über die bestehenden Möglichkeiten hinaus ein weiterer Umsetzungsbedarf ergeben könnte.

Zu § 33 Abs. 2 StGB:

Sofern nicht überhaupt die Strafdrohung nach § 39a StGB verschärft wird, ist es nach § 33 Abs. 2 StGB schon derzeit ein Erschwerungsgrund, wenn ein volljähriger Täter die Tat unter Anwendung von Gewalt oder gefährlicher Drohung gegen eine unmündige Person begangen hat. Diese Regelung soll im Sinne des Art. 46 lit. d des Übereinkommens um den Fall ergänzt werden, dass der (volljährige) Täter eine Tat unter Gewalt oder gefährlicher Drohung (sei es gegen eine unmündige, sei es gegen eine ältere Person) in Gegenwart einer unmündigen Person begangen hat. Dem Sinn der Istanbul-Konvention entsprechend soll es dabei Anregungen im Begutachtungsverfahren folgend jedoch nicht auf jegliche, womöglich zufällige Anwesenheit eines Kindes am Tatort irgendeiner Gewalttat (etwa bei tätlichen Ausschreitungen im Rahmen einer Sportveranstaltung) ankommen, sondern darauf, dass die Gewalt gegen eine dem Kind nahe stehende Person ausgeübt wird und dass das Kind diese Gewalt auch wahrnehmen kann. Unmittelbare Wahrnehmbarkeit im Sinne einer Anwesenheit im selben Zimmer oä ist hingegen ebenso wenig verlangt wie der Nachweis, dass das Kind die Gewalt tatsächlich wahrgenommen hat.

Da das Übereinkommen nur auf Vorsatztaten abstellt, auch § 39a StGB auf Vorsatztaten beschränkt ist und fahrlässige Körperverletzungen nach § 88 Abs. 2 Z 1 StGB bei Begehung im Familienkreis weiterhin unter bestimmten Umständen privilegiert sein sollen, wird vorgeschlagen, die Anwendbarkeit dieses Erschwerungsgrundes auf Vorsatztaten zu beschränken.

Zu § 33 Abs. 3 StGB:

Im Hinblick auf den Kreis der nach dem Übereinkommen zu erfassenden Delikte (Art. 33: Psychische Gewalt; Art. 34: Nachstellung; Art. 35: Körperliche Gewalt; Art. 36: Sexuelle Gewalt, einschließlich Vergewaltigung; Art. 37: Zwangsheirat; Art. 38: Verstümmelung weiblicher Genitalien; Art. 39: Zwangsabtreibung und Zwangssterilisierung; Art. 40: Sexuelle Belästigung) wird als Anwendungsbereich dieses Erschwerungsgrundes die strafbaren Handlungen nach dem ersten bis dritten und nach dem zehnten Abschnitt des Besonderen Teils des StGB vorgeschlagen (Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben; Schwangerschaftsabbruch; Strafbare Handlungen gegen die Freiheit; Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung).

Die vorgeschlagene Beschränkung auf Vorsatztaten empfiehlt sich aus den zu Abs. 2 angestellten Überlegungen.

Die vorgeschlagene Z 1 soll der Umsetzung von Art. 46 lit. a des Übereinkommens dienen. Nach dem Erläuternden Bericht zum Übereinkommen (hier Abs. 236) soll dieser Erschwerungsgrund verschiedene Beziehungsszenarien abdecken, deren „verbindendes Element die Position als Vertrauensperson (ist), die im Allgemeinen mit einer solchen Beziehung einhergeht, sowie der besondere psychische Schaden, der aus dem Vertrauensbruch entstehen kann, wenn eine schwere Straftat im Rahmen einer solchen Beziehung begangen wird.“ Konkret soll „dieses Szenario verschiedene Situationen abdecken, in denen die Straftat von nach innerstaatlichem Recht anerkannten Ehepartnerinnen bzw. Ehepartnern oder Partnerinnen bzw. Partnern (auch ehemaligen Ehegattinnen bzw. Ehegatten oder Partnerinnen bzw. Partnern) verübt wurde.“ Darüber hinaus soll es „auch Familienmitglieder des Opfers wie Eltern, Großeltern und Kinder sowie jede Person, die in einem familiären Abhängigkeitsverhältnis zum Opfer steht, umfassen.“ Mit Ausnahme der ehemaligen Ehegatten und Ehegattinnen, der ehemaligen eingetragenen Partnerinnen und Partner sowie der ehemaligen Lebensgefährten und Lebensgefährtinnen erscheint der gesamte Personenkreis insofern von § 72 StGB umfasst. Es empfiehlt sich daher hier auf § 72 StGB zu verweisen und den Anwendungsbereich um die genannten ehemaligen Angehörigen zu erweitern. Die Wendung „mit dem Opfer zusammenlebende Person“ bezeichnet nach dem Erläuternden Bericht zum Übereikommen Einzelpersonen, die im selben Haus wie das Opfer wohnen, ohne Teil der Familie zu sein. Zu denken wäre hier etwa an Mitbewohner einer Wohngemeinschaft. „Ihre Autorität missbrauchende“ Personen bezeichnet nach dem Erläuternden Bericht „Einzelpersonen in einer im Verhältnis zum Opfer übergeordneten Position und umfasst insbesondere Lehrkräfte und Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberinnen.“ Aus österreichischer Sicht ist hier insbesondere – soweit nicht schon anderweitig abgedeckt – an Konstellationen im Sinne des § 212 StGB zu denken.

Die vorgeschlagene Z 2 dient der Umsetzung von Art. 46 lit. c des Übereinkommens. Als „unter besonderen Umständen schutzbedürftig gewordene Personen“ nennt der Erläuternde Bericht zum Übereinkommen (Abs. 238 iVm Abs. 87) schwangere Frauen und Mütter von Kleinkindern, behinderte Personen einschließlich Personen mit kognitiven oder geistigen Einschränkungen, in ländlichen oder abgeschiedenen Gegenden lebende Personen, Konsumenten toxischer Substanzen, Prostituierte, Angehörige einer ethnischen oder nationalen Minderheit, Migrantinnen und Migranten, insbesondere Migrantinnen/Migranten und Flüchtlinge ohne Papiere, Homosexuelle, Bisexuelle oder Transsexuelle, sowie HIV-positive Personen, Obdachlose, Kinder und alte Menschen. Dieser Personenkreis geht über die Fälle des § 33 Abs. 1 Z 7 StGB (sowie der erweiterten Z 5) hinaus, weshalb eine gesonderte Regelung angezeigt erscheint. Dabei soll dieser Erschwerungsgrund nicht schon dann vorliegen, wenn das Opfer einer der erwähnten Kategorien angehört, sondern wenn der Täter eine gegebenenfalls daraus resultierende Schutzbedürftigkeit ausnützt, dh die Schutzbedürftigkeit des Opfers bewusst einkalkuliert (vgl. Philipp, WK StGB2 Rz 16 zu § 207b StGB mwN).

Die vorgeschlagene Z 3 dient der Umsetzung von Art. 46 lit. f. Nach dem Erläuternden Bericht zum Übereinkommen soll dieser Erschwerungsgrund für Taten gelten, denen Gewalttaten von extremer Schwere vorhergehen oder die von solch schweren Gewalttaten begleitet werden. Zu diesen Fällen zählen Taten von besonderer Intensität, die ein großes Risiko für das Leben des Opfers darstellen. Die vorgeschlagene Z 4 soll Art. 46 lit. g des Übereinkommens umsetzen. Der hier verwendete Waffenbegriff soll mit jenem des nach hM und stRsp für § 143 StGB entwickeltem nach funktionalen Kriterien erweiterten Waffenbegriff identisch sein, weshalb neben den Waffen im technischen Sinn (nach § 1 WaffG) auch solche Gegenstände umfasst sein sollen, die diesen nach ihrer Anwendbarkeit und Wirkung gleichkommen (stRsp: vgl. ua EvBl 2001/169, 735 und 2001/180, 772, JUS 1989/85, SSt 56/73, 53/22 = EvBl 1982/156, Mayerhofer StGB5 § 143 E 8 u 9 mwN, zust Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 143 Rz 13 ff, Lewisch BT I 216 f, Hintersteininger, SbgK § 143 Rz 19 f; abl L/St § 143 Rz 9, B/Sch BT I9 § 143 Rz 4).

Der Entwurf geht davon aus, dass die übrigen Fälle des Art. 46 des Übereinkommens im Sinne der vorstehend wiedergegebenen Ausführungen in den Erläuterungen zur Ratifizierung als bereits angemessen umgesetzt angesehen werden können.

Zu Z 8, 9, 11, 21, 24, 32 bis 37, 39, 42, 46, 47, 50 bis 52, 55 bis 58, 60, 77, 78, 91, 92, 94, 102, 105, 108, 118 bis 121, 123 bis 125, 127 bis 133, 135, 136, 138 bis 143, 146 bis 150, 153, 156 bis 160, 162, 167 bis 173, 176, 177, 179, 180, 182, 183, 185 bis 188, 194 bis 197, 199 bis 204 und 208 (§§ 37 Abs. 1 und 2, 43a Abs. 2, 80 Abs. 1, 83 Abs. 1, 91 Abs. 1 bis 2a, 94 Abs. 1, 95 Abs. 1, 96 Abs. 1 und 3, 105 Abs. 1, 107 Abs. 1, 107a Abs. 1, 107c Abs. 1, 108 Abs. 1, 109 Abs. 1, 111 Abs. 2, 120 Abs. 1, 121 Abs. 2, 122 Abs. 2, 123 Abs. 1, 126 Abs. 1, 126a Abs. 1, 126b Abs. 2, 134 Abs. 3, 135 Abs. 2, 153a, 153b Abs. 3, 153c Abs. 1, 159 Abs. 1, 160 Abs. 1, 164 Abs. 3, 170 Abs. 1, 172 Abs. 1, 174 Abs. 1, 177 Abs. 1, 177c Abs. 1 und 2, 177d, 178, 179, 181 Abs. 1 und 2, 181b Abs. 1 und 3, 181c Abs. 2, 181d Abs. 1 und 2, 181e Abs. 2, 181f Abs. 1, 181g, 181h Abs. 1, 181i, 182 Abs. 1, 193 Abs. 1, 193a Abs. 1, 195 Abs. 1, 198 Abs. 1, 200, 207a Abs. 3, 207b Abs. 1, 208 Abs. 1, 208a Abs. 1a, 211 Abs. 1 und 3, 215a Abs. 2a, 223 Abs. 1, 224a, 225a, 227 Abs. 1, 228 Abs. 1, 229 Abs. 1, 235, 236 Abs. 1, 241b, 241c, 241e Abs. 3, 241f, 241h Abs. 1, 246 Abs. 3, 248 Abs. 1, 262 Abs. 1, 265 Abs. 1, 284, 287 Abs. 1, 289, 292 Abs. 2, 293 Abs. 1, 295, 297 Abs. 1, 299 Abs. 1, 300 Abs. 1, 301 Abs. 3, 315 StGB):

Das StGB enthält eine Reihe von Delikten, die alternativ zur Androhung einer Freiheitsstrafe die Androhung einer Geldstrafe vorsehen. Dies ist insbesondere bei Delikten mit einer Strafdrohung bis zu 6 Monaten der Fall, wobei hier eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen angedroht ist. Allerdings enthält das StGB auch zahlreiche Bestimmungen, in denen alternativ zu einer bis zu einjährigen Freiheitsstrafe ebenfalls eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen angedroht ist (z. B. §§ 91 Abs. 2, 120 Abs. 181e Abs. 2 StGB).

Umgekehrt gibt es aber auch Bestimmungen, die nur eine Strafdrohung bis zu einem Jahr aufweisen (z. B. §§ 80, 96 Abs. 3, 105 Abs. 1, 107 Abs. 1, 108 Abs. 1, 200, 208 Abs. 1 StGB). Während beispielsweise die „Sittliche Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren“ nach § 208 Abs. 1 keine alternative Geldstrafe vorsieht, ist bei der „Anbahnung von Sexualkontakten zu Unmündigen nach § 208a StGB“ eine solche in Abs. 1a StGB enthalten. Zudem gibt es Delikte, die eine bis zu zweijährige Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen (z. B. §§ 123 Abs. 1, 126 Abs. 1, 126a und b Abs. 2, 134 Abs. 3 StGB), und solche, die eine bis zu dreijährige Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen vorsehen (§§ 178, 181d Abs. 2, 287 Abs. 1 StGB).

In § 37 StGB ist die Verhängung einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen nur – neben weiteren Voraussetzungen – statt der Verhängung einer Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten zulässig. Bei manchen Delikten kann daher eine Geldstrafe nur unter den engeren Voraussetzungen des § 37 StGB, bei anderen Delikten eine solche alternativ ohne weitere Voraussetzungen statt einer Freiheitsstrafe verhängt werden.

Zudem ist die Anwendung des § 37 StGB auf die Verhängung von Freiheitsstrafen bis zu 6 Monate begrenzt, während für manche Delikte die Geldstrafe auch alternativ zu einer ein-, zwei, und teilweise sogar dreijährigen Freiheitsstrafe verhängt werden kann. Es bleibt auch die Anzahl der Tagessätze (360) bei manchen Delikten ohne Unterschied, ob die Freiheitsstrafdrohung 6 Monate, ein, zwei oder 3 Jahre beträgt, gleich.

In der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ wurde auch dieses Thema angesprochen und eine Vereinfachung grundsätzlich begrüßt. Vorgeschlagen wird daher, in allen Delikten mit einer Strafdrohung von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe, die alternative Androhung einer Geldstrafe vorzusehen. Bei jenen Delikten, die eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei bzw. drei Jahren oder die Verhängung einer Geldstrafe vorsahen, wird die alternative Geldstrafe ersatzlos gestrichen, weil eine solche nicht als äquivalent zu einer Strafdrohung von bis zu zwei bzw. drei Jahren angesehen werden kann. In diesen Fällen kann eine Geldstrafe weiterhin unter Anwendung des § 37 StGB verhängt werden.

§ 19 Abs. 3 StGB normiert die Umrechnung der Geldstrafe in eine Ersatzfreiheitsstrafe. Demnach entsprechen zwei Tagessätze einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe. Legt man diese Umrechnung den alternativ vorgesehenen Geldstrafdrohungen zugrunde, so entsprechen 360 Tagessätze 6 Monate Freiheitsstrafe. Aus systematischen Gründen wird daher vorgeschlagen, alternativ zu einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Monat, eine Geldstrafe von bis zu 60 Tagessätzen, alternativ zu einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Monaten, eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen, alternativ zu einer Freiheitsstrafe von bis zu 6 Monaten, eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen und alternativ zu einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr, eine Geldstrafe von 720 Tagessätzen vorzusehen. Dies kann zwar bei jenen Delikten, bei denen bisher alternativ zu einer bis zu einjährigen Freiheitsstrafe eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen vorgesehen war, eine gewisse Strafverschärfung im Einzelfall bewirken, andererseits wird so aber bei jenen Delikten, die bisher keine Geldstrafe alternativ zu einer bis zu einjährigen Freiheitsstrafe vorsahen, die Verhängung einer solchen auch über sechs Monate hinaus ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 37 StGB ermöglicht.

Diese Änderungen sollen zum einen eine Harmonisierung der Strafrahmen bewirken und zum anderen auch der Vermeidung kurzer Freiheitsstrafen zu Gunsten einer Geldstrafe dienen. Im Hinblick auf diese Erweiterung des Anwendungsbereichs der Geldstrafe soll auch die Möglichkeit eines Aufschubs nach § 409a Abs. 2 Z 1 und 2 StPO entsprechend angepasst werden (s Artikel 3 Z 27 des Entwurfs).

Aufgrund der Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens wird nunmehr darüber hinaus vorgeschlagen, auf das Erfordernis der Generalprävention in Abs. 1 zu verzichten. Diese Änderung trägt ebenfalls dem Gedanken der Vermeidung kurzer Freiheitsstrafen zu Gunsten einer Geldstrafe Rechnung und soll zu einer einheitlichen Anwendung des § 37 StGB führen. In Abs. 2 soll wie bisher das Erfordernis der Generalprävention aufgrund der Tatsache, dass es sich hier um schwerwiegendere Delikte mit einer Strafdrohung von bis zu 10 Jahren handelt, beibehalten werden, jedoch sollen im Hinblick auf eine leichtere Anwendbarkeit die bisher geforderten besonderen Gründe entfallen.

Zu Z 8, 9, 58, 59, 89, 98 und 100 (§§ 37 Abs. 1 und 2, 123 Abs. 1, 124 Abs. 1, 152 Abs. 1, 154 Abs. 4, 155 Abs. 3 StGB):

Die Androhung einer Freiheitsstrafe neben einer Geldstrafe ist nur in fünf Bestimmungen des StGB enthalten. In der Praxis ist diese Strafenkombination bedeutungslos. Zudem gibt es die Möglichkeit, nach § 43 Abs. 2 StGB eine Kombination aus unbedingter Geldstrafe und einer bedingten Freiheitsstrafe zu verhängen. Der durch die Tat erlangte Vorteil, kann – wie bei den anderen Vermögensdelikten – durch die Bestimmungen über den Verfall (§ 20 ff StGB) ausgeglichen werden. Im Sinne einer Vereinheitlichung der Strafdrohungen kann daher auf die kumulativ angedrohte Geldstrafe verzichtet werden.

Zu Z 10 und 11 (§ 43a Abs. 1 und 2 StGB):

Mit Art 40 Z 2 und 3 des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, wurde die Möglichkeit der gänzlichen bedingten Nachsicht von Geldstrafen beseitigt und auf die Möglichkeit der bedingten Nachsicht höchstens der Hälfte beschränkt. Ausgehend von der höchstmöglichen Anzahl von 360 Tagessätzen bedeutet dies, dass gegebenenfalls 180 Tagessätze unbedingt zu verhängen sind. Umgelegt auf das nunmehr vorgeschlagene Höchstmaß an Tagessätzen, das zwar insofern eine Erhöhung möglicher Geldstrafen bedeutet, aber die Voraussetzungen für die bedingte Nachsicht von Geldstrafen nicht (weiter) erschweren möchte, soll damit diese „Obergrenze“ nicht (weiter) angehoben werden (ein Viertel von 720 Tagessätzen = 180 Tagessätze).

Abs. 2 soll (gleichfalls) an § 37 StGB angepasst werden. Demnach soll es künftig zulässig sein, statt einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr, eine Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu verhängen und den Rest der Strafe bedingt nachzusehen.

Zu Z 12 (§ 58 StGB):

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Frage der Verjährung grundsätzlich nach dem im Entscheidungszeitpunkt geltenden Recht zu beurteilen, es sei denn, die Verjährung der Strafbarkeit wäre nach dem zur Tatzeit geltenden Recht innerhalb dessen Geltungsdauer bereits eingetreten (RIS-Justiz RS0116876). Mit der Auswirkung einer geänderten Rechtslage auf den Lauf von (nach alter Rechtslage) unterbrochenen bzw. gehemmten Verjährungsfristen hatte sich der OGH bereits mehrmals auseinanderzusetzen. Dabei hat er – zusammengefasst – gegensätzliche Standpunkte eingenommen.

In der Entscheidung vom 6. April 1973, 11 Os 203, 204/72, hatte sich der OGH mit der Konstellation auseinanderzusetzen, dass durch Gesetzesänderungen im StG im Jahr 1971 im Bereich der Strafdrohungen für fahrlässige Tötung und grob fahrlässige Körperverletzung unter gleichzeitiger Beibehaltung der Verjährungsregelung eine fahrlässige Tötung der Rechtslage nach rascher verjährte als eine fahrlässige Körperverletzung (vgl. dazu Durl, Keine Rückwirkung günstigeren Verjährungsrechts bei „rechtzeitiger“ Hemmung der Verjährung, JBl 2011, 91, 97 unter Verweis auf Burgstaller, RZ 1874, 1ff). (Hervorhebung hinzugefügt, Anm.). Dies veranlasste den OGH zur Formulierung des folgenden Rechtssatzes: „Eine nach früherem Recht eingetretene Unterbrechung der Verjährung kann durch günstigere neuere Verjährungsbestimmungen ohne ausdrückliche gesetzliche Vorschrift rückwirkend nicht außer Wirksamkeit gesetzt werden“ (vgl. RIS-Justiz RS0091909). Auf diesen Rechtssatz rekurrierte der OGH in den Entscheidungen vom 17. Juli 2008, 12 Os 78/08z, 79/08x, 80/08v und vom 16. Dezember 2008, 11 Os 170/08x, 171/08v in Bezug auf eine nach der Rechtslage vor Inkrafttreten der Strafprozessreform mit 1.1.2008 eingetretene Verjährungshemmung. Der OGH führte ergänzend aus: „Die Verjährung ist ein Strafaufhebungsgrund, was bedeutet, dass die zunächst gegebene Strafbarkeit einer Tat zu einem darauf folgenden Zeitpunkt (durch Fristablauf) beseitigt wird. Verjährungsbestimmungen entfalten somit erst mit Ablauf der Verjährungsfrist strafbefreiende Wirkung, wobei das Gesetz Umstände determiniert, die eine Verlängerung dieser Frist (Hemmung) nach sich ziehen. Der Begriff „Hemmung" beschreibt einen prozessualen Zustand, in dem der An-, Ab- oder (wie hier) Fortlauf der Verjährungsfrist – de facto – gehindert ist. Ein bereits eingetretener Zustand wird aber durch eine nachträgliche Änderung der Normensituation nicht beseitigt, aus welchem Grund auch eine schon erfolgte Hemmung durch eine Gesetzesänderung nicht rückwirkend unwirksam wird.“ Während die Entscheidung vom 6. April 1973, 11 Os 203, 204/72 eine Änderung der Strafdrohungen von Straftatbeständen betrifft, beschäftigen sich die Entscheidungen vom 17. Juli 2008, 12 Os 78/08z, 79/08x, 80/08v und vom 16. Dezember 2008, 11 Os 170/08x, 171/08v mit einer Änderung im Bereich der Verjährungsbestimmungen.

Aus diesen Entscheidungen ließe sich der Schluss ziehen, dass eine Änderung der Rechtslage – sei sie auch zu Gunsten des Angeklagten – eine einmal eingetretene Hemmung bzw. Unterbrechung der Verjährungsfrist nicht berührt, eine „nachträgliche Verjährung“ somit ausgeschlossen ist.

In anderen Entscheidungen nahm der OGH jedoch einen gegenteiligen Standpunkt ein: In der Entscheidung vom 26. November 1980, 11 Os 71/80, betreffend eine Privatanklage wegen §§ 11, 12 UWG wurden zwischen dem Urteil erster Instanz und der Entscheidung des OGH die Strafdrohungen herabgesetzt, womit eine Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr einherging. Der OGH stellte fest, dass es binnen einen Jahres ab dem Tatzeitpunkt zu keinen verjährungshemmenden Maßnahmen gekommen war und führte sodann aus: „Die nach der Art der inkriminierten Delikte nicht verlängerbare (§ 58 Abs. 1 StGB.) einjährige Verjährungsfrist lief selbst bei Bedachtnahme auf den § 58 Abs. 2 StGB somit ungehemmt im Sinn des § 58 Abs. 3 StGB ab bevor noch wegen der inkriminierten Taten gegen die Angeklagten ein Strafverfahren bei Gericht anhängig war.“ Der OGH nahm hier keinerlei Bezug darauf, dass nach alter Rechtslage die Verjährung rechtzeitig gehemmt worden war. Zu einem vergleichbaren Ergebnis kam der OGH in der Entscheidung vom 20. Jänner 2014, 12 Os 117/12s, 118/12p in Bezug auf einen nach § 255 AktG zu beurteilenden Sachverhaltskomplex.

Anregungen im Begutachtungsverfahren folgend, soll nun in § 58 StGB das allgemeine Prinzip eingeführt werden, dass eine nach früherem Recht rechtzeitig eingetretene Hemmung der Verjährung durch günstigere neue Bestimmungen nicht rückwirkend unwirksam wird. Wäre durch eine spätere Änderung des Gesetzes die Tat im Zeitpunkt der Verjährungshemmung nach dem neuen Recht bereits verjährt gewesen, so bleibt die einmal eingetretene Hemmung der Verjährung dennoch wirksam.

Für im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits anhängige Ermittlungsverfahren wird überdies die in Art. 12 § 2 enthaltene Übergangsregel vorgeschlagen (vgl. die Ausführungen zu Art. 12).

Zu Z 13 und 174 (§ 64 Abs. 1 Z 4, § 233 StGB):

Die Änderungen in § 64 Abs. 1 Z 4 dienen der Umsetzung der Art. 8 Abs. 1 lit. b und Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2014/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zum strafrechtlichen Schutz des Euro und anderer Währungen gegen Geldfälschung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2000/383/JI des Rates, ABl. L 2014/151, 1 (im Folgenden: RL Eurofälschung).

Art. 8 Abs. 1 lit. b der RL Eurofälschung verpflichtet die Mitgliedstaaten, eine gerichtliche Zuständigkeit für Straftaten nach Art. 3 und 4 vorzusehen, wenn es sich beim Straftäter um einen ihrer Staatsangehörigen handelt. Art. 3 und 4 bedrohen im Wesentlichen jenes Verhalten mit Strafe, das in §§ 232 und 233 StGB vertypt ist. Dass die Mitgliedstaaten die eigene gerichtliche Zuständigkeit auch von der Strafbarkeit am Tatort abhängig machen können, ist in der RL Eurofälschung nicht vorgesehen, weswegen die Bestimmung des § 65 Abs. 1 Z 1 StGB für die Erfordernisse der Umsetzung unzureichend scheinen. Im Ergebnis wird deswegen vorgeschlagen, die Bestimmung des § 64 Abs. 1 Z 4 StGB, die derzeit bereits eine Zuständigkeit für § 232 StGB vorsieht, auf § 233 zu erweitern.

Art. 5 Abs. 4 der RL Eurofälschung würde es zur Umsetzung notwendig machen, die Strafdrohung für das Grunddelikt in § 233 Abs. 1 StGB auf fünf Jahre Freiheitsstrafe anzuheben; derzeit beträgt die Strafdrohung bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe. § 233 Abs. 2 StGB sieht ebenso eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vor, wenn die Wertqualifikation von 50 000 Euro überschritten wird. Bei Anhebung der Strafdrohung in Abs. 1 auf fünf Jahre Freiheitsstrafe ergibt sich aufgrund dessen ein Missverhältnis weswegen gleichzeitig vorgeschlagen wird, die Wertqualifikation auf 300 000 Euro anzuheben, wie dies bereits für die Vermögensdelikte vorgeschlagen wird, und unter einem den Strafrahmen auf ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe zu erhöhen, um ein ausgewogenes Verhältnis zu § 232 StGB zu erreichen. Die Weitergabe und der Besitz nachgemachten oder verfälschten Geldes im Umfang von mehr als 300 000 Euro setzt eine gewisse Professionalität und Organisation der Begehung der Straftat voraus, wie es mit der Geldfälschung nach § 232 StGB vergleichbar ist, weswegen die Höhe der Strafdrohung verhältnismäßig und gerechtfertigt erscheint.

Zu Z 14 (§ 64 Abs. 1 Z 4a StGB):

Da vorgeschlagen ist, die Qualifikation des § 106 Abs. 1 Z 3 in einen eigenen Tatbestand (§ 106a StGB) überzuführen, ist auch dieser – wie die bisherige Qualifikation – entsprechend den internationalen Vorgaben in § 64 Abs. 1 Z 4a aufzunehmen.

Zu Z 15 (§ 64 Abs. 1 Z 11):

Auch wenn die in den §§ 163a, 163b erfassten Tathandlungen – jedenfalls in Bezug auf Verbände, die die Hauptniederlassung oder den Sitz im Inland haben – regelmäßig im Inland begangen werden, kommt es doch bisweilen vor, dass einzelne Tathandlungen im Ausland gesetzt werden, z. B. indem eine Sitzung des Aufsichtsrates im Ausland abgehalten wird.

Daher wird vorgeschlagen, dass es bei Taten nach den §§ 163a, 163b, die im Ausland in Bezug auf Verbände, die die Hauptniederlassung oder den Sitz im Inland haben, begangen wurden, auf die Strafbarkeit am Tatort nicht ankommen soll (§ 64 Abs. 1 Z 11). Dies dient dem Schutz wichtiger Interessen Österreichs (Schutzprinzip).

Für Taten in Bezug auf die nach § 163c Z 12 erfassten bestimmten ausländischen Verbände soll es bei der allgemeinen Regel bleiben, also Strafbarkeit nur bei Handeln im Inland (§§ 62, 67 Abs. 2), bei Handeln im Ausland nur nach Maßgabe der Gesetze des Tatorts (§ 65).

Zu Z 16, 37, 38, 74, 81, 83, 87, 88, 95 bis 97, 99, 109, 113, 115, 116, 122, 145, 152, 163, 178, 181, 206 und 207 (§§ 70, 96 Abs. 1 und 2, 130, 138 Z 4, 145 Abs. 2 Z 1, 148, 148a Abs. 2, 153d Abs. 3, 153e Abs. 1, 154 Abs. 3, 155 Abs. 1 und 2, 164 Abs. 4, 165 Abs. 1, 168a Abs. 1 Z 3, 177b Abs. 3, 184, 207a Abs. 2, 217 Abs. 1, 241a Abs. 2, 241e Abs. 2, 305 Abs. 4 Z 3 und 306 Abs. 3 StGB):

Nach der bisherigen Definition in § 70 StGB war eine strafbare Handlung dann als gewerbsmäßig anzusehen, wenn sie in der Absicht begangen wurde, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Damit sollte dem größeren Gesinnungsunwert und der größeren Gefahr für die Gesellschaft, welche von einem Wiederholungstäter ausgeht, entsprechend Rechnung getragen werden.

Nach der Rechtsprechung genügt für die Annahme der Gewerbsmäßigkeit eine einzige (auch nur versuchte) Tat, wenn darin unter Berücksichtigung ihrer Begleit- und Nebenumstände die Absicht des Täters klar und unmissverständlich zum Ausdruck kommt, sich durch die wiederkehrende Begehung von Straftaten desselben Deliktstypus eine fortlaufende Einnahme verschaffen zu wollen (RIS-Justiz RS0108366). Auch bloß geringfügige Nebeneinkünfte können nach der Rechtsprechung gewerbsmäßig angestrebt werden, wenn sie als Gesamtheit die Bagatellgrenze übersteigen (SSt 59/80). Dem Täter muss es zudem darauf ankommen, durch die wiederkehrende Begehung zumindest für einen längeren Zeitraum ein Einkommen zu erzielen. Größere zeitliche Abstände zwischen den Taten schließen die Gewerbsmäßigkeit grundsätzlich nicht aus (RIS-Justiz RS0092322; EvBl 1978/199).

Die bisherige Definition der „Gewerbsmäßigen Begehung“ führt dazu, dass die Strafdrohung lediglich aufgrund der subjektiven Tatseite um ein vielfaches höher ist als für das Grunddelikt. Dies erscheint jedoch in Fällen, in denen jemand mehrere Taten mit jeweils geringem Wert der Beute begangen hat, nicht gerechtfertigt.

Die Arbeitsgruppe „StGB 2015“ empfahl daher eine Neuregelung der Gewerbsmäßigkeit, wobei insbesondere auch auf objektive Kriterien bei der Beurteilung abgestellt werden soll.

Vorweg genommen sei, dass sich im Begutachtungsverfahren die Neubezeichnung „Erwerbsmäßigkeit“ anstelle des von der Arbeitsgruppe vorgeschlagenen Begriffes der „Berufsmäßigkeit“ herauskristallisiert hat und soll dieser Einschätzung gefolgt werden.

Um den im Begutachtungsverfahren geäußerten Bedenken betreffend eine zu weite Einschränkung der Regelung und damit Nichterfassung wesentlicher Fälle der Erwerbsmäßigkeit Rechnung zu tragen, wird vorgeschlagen, mehrere objektive Kriterien alternativ neben der – zusätzlich zu dem mindestens einem objektiven Kriterium – geforderten Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung ein nicht bloß geringfügiges Einkommen zu verschaffen, vorzusehen.

In Z 1 sollen jene Fälle erfasst werden, in denen der Täter professionelles Werkzeug beispielsweise zur Begehung von Einbrüchen oder auch besonders präparierte Taschen zur Begehung von Diebstählen verwendet. Darüber hinaus sollen auch besondere Fähigkeiten, wie sie ua. bei der Begehung von Taschen- oder Trickdiebstählen eingesetzt werden, erfasst werden.

Z 2 soll jenen Fällen Rechnung tragen, in denen eine Person bereits nach der ersten Tat betreten wird und schon weitere Taten geplant hat. Dies kann beispielsweise Fälle betreffen, in denen der Täter eine Karte mit weiteren Zielen zur Begehung von Einbrüchen mitführt. Die bloß unbestimmte Absicht, in Zukunft weitere Taten zu begehen, reicht hier jedoch noch nicht aus. Die Taten müssen schon im Einzelnen konkret geplant und der Entschluss zur Tatbegehung bereits gefasst sein. Eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung ist allerdings nicht erforderlich. Das Versuchsstadium muss noch nicht erreicht sein.

Unter dem Begriff „solche Taten“ ist die Verwirklichung gleichartiger Taten zu verstehen. So kommt als Vortat für einen erwerbsmäßigen Diebstahl (§ 130 erster Fall) nur ein Diebstahl in Betracht, nicht jedoch beispielsweise ein Betrug. Die Vortaten müssen andererseits aber nicht zwingend ebenfalls erwerbsmäßig begangen worden sein. Bei jenen Delikten, bei denen die Erwerbsmäßigkeit strafbarkeitsbegründend wirkt, ist bereits dann von einer „solchen Tat“ zu sprechen, wenn die im Tatbestand umschriebene Handlung gesetzt wurde, die per se noch nicht strafbar ist. Es ist somit nicht erforderlich, dass auch schon die Vortaten erwerbsmäßig begangen worden sind, andernfalls könnten diese Tatbestände nicht mehr verwirklicht werden. Für die erste Variante in Z 3 kommen nur bereits rechtskräftige Verurteilungen oder mitangeklagte, feststellbare Taten (z.B. mehrere gemeinsam angeklagte Diebstahlsfakten) in Betracht, da sonst ein Spannungsverhältnis zur Unschuldsvermutung entstehen würde. Die Vorverurteilung im zweiten Fall der Z 3 muss ebenfalls bereits rechtskräftig sein. Nach Abs. 3 dürfen zudem nur solche Taten herangezogen werden, deren Begehung nicht länger als ein Jahr zurückliegt, wobei Zeiten behördlicher Anhaltung nicht einzurechnen sind. Die als zweiter Fall in Z 3 erfasste Vorverurteilung darf ebenfalls nicht länger als ein Jahr zurückliegen. Auch hier sind Zeiten behördlicher Anhaltung nicht einzurechnen.

Zusätzlich zu mindestens einem der in den Z 1 bis 3 angeführten Kriterien ist erforderlich, dass der Täter in der Absicht handeln muss, sich durch die wiederkehrende Begehung eine längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges, fortlaufendes Einkommen zu verschaffen.

In der Praxis ist es nicht selten so, dass die subjektive Tatseite insbesondere in Fällen, in denen diese mangels geständiger Verantwortung bzw. eines keinen Zweifel lassenden Vorlebens nicht auf dieser Basis festgestellt werden kann, aus objektiven Umständen erschlossen werden muss. Inwieweit dazu die Kriterien nach Abs. 1 Z 1 bis 3 herangezogen werden können, wird einzelfallbezogen zu prüfen sein. Grundsätzlich gibt es aber jedenfalls keineswegs eine Automatik, wonach bei Vorliegen eines der Kriterien jedenfalls Erwerbsmäßigkeit indiziert sein würde.

Teils dem im Begutachtungsverfahren artikulierten Wunsch nach Klarstellung geschuldet, teils im Sinne eines bewussten Abstellens auf die Begrifflichkeit der „Gewerbs/Berufs/Erwerbsmäßigkeit“ im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs (und damit auch in Abgrenzung zur bloßen Rückfalls- oder Wiederholungstäterschaft nach den §§ 39 bzw. 33 Abs. 1 Z 1 und 2 StGB) soll nach Abs. 2 unter einem nicht bloß geringfügigen Einkommen künftig ein Einkommen von mehr als 400 Euro monatlich (bei einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung) zu verstehen sein. Wenngleich nicht verkannt wird, dass jene Delikte, bei denen die Erwerbsmäßigkeit weiterhin zu einer drastischen Erhöhung des Strafrahmens führen soll, keine Bagatellgrenze kennen, sei in diesem Zusammenhang doch darauf hingewiesen, dass nach der Judikatur die Geringfügigkeitsgrenze im StGB grundsätzlich gegebenenfalls bereits für eine Einzeltat (und nach der Vorstellung des Täters auch dabei bleibend) bei rund 100 Euro anzunehmen ist (vgl. RIS-Justiz RS0120079, zuletzt 14 Os 12/15y). Insofern sollte sich daher anders als derzeit (vgl. RIS-Justiz RS0103994) eine gegenüber der Einzeltat die Vervielfachung der Strafdrohung nach sich ziehende „Erwerbsmäßigkeit“ doch einigermaßen auch wertmäßig von der Geringfügigkeitsschwelle für eine Einzeltat unterscheiden. Der Betrag von 400 Euro orientiert sich hierbei an der „Geringfügigkeitsgrenze“ im Sozialrecht, die derzeit bei 405,98 Euro liegt bzw. an der Hälfte der Mindestsicherung (die derzeit bei Alleinverdienern knapp über 800 Euro liegt). Dabei soll nicht erforderlich sein, dass der Wert der Beute jeder einzelnen Tat 400 Euro übersteigt bzw. jedes Monat mehr als 400 Euro erbeutet werden soll. Es soll genügen, wenn der Täter bei einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung mehr als 400 Euro monatlich einnimmt bzw. einnehmen möchte.

In jenen Bestimmungen des StGB, in denen der Begriff „gewerbsmäßig“ enthalten ist, ist dieser durch den Begriff „erwerbsmäßig“ zu ersetzen.

Zu Z 17 (§ 74 Abs. 1 Z 5 StGB):

Bislang umfasste die Aufzählung der Rechtsgüter in § 74 Abs. 1 Z 5 StGB die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit, die Ehre und das Vermögen. Aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung erscheint diese Aufzählung jedoch zu eng und daher nicht mehr zeitgemäß. Dies zeigt auch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 23.Jänner 2014 zu 12 Os 90/13x. Darin wurde ausgeführt, dass die Ankündigung der Aufdeckung einer bestimmten sexuellen Orientierung alleine noch nicht als Drohmittel im Sinne des § 74 Abs. 1 Z 5 StGB angesehen werden könne. Der Oberste Gerichtshof argumentierte, dass hier keine Verletzung der Ehre vorliege, weil sich die Werthaltungen der Gesellschaft zur Homosexualität wesentlich geändert habe. Die Bekanntgabe der sexuellen Orientierung könne gegebenenfalls dann als gefährliche Drohung qualifiziert werden, wenn damit auch eine Verletzung am Vermögen einherginge. Auch die Offenbarung sonstiger persönlicher Lebensumstände wie beispielsweise eines religiösen Bekenntnisses, einer Behinderung oder Erkrankung oder auch die Aufnahme von Nacktfotos, allenfalls verknüpft mit deren Veröffentlichung stellen nach der Rechtsprechung keine Ehrverletzung dar (RIS-Justiz RS0129288). Allerdings liege im Falle der Veröffentlichung von Nacktfotos nach der Rechtsprechung dann eine Verletzung an der Ehre vor, wenn diese vom Opfer nicht gewollt und die Androhung damit verbunden sei, dem Opfer die gebotene achtungsvolle Behandlung zu verweigern und so sein Ansehen in der Öffentlichkeit herabzusetzen. Durch die angedrohte Veröffentlichung werde dem Opfer nämlich in Aussicht gestellt, in der Öffentlichkeit den Eindruck eines Anstoß erregenden Verhaltens bis hin zur Schamlosigkeit zu erwecken (12 Os 52/14k). In dem dieser Entscheidung zugrundeliegendem Fall drohte der Täter 12- bis 14jährigen Mädchen die Veröffentlichung ihrer Fotos, auf denen sie lediglich mit Unterwäsche bekleidet waren, mit Bekanntgabe ihrer Telefonnummer im Internet an.

Die nur teilweise bzw. im Lichte der zitierten Judikatur des Obersten Gerichtshofs nicht ganz eindeutig erscheinende Erfassung solcher Fälle durch die geltende Definition in § 74 Abs. 1 Z 5 StGB ist unbefriedigend, zumal eine solche Drohung für die Opfer eine ebenso große Drucksituation schaffen kann, wie beispielsweise die Drohung mit einer Verletzung am Vermögen. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wird vorgeschlagen, die Aufzählung in § 74 Abs. 1 Z 5 StGB um die Drohung mit der Bekanntgabe von Tatsachen oder der Zugänglichmachung von Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches zu erweitern.

Der Begriff des höchstpersönlichen Lebensbereiches deckt sich mit dem des Privat- und Familienlebens in Art. 8 MRK. Dazu zählen ua. das Sexualleben, der sensible Bereich des Familienlebens, Krankheiten, Behinderungen und religiöse Ansichten (Rami in WK StGB² Rz 4 zu § 7 MedienG). Freilich ist auch in diesen Fällen einzelfallbezogen zu prüfen, ob die Drohung geeignet ist, der bedrohten Person mit Rücksicht auf die Verhältnisse und ihre persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen. Nicht erfasst sind Angelegenheiten des Geschäfts- oder Berufslebens (Rami aaO), wobei hier allerdings ohnehin zumeist eine Drohung mit einer Verletzung am Vermögen vorliegen dürfte.

Tathandlung ist das Zugänglichmachen, Bekanntmachen oder Veröffentlichen. In der ersten Variante genügt es, wenn die Möglichkeit des Zugriffs auf den Inhalt eröffnet wird. Bekanntmachen ist unmittelbare Mitteilung, beim Zugänglichmachen muss der Empfänger erst den vom Täter eröffneten Zugang benützen, um sich das Geheimnis zu verschaffen. Es macht also bekannt, wer das Geheimnis einem anderen schriftlich oder mündlich mitteilt, und es macht zugänglich, wer z.B. dem Empfänger Zugang zu einem Raum verschafft, wo sich geheime Unterlagen befinden. „Veröffentlichen“ bedeutet, dass die Tatsachen einem unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werden. Der Begriff „Tatsachen“ umfasst hier auch unrichtige Tatsachen, da eine Drohung mit der Veröffentlichung oder Bekanntgabe von falschen Behauptungen betreffend beispielsweise Krankheiten oder das Veröffentlichen von Nacktfotos, die mit Hilfe von Fotomontage erstellt worden sind, ebenso geeignet sein kann, dem Bedrohten begründete Besorgnis einzuflößen, wie eine Drohung mit der Bekanntgabe von beispielsweise tatsächlich bestehender Krankheiten. Ein gänzlicher Entfall der Aufzählung der Rechtsgüter – wie von der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ empfohlen – könnte einerseits zu einem Spannungsverhältnis mit dem Bestimmtheitsgebot führen, weil das mögliche Spektrum an Drohungen überhaupt nicht eingegrenzt und die angesprochene Eignung der Drohung, der bedrohten Person begründete Besorgnis einzuflößen, das einzige relevante Kriterium wäre, andererseits insofern zu weit gehen, als dann auch Drohungen erfasst sein könnten, die nicht strafwürdig erscheinen, wie beispielsweise die Drohung mit einem Suizid.

Zu Z 18 (§ 74 Abs. 1 Z 11 StGB):

Derzeit gibt es im StGB noch keine Definition des Begriffes der „kritischen Infrastruktur“.

Da der Begriff der „kritischen Infrastruktur“ durch die Änderungen insbesondere im Bereich des Computerstrafrechts nunmehr aber in mehreren Bestimmungen des StGB enthalten ist, erscheint die Schaffung einer allgemeinen Definition in § 74 StGB sinnvoll. Die Arbeitsgruppe „StGB 2015“ empfahl die Übernahme der in § 22 Abs. 1 Z 6 SPG enthaltenen Definition, wobei der Entwurf zur SPG-Novelle 2014 zu dieser Bestimmung zuvor auch Gegenstand der Diskussion einer Sitzung der Arbeitsgruppe war. In den Erläuternden Bemerkungen zur SPG-Novelle 2014 wird zur Definition der „kritischen Infrastruktur“ Folgendes ausgeführt: „Die vorgeschlagene Definition orientiert sich an den im Masterplan „Österreichisches Programm zum Schutz Kritischer Infrastruktur“ (APCIP) abgebildeten Sektoren, der Definition von kritischer Infrastruktur in Art. 2 lit. a der RL zum Schutz kritischer Infrastrukturen und der derzeit bestehenden Regelung in § 126 Abs. 1 Z 5 StGB. Der Begriff der Informations- und Kommunikationstechnologie umfasst jegliches Kommunikationsinstrument oder Kommunikationsanwendung, inklusive Radio, Fernsehen, Mobiltelefonie, Hardware und Software für Computer und Netzwerke, Satellitensysteme sowie die verschiedenen Dienstleistungen und Anwendungen, die damit verbunden sind. Darunter fallen beispielsweise die von staatlicher Seite geführten Rechenzentren oder der gesamte elektronische Zahlungsverkehr. Der Begriff „öffentlich“ ist in diesem Zusammenhang als im Sinne der Allgemeinheit zugänglich bzw. für diese bestimmt zu verstehen, unabhängig davon, ob ein Privater oder der Staat Betreiber der kritischen Infrastruktur ist.“

Aus gegebenem Anlass wird festgehalten, dass der Begriff des „öffentlichen Gesundheitsdienstes“ im Sinne dieser Bestimmung auch die Sozialversicherungsträger umfasst. Aufgrund von Anregungen im Begutachtungsverfahren soll die Definition auch die Landesverteidigung umfassen, weil diese als gleichwertig mit dem Ziel der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit anzusehen ist. Darüber hinaus wird vorgeschlagen, auch die Abfallentsorgung und das Kanalwesen aufzunehmen, weil beiden Bereichen insbesondere in großen Städten eine wesentliche kommunale und im allgemeinen Interesse liegende Bedeutung zukommt.

Zu Z 19 (§ 79 StGB):

Bei Strafdrohungen mit einer Strafobergrenze von fünf Jahren beträgt die Strafuntergrenze üblicherweise sechs Monate. Aus systematischen Gründen empfiehlt sich daher, die Mindeststrafdrohung auf sechs Monate Freiheitsstrafe herabzusetzen. Diese Änderung führt in der Praxis auch nicht generell zu einer niedrigeren Bestrafung wegen Taten nach § 79 StGB, sondern eröffnet den Gerichten lediglich die Möglichkeit, in Fällen, in denen eine höhere Strafe nicht angemessen erscheint, eine Freiheitsstrafe ab sechs Monaten zu verhängen.

In Übereinstimmung mit der Empfehlung der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ wird daher vorgeschlagen, die Mindeststrafdrohung in § 79 StGB auf sechs Monate herabzusetzen.

Zu Z 25 bis 29 (§§ 84 bis 87 StGB):

Die von der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ vorgeschlagenen Änderungen im Bereich der vorsätzlichen Körperverletzungsdelikte sollten zum einen eine Harmonisierung der Strafdrohungen bewirken und zum anderen Probleme in der Praxis beseitigen.

Zudem wurde daher vorgeschlagen, dem Unterschied zwischen der Begehung nach § 83 Abs. 1 (Verletzungsvorsatz) und 2 (Misshandlungsvorsatz) dadurch Rechnung zu tragen, dass die Strafdrohung in den Fällen des § 83 Abs. 1 StGB unverändert bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe betragen sollte, während in den Fällen des Abs. 2 die Strafdrohung auf bis zu 6 Monate Freiheitsstrafe gesenkt werden sollte. Im Rahmen der Neugestaltung der Körperverletzungsdelikte wurde auch vorgeschlagen, in § 83 StGB einen Abs. 3 einzufügen, der dem bisherigen § 84 Abs. 1 StGB entsprochen hätte. Im neuen Abs. 4 sollte der bisherige § 85 StGB eingefügt werden. In beiden Absätzen sollte dem unterschiedlichen Unrechtsgehalt der Taten nach Abs. 1 und 2 dadurch Rechnung getragen werden, dass im neuen Abs. 3 die Strafdrohung für eine schwere Körperverletzung im Fall des Abs. 1 mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren und im Fall des Abs. 2 mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bedroht gewesen wäre. Für Taten nach Abs. 4 sollte die Strafdrohung im Fall des Abs. 1 sechs Monate bis 5 Jahre betragen, im Fall des Abs. 2 bis zu 3 Jahre Freiheitsstrafe. Für eine Körperverletzung mit tödlichem Ausgang sollte im Abs. 1 für Fälle des § 83 Abs. 1 StGB eine Strafdrohung von einem bis zu 10 Jahren und für Fälle des § 83 Abs. 2 StGB eine Strafdrohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorgesehen werden.

Darüber hinaus wurde vorgeschlagen, die Strafdrohung für die schwere Körperverletzung in § 84 StGB auf 6 Monate bis 5 Jahre anzuheben. Zugleich sollte – im Unterschied zum neuen § 83 Abs. 3 StGB – ein zumindest bedingter Vorsatz Tatbestandsvoraussetzung sein.

Bisher konnte in den Fällen, in denen jemand einen anderen auf eine solche Weise verletzte, dass in der Regel Lebensgefahr damit verbunden ist, eine Verurteilung nach § 84 Abs. 1 Z 2 StGB dann nicht erfolgen, wenn kein „Mittel“ eingesetzt wurde, mit dem in der Regel Lebensgefahr verbunden ist. So wurden beispielsweise jene Fälle nicht erfasst, in denen der Täter sein Opfer würgt, da hier kein entsprechendes „Mittel“ verwendet wurde, selbst wenn im konkreten Fall mit dem Angriff Lebensgefahr verbunden war. Durch die neue Formulierung des § 84 Abs. 2 Z 1 StGB lassen sich nunmehr ohne eine derartige Einschränkung alle Fälle erfassen, in denen mit der Tat eine konkrete Lebensgefahr verbunden war.

Die Qualifikation betreffend die Körperverletzung an einem Beamten, Zeugen oder Sachverständigen während oder wegen der Vollziehung seiner Aufgaben oder der Erfüllung seiner Pflichten soll aufgrund des gesteigerten Unwertes der Handlung nicht völlig entfallen, allerdings ist auch die Erhöhung der Strafdrohung auf 6 Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe in einem solchen Fall nicht gerechtfertigt, da es sich in der Praxis oftmals nur um kleinere Verletzungen handelt. Dieser Fall ist daher als Abs. 5 in § 83 StGB unter Beibehaltung der bisherigen Strafdrohung gesondert erfasst.

Schließlich wurde vorgeschlagen, die Strafdrohung für die absichtlich schwere Körperverletzung mit Todesfolge nunmehr in § 86 Abs. 3 StGB zu erfassen und auf 10 bis zu 20 Jahren Freiheitsstrafe anzuheben. Da die absichtliche schwere Körperverletzung im Übrigen in § 85 StGB geregelt werden hätte sollen, hätte § 87 entfallen können.

Grob zusammengefasst stießen die Intentionen der Arbeitsgruppe bzw. des Begutachtungsentwurfes im Begutachtungsverfahren zwar auf Anerkennung, dennoch aber – insbesondere aus Sicht der Praxis – insgesamt auf eine Reaktion, die eine Anpassung der vorgeschlagenen Änderungen indiziert erscheinen lässt. Dabei sollen insbesondere drei Kritiklinien aufgegriffen werden, und zwar

-       die Strafsenkung bei „bloßem“ Misshandlungsvorsatz, die als Milderung im Gewaltbereich einem Grundanliegen des Entwurfes, nämlich der stärkeren Gewichtung der Gewaltkriminalität zuwiderlaufe,

-       am anderen Ende des Spektrums die zum Teil als zu weit gehend empfundenen Verschärfungen bei der absichtlichen schweren Körperverletzung und schließlich

-       aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtskontinuität die Vermeidung von bei einer völligen Neukodifizierung vielleicht einleuchtenden bzw. gebotenen, im Zuge einer evolutionären Veränderung auf der Basis des geltenden Rechts jedoch mit praktischen Schwierigkeiten verbundenen Umnummerierungen bzw. Umreihungen.

In diesem Sinn wird – zugleich in dem Wissen, dass eine „reine“, vollständig ausbalancierte Lösung, die sämtlichen berücksichtigungswürdigen Interessen Rechnung trägt, kaum zu erreichen ist – nunmehr vorgeschlagen, § 83 StGB (abgesehen von der durchgehend vorgeschlagenen Erhöhung der alternativen Geldstrafdrohung auf 720 Tagessätze) unverändert zu lassen.

Auf der Ebene des § 84 StGB soll zwar gesplittet werden, aber nur in dem Sinn, dass bei bloßem Misshandlungsvorsatz (Grunddelikt nach § 83 Abs. 2 StGB) die Strafdrohung (bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe) unverändert bleiben, also nicht gesenkt werden soll, hingegen bei Verletzungsvorsatz (Grunddelikt nach § 83 Abs. 1) StGB sehr wohl die (auch) von der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ vorgeschlagene Erhöhung der Strafdrohung (auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren) Platz greifen soll. Was die schwere Körperverletzung als Folge der Tat anlangt, soll jedoch – wie im geltenden Recht – nicht zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Herbeiführung differenziert werden. Die im Begutachtungsentwurf angedeuteten möglichen Folgen für die Frage der versuchten schweren Körperverletzung sollten sich daher insofern nach der nunmehr vorgeschlagenen Fassung nicht stellen.

Von den als schwer definierten, aber tatsächlich ohne schwere Folgen gebliebenen Fällen des § 84 Abs. 2 StGB idgF soll – insofern in Übereinstimmung mit dem Bericht der Arbeitsgruppe – die Beamtenverletzung unverändert mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht sein, während die drei übrigen Fälle künftig mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedroht sein sollen. Die Qualifizierung der Beamtenverletzung gegenüber dem Grunddelikt verlangt außer der Beamteneigenschaft und des Zusammenhangs mit der Amtstätigkeit keine qualifizierenden Umstände, ragt also insofern singulär aus den sonstigen Körperverletzungen heraus, erschient aber dennoch wegen der allfälligen Exponiertheit der Beamten nach wie vor gerechtfertigt. Ein Anheben der Strafdrohung auf ein noch höheres Niveau – alleine wegen dieses Umstandes – erscheint hingegen nicht geboten, weil die anderen qualifizierenden Merkmale gegebenenfalls auch bei der Verletzung eines Beamten zum Tragen kommen und schon derzeit im Rahmen der §§ 85 bis 87 StGB (also gleichfalls ab einer Strafdrohung bis zu fünf Jahren) nicht mehr differenziert wird.

Gleichfalls im Sinne der „Nichtmilderung“ gegenüber dem geltenden Recht (sowie im Hinblick auf das Nichtabstellen auf die vorsätzliche Herbeiführung der schweren Verletzung) soll der Tatbestand des § 84 Abs. 3 StGB (Strafdrohung bis zu drei Jahre bei drei auch nur leichten Körperverletzungen ohne begreiflichem Anlass und unter Anwendung erheblicher Gewalt) ungeachtet seiner geringen praktischen Bedeutung beibehalten werden.

Die Belassung der Definition der schweren Körperverletzung in § 84 Abs. 1 StGB „erspart“ im Übrigen zahlreiche Folgeänderungen in Bestimmungen, die auf diese Definition verweisen.

§ 85 StGB soll nach Ort und Bezeichnung gegenüber dem geltenden Recht unverändert weiterhin die „Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen“ bleiben, allerdings mit im Sinne des Grundanliegen des Entwurfes erhöhter Strafdrohung bei Verletzungsvorsatz (ein bis zehn Jahre statt derzeit sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe; letztere Strafdrohung soll weiterhin bei Misshandlungen mit schweren Dauerfolgen gelten).

Auch bei § 86 StGB soll bei Misshandlungsvorsatz die Strafdrohung unverändert bleiben, bei Verletzungsvorsatz soll die Strafdrohung auf Freiheitsstrafe von einem bis zu fünfzehn Jahre erhöht werden. Schließlich soll auch § 87 StGB („Absichtliche schwere Körperverletzung“) an seinem angestammten Platz bleiben. Die Grundstrafdrohung soll – weil ein Splitting hier nicht in Betracht kommt – wie auch von der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ vorgeschlagen, ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe betragen, die qualifizierten Strafdrohungen hingegen „lediglich“ ein bis fünfzehn Jahre bzw. fünf bis fünfzehn Jahre, um der Kritik an den höchsten Strafdrohungen am oberen Ende des Spektrums bei Aufrechterhaltung des Grundanliegens Rechnung zu tragen.

Zu Z 40 (§ 97 Abs. 2 StGB):

Die in § 97 Abs. 2 StGB angeführten Berufsgruppen entsprechen nicht mehr der aktuellen Diktion des Gesundheitsrechts. Die Bestimmung ist daher entsprechend anzupassen und statt der bisherigen Aufzählung auf Personen, die einen gesetzlich geregelten Gesundheitsberuf ausüben, umzustellen.

Zu Z 43 und 45 (§ 106, 106a StGB):

§ 106a StGB dient der Umsetzung von Art. 37 des Europaratsübereinkommens zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Zugleich wird damit dem in der Vergangenheit wiederholt vorgetragenen Anliegen, Zwangsheirat als eigenen Tatbestand hervorzuheben, Rechnung getragen.

Die bestehende Regelung des § 106 Abs. 1 Z 3 StGB entspricht schon derzeit den Vorgaben von Art. 37 Abs. 1 des Übereinkommens, weshalb die Herauslösung aus diesem Tatbestand und die Verdeutlichung in einem eigenen Tatbestand, ohne dass es darüber hinaus inhaltlicher Änderungen bedürfte, vorgenommen werden könnte.

Anregungen im Begutachtungsverfahren folgend, soll die im Ministerialentwurf angedeutete Möglichkeit einer deliktsspezifischen Erweiterung der Nötigungsmittel um die Drohung mit dem Abbruch oder Entzug der familiären Kontakte ausdrücklich im Gesetzeswortlaut festgeschrieben werden.

§ 106a Abs. 2 StGB dient der Umsetzung von Art. 37 Abs. 2 des Übereikommens. Ein danach vorgeschriebenes Vorfelddelikt zur Zwangsheirat existiert derzeit noch nicht. Es gibt jedoch in Form des § 217 Abs. 2 StGB ein ähnlich gelagertes Vorfelddelikt zum Menschenhandel, das weitergehend ist als Art. 37 Abs. 2 des Übereikommens. Da es nach der Konvention zulässig ist, in der innerstaatlichen Umsetzung weiter zu gehen als nach dem Wortlaut der Konvention selbst, wird daher vorgeschlagen, (auch) für das nunmehr zu schaffende Vorfelddelikt im Bereich der Zwangsheirat auf das Vorbild des § 217 Abs. 2 StGB zurückzugreifen.

Im Übrigen ist festzuhalten, dass durch die Nötigung zur Aufnahme einer eheähnlichen Gemeinschaft (rituelle oder religiöse, staatlich nicht anerkannte Eheschließungen) besonders wichtige Interessen der genötigten Person verletzt werden, sodass Strafbarkeit nach § 106 Abs. 1 Z  3 StGB gegeben ist.

Zu Z 48 (§ 107a StGB):

Im neuen Tatbestand „Fortgesetzte Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems“ ist in Abs. 2 eine Qualifikation für jene Fälle vorgesehen, in denen die Tat den Selbstmord oder Selbstmordversuch des Opfers zur Folge hat. Für die schwere Nötigung und die qualifizierte gefährliche Drohung bestehen bereits in den §§ 106 und 107 StGB entsprechend höhere Strafdrohungen. Es erscheint daher sowohl aus Gründen der Systematik als auch aufgrund der Gleichwertigkeit der Rechtsgutverletzungen geboten, eine dem § 107c Abs. 2 StGB entsprechende Qualifikation auch in § 107a StGB aufzunehmen.

Zu Z 49 (§ 107c StGB):

Vorweggenommen sei, dass die wegen des Aspekts des Bildnisschutzes im Ministerialentwurf als § 120a StGB vorgesehene Bestimmung einer Vielzahl von Anregungen aus dem Begutachtungsverfahren folgend, nunmehr als neuer § 107c StGB vorgeschlagen wird.

„Cybermobbing“ bedeutet für die betroffenen Personen eine extreme Belastung und kann in schweren Fällen zur systematischen Zerstörung der Persönlichkeit des Opfers führen. Als Beispiel kann der Fall der 15-jährigen Amanda Todd angeführt werden. Sie war zunächst mit einem Foto von sich, welches sie einem Unbekannten via Internet übermittelt hatte, von diesem erpresst worden. Er veröffentlichte das Foto schließlich im Internet. Amanda Todd wurde daraufhin insbesondere im Internet massiv gemobbt und wechselte letztlich sogar die Schule. Bald wurden jedoch auch in der neuen Schule KollegInnen auf das im Internet veröffentlichte Foto aufmerksam und Amanda Todd wurde erneut Opfer von Mobbing. Schließlich sah sie sich diesem Druck nicht mehr gewachsen und nahm sich im Alter von nur 15 Jahren das Leben.

Das Phänomen „Cybermobbing“ ist derzeit teilweise strafrechtlich erfasst. So fällt die Kontaktaufnahme über moderne Medien bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen unter § 107a StGB. Einzelne Handlungen werden teilweise von den Delikten gegen die Ehre, von der Nötigung oder von der pornographischen Darstellung Minderjähriger erfasst. Während der bisherige strafrechtliche Schutz für das Phänomen „Mobbing“ ausreichend erscheint (vgl. den Bericht der Bundesregierung vom 28. Juni 2011 aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 9. Juli 2010 (119/E), mit welchem der Bestand an „Anti-Mobbing-Regelungen“ im derzeitigen Rechtsbestand dargelegt wurde, III-253 BlgNR XXIV.GP, sowie den Bericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petition „Österreich braucht ein Anti-Mobbing-Gesetz“ (1/PET), 265 BlgNR XXV. GP), scheint dies im Falle von „Cybermobbing“ aufgrund der breiten Öffentlichkeitswirkung, die mit den Handlungen im Internet einhergehen kann, nicht der Fall zu sein. Zudem gibt es kaum eine Rückzugmöglichkeit und die Wirkungen können für unbestimmte Zeit andauern (Suchmaschinen, Verlinkung, etc.). Die Einführung einer eigenen Strafbestimmung zur weiteren Erfassung des Phänomens „Cybermobbing“ erscheint daher gerechtfertigt.

Ungeachtet der umgangssprachlichen Gebräuchlichkeit des Begriffes „Cybermobbing“ wird diese Bezeichnung für die vorgeschlagene Bestimmung bewusst nicht gewählt, weil das Phänomen des Mobbings ein umfassenderes und vielschichtigeres ist, als es mit den Mitteln des Strafrechts erfasst bzw. beschrieben werden könnte. Zur Verhinderung eines irreführenden und einschränkenden Rückschlusses aus der strafrechtlichen Terminologie auf das allgemeine Begriffsverständnis von Mobbing wird daher bewusst der deskriptive Titel „fortgesetzte Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems“ gewählt.

Unter „im Wege der Telekommunikation“ versteht man den technischen Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangens von Nachrichten aller Art in Form von Zeichen, Sprache, Bildern oder Tönen mit den diesem Zweck dienenden Einrichtungen. Darunter fallen insbesondere E-Mails, SMS und Anrufe (Fabrizy, StGB11 § 107a Rz 4).

Computersysteme sind nach § 74 Abs. 1 Z 8 StGB sowohl einzelne als auch verbundene Vorrichtungen, die der automationsunterstützen Datenverarbeitung dienen.

Eine Verletzung an der Ehre ist jede Verminderung des Ansehens und der Achtung einer Person in den Augen der für sie maßgeblichen Umwelt. Schutzobjekt des StGB ist nicht das subjektive „Ehrgefühl“ des oder der Betroffenen im Sinne einer größeren oder geringeren Selbstachtung, sondern die Ehre eines Menschen in ihrer objektiven Bedeutung (EvBl 1976/147, SSt 53/44, RIS-Justiz RS0092487).

Was unter dem Begriff „längere Zeit hindurch fortgesetzt“ zu verstehen ist, hat sich an den Umständen des Einzelfalles zu orientieren. So kann es in manchen Fällen genügen, dass jemand ein einziges Mal eine Belästigung im Sinne der Bestimmung begeht und dadurch bereits dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt. Bei § 107c StGB handelt es sich nämlich um ein Dauerdelikt, welches auch durch Unterlassen begangen werden kann. So könnte beispielsweise in Fällen, in denen jemand Nacktfotos des Opfers ohne dessen Zustimmung im Internet veröffentlicht und diese eine längere Zeit hindurch nicht löscht – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen –, eine Strafbarkeit nach § 107c StGB gegeben sein. Von einer fortgesetzten Tathandlung kann jedenfalls dann nicht gesprochen werden, wenn der Täter oder die Täterin gar keine Möglichkeit zur Löschung hat bzw. andere vor erfolgter zeitnaher Löschung z. B. die Bildaufnahmen bereits vervielfältigt und weitergegeben haben. Bei weniger massiven Handlungen wird man im Einzelfall genau prüfen müssen, ob erst bei mehrfacher Wiederholung der Handlung von einer „über längere Zeit fortgesetzten“ Begehung gesprochen werden kann. Bei Belästigungen durch E-Mails, SMS oder Telefonanrufe sind jedenfalls wiederholte Tathandlungen erforderlich.

Für eine Strafbarkeit nach § 107c StGB müssen die Tathandlungen darüber hinaus die Eignung haben, das Opfer unzumutbar in seiner Lebensführung beeinträchtigen. Eine tatsächliche Beeinträchtigung der Lebensführung ist nicht erforderlich. Bei der Beurteilung ist ein gemischter (objektiv-subjektiver) Maßstab anzulegen. Es kommt darauf an, ob das Verhalten derart unerträglich ist, dass bei einer ex-ante-Betrachtung auch ein Durchschnittsmensch in dieser Situation auf Grund der Handlungen möglicherweise seine Lebensgestaltung geändert hätte (Schwaighofer in WK² StGB § 107a Rz 11). Ob die Handlungen geeignet sind, das Opfer unzumutbar in seiner Lebensführung zu beeinträchtigen, hängt von den konkreten Umständen im Einzelfall ab. Bei der Bekanntgabe oder Veröffentlichung von Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches kann eine solche Eignung jedoch nur dann angenommen werden, wenn eine solche (objektiv) geeignet ist, das Opfer bloßzustellen.

Zum Begriff „Tatsache des höchstpersönlichen Lebensbereiches“ siehe oben bei § 74 Abs. 1 Z 5 StGB. Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches können solche des Opfers aber beispielsweise auch dessen Wohnräume umfassen. Vom Begriff „Bildaufnahmen“ sind auch Videoaufnahmen umfasst.

Sofern mit der Art der Tatbegehung (insbesondere im Internet) nicht ohnehin eine breite Öffentlichkeit erreicht wird und eingedenk der Maßgabe, dass die spezifische Beeinträchtigungseignung ohnehin gegeben sein muss, soll im Lichte des Begutachtungsverfahrens eine gewisse Konkretisierung des Tatbestands dahin vorgeschlagen werden, dass die inkriminierten Ehrverletzungen oder Eingriffe in die Intimsphäre zumindest für eine größere Zahl von Menschen (etwa 10) wahrnehmbar sein müssen. Die im Begutachtungsverfahren zum Teil generell verlangte breite Öffentlichkeit (ab etwa 150 Personen) erscheint demgegenüber als zu weit gehende Einschränkung.

Im Hinblick auf die §§ 106 Abs. 2 sowie 107 Abs. 2 StGB wird für die im Abs. 2 umschriebenen Folgen ein deutlicherer Sprung in der Qualifikationsstrafdrohung als im Bericht der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ erwähnt, vorgeschlagen.

Das Konkurrenzverhältnis von § 107c StGB zu anderen Delikten, insbesondere zu § 107a StGB wird im Einzelfall je nach Sachverhaltsgrundlage zu beurteilen sein. Die Tatbestände des § 107a und § 107c StGB erfassen grundsätzlich unterschiedliche Fallkonstellationen, weshalb bei einem Zusammentreffen bei einem Zusammentreffen regelmäßig echte Konkurrenz gegeben sein wird (vgl. zum Verhältnis von § 107a StGB zu anderen Tatbeständen Schwaighofer in WK2 StGB § 107a Rz 37).

Zu Z 53 (§ 117 Abs. 3 StGB):

Bei der vorgeschlagenen Änderung handelt es sich lediglich um eine Anpassung an die geänderte Formulierung des § 283 StGB in der Fassung des vorliegenden Entwurfs, auf den hier Bezug genommen wird.

Zu Z 54 (§ 118a StGB):

Die mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 134/2002, in Umsetzung des Übereinkommen über Computerkriminalität SEV-Nr. 185 eingeführte und durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2008, BGBl. I Nr. 109/2007 in Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2005/222/JI über Angriffe auf Informationssysteme ABl. Nr. 69 vom 16.03.2005 S. 67, aufgehoben durch die Richtlinie 2013/40/EU, ABl. Nr. L218 vom 14.08.2013 S. 8 abgeänderte Bestimmung des § 118a StGB stellt das gemeinhin unter „Hacking“ bekannte Eindringen in ein fremdes Computersystem unter Strafe. Bislang sind allerdings aber nicht alle Fälle dieses Phänomens strafrechtlich erfasst, sondern nur jene, bei denen in Spionage-, Benützungs- oder Verbreitungs- und Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht gehandelt wird. Dadurch sind wesentliche Fälle des „Hackings“ derzeit straflos, wie beispielsweise die Einrichtung von „BOT-Netzwerken“ (automatisierte Computerprogramme, die ua. die Netzwerkanbindung oder Daten von vernetzten Computern nützen). In solchen Fällen handelt der Täter oder die Täterin nämlich zumeist nicht in der Absicht, Daten auszuspähen. Auch das Sich-Verschaffen eines unerlaubten Zuganges zu einem Telefonsystem ist von § 118a StGB nicht erfasst, wobei hier teilweise jedoch Vermögensdelikte verwirklicht sein können.

Art. 3 der RL Cybercrime verlangt, den vorsätzlich unbefugten Zugang zu einem Informationssystem als Ganzes oder zu einem Teil davon unter Strafe zu stellen, wenn der Zugang durch eine Verletzung von Sicherheitsmaßnahmen erfolgt, sofern kein leichter Fall vorliegt. Gemäß Art. 9 der RL Cybercrime ist für solche Straftaten zumindest dann eine Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens zwei Jahren vorzusehen, wenn kein leichter Fall vorliegt.

Wie von der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ empfohlen, wird zur Schließung der Strafbarkeitslücken daher vorgeschlagen, in einer neuen Z 1 jene Fälle zu erfassen, in denen sich jemand durch Überwindung einer spezifischen Sicherheitsvorkehrung im Computersystem in der Absicht, sich oder einem anderen Unbefugten Kenntnis von personenbezogenen Daten verschafft, deren Kenntnis schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen verletzt, Zugang zu einem Computersystem verschafft.

Das Phänomen der „BOT-Netzwerke“ soll nunmehr in § 118a Abs. 1 Z 2 StGB erfasst werden. Unter der „Verwendung von Daten“ ist nach der Definition in § 4 Z 8 DSG „jede Art der Handhabung von Daten, also sowohl das Verarbeiten (Z 9) als auch das Übermitteln (Z 12) von Daten“ zu verstehen. Nach wie vor ist in beiden Fällen Voraussetzung, dass der Täter oder die Täterin sich durch Überwinden einer spezifischen Sicherheitsvorkehrung im Computersystem, über das er oder sie nicht oder nicht alleine verfügen darf, Zugang verschafft. In einem neuen Abs. 2 soll eine Qualifikation hinsichtlich der Begehung von Taten nach Abs. 1 in Bezug auf ein Computersystem geschaffen werden, welches einen wesentlichen Bestandteil der kritischen Infrastruktur (siehe oben zu Z 18) darstellt. Die Strafdrohung beträgt in diesem Fall bis zu 2 Jahren Freiheitsstrafe.

Kein leichter Fall iSd RL Cybercrime liegt dann vor, wenn sich jemand in der Absicht, sich oder einem anderen Unbefugten Kenntnis von personenbezogenen Daten zu verschaffen, deren Kenntnis schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen verletzt, oder durch die Verwendung von Daten, deren Kenntnis er sich verschafft, oder durch die Verwendung des Computersystems einem anderen einen Nachteil zuzufügen, durch Überwindung einer spezifischen Sicherheitsvorkehrung im Computersystem, über das er nicht oder nicht allein verfügen darf, oder zu einem Teil eines solchen Zugang verschafft und die Tat in Bezug auf ein Computersystem, das ein wesentlicher Bestandteil der kritischen Infrastruktur ist, oder als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begangen wird.

Zu Z 61 (§ 126 Abs. 1 Z 5 StGB):

Hierbei handelt es sich um eine Folgeänderung zu § 74 Abs. 1 Z 11 StGB, wobei in Übereinstimmung mit den vergleichbaren Regelungen in den vorgeschlagenen Neufassungen der §§ 118a, 126a, 126b, 128 und 274 StGB auf einen wesentlichen Bestandteil der kritischen Infrastruktur abgestellt werden soll.

Zu Z 62 bis 64, 66, 69, 71, 72, 75 bis 80, 85, 86, 88, 90, 92, 93, 101, 106, 108, 109, 174 und 175 (§§ 126 Abs. 1 Z 7 und Abs. 2, 126a Abs. 2 und 3 Z 1, 126b Abs. 3 Z 1, 128 Abs. 1 Z 5 und Abs. 2, 132 Abs. 2, 133 Abs. 2, 134 Abs. 3, 135 Abs. 2, 136 Abs. 3, 138 Z 1, 147 Abs. 2 und 3, 148a Abs. 2, 153 Abs. 2, 153b Abs. 3 und Abs. 4, 156 Abs. 2, 162 Abs. 2, 164 Abs. 3 und 4, 233 Abs. 2 und 234 Abs. 2):

Die Relation der Strafdrohungen für Vermögensdelikte einerseits und für Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit sowie die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung andererseits, ist im Hinblick auf den Wandel der Werthaltung in der Gesellschaft nicht mehr zeitgemäß. Die Strafdrohungen bei den Vermögensdelikten erscheinen teilweise, insbesondere bei Übersteigen der bisher bestehenden Wertgrenzen, zu hoch.

Das System der Wertgrenzen ermöglicht eine an die Höhe des Schadens angepasste Strafdrohung im Bereich der Vermögensdelikte und bewirkt, dass Delikte mit geringem Schaden am Tatobjekt bzw. geringem Wert nur bis zu einer niedrigeren Strafobergrenze geahndet werden können und daher eine gewisse Verhältnismäßigkeit der Strafen garantiert wird. Die Wertgrenzen wurden jedoch seit über 10 Jahren nicht mehr geändert. Die Arbeitsgruppe „StGB 2015“ empfahl die Beibehaltung der Wertgrenzen, jedoch wurde eine Erhöhung der ersten Wertgrenze von 3.000 Euro auf 5.000 Euro und der zweiten Wertgrenze von 50.000 Euro auf 300.000 Euro empfohlen. Die geringe Anhebung der ersten Wertgrenze und die deutliche Anhebung der zweiten Wertgrenze führen insgesamt zu einer Senkung der Strafdrohungen in weiten Bereichen des Vermögensstrafrechtes und damit zu einer besseren Relation zwischen den Vermögensdelikten einerseits und den Delikten gegen die gegen die körperliche Unversehrtheit sowie die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung andererseits. Im Ministerialentwurf wurde eine noch darüber hinaus gehende Erhöhung der zweiten Wertgrenze auf 500 000 Euro vorgeschlagen, was jedoch insbesondere bei der Praxis auf überwiegende Ablehnung gestoßen ist, die zum Teil eine Anhebung auf nur höchstens 100 000 Euro gutheißen würde, wofür allerdings keine praktischen Gründe im engeren Sinn, sondern im Wesentlichen kriminalpolitische Überlegungen ins Treffen geführt wurden. Dessen ungeachtet soll dem Wunsch nach einer Herabsetzung bis zu einem gewissen Ausmaß Rechnung getragen werden, weshalb vorgeschlagen wird, auf die Empfehlung der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ betreffend die zweite Wertgrenze (300 00 Euro) zurückzugehen.

Schon der Ministerialentwurf sah für den Bereich der Umweltdelikte aufgrund gegenteiliger internationaler Empfehlungen und Bestrebungen sowie für Straftaten des 22.Abschnittes des StGB (Strafbare Verletzungen der Amtspflicht, Korruption und verwandte strafbare Handlungen) aufgrund der Sensibilität dieses Bereiches keine Erhöhung der Wertgrenzen vor, was im Wesentlichen nicht in Frage gestellt wurde. Vielmehr wurde mit der Geldwäscherei gleichfalls im Hinblick auf den internationalen Kontext eine weitere Strafbestimmung vorgeschlagen, für die es eine Ausnahme geben sollte; dem kann aus den genannten Gründen Rechnung getragen werden, weil es sich bei dieser Bestimmung ohnehin auch nicht um ein Vermögensdelikt im engeren Sinn handelt.

Die Anhebung der Wertgrenzen steht in keinem Zusammenhang mit dem Begriff des „geringen Wertes“, weil sie grundsätzlich lediglich der Senkung der Strafrahmen im betroffenen Bereich dienen soll. Der Begriff des „geringen Wertes“ soll hingegen weiterhin ohne rechtspolitische Festlegung, sondern gleichsam objektiv, insbesondere in einem angemessenen Verhältnis zum Durchschnittseinkommen der Bevölkerung stehend, und historisch gewachsen betrachtet werden. In diesem Sinn wird die Geringfügigkeitsgrenze derzeit von der Rechtsprechung mit ca. 100 Euro beziffert (vgl. RIS-Justiz RS0120079, zuletzt 14 Os 12/15y).

Zur Frage des Einflusses der hier vorgeschlagenen Änderungen auf die Verjährungsfristen siehe die Erläuterungen oben zu § 58 StGB und zu Artikel 12 § 2.

Zu Z 64 bis 69 (§§ 126a und 126b StGB):

Art. 4 („Rechtswidriger Systemeingriff“) und Art. 5 („Rechtswidriger Eingriff in Daten“) der RL Cybercrime sind durch §§ 126a („Datenbeschädigung“) und 126b („Störung der Funktionsfähigkeit eines Computersystems“) StGB bereits umgesetzt. Anpassungsbedarf besteht lediglich hinsichtlich der in Art. 9 Abs. 3 und 4 der RL Cybercrime geforderten Qualifikationen.

Aus diesem Grund wird vorgeschlagen, in Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 der RL Cybercrime in §§ 126a und 126b StGB in einem jeweilig neuen Abs. 3 eine Qualifikation dafür vorzusehen, dass durch die Tat viele Computersysteme unter Verwendung eines Computerprogramms, eines Computerpasswortes, Zugangscodes oder vergleichbarer Daten, die den Zugriff auf ein Computersystem oder einen Teil davon ermöglichen, sofern diese Mittel nach ihrer besonderen Beschaffenheit ersichtlich dafür geschaffen oder adaptiert wurden, beeinträchtigt bzw. schwer gestört werden. Statt der Diktion „beträchtliche Anzahl“ in Art. 9 Abs. 3 der RL Cybercrime wird auf „viele“ abgestellt, worunter eine Zahl von ca. 30 zu verstehen ist. Ebenso soll der Begriff der „vergleichbaren Daten“ übernommen werden, um zum einen eine Gleichstellung mit § 126c StGB zu erreichen und zum anderen in Zukunft auch elektronische Fingerprints etc. erfassen zu können.

In Umsetzung von Art. 9 Abs. 4 der RL Cybercrime ist in §§ 126a und 126b StGB in einem jeweiligen Abs. 4 eine Qualifikation für die Herbeiführung eines schweren Schadens, der Tatbegehung gegen ein Computersystem, das ein wesentlicher Bestandteil der kritischen Infrastruktur ist, oder jener als Mitglied einer kriminellen Vereinigung vorgesehen.

Zur Streichung der Geldstrafe siehe oben bei § 37 StGB.

Zur Änderung der Wertgrenzen siehe oben bei § 126 Abs. 1 Z 7 StGB.

Zu Z 70 und 74 (§§ 128 und 129 StGB):

Derzeit werden in § 129 StGB zahlreiche unterschiedliche Fallkonstellationen mit derselben Strafdrohung erfasst, die jedoch von der Deliktsschwere, dem Unrechtsgehalt und den Auswirkungen für das Opfer äußerst unterschiedlich sind. So ist das Aufbrechen eines Fahrradschlosses mit derselben Strafe bedroht, wie der Einbruch in eine Wohnung. Im Sinne einer Abstufung der Strafdrohungen nicht nur innerhalb der verschiedenen Formen des qualifizierten Diebstahls, sondern auch im Vergleich zu den Strafdrohungen für Delikte gegen Leib und Leben sowie der sexuellen Integrität und Selbstbestimmung erscheint eine Neuregelung wie von der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ vorgeschlagen, sachgerecht.

In § 129 Abs. 1 StGB sollen zukünftig alle Fälle von Einbruchsdiebstahl mit einer Strafdrohung von bis zu 3 Jahren erfasst werden, die nicht einen Einbruch in eine Wohnstätte darstellen (beispielsweise Einbrüche in Lagerhallen, Aufbrechen von Behältnissen), da diesen Fällen kein so hoher Unwertgehalt zukommt, wie dem Einbruch in Wohnstätten und daher eine Senkung der Strafdrohung zur Erreichung einer angemessenen Differenzierung sachgerecht erscheint. Hingegen soll der Diebstahl durch Einbruch in eine Wohnstätte im neuen Abs. 2 Z 1 mit einer deutlich höheren Strafdrohung als die anderen Fälle geahndet werden, und zwar mit einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren. Bei diesen Taten handelt es sich nämlich um einen massiven Eingriff in die Privatsphäre des Opfers, welcher eine enorme Belastung für die betreffende Person mit sich bringt. Mit derselben Strafdrohung soll auch der Diebstahl mit Waffen in § 129 Abs. 2 Z 2 StGB erfasst werden, da ein Täter oder eine Täterin, der/die eine Waffe mit sich führt, auch bereit ist, sie gegebenenfalls einzusetzen und daher von ihm/ihr eine größere Gefahr ausgeht. Zudem handelt eine solche Person mit einer höheren kriminellen Energie und die Hemmschwelle, auch Delikte gegen Leib und Leben zu begehen, ist entsprechend geringer.

Der Einbruch in Büros oder Kanzleien, beispielsweise von Rechtsanwälten, soll ungeachtet gelegentlicher Äußerungen im Begutachtungsverfahren in diese Richtung nicht durch Abs. 2 Z 1 erfasst werden, weil dieser den Schutz der Privatsphäre bezweckt und nicht den Geheimnisschutz. Einbrüche in Kanzleien und Büros werden daher in Abs. 1 mit einer Strafdrohung von bis zu 3 Jahren erfasst. Dem Geheimnisschutz kann in solchen Fällen im Rahmen der Strafzumessung besondere Bedeutung beigemessen werden.

In § 129 Z 1 StGB wurde bisher auf den Begriff des „Schlüssels“ oder ein anderes nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeuges“ abgestellt. Aufgrund der technischen Entwicklung in diesem Bereich kommen heute jedoch vermehrt elektronische Sicherheitssysteme zum Einsatz. Durch die Ergänzung der Aufzählung in § 129 Abs. 1 Z 1 StGB sind nunmehr auch jene Fälle erfasst, in denen jemand durch einen widerrechtlich erlangten Zugangscode beispielsweise in ein Gebäude eindringt. Weiters soll dem technischen Fortschritt in diesem Bereich durch die Schaffung einer neuen Z 4 in § 129 Abs. 1 StGB Rechnung getragen werden. Demnach liegt ein Diebstahl durch Einbruch auch dann vor, wenn zur Ausführung der Tat eine Zugangssperre elektronisch außer Kraft gesetzt wird. Dadurch sollen beispielsweise auch jene Fälle erfasst werden, in denen ein Störsender zum Einsatz kommt.

Im Hinblick darauf, dass im Zuge der Reform die Begehung von Taten in Bezug auf einen wesentlichen Bestandteil der kritische Infrastruktur als Qualifikation in mehreren Bestimmungen (siehe §§ 126a ff StGB) erfasst wird, erscheint es sachgerecht, eine solche Qualifikation auch in § 128 Abs. 1 Z 4 StGB aufzunehmen.

Zur Änderung der Wertgrenzen siehe oben zu § 126 Abs. 1 Z 7 StGB.

Zu Z 74 (§ 130 StGB):

Diese Bestimmung ist entsprechend den Änderungen der Wertgrenzen und der erwerbsmäßiger Begehung anzupassen (siehe dazu oben). Da die Begehung im Rahmen einer kriminellen Vereinigung und die erwerbsmäßige Begehung gleichwertig erscheinen, ist nunmehr für beide Qualifikationen eine Strafdrohung von bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe vorzusehen. Im Sinne einer sachgerechten Abstufung der Strafdrohung ist für die erwerbsmäßige Begehung oder die Begehung im Rahmen einer kriminellen Vereinigung für die Fälle des § 129 Abs. 1 StGB eine Strafdrohung von 6 Monaten bis zu 5 Jahren, für die Fälle des § 129 Abs. 2 StGB, eine Strafdrohung von einem bis zu 10 Jahren vorzusehen.

Zu Z 82 (§ 143 StGB):

In der Praxis treten immer wieder Fälle auf, welche rechtlich unter § 143 StGB zu subsumieren sind, bei denen jedoch die Strafdrohung von 5 bis zu 15 Jahren unverhältnismäßig hoch erscheint. Als Beispiel wäre hier der Fall anzuführen, in dem jemand einen anderen mit einem vorgehaltenen Taschenmesser zur Herausgabe eines geringen Bargeldbetrages auffordert. Wie im Bericht der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ empfohlen, wird daher vorgeschlagen, den Strafrahmen auf 1 bis 15 Jahre auszuweiten, was zu einer besseren Differenzierung zwischen leichten und schweren Fällen und damit auch zu einer höheren Einzelfallgerechtigkeit führt.

Zu Z 84 (§ 147 Abs. 1 Z 1 und 2 StGB):

Mit der vorgeschlagenen Ergänzung der Z 1 soll der Schaffung der gleichfalls neuen Bestimmung des § 241h StGB Rechnung getragen werden.

Abgesehen davon, dass dem Versetzen von Grenzzeichen in der heutigen Zeit im Hinblick auf den elektronischen Grenzkataster – welcher einen verbindlichen Nachweis über die Grenzen der Grundstücke darstellt, in dem allerdings erst rund 15% Grundstücke eingetragen sind – eine geringere praktische Bedeutung zukommt, wird ein Betrug, welcher im Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften begangen wird, zumeist ohnehin aufgrund der Überschreitung der Wertgrenze als schwerer Betrug zu qualifizieren sein. Für die anderen Fälle erscheint die Strafdrohung des Grunddeliktes mit bis zu 6 Monaten Freiheitsstrafe ausreichend. Diese Qualifikation kann daher wie von der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ vorgeschlagen entfallen, zumal an diesem Vorschlag im Begutachtungsverfahren nur vereinzelt Kritik geübt wurde.

Zu Z 87 (§ 148 StGB):

In Anlehnung an die geänderte Strafdrohung für den „Erwerbsmäßigen Diebstahl“ in § 130 StGB wird vorgeschlagen, die Strafdrohung für den „Erwerbsmäßigen Betrug“ ebenfalls auf bis zu 3 Jahre Freiheitsstrafe zu senken. Wiederholten Anregungen im Begutachtungsverfahren soll auch der erwerbsmäßige schwere Betrug dem erwerbsmäßigen schweren Diebstahl gleichgestellt werden. Dadurch soll ein ausgewogenes und stimmiges Verhältnis der Strafdrohungen auch innerhalb der Vermögensdelikte erreicht werden.

Zu Z 94 (§ 153c Abs. 1 StGB):

Insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis der Strafdrohungen für Vermögensdelikte einerseits, und Delikte gegen Leib und Leben andererseits, erscheint die Strafdrohung in § 153c StGB mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe nicht mehr angemessen. Es wird daher – wie von der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ empfohlen – eine Herabsetzung der Strafdrohung auf bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe vorgeschlagen.

Zu Z 95 (§ 153d StGB):

Die vorgeschlagene Neufassung gründet sich auf den in Anhang 2 des Berichtes der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ enthaltenen Vorschlag des Forschungszentrums für Polizei- und Justizwissenschaften (ALES). In den Anmerkungen zu diesem Vorschlag wird auszugsweise Folgendes ausgeführt: „Durch die vorgeschlagene Textierung wird klargestellt, dass die „betrügerische“ Anmeldung jedenfalls strafbar ist, selbst wenn die gemeldete Person keinen Pflichtversicherungstatbestand erfüllt. Angesichts der in der Praxis bestehenden Schwierigkeit der Feststellung, wer die Anmeldung konkret vorgenommen hat (iS einer Eingabe der Daten über ELDA oder Ausfüllen einer Papieranmeldung), sollen neben der eigentlichen Anmeldung auch das Vermitteln bzw. das In-Auftrag- Geben einer Anmeldung als Tathandlungen verankert werden. Alle Tathandlungen stellen gleichwertige Begehungsweisen des Sozialbetrugs dar; genaue Feststellungen zur Tathandlung können folglich entfallen, sofern feststeht, dass zumindest eine der drei Begehungsweisen vorliegt. Damit wird verdeutlicht, dass nicht nur die eigenhändige Vornahme der Anmeldung, sondern auch bestimmte Handlungen, die zur Durchführung der Anmeldung führen, pönalisiert werden. In der Praxis lassen sich zwei Phänomene beobachten: Zum einen bedienen sich viele Hintermänner einschlägiger Scheinfirmen selbständiger Buchhalter oder Lohnverrechnungsbüros, um die Anmeldungen durchzuführen. Zum anderen gibt es eine Vielzahl an informellen Maklern, die jene Personen, die auf der Suche nach einer Anmeldung zur Sozialversicherung sind, an besagte Hintermänner weiterverweisen, aber selbst über keinen direkten Einfluss auf die Firmenmäntel verfügen. Durch die vorgeschlagene Formulierung sollen beide Gruppen als unmittelbare Täter erfasst werden, selbst wenn der Hintermann sich für den Anmeldevorgang eines vorsatzlos handelnden Buchhalters oder Lohnverrechners bedient bzw. wenn nicht feststellbar ist, wer eine konkrete Anmeldung durchgeführt hat. In dogmatischer Hinsicht kommt es durch die unmittelbare Vertypung der Vorbereitungshandlungen des Vermittelns bzw. Auftraggebens zwar zu einer – im Vergleich zu einer Erweiterung rein über § 12 StGB – etwas weiterreichenden Strafbarkeit. Sofern das Auftraggeben und das Vermitteln allerdings rein über § 12 StGB erfasst würden, bleibt zu befürchten, dass sich die Strafverfolgung zu stark auf die Ausforschung des Anmelders fokussiert, obwohl dieser in vielen Konstellationen nicht als zentraler Drahtzieher anzusehen ist. Durch die an § 91 StGB angelehnte Formulierung ist klargestellt, dass die Nichtzahlung der Beiträge bloß eine objektive Bedingung der Strafbarkeit ist. … Die Verankerung einer objektiven Bedingung der Nichtzahlung der Beiträge oder Zuschläge soll einen objektiv feststellbaren verpönten Taterfolg darstellen, der sich in der Außenwelt manifestieren muss und somit strafbarkeitseinschränkend wirkt. Angesichts der in der Praxis bestehenden Probleme bei der Berechnung strafrechtlich relevanter Rückstände wäre eine Loslösung der Strafbarkeit von konkreten Beitragshinterziehungen zwar wünschenswert; dieser Zugang würde aber die Strafbarkeit der Anmeldung – die in den meisten Fällen die Erfüllung einer gesetzlichen Meldepflicht darstellt – rein auf das Vorliegen eines bestimmten Vorsatzes bei Vornahme einer grundsätzlich sozial-adäquaten Handlung verlagern. Daher wirkt die objektive Bedingung in erster Linie strafbarkeitsbegrenzend, weil ansonsten auch jene vorsätzlichen Anmeldungen strafbar wären, bei denen – aus welchem Grund auch immer – in weiterer Folge doch Beitragszahlungen entrichtet würden und sich daher die Gefahr für das Sozialversicherungssystem nicht verwirklicht. Eine Straflosigkeit kraft Tätiger Reue käme als Alternative für den vorgeschlagenen Tatbestand nicht in Betracht, weil es sich um keinen (ausschließlich) vermögensstrafrechtlichen Tatbestand handelt. Im Gegensatz zum Status quo wäre § 153d StGB damit kein bloßes SVrechtsakzessorisches Beitragshinterziehungsdelikt, sondern ein echter „Scheinfirmenparagraph“, der vor allem auch keine komplizierten Berechnungen und SV-rechtlichen Bewertungen erfordert. ... Wurden die laut Anmeldung auflaufenden Beiträge objektiv nicht entrichtet, bleibt nur mehr festzustellen, welchen Personen die Vornahme, die Vermittlung oder der Auftrag zur Vornahme einzelner Meldungen zuzurechnen ist. Während die damit eventuell verknüpften Beitragshinterziehungen mit der nötigen Gründlichkeit im Rahmen eines getrennten Beitrags- und Abgabenhinterziehungsverfahrens aufgearbeitet werden können – in dessen -Rahmen auch die Frage der DG-Eigenschaft sowie der genauen Bemessungsgrundlagen und damit das Ausmaß der verkürzten Beiträge geklärt würden –, lassen sich davon unabhängig rasche und bewältigbare Verfahren gegen einzelne Hintermänner bzw. Zumelder von Scheinfirmen führen. Die Regelung des Abs. 2 sieht eine ident ausgestaltete Strafnorm für sozialbetrügerische Meldungen bei der BUAK vor. Im Gegensatz zur bestehenden Fassung des § 153d StGB erscheint es aufgrund der unterschiedlichen Melde- und Zahlungsmodalitäten bei BUAK und SV sachgerecht, die Taten in getrennten Absätzen zu regeln.“

Der Vorschlag von ALES sah gegenüber dem geltenden Recht eine durchgehende Erhöhung der Strafdrohung von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren auf 6 Monate bis 5 Jahre vor. Diese Strafdrohung sieht der gegenständliche Entwurf zwar auch vor, allerdings nur für jene Fälle, in denen der Täter entweder erwerbsmäßig handelt oder eine größere Zahl von Scheinanmeldungen vornimmt, vermittelt oder in Auftrag gibt. Während der Begutachtungsentwurf noch eine Wertqualifikation vorsah, soll in Anbetracht der gestiegenen Bedeutung der inkriminierten Verhaltensweisen und dem Anliegen der Vermeidung komplizierter Berechnungen auf Grundlage sozialversicherungsrechtlicher Maßstäbe im Strafverfahren Rechnung tragend den Anregungen im Begutachtungsverfahren auf Ersetzung der Wertqualifikation durch ein Abstellen auf die Anmeldung bzw. Meldung einer größerer Zahl von Personen gefolgt werden. Für die „größere Zahl“ ist wie im Fall des § 153e Abs. 1 Z 2 StGB von einem Richtwert von zehn Personen auszugehen (vgl. Kirchbacher/Presslauer in WK-StGB2 § 153e Rz 13 mwN). Alternativ soll den Täter die höhere Strafdrohung auch treffen, wenn er zwar weniger als zehn Scheinanmeldungen vornimmt, vermittelt oder beauftragt, aber erwerbsmäßig im Sinne des § 70 StGB handelt. Hingegen erscheint es ausreichend und auch im Hinblick auf ein ausgewogenes Verhältnis der Strafdrohungen für Delikte gegen Leib und Leben einerseits und Vermögensdelikte andererseits angemessen, für nicht erwerbsmäßige Anmeldungen von weniger als zehn Personen die bisherige Strafdrohung bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe als Grundstrafdrohung beizubehalten.

In Reaktion auf Anregungen im Begutachtungsverfahren wird schließlich klargestellt, dass es auf die nicht vollständige Leistung der in Folge der Anmeldung bzw. Meldung auflaufenden Sozialversicherungsbeiträge bzw. Zuschläge ankommt. Bei objektiver Nichtzahlung der Rückstände, die durch den zurechenbar veranlassten Anschein eines Versicherungsverhältnisses entstehen, soll jedenfalls Strafbarkeit bestehen. Der Täter kann sich nicht mit der Behauptung einer bloßen Scheinmeldung der Strafverfolgung entziehen.

Zu Z 104 (§ 159 Abs. 4 Z 1 und 2 StGB):

Bei § 159 StGB handelt es sich um ein fahrlässiges Vermögensdelikt. Dieser Umstand sollte sich in einer entsprechenden Strafdrohung widerspiegeln. Im Hinblick auf die vorgeschlagene Erhöhung der Wertgrenzen im allgemeinen Vermögensstrafrecht erscheint daher auch hier –wie von der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ empfohlen – eine Anhebung des Betrages bei der Qualifikation des Abs. 4 Z 1 und 2 sachgerecht.

Zu Z 107 (§§ 163a bis 163d StGB)

Überblick

Derzeit finden sich in zahlreichen Einzelgesetzen des Gesellschaftsrechts Straftatbestände der „Bilanzfälschung“ (§ 255 AktG, § 122 GmbHG, § 64 SEG, § 89 GenG, § 43 ORF-Gesetz, § 41 PSG, § 114 VAG (ab 1.1.2016: § 323 VAG 2016, BGBl. I Nr. 34/2015), § 18 SpaltG, § 15 KMG, § 189 InvFG 2011 und § 37 ImmoInvFG). Die Straftatbestände weichen in zahlreichen Einzelheiten der Ausgestaltung und sogar in der Strafdrohung – ohne hinreichende sachliche Rechtfertigung – voneinander ab.

Im Bundesministerium für Justiz ist daher schon seit Längerem an einer grundlegenden Reform gearbeitet worden. Grundzüge wurden im Herbst 2010 auf Fachveranstaltungen präsentiert (vgl. Zeder, Reformüberlegungen zum Bilanzstrafrecht, RdW 2011, 191) und in der Folge auf zahlreichen weiteren Veranstaltungen weiter diskutiert, unter anderem unter dem Aspekt der Beziehungen zur einzurichtenden Rechnungslegungs-Kontrolle (die mittlerweile mit dem Rechnungslegungs-Kontrollgesetz – RL-KG, BGBl. I Nr. 21/2013 geschaffen wurde und ihre Prüftätigkeit aufgenommen hat). Auch die Arbeitsgruppe „StGB 2015“ hat sich mit dem Reformvorhaben befasst. Im Jahr 2014 konnten die Fachabteilungen des Bundesministeriums für Justiz im Rahmen einer Expertengruppe auch auf die Expertise des Instituts Österreichischer Wirtschaftsprüfer (iwp) zurückgreifen.

Ziele der Reform:

                         - Vereinheitlichung des Tatbestandes, der Strafdrohung und der Bestimmung über Tätige Reue durch Schaffung einheitlicher Straftatbestände im Strafgesetzbuch,

                         - Differenzierung zwischen Taten von der Gesellschaft angehörenden Personen (Organen) und Taten von externen Prüfern (insbesondere Abschlussprüfern),

                         - bessere Abstimmung mit Begriffen des Gesellschafts- und Rechnungslegungsrechts (insbesondere mit der kürzlich mit dem Rechnungslegungs-Änderungsgesetz 2014 – RÄG 2014, BGBl I Nr. 22/2015, an EU-Richtlinien angepassten und modernisierten Rechtslage) und Präzisierung, um dem Bestimmtheitsgebot besser zu entsprechen,

                         - Beschränkung auf das wirklich Strafwürdige,

                         - Erweiterung des Kreises der erfassten Rechtsträger (Sparkassen, kapitalistische Personengesellschaften, große Vereine, bestimmte ausländische Rechtsträger mit engem Bezug zum Inland), und

                         - Erfassung von Tathandlungen im Ausland mit Bezug auf in Österreich ansässige Rechtsträger unabhängig vom Recht des Tatorts (siehe dazu bei § 64 Abs. 1 Z 11).

Die neuen §§ 163a, 163b StGB sollen die Straftatbestände der meisten der einleitend erwähnten Gesetze ersetzen, nämlich § 255 AktG, § 122 GmbHG, § 64 SEG, § 89 GenG, § 43 ORF-Gesetz, § 41 PSG, § 323 VAG 2016) und § 18 SpaltG (siehe Art. 4 bis 11).

Lediglich die in KMG, InvFG 2011 und ImmoInvFG enthaltenen Strafbestimmungen sollen dort belassen werden, weil ihre Einbeziehung aufgrund ihrer gesetzesspezifischen Begehungsformen und des divergierend gefassten Täterkreises nicht machbar scheint; eine inhaltliche Anpassung dieser Bestimmungen an die §§ 163a bis 163d StGB soll aber in einem weiteren legistischen Schritt erfolgen.

Was den Täterkreis der Personen anlangt, die der Gesellschaft angehören (Organe), soll künftig einerseits die falsche oder unvollständige Darstellung von wesentlichen Informationen, die die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Verbandes betreffen oder für die Beurteilung von deren künftiger Entwicklung bedeutsam sind – einschließlich der Beziehung des Verbandes zu mit ihm verbundenen Unternehmen – in den in den Ziffern 1 bis 5 angeführten Darstellungsmedien strafbar sein, wenn sie in unvertretbarer Weise erfolgt und geeignet ist, einen schwerwiegenden Schaden für den Verband, dessen Gesellschafter, Mitglieder oder Gläubiger oder für Anlegerherbeizuführen (§ 163a Abs. 1 StGB). Andererseits soll die Unterlassung der angesichts der drohenden Gefährdung der Liquidität des Verbandes gesetzlich gebotenen Erstattung eines Sonderberichtes strafbar sein (§ 163a Abs. 2 StGB).

Die gesonderten Straftatbestände für externe Prüfer sollen einerseits die unvertretbare Darstellung solcher wesentlicher Informationen durch den Prüfer selbst und das unvertretbare Verschweigen einer unvertretbaren Darstellung wesentlicher Informationen in der geprüften Unterlage (§ 163b Abs. 1 StGB), andererseits das Erteilen eines inhaltlich unrichtigen Bestätigungsvermerkes oder die Unterlassung der angesichts der drohenden Bestandsgefährdung des Verbandes gesetzlich gebotene Erstattung eines Berichtes (§ 163b Abs. 2 StGB) umfassen. Mit Ausnahme des letztgenannten Falles muss das Fehlverhalten des Prüfers geeignet sein, einen schwerwiegenden Schaden für den Verband, dessen Gesellschafter, Mitglieder oder Gläubiger oder für Anleger herbeizuführen.

Hervorgehoben sei, dass eine spürbare Begrenzung der Strafbarkeit im Sinne der ultima ratio-Funktion des Strafrechtes vor dem Hintergrund, dass es in Bilanzfragen ohnehin keine absolute Wahrheit geben kann, durch folgende Tatbestandselemente erreicht werden soll:

-      Es soll auf die Unvertretbarkeit der Informationsdarstellung ankommen, was auch in der Deliktsbezeichnung zum Ausdruck gebracht werden soll. Das Kriterium der Vertretbarkeit bezieht sich sowohl auf die inhaltlich oder formell falsche als auch auf die unvollständige Information.

-      Eine falsche oder unvollständige Darstellung soll nur strafbar sein, wenn sie geeignet ist, einen schwerwiegenden Schaden für den Verband, dessen Gesellschafter, Mitglieder oder Gläubiger oder für Anleger herbeizuführen.

Mit Blick auf die im Rechnungslegungs-Kontrollgesetz (RL-KG) vorgesehene „Bilanzprüfung“ ist mit dieser eingeschränkten Strafbarkeit die Erwartung verknüpft, dass bei der Prüfung durch die Österreichische Prüfstelle für Rechnungslegung (OePR) oder die Finanzmarktaufsicht (FMA) die Feststellung eines Fehlers in einer Weise erfolgen wird, dass deutlich zum Ausdruck gebracht werden wird, ob der Fehler die genannten Schwellen der gerichtlichen Strafbarkeit überschreitet; wenn dies nicht der Fall ist, wird in der Regel auch kein Anfangsverdacht iSv § 1 Abs. 3 StPO wegen §§ 163a, 163b StGB gegeben sein.

Hinsichtlich der inneren Tatseite wird grundsätzlich die Beibehaltung des einfachen Vorsatzes (§ 5 Abs. 1 StGB) vorgeschlagen. Das neue Tatbestandselement der „unvertretbaren Weise“ bringt jedoch eine der Wissentlichkeit nahekommende Vorsatzkomponente mit sich.

Die bisher unterschiedlichen Strafrahmen (ein bzw. zwei Jahre Freiheitsstrafe) sollen angeglichen werden, wobei nicht zuletzt durch die soeben erläuterte deutliche Begrenzung des Straftatbestandes als Grundstrafdrohung zwei Jahre angemessen scheinen (zum Vergleich: in Deutschland beträgt die Strafdrohung in den vergleichbaren Bestimmungen – § 331 dHGB, § 400 dAktG – drei Jahre Freiheitsstrafe). Für die Qualifikation (Börsenotierung) wird eine Strafdrohung von drei Jahren Freiheitsstrafe vorgeschlagen. Wie durchgängig im StGB soll bei allen Delikten, die eine höhere Freiheitsstrafe als von einem Jahr vorsehen, keine alternative Geldstrafe vorgesehen werden. Eine Geldstrafe kann jedoch weiterhin unter Anwendung des § 37 StGB verhängt werden.

Die bisher nur in § 89 Abs. 1 GenG enthaltene Subsidiaritätsklausel soll entfallen.

§ 163a StGB

Abs. 1

Täterkreis (Sonderdelikt)

Die geltenden Tatbestände sind Sonderdelikte, wobei die Begriffe der Personenkreise auf die jeweilige Rechtsform zugeschnitten sind. Die Schaffung eines einheitlichen Tatbestandes macht es erforderlich, einen allgemeinen Begriff zu verwenden. Es wird vorgeschlagen, den Begriff des Entscheidungsträgers nach § 2 Abs. 1 des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes (VbVG) zu verwenden.

Abwickler bzw. Liquidatoren sind unabhängig von der Art der Bestellung als Entscheidungsträger anzusehen.

Da sich die Aufgaben des Publikumsrates des ORF weitgehend auf Vorschläge und Empfehlungen beschränken (§ 30 ORF-G), ist davon auszugehen, dass dieser kein Entscheidungsträger im Sinn von § 2 VbVG ist.

Der bisher verwendete, sehr unpräzise Begriff des Beauftragten (der nach bisher überwiegender Ansicht auch den Abschlussprüfer umfasst) soll aufgegeben werden. An seine Stelle tritt einerseits eine eigene Bestimmung für Abschlussprüfer und andere externe Prüfer (§ 163b StGB). Andererseits soll präzisiert werden, dass als Täter in Betracht kommt, wer von einem Entscheidungsträger mit der in Z 1 bis 5 angeführten Informationsdarstellung beauftragt ist. Der Auftrag ist dabei nicht im strengen zivilrechtlichen Sinne als Auftragsvertrag zu verstehen, sondern muss sich bloß auf einen der genannten Vorgänge zur Informationsdarstellung beziehen.

Die Beauftragung muss aber nicht die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit der Informationsdarstellung erfassen. Dies soll ausdrücklich durch die Formulierung „wer sonst … mit der Informationsdarstellung beauftragt ist“ zum Ausdruck gebracht werden. Eine einfachere als die vorgeschlagene Formulierung wäre zwar „wer sonst im Auftrag eines Entscheidungsträgers …“. Dies könnte dahin ausgelegt werden, dass der Beauftragte – wenn er vom Entscheidungsträger beauftragt wurde, unrichtig darzustellen – schon als Beitragstäter (§ 12 StGB) zur Haupttat des Entscheidungsträgers strafbar wäre und dass daher die Worte „sonst im Auftrag eines Entscheidungsträgers“ jenen Fall erfassen sollen, dass der Auftrag nicht auch die unrichtige Darstellung umfasst. Da diesen Worten aber auch der Zweck beigemessen werden könnte, dass er bloß die Strafbarkeit des Beauftragten schon als unmittelbarer Täter erreichen will, und eine enge Auslegung des Kerns der Tathandlung („wer im Auftrag eines Entscheidungsträgers eine ... wesentliche Information … falsch oder unvollständig darstellt“) jedenfalls vertretbar scheint, scheint die vorgeschlagene Formulierung präziser zu sein.

Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage; künftige Entwicklung

Es wird vorgeschlagen, die bisher verwendeten Begriffe „Verhältnisse der Gesellschaft“ und „erhebliche Umstände“ (VAG zusätzlich noch „wesentliche Punkte“) zunächst durch die bereits aus dem UGB vertraute Wendung „Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage“ zu ersetzen und damit stärker zu konturieren.

Eine Beschränkung auf die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage scheint allerdings zu eng und würde dazu führen, dass wesentliche Inhalte der in den Z 1 bis 5 enthaltenen Darstellungs„medien“ aus dem Schutzbereich des Tatbestandes herausfallen würden; dies gilt ganz besonders für Lageberichte (Z 1), aber auch für mündliche Ausführungen in Versammlungen (Z 3) oder Prüfern zu gebenden Auskünften (Z 4). In Anlehnung an die in § 243 UGB umschriebenen Inhalte des Lageberichts (insb. § 243 Abs. 3 Z 2 UGB) sollen auch für die Beurteilung der künftigen Entwicklung der Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage bedeutsame Informationen in den Schutzbereich einbezogen werden.

Die vorgeschlagenen Umschreibungen stellen insbesondere gegenüber dem geltenden Straftatbestand in § 89 GenG, der überhaupt keine inhaltliche Eingrenzung enthält, eine wesentliche Einschränkung dar.

Wesentliche Informationen

Es wird vorgeschlagen, für den Begriff der „wesentlichen Information“ auf dessen Umschreibung in § 189a Z 10 UGB idF des RÄG 2014 zurückzugreifen. Der im Ministerialentwurf (§ 163a Abs. 4 StGB idF des ME) vorgeschlagene Begriff der „Erheblichkeit“ (der sich zwar ohnehin an § 189a Z 10 UGB idF des RÄG 2014 anlehnte) soll wegen der im Begutachtungsverfahren geäußerten Kritik (insbesondere an unbestimmten Rechtsbegriffen) entfallen.

Die Wesentlichkeit ist als das Produkt zweier Faktorenpaare zu betrachten, von denen je mindestens eine Komponente vorliegen muss. Die Wesentlichkeit ergibt sich aus der Größe oder spezifischen Eigenart des (Bilanz-)Postens oder aus der Größe oder spezifischen Eigenart der Fehlerhaftigkeit. Damit soll der rechtspolitisch erwünschte Effekt erreicht werden, dass in qualitativ sehr wichtigen Bereichen quantitativ kleine Fehler ebenso wesentlich sein sollen wie quantitativ große Fehler in anderen wesentlichen, aber per se nicht ganz so bedeutsamen Bereichen.

Die Wesentlichkeitsschwelle ist jedenfalls nicht nach mathematischen Formeln zu bestimmen, etwa als bestimmter Prozentsatz von wichtigen Bilanzgrößen, sondern es ist jeweils eine einzelfallbezogene Bewertung der Wesentlichkeit der von der falschen oder unvollständigen Darstellung betroffenen Information vorzunehmen.

Betont sei, dass die Bezugnahme auf § 189a Z 10 UGB idF des RÄG 2014 nicht bedeutet, dass jede noch so geringfügige falsche oder unvollständige Darstellung einer wesentlichen Information im Sinne des UGB bereits strafbar sein soll.

Als wesentliche Informationen sollen auch solche in Betracht kommen, die die Beziehungen des Verbandes zu mit ihm verbundenen Verbänden (Tochtergesellschaften) betreffen; die Formulierung entspricht der im deutschen Recht verwendeten (§ 400 dAktG) und stellt eine weitere Einschränkung gegenüber dem geltenden Recht dar (das die Verhältnisse verbundener Unternehmen insgesamt erfasst).

In unvertretbarer Weise

Der Begriff „in unvertretbarer Weise“ soll eine Einschränkung der Strafbarkeit in zweierlei Richtung bewirken:

Im Hinblick auf das Bestehen von zulässigen Bewertungs- oder anderer Ermessensspielräume, die im Rahmen der Bilanzpolitik entsprechend genützt werden können, führt beispielsweise die Einhaltung der Bewertungsregeln nicht automatisch zu einem einzigen richtigen Ergebnis. Unrichtig kann daher nur sein, was außerhalb dieser zulässigen Spielräume liegt und damit nur die „unvertretbare“ Bilanz.

Die Vertretbarkeit richtet sich nach den inhaltlichen und formellen Vorgaben und Maßstäben der für die Darstellung einzuhaltenden gesetzlichen Vorschriften (insbesondere UGB) oder anerkannter Standards (insbesondere IFRS, siehe § 245a UGB) und ist dem Grundsatz der Bilanzrechtsakzessorietät geschuldet. Soweit solche Standards nicht bestehen, ist auf das Verhalten einer Maßfigur abzustellen.

Im Begriff „unvertretbar“ steckt aber auch eine Vorsatzkomponente, die der im Begutachtungsverfahren geforderten Wissentlichkeit nahe kommt.

Auch durch diese zusätzliche Komponente der Unvertretbarkeit soll ein im Begutachtungsverfahren befürchteter Automatismus dahingehend vermieden werden, dass jede Feststellung eines (wesentlichen) Fehlers durch die Österreichische Prüfstelle bereits einen bedingten Vorsatz des Informationsdarstellers in Richtung „Bilanzfälschung“ indiziert.

Falsche oder unvollständige Darstellung

Es ist beabsichtigt, die Begriffe „unrichtig wiedergeben“ und „verschweigen“, die bisher in den einzelnen Materiengesetzen verwendet werden (wiederum nicht durchgängig: z. B. GenG stattdessen: „unzureichende Angaben machen“), sowie das in einigen Gesetzen vorkommende „verschleiern“, in Anlehnung an § 292a StGB durch „falsch oder unvollständig darstellen“ zu ersetzen.

Als Unterfall einer falschen Darstellung ist auch das Verschleiern zu verstehen, weil nicht nur wesentliche Verstöße gegen den Grundsatz der Bilanzwahrheit, sondern auch gegen den Grundsatz der Bilanzklarheit zu einer solcherart verpönten Fehlinformation der Informationsadressaten führen. Der Informationsempfänger hat nämlich nicht nur Anspruch auf eine inhaltlich (möglichst) richtige und vollständige Darstellung der für die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Verbandes und deren künftiger Entwicklung (einschließlich seiner Beziehung zu einem mit ihm verbundenen Unternehmen) wesentlichen Umstände, sondern auch in Bezug auf eine ordnungsgemäße Darstellung einzelner Positionen in der Bilanz (etwa zur Berechnung von aussagekräftigen Kennzahlen). Rein ausweistechnische Fehler fallen daher in der Regel nicht darunter, es sei denn, dass es sich um eine unvertretbare Verschleierung einer wesentlichen Information handelt.

Was das Verschweigen von wesentlichen Informationen betrifft, so kommt es für das Erfüllen des Tatbestandes darauf an, ob bei der Informationsdarstellung der Eindruck der Vollständigkeit erweckt wird („unvollständig darstellen“) oder ob eine Information für deren Empfänger erkennbar verweigert wird.

Schadenseignung

Das aus dem Begutachtungsverfahren stammende weitere Kriterium, wonach die unvertretbare Darstellung zudem geeignet sein muss, einen schwerwiegenden Schaden für den Verband, dessen Gesellschafter, Mitglieder oder Gläubiger oder für Anleger herbeizuführen, soll die Strafbarkeit dieses abstrakten Gefährdungsdeliktes im Sinne des ultima ratio-Gedankens auf die besonders strafwürdigen Fälle einschränken.

Darstellungs„medien“ (Abs. 1 Z 1 bis 5 und Abs. 2)

In Abs. 1 Z 1 bis 5 und Abs. 2 sind in Anlehnung an § 255 AktG die „Medien“ der unrichtigen Darstellungen umschrieben.

Für jeden der in § 163c StGB genannten Verbände sind nur jene Bestimmungen (Z 1 bis 5, Abs. 2) maßgeblich, die nach den spezifischen Materiengesetzen auf den jeweiligen Verband zutreffen.

Zu Z 1:

Die Bestimmung führt die bisher in § 255 Abs. 1 Z 1 und 5 AktG enthaltenen Bestimmungen in eine einzige Ziffer zusammen.

Die Strafbarkeit soll sich nicht nur auf gesetzlich vorgesehene Berichte beziehen, sondern – wie bisher – umfassender sein. Durch die geplante Streichung der Begriffe „Darstellung“ und „Übersicht“ ist keine Einschränkung beabsichtigt, weil „Bericht“ umfassend zu verstehen ist.

Die bisher in § 89 GenG umfassten Mitgliederregister, Generalversammlungsprotokolle und Abschriften (u.a. des Genossenschaftsvertrages) sollen nicht übernommen werden; vergleichbare Pflichten sind bei anderen Verbänden nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht. Diese Tathandlungen können aber größtenteils weiterhin mit Ordnungsstrafen geahndet werden (§ 87 GenG).

Zu Z 3:

Mit dem allgemeinen Begriff der Versammlung ist auch das „oberste Organ“ von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit (§ 51 VAG 2016) erfasst.

Zu Z 4:

Intention ist der Schutz der Prüftätigkeit.

Zu Z 5:

Die Bestimmung soll die im geltenden Recht in § 122 Abs. 2 Z 1 und 2 GmbHG bekannte Regelung aufnehmen und verallgemeinern. Um auch – wie bisher – Anmeldungen, die Sacheinlagen betreffen, zu erfassen, sollte der im Ministerialentwurf verwendete Wortlaut auf „die die Leistung von Einlagen auf das Gesellschaftskapital betrifft“ geändert werden.

Abs. 2

Die in mehreren Gesetzen (§ 255 Abs. 2 AktG, § 122 Abs. 2 Z 3 GmbHG, § 64 Abs. 2 SEG, § 114 Abs. 2 VAG bzw. künftig: § 323 Abs. 4 VAG 2016) schon bisher enthaltene Tathandlung soll verallgemeinert werden. Da die Pflicht zur Erstattung eines Sonderberichts immer den Entscheidungsträger trifft, muss hier eine Strafbarkeit eines im Auftrag Handelnden nicht vorgesehen werden.

Gemeint sind damit insbesondere die Sonderberichte nach § 81 Abs. 1 dritter Satz AktG und § 28a Abs. 1 dritter Satz GmbHG, wobei eine Strafbarkeit nur dann bestehen soll, wenn ein Sonderbericht bei Liquiditätsgefährdung nicht erstattet wird. Nicht erfasst sollen jene Fälle sein, in denen das Gesetz wegen wirtschaftlicher Probleme die Einberufung einer Generalversammlung vorsieht, wie beispielsweise § 36 Abs. 2 zweiter Satz GmbHG und § 84 GenG.

Abs. 3

Die Bestimmung enthält eine Qualifikation zu den Abs. 1 und 2; sie kann daher nur von dem dort umschriebenen Personenkreis verwirklicht werden.

Die Umschreibung ist § 189a Z 1 lit. a UGB (in der Fassung des RÄG 2014) entnommen; sie meint im Wesentlichen „Börsenotierung“. Aufgrund des typischerweise vorliegenden hohen Schadens und der großen Anzahl der potentiell Geschädigten scheint eine höhere Strafdrohung angemessen.

Abs. 4

Da es denkbar ist, dass ein Prüfer, der eine Straftat nach § 163b StGB begeht, in diesem Zusammenhang auch Beteiligter an einer Tat eines Organs ist, eine Strafbarkeit wegen beider Taten aber überschießend wäre, soll ausdrücklich Subsidiarität angeordnet werden.

§ 163b StGB

Wie bereits oben angedeutet, sind nach geltendem Recht die eigentlich auf die Organe zugeschnittenen Straftatbestände auf Abschlussprüfer und andere externe Prüfer – als „Beauftragte“ – anzuwenden. Dies scheint aber der besonderen Aufgabe der Prüfer nicht gerecht zu werden. Auch im deutschen Recht gibt es neben dem auf Organe anwendbaren Straftatbestand (§ 331 dHGB) einen gesonderten Straftatbestand, der von Abschlussprüfern begangen werden kann (§ 332 dHGB, „Verletzung der Berichtspflicht“).

Der vorgeschlagene Tatbestand soll den spezifischen Pflichten von Prüfern gerecht werden.

Zunächst soll der Kreis der in Betracht kommenden Prüfer umschrieben werden: Neben dem Abschlussprüfer (§ 278 UGB) sollen etwa Gründungsprüfer (§ 25 AktG, § 11 PSG), Sonderprüfer (§ 130 AktG), Verschmelzungsprüfer (§ 220b AktG), Spaltungsprüfer (§ 5 SpaltG), Revisoren (GenRevG, § 2 GenVG) oder Sonderprüfer (§ 130 AktG, § 31 PSG, § 52 VAG 2016) erfasst sein. Eine namentliche Aufzählung aller Prüfer ist aufgrund der unterschiedlichen Bezeichnungen in den diversen Gesetzen, vor allem aber im Hinblick auf die Erfassung auch ausländischer Verbände (§ 163c Z 12 StGB), nicht möglich. Diese sollen durch die Generalklausel „sonst als aufgrund verbandsrechtlicher Bestimmungen bestellter Prüfer mit vergleichbaren Funktionen“ erfasst werden. Durch die Beschränkung auf verbandsrechtliche Bestimmungen (also Bestimmungen des Gesellschaftsrechts und anderer Gesetze, die unter den Begriff des Verbandes fallende Rechtsträger regeln) soll klargestellt werden, dass etwa der Rechnungshof oder die Österreichische Prüfstelle für Rechnungslegung nicht unter den Begriff des Prüfers fallen.

Klargestellt sei, dass die in § 163b StGB genannten Prüfer immer dann (unmittelbare) Täter sein können, wenn sie eine Prüfung nach den Materiengesetzen vornehmen (z.B. Abschlussprüfung nach § 268 ff UGB, Verschmelzungsprüfung nach § 220b AktG), und zwar unabhängig davon, ob die Prüfung verpflichtend vorgeschrieben ist. Daher ist etwa auch ein Abschlussprüfer erfasst, der freiwillig zur Prüfung einer kleinen, nicht aufsichtsratspflichtigen GmbH (vgl. § 268 Abs. 1 UGB) bestellt wurde.

Die erste Tathandlung in Abs. 1 (falsch oder unvollständig darstellen) entspricht der Tathandlung in § 163a Abs. 1 StGB. Sie bezieht sich nur auf jene Berichte von Prüfern, die sich nicht – wie die Abschlussprüfung – darauf beschränken, eine von einem Organ erstellte Unterlage zu prüfen.

Unter dem Prüfungsbericht nach § 163b Abs. 1 Z 1 StGB ist z.B. jener nach § 273 Abs. 1 UGB oder jener nach § 5 Abs. 1 GenRevG zu verstehen.

Die zweite Tathandlung in Abs. 1 (verschweigen, dass der Jahres- oder Konzernabschluss, der Lage- oder Konzernlagebericht oder sonst der geprüfte Abschluss, Vertrag oder Bericht wesentliche Informationen falsch oder unvollständig darstellt) bezieht sich unmittelbar auf die Tätigkeit des Abschlussprüfers sowie von Prüfern, die in vergleichbarer Weise einen von einem Organ des Verbandes erstellten Abschluss, Vertrag (z. B. Verschmelzungs- oder Spaltungsvertrag) oder Bericht (z. B. Gründungs- oder Spaltungsbericht) prüfen.

Jede der beiden Tathandlungen wird daher nur für einen Teil der erfassten Prüfer in Betracht kommen. Eine ausschließende Zuordnung scheint aber nicht sachgerecht zu sein, weil einige Arten von Prüfungen (z. B. die umfassende Tätigkeit von Revisoren im Genossenschaftsrecht, oder Sonderprüfungen) nicht klar einer der beiden Arten von Tätigkeiten zugeordnet werden können.

Betont sei, dass mit dem vorgeschlagenen Straftatbestand keineswegs ein neuer Maßstab für Prüfungen eingeführt werden soll, sondern es wird vielmehr der Maßstab der jeweiligen Materiengesetze zu Grunde gelegt. Insbesondere liegt ein Verschweigen nicht vor, wenn das Gesetz ausdrücklich eine Kurzfassung vorsieht (z.B. § 5 Abs. 2 GenRevG).

Anders als noch im Begutachtungsentwurf soll auch § 163b Abs. 2 StGB allgemein auf Prüfer im Sinn des Abs. 1 anwendbar sein, weil es auch Prüfer gibt, die nicht die Bezeichnung Abschlussprüfer tragen, jedoch eine solche Funktion ausüben (beispielsweise Revisor, Bankprüfer).

Mit der Tathandlung nach Z 2 soll ein Teil jener Berichtspflichten sanktioniert werden, die im Zuge einer Abschlussprüfung oder dieser gleichzuhaltenden Prüfung entstehen und die eine unverzügliche Berichterstattung erforderlich machen. Erfasst ist jedoch lediglich die Berichtspflicht bei Bestandsgefährdung (vgl. dazu etwa§ 273 Abs. 2 erster Fall UGB)nicht aber die anderen Fälle einer Warnpflicht (z.B. nach § 273 Abs. 2 und 3 UGB).

Da es denkbar ist, dass ein Organ, das eine Straftat nach § 163a Abs. 1 StGB begeht, in diesem Zusammenhang Beteiligter an einer Tat eines Prüfers nach § 163b StGB ist (etwa als Anstifter), eine Strafbarkeit wegen beider Taten aber überschießend wäre, soll in Abs. 5 ausdrücklich Subsidiarität angeordnet werden.

In ähnlicher Weise soll in Abs. 3 Subsidiarität zwischen einzelnen Tathandlungen des § 163b StGB angeordnet werden, wobei jeweils die zeitlich vorangehende Tat die Strafbarkeit einer nachfolgenden Tat im gleichen Zusammenhang ausschließen soll.

§ 163c StGB

Die bisher in § 255 AktG, § 122 GmbHG, § 64 SEG, § 89 GenG, § 43 ORF-Gesetz, § 41 PSG, § 114 VAG (ab 1.1.2016: § 323 VAG 2016, BGBl. I Nr. 34/2015) und § 18 SpaltG enthaltenen Strafbestimmungen sollen durch den allgemeinen Straftatbestand des § 163a StGB ersetzt werden. Daher entspricht § 163c Z 1 bis 6, 10 und 11 der bisherigen Rechtslage.

Darüber hinaus wird vorgeschlagen, neben den bisher erfassten Verbänden auch die großen Vereine im Sinne des § 22 Abs. 2 VerG, die offenen Gesellschaften und Kommanditgesellschaften im Sinne des § 189 Abs. 1 Z 2 lit. a UGB in der Fassung des RÄG 2014 („kapitalistische Personengesellschaften“) und die Sparkassen zu erfassen (§ 163c Z 7 bis 9).

Da in Z 10 ausdrücklich nur Privatstiftungen genannt sind, sind Stiftungen und Fonds nach dem Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetz nicht erfasst.

Neben diesen inländischen Verbänden sollen auch den in Z 1 bis 11 genannten Verbänden vergleichbare ausländische Verbände, deren übertragbare Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt im Inland zugelassen sind oder die im Hinblick auf eine Zweigniederlassung im Inland im Firmenbuch eingetragen sind (§ 12 UGB), erfasst werden (§ 163c Z 12).

All diese haben mit den bisher von den Bilanzdelikten erfassten Verbänden gemeinsam, dass sie rechnungslegungspflichtig sind, weshalb diese Erweiterung erforderlich erscheint. Mit dieser Bestimmung soll auch der Regelungsgehalt des geltenden vierten Absatzes von § 114 VAG (künftig: § 323 Abs. 4 VAG 2016) aufgefangen werden.

Mit der Aufnahme der in Z 12 genannten ausländischen Verbände soll auch ein besserer Schutz inländischer Gläubiger, Investoren und anderer Vertragspartner erreicht werden.

§ 163d StGB

1. Eine Bestimmung über Tätige Reue ist bisher nur im SpaltG enthalten, wobei deren praktische Anwendbarkeit zweifelhaft scheint.

Es wird allgemein (für alle erfassten Verbände) die Möglichkeit einer Tätigen Reue vorgeschlagen. Es sollen jene Ereignisse angeführt werden, bis zu denen die Adressaten noch keine Verfügungen im Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit vorgenommen haben (können).

Tätige Reue soll demjenigen zu Gute kommen, der in den in § 163d Abs. 1 StGB genannten Fällen die falschen Angaben freiwillig richtig stellt oder die fehlenden Angaben nachträgt bzw. der in dem in § 163d Abs. 2 StGB genannten Fall freiwillig die verschwiegenen Angaben nachträgt. Die zum Begutachtungsentwurf vorgenommene Änderung (statt „unvollständigen“ „fehlenden“) dient der sprachlichen Richtigstellung.

2. Die Möglichkeiten der Tätigen Reue sollen gegenüber dem Begutachtungsentwurf um die neue Z 1 des § 163d Abs. 1 StGB erweitert werden: Es soll nun auch im Fall einer unvertretbaren falschen oder unrichtigen Berichterstattung an den Aufsichtsrat (§ 163a Abs. 1 Z 1 StGB) die Möglichkeit einer Tätigen Reue gegeben sein.

Eine § 167 StGB unmittelbar vergleichbare Regelung ist für den Bereich der Bilanzdelikte nicht möglich. Die unvertretbare Darstellung wesentlicher Informationen über bestimmte Verbände ist ein Informationsdelikt, das auch das Vertrauen der Adressaten auf die ursprüngliche Richtigkeit der erteilten Informationen schützen soll. Die für die Anwendung des § 167 StGB erforderliche vollständige Schadensgutmachung ist daher bei diesem Delikt nicht denkbar. Daher kann nur in einem eingeschränkten Bereich eine Straflosigkeit durch Tätige Reue erfolgen.

Soweit zu einzelnen Tathandlungen keine Bestimmung über Tätige Reue vorgeschlagen wird, liegt dies daher daran, dass kein Ereignis ausgemacht werden kann, bis zu dem eine Tätige Reue noch möglich sein könnte, ohne dass bereits Dritte im Vertrauen auf die Richtigkeit Dispositionen getroffen haben könnten.

3. Im Begutachtungsverfahren ist in einer größeren Zahl von Stellungnahmen – teils vehement – die Schaffung einer weiter reichenden Möglichkeit zur Straffreiheit durch Tätige Reue gefordert worden; es wurden auch mehrere – allerdings stark divergierende – Textvorschläge erstattet. Als Begründung wurde unter anderem vorgebracht, dass eine derartige Möglichkeit einen starken Anreiz bieten würde, fehlerhafte Darstellungen richtigzustellen („restatement“), und dass auch im RL-KG eine Fehlerfeststellung vorgesehen sei.

Dass eine erweiterte Tätige Reue den erwähnten Anreiz bieten würde, ist sicher zutreffend; es steht auch außer Frage, dass dieser Anreiz rechtspolitisch durchaus wünschenswert wäre.

Allerdings steht ebenso außer Frage, dass in vielen Fällen verschiedenste Wirtschaftsbeteiligte (Anleger, Kreditgeber, Lieferanten usw.) im Vertrauen auf die Richtigkeit der Darstellung Dispositionen getroffen haben und die Unrichtigkeit der Darstellung oft weitreichende wirtschaftliche Folgen nach sich gezogen haben wird; dies ist nun mit dem Element der Eignung, schwerwiegenden Schaden herbeizuführen, in den Straftatbestand aufgenommen worden. Zwar erleichtert eine Richtigstellung theoretisch die Verfolgung der Ansprüche; allerdings setzt dies voraus, dass ein Geschädigter davon Kenntnis erlangt, dass die ursprüngliche Darstellung falsch war und sie nun richtig gestellt worden ist. Im Rechnungslegungsrecht gibt es aber kein Verfahren, das eine entsprechende Publizität sicherstellt; so bietet etwa die Einreichung eines richtiggestellten Jahresabschlusses keine Gewähr dafür, dass potentielle Geschädigte von der Richtigstellung erfahren. Dies gilt grundsätzlich auch für jene Unternehmen, die dem RL-KG unterliegen, und selbst für die bescheidmäßige Fehlerfeststellung durch die FMA nach § 5 Abs. 2 RL-KG. Selbst wenn man im Anwendungsbereich des RL-KG eine hinreichende Publizität annehmen wollte, wäre eine solche bei Verbänden, die nicht vom RL-KG erfasst sind, weithin nicht gegeben; damit würde es gerade bei den größten Unternehmen mit dem größten Schädigungspotential (das sich auch in einer höheren Strafdrohung niederschlägt) die Möglichkeit zur Straflosigkeit geben, bei den wirtschaftlich kleinen Verbänden aber nicht.

Mit Blick auf einzelne im Begutachtungsverfahren vorgelegte Formulierungsvorschläge, die sich an Elementen der Regelung der Selbstanzeige in § 29 FinStrG orientieren, sei angemerkt, dass dort eine unabdingbare Voraussetzung der Straflosigkeit ist, dass binnen eines Monats alle ausständigen Beträge nachgezahlt werden.

Darüber hinaus besteht im Hinblick auf die beiden gegenüber dem Begutachtungsentwurf vorgenommenen Begrenzungen der Strafbarkeit (Unvertretbarkeit, Eignung einen schwerwiegenden Schaden herbeizuführen) ein doch deutlich vermindertes Bedürfnis nach einer derart weit reichenden Tätigen Reue.

4. Für die ebenfalls im Begutachtungsverfahren angesprochene Sonderkonstellation, dass die unrichtige Darstellung (nicht zur Täuschung von Anlegern, Gesellschafter, Kreditgebern usw., sondern) im Zusammenhang mit einem Finanzvergehen begangen wurde, soll im Finanzstrafgesetz eine Bestimmung des Inhalts geschaffen werden, dass in diesen Fällen die §§ 163a, 163b hinter das Finanzvergehen zurücktreten (ähnlich wie es für Urkundendelikte geltendes Recht ist, § 22 Abs. 3 FinStrG). Es ist in Aussicht genommen, eine derartige Bestimmung im FinStrG so vorzuschlagen, dass sie zum 1.1.2016 in Kraft tritt.

Zu Z 110 bis 112 (§ 164 StGB):

Die Arbeitsgruppe „StGB 2015“ sprach sich einhellig für die Ausdehnung der Anwendung des § 141 StGB auf die Hehlerei aus, weil der Hehler ein geringeres Unrecht durch seine Tat verwirklicht, als der unmittelbare Täter. Aus systematischen Gründen wurde die Aufnahme der Privilegierung in § 164 StGB empfohlen. Die nunmehr vorgeschlagene Privilegierung in den Abs. 5 bis 7 ist jener in § 141 StGB nachgebildet. So sind die Vortaten – wie in § 141 StGB die unmittelbar begangenen Taten – auf nicht schwere Vermögensdelikte beschränkt. Dies erscheint sachgerecht, da beispielsweise ein Hehler nicht privilegierungswürdig ist, der einen Gegenstand erwirbt, obwohl er es zumindest ernsthaft für möglich hält und sich damit abfindet, dass dieser aus einem Raub mit Todesfolge stammt.

Die Ausgestaltung des Abs. 5 als Ermächtigungsdelikt und die Straffreiheit bei Begehung einer Vortat zum Nachteil von nahestehenden Personen in Abs. 7, ist an § 141 StGB angelehnt.

Zum Begriff der Erwerbsmäßigkeit siehe oben bei § 70 StGB.

Zur Erhöhung der Wertgrenzen siehe oben bei § 126 Abs. 1 Z 7 StGB.

Zu Z 114 (§ 166 Abs. 1 StGB):

Anregungen im Begutachtungsverfahren folgend, sollen auch die §§ 241a ff StGB unter die Privilegierung bei Begehung im Familienkreis fallen. Dies erscheint ungeachtet des von den §§ 241a ff StGB „eigentlich“ geschützten Rechtsgutes lebensnah und sachgerecht.

Zu Z 117 (§ 169 Abs. 3 StGB):

In der Stammfassung des StGB war die lebenslange Freiheitstrafe nur für insgesamt 10 Straftaten vorgesehen. Durch die zwischenzeitlich vorgenommenen Novellierungen, beispielsweise im Bereich der Sexualdelikte, kamen weitere 12 Anwendungsfälle hinzu. In der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ wurde die vermehrte Androhung der lebenslangen Freiheitsstrafe kritisch gesehen und grundsätzlich die Zurückdrängung derselben empfohlen. Durch die häufigere Androhung der lebenslangen Freiheitsstrafe besteht die Gefahr, dass bei schweren Straftaten zunehmend keine Differenzierung aufgrund des Unwertgehaltes der einzelnen Taten mehr vorgenommen werden kann und so eine sachgerechte Abstufung der Strafrahmen nicht mehr erreicht werden kann.

Im Sinne dieser Überlegungen wird daher vorgeschlagen, die lebenslange Freiheitsstrafe aus § 169 Abs. 3 StGB zu streichen. Dies scheint vertretbar, da es sich hierbei um eine fahrlässige Todesfolge handelt. Dem Täter oder der Täterin ist bei der Brandstiftung zumeist gar nicht ausreichend bewusst, dass dadurch eine größere Zahl von Menschen zu Tode kommen könnte. Hält jemand dies ernstlich für möglich und findet sich damit ab, liegt ohnehin Mord nach § 75 StGB vor, welcher mit 10 bis zu 20 Jahren oder lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist. Eine Strafdrohung von 10 bis zu 20 Jahren erscheint in den Fällen des § 169 Abs. 3 StGB ausrechend zu sein. Dies gilt auch für die strafbaren Handlungen nach den §§ 171 Abs. 2, 173 Abs. 2, 176 Abs. 2, 177b Abs. 4, 180 Abs. 2, 181b Abs. 2 und 181d Abs. 2 StGB, in welchen auf § 169 Abs. 3 StGB verwiesen wird. Eine Streichung erscheint auch vor dem Hintergrund vertretbar, dass nach der Gerichtlichen Kriminalstatistik in den letzten 20 Jahren bzw. seit Inkrafttreten der §§ 177b, 180, 181b und 181d StGB keine Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe erfolgte.

Zu Z 145 (§ 184 StGB):

Siehe dazu Z 16 ff.; klarzustellen ist im Übrigen, dass die Begriffe „ärztlich“ bzw. „Arzt“ eine spezifisch strafrechtlichen Bedeutungsinhalt aufweisen, weshalb zahnärztliche Tätigkeiten sehr wohl unter den Anwendungsbereich des § 184 StGB fallen. Dies deshalb, weil auch Zahnärzte - wie der Name schon sagt - Ärzte sind und § 184 StGB nicht auf das Ärztegesetz verweist, sodass hier der allgemeine Sprachgebrauch prävalieren sollte. Die Aufsplittung in Ärztegesetz - Zahnärztegesetz erscheint demgegenüber für die Auslegung des StGB nicht maßgeblich (vgl. idS Manhart SbK § 184, Rz 8f).

Zu Z 151 (§ 205a StGB):

Dieser Vorschlag dient der weiteren, über den von der Konvention vorgegebenen Mindeststandard hinausgehenden Umsetzung von Artikel 36 der Europaratskonvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.

Diese Bestimmung lautet:

„Sexuelle Gewalt, einschließlich Vergewaltigung

Art. 36. 1) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass folgendes vorsätzliches Verhalten unter Strafe gestellt wird:

a) nicht einverständliches, sexuell bestimmtes vaginales, anales oder orales Eindringen in den Körper einer anderen Person mit einem Körperteil oder Gegenstand;

b) sonstige nicht einverständliche sexuell bestimmte Handlungen mit einer anderen Person;

c) Veranlassung einer Person zur Durchführung nicht einverständlicher sexuell bestimmter Handlungen mit einer dritten Person.

2) Das Einverständnis muss freiwillig als Ergebnis des freien Willens der Person, der im Zusammenhang der jeweiligen Begleitumstände beurteilt wird, erteilt werden.

3) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Abs. 1 auch auf Handlungen anwendbar ist, die gegenüber früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnerinnen oder Partnern im Sinne des internen Rechts begangen wurden.“

Nach dem Erläuternden Bericht zum Europaratsübereinkommen sind die Vertragsparteien bei der Umsetzung des Art. 36 dazu angehalten, in ihrem Strafrecht den Begriff der fehlenden freien Zustimmung zu den verschiedenen in den Unterabsätzen a bis c aufgeführten sexuellen Handlungen aufzunehmen, wobei die Freiwilligkeit nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen sei (vgl. Abs. 192 des Erläuternden Berichts), es aber im Übrigen den Vertragsparteien überlassen ist, die genaue Formulierung sowie jene Faktoren festzulegen, die eine freie Zustimmung ausschließen (Abs. 193). Im Rahmen der Prüfung der Tatbestandsmerkmale sollten die Vertragsparteien die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte berücksichtigen. Der Erläuternde Bericht zum Übereinkommen verweist in diesem Zusammenhang auch auf das Urteil Europäischen Gerichtshofs im Fall M.C.gegen Bulgarien vom 4. Dezember 2003, Application no. 39272/98, in dem sich der Gerichtshof überzeugt zeigte, dass ein starres Vorgehen bei der strafrechtlichen Verfolgung sexuell bestimmter Straftaten, das z. B. darin bestünde, in allen Fällen den Beweis für physischen Widerstand zu fordern, zur Straffreiheit der Täter bestimmter Arten von Vergewaltigung führen und folglich den wirksamen Schutz der sexuellen Selbstbestimmung des Einzelnen gefährden könnte; die positiven Verpflichtungen, die den Mitgliedstaaten durch die Art. 3 und 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention auferlegt werden, würden jedoch die Kriminalisierung und wirksame Strafverfolgung aller nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen verlangen, einschließlich von Fällen, in denen das Opfer keine physische Gegenwehr geleistet hat“ (par. 166 der Entscheidung). Durch diesen Hinweis markiert der Erläuternde Bericht auch die Untergrenze für den Gestaltungsspielraum der Vertragsparteien bei der Umsetzung des Art. 36, indem es ihnen damit jedenfalls auch verwehrt ist, bei Ausgestaltung des Tatbestandes darauf abzustellen, dass das Opfer Widerstand geleistet haben muss. Abgesehen, davon dass jedenfalls auch jene Fälle erfasst werden müssen, in denen das Opfer keinen Widerstand leistet, ist der nationale Gesetzgeber wie bereits erwähnt dem Erläuternden Bericht zufolge frei, wie er die nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen im nationalen Strafrecht erfasst. Der Erläuternde Bericht zum Übereinkommen verweist in diesem Zusammenhang neuerlich auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Fall M.C. gegen Bulgarien, wo der Europäische Gerichtshof als Beispiele für nicht einvernehmliche sexuelle Handlungen solche nennt, die auf „coercion“, „violence“, „duress“, „threat“, „ruse“ oder „surprise“ beruhen, also unter Anwendung von Zwang, Gewalt, Nötigung, Drohung oder List oder unter Ausnützung des Überraschungsmoments gegenüber dem Opfer gesetzt werden (par. 161 der Entscheidung, Abs. 191 des Erläuternden Berichts).

Abgesehen von den §§ 201 und 202 StGB, bei denen der Täter Gewalt, gefährliche Drohung oder Freiheitsentziehung anwendet, um den Willen des Opfers auszuschalten oder zu brechen, sind sexuelle Handlungen gegen den ausdrücklichen Willen einer Person in Österreich in den Fällen der §§ 205 (wenn es sich um den sexuellen Missbrauch einer wehrlosen Person handelt), 206 (wenn es sich um den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gelichzusetzende Handlung mit einer Person unter 14 Jahren oder einer solchen Person an sich selbst handelt), 207 (wenn es sich um eine sonstige geschlechtliche Handlung mit einer Person unter 14 Jahren oder einer solchen Person an sich selbst handelt), 207b (wenn die Zwangslage einer Person unter 18 Jahre ausgenützt wird) oder 212 (wenn in den dort genannten Fällen ein Autoritätsverhältnis ausgenützt wird) StGB strafbar, auch wenn der Täter weder (physische) Gewalt, noch gefährliche Drohung oder Freiheitsentziehung anwendet. Im Ergebnis unfreiwillige sexuelle Kontakte im Sinne des Art. 36 des Europaratsübereinkommens können ferner als Täuschung nach § 108 StGB, als sexueller Missbrauch einer psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 StGB oder als sexueller Missbrauch von Jugendlichen nach § 207b Abs. 3 StGB strafbar sein.

Schließlich ist jede unfreiwillige sexuelle Handlung – unabhängig von Alter und Situation – als sexuelle Belästigung nach § 218 StGB strafbar.

Die im Ministerialentwurf sowie in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Ratifizierung des Europaratsübereinkommens zum Ausdruck gebrachte Einschätzung, dass der von Art. 36 der Konvention vorgegebene Mindeststandard in Österreich erfüllt wird, wurde im Begutachtungsverfahren teils geteilt, wobei ein Teil dieser Meinungen daraus dann auch die Entbehrlichkeit einer weiteren Strafbestimmung im vorliegenden Zusammenhang ableitete, teils jedoch bestritten, indem etwa die für die (subsidiäre) Strafbestimmung des § 218 StGB vorgesehene Strafdrohung als nicht ausreichend im Sinne der Konvention bezeichnet wurde, wobei zum Teil auch noch weiter gehende Vorschläge, etwa im Sinne (noch) strengerer Strafen bis hin zu einer Ausweitung des bzw. Integrierung in § 201 StGB erstattet wurden. Insgesamt kann aus den Ergebnissen des Begutachtungsverfahrens eine Berechtigung für das Anliegen des Entwurfs (auch) in diesem Punkt abgeleitet werden, ein deutliches, aber doch maßvolles Zeichen zur Vorbeugung und Hintanhaltung sexueller Gewalt zu setzen, indem das Spektrum der strafrechtlichen Reaktionsmöglichkeiten auf konsenslose Sexualkontakte erweitert werden soll.

Der Tatbestand unterscheidet dabei drei Fälle:

Im Sinne der Istanbul-Konvention stellt das bloße Ignorieren des Willens des Opfers bereits eine Form der sexuellen Gewalt dar. Darüber hinaus bedarf es hier jedoch keines Einsatzes von (weiterer) Gewalt, gefährlicher Drohung oder irgendeines anderen Nötigungsmittels, um den Tatbestand zu erfüllen. Es ist auch vollkommen irrelevant, ob sich das Opfer gewehrt hat oder nicht. Kein Tatbestand des österreichischen Sexualstrafrechts verlangt, dass das Opfer Widerstand leisten muss. In diesem Zusammenhang muss darüber hinaus jedoch auch auf den Umstand hingewiesen werden, dass es auch eine Menschenrechtsverletzung darstellt, wenn der Umstand, dass sich ein Opfer nicht gewehrt hat, beweiswürdigungsrelevant als Indiz dafür herangezogen wird, dass der Täter keine Gewalt angewendet habe (vgl. dazu die vorstehend zitierte Entscheidung des EGMR im Fall M.C.gegen Bulgarien) bzw. – umgelegt auf den gegenständlichen Tatbestand – dass der Beischlaf nicht gegen den Willen des Opfers erfolgt sei. Sollte der Täter jedoch trotz Ablehnung seitens des Opfers nicht von seinem Vorhaben Abstand nehmen und das Opfer darauf mit Abwehrhandlungen reagieren, welche dann der Täter unter Einsatz von Nötigungsmitteln zu überwinden sucht, so macht er sich nach § 201 oder 202 StGB strafbar.

Es soll darauf ankommen, dass der Täter gegen den Willen des Opfers handelt. Der Täter muss es ernsthaft für möglich halten und sich damit abfinden, dass er gegen den Willen des Opfers handelt, den Beischlaf oder die beischlafsähnliche Handlung aber dennoch vornimmt (bzw. das Opfer diese vornehmen bzw. erdulden lässt). Dabei sind Fälle denkbar, in den das Opfer seinen Willen ausdrücklich erklärt hat, aber auch Fälle, in denen das Opfer konkludent zu verstehen gibt, dem Ansinnen des Täters ablehnend gegenüber zu stehen (indem es etwa zu weinen beginnt).

Das bloß innere Vorliegen einer Ablehnung, ohne dass diese nach außen hin erkennbar geworden ist, wird Tatbildlichkeit nach § 205a StGB nicht begründen können (vgl. Schmoller in SbgK Rz 39 zu § 110 StGB). Hier ist zu prüfen, aus welchem Grund die Artikulierung des ablehnenden Willens unterblieben ist. War das Opfer wehrlos, kommt Strafbarkeit nach § 205 StGB (mit denselben Strafdrohungen wie Vergewaltigung bzw. geschlechtliche Nötigung) in Betracht. Eine Person ist wehrlos, wenn ein Widerstand für sie unmöglich, aussichtslos oder unzumutbar ist. Dies kann körperliche oder psychische Ursachen haben. Wehrlosigkeit liegt etwa vor bei einer Fesselung oder sonstigen Bewegungsunfähigkeit, bei schweren körperlichen Gebrechen (wie z.B. einer Querschnittslähmung, sonstigen schweren körperlichen Behinderungen oder völliger physischer Erschöpfung) sowie im Falle einer Bewusstlosigkeit oder eines Schlafzustandes. Gleiches gilt für Personen, die sich in einem narkotisierten oder hypnotisierten Zustand befinden bzw. gänzlich orientierungslos sind, wie z.B. infolge eines (Voll-)Rausches oder völliger Schlaftrunkenheit. Auch schwere Schockzustände, etwa aufgrund gerade erlebter schwerer Gewalttaten, können zur Wehrlosigkeit führen. Ebenso ist eine völlig erblindete Person als wehrlos zu betrachten (vgl. zu alldem (Philipp in WK2 StGB § 205 Rz 7; Hinterhofer in SbgK § 205 Rz 23).

Bloße körperliche Unterlegenheit oder Angst begründen dagegen noch keine Wehrlosigkeit (Philipp, Hinterhofer, jeweils aaO). Unterlässt das Opfer die Äußerung eines ablehnenden Willens aus Angst, ist zum einen zu prüfen, ob sich das Opfer in einer Zwangsalge befunden hat, insbesondere aber, ob es eingeschüchtert im Sinne der dritten Tatbegehungsvariante des § 205a StGB war. Lässt das Opfer die geschlechtliche Handlung über sich ergehen, weil es unter dem Eindruck einer Gewaltbeziehung steht, besteht Strafbarkeit nach den §§ 201 f StGB, wenn (konkludent) eine gefährliche Drohung im Raum steht, etwa weil der Täter ein Messer unter dem Kopfkissen liegen hat (Birklbauer in seiner Stellungnahme im Begutachtungsverfahren, 106/SN-98/ME).

Ist das Opfer aufgrund einer Geisteskrankheit, einer geistigen Behinderung, einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder einer anderen schweren, einem dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung nicht in der Lage, einen ablehnenden Willen zu artikulieren, kommt wiederum Strafbarkeit nach § 205 StGB in Betracht.

Nicht erfasst von § 205a StGB ist das bloße Ausnützen des Überraschungsmoments, wenn das Opfer zwar nicht wehrlos ist, der Angriff aber so unversehens erfolgt, dass es einen auch dem Angreifer bewusst werdenden Behauptungswillen gar nicht fassen kann. Nimmt das Geschehen keine andere Wendung und lässt der Täter vom Opfer ab, sobald dieses seinen ablehnenden Willen – sei es ausdrücklich, sei es konkludent – artikuliert hat, kommt Strafbarkeit nach § 218 Abs. 1 StGB in Betracht. Lässt der Täter hingegen trotz Ablehnung durch das Opfer nicht von ihm ab, greift zumindest § 205a StGB. Reagiert der Täter auf die Ablehnung durch das Opfer mit dem Einsatz von Nötigungsmitteln, kommt wiederum Strafbarkeit nach den §§ 201 oder 202 StGB in Betracht, wobei es wie gesagt irrelevant ist, ob sich das Opfer wehrt oder nicht und damit auch, aus welchem Grund es sich gegebenenfalls nicht wehrt. Dem Nötigungsmittel der Gewalt entspricht nämlich nach ständiger Judikatur jeder Einsatz einer nicht ganz unerheblichen physischen Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder vermuteten Widerstands, wobei es keiner besonderen Intensität dieser Kraftanwendung bedarf. Solcherart bedarf es aktuellen Widerstands des Tatopfers nicht. Gewaltausübung liegt auch vor, wenn der Krafteinsatz der präventiven Brechung des zu erwartenden Widerstands dient (14 Os 188/08s mwN). Erst jüngst hat der Oberste Gerichtshof wieder (unter Hinweis auf das auch bei Überwindung eines vermuteten Widerstands vorliegende Nötigungsmittel der Gewalt) entschieden, dass es für die Schuldfrage keine Rolle spielt, ob sich das Tatopfer gewehrt hat oder sich zu wehren versuchte (15 Os 9/15p unter Verweis auf RIS-Justiz RS0095260, RS0095232; der zu RIS-Justiz RS0095260 ausgewiesene Beisatz [T 1], wonach Gewalt als Tatbildmerkmal des § 201 StGB keinen besonders ausgeprägten oder gar effizienten Widerstand erfordere (11 Os 99/05a), muss also insofern als überholt angesehen werden, als eben überhaupt kein Widerstand erforderlich ist).

Nuanciert anderes gilt wohl in dem der Entscheidung des BGH NStZ 2012, 268, zu Grunde liegenden Sachverhalt: Der Angeklagte sprach das vierzehnjährige Opfer darauf an, ob er es als Modell für ein Tattoo zeichnen dürfe. Nachdem das Mädchen sein Einverständnis erklärt hatte, forderte er es auf, „sich mit auseinander gestellten Beinen und an der Wand abgestützten Armen mit dem Gesicht zur Wand zu stellen. Das Mädchen kam dieser Aufforderung nach. Kurze Zeit später trat der Angeklagte – von der jungen Frau unbemerkt – hinter sie, zog ihr plötzlich und für sie völlig unerwartet die Jogginghose und den Slip herunter; er drang von hinten mit seinem erigierten Penis ohne Kondom in ihre Scheide ein und führte den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss durch. Er wusste, dass dies gegen den Willen des „paralysierten Mädchens“ geschah. Hierbei nutzte er plangemäß den Umstand, dass beide in dem Anwesen allein waren, sowie das Überraschungsmoment aus. Wesentlich ist hier nicht das Überraschungsmoment, sondern die innere Einstellung des Täters, sein Wissen um den zwar nicht ausdrücklich, jedoch konkludent und nach den äußeren Umständen auch objektiv erkennbaren entgegengesetzten Willen des Opfers.

Bei „Freezing“ kann uU Wehrlosigkeit iS des § 205 StGB vorliegen (siehe Hinterhofer, SbgK Rz 23 zu § 205). Freezing bezeichnet eine physische Reaktion des Steif- oder Schlappwerdens, das scheinbar teilnahmslose Über-Sich-Ergehen lassen von (sexualisierten) Übergriffen aufgrund von Angst. Eine Frau (Person; ein Opfer) in dieser Situation ist außerstande einen entsprechenden Willen zu artikulieren – für den Täter (die den Beischlaf  vollziehende Person) ist aufgrund der körperlichen Reaktion jedoch ersichtlich, dass auf Seiten der Frau kein Einverständnis vorliegen kann. Diese Konstellation wäre der ersten Tatbestandsalternative des § 205a StGB zu subsumieren (siehe oben).

In der Literatur finden sich dazu folgende Ausführungen (vgl. Ulrike Beckrath-Wilking, Marlene Biberacher, Volker Dittmar, Regina Wolf-Schmid Traumafachberatung, Traumatherapie & Traumapädagogik: Ein Handbuch zur Psychotraumatologie im beratenden & pädagogischen Kontext): „In bedrohlichen Situationen sind wir zunächst biologisch gut darauf vorbereitet, uns entweder zu wehren („Fight“) oder die Flucht zu ergreifen („Flight“). Wenn jedoch keine der beiden Reaktionen möglich oder erfolgsversprechend ist, bleiben uns immer noch die Möglichkeit des Totstellens und der Erstarrung („Freeze“) sowie das innere Aussteigen aus der Situation (peritraumatische Dissoziation.) Freeze bedeutet Einfrieren in einer Lähmungsreaktion. Eine Flut von Endorphinen verhilft zu diesem „geistigen Wegtreten“ sowie der Neutralisierung akuter Todesangst.“ „Freeze ist ein archaisches Notfallprogramm des Stammhirns mit Erstarrung, Unterwerfung, Totstellreflex. Die Erstarrungsreaktion wird in zwei Typen unterteilt, sympathisches und parasympathisches Nervensystem sind z.T. gleichzeitig aktiviert (Siegel, 1999, 2006):

-       Typ 1: Dissoziation und Erstarrung in der sympathikotonen Überregung mit Adrenalinschub, Reglosigkeit, Angst, Herzrasen, dabei angespannt wachsam, voller Energie, die Muskeln sind handlungsbereit kontrahiert, plötzliche Aktivität/Sprung möglich, klares schnelles Denken ist möglich („Wie komme ich hier raus?“).

-       Typ 2: Dissoziation in der Unterregung mit Parasympathikus-Steuerung und Erschlaffung, Unterwerfung, Totstellreflex, Erstarrungs- und Schockzustand, gelähmt, bewegungsunfähig, Atemdepression, wie gefangen in einer Falle, Absinken des Bewusstseinsniveaus, auch als Kollaps und später im Sinne depressiver Resignation („Ich gebe auf, alles ist aus“) – oft über Jahrzehnte automatisiert – erlebt.

Während des Traumavorgangs wird der sympathische Zweig des autonomen Nervensystems in einen Zustand maximaler Erregung versetzt, die dem Körper entweder Flucht oder Kampf ermöglichen soll. Ist beides nicht möglich, versetzt das limbische System gleichzeitig den parasympathischen Zweig des autonomen Zweigsystems in einen erhöhten Erregungszustand, wodurch tonische Immobilität (Freezing) eintritt (Günter H. Seidler, Harald J. Freyberger, Andreas Maercker, Handbuch der Psychotraumatologie).

Diese Freeze-Reaktion der Erstarrung, des Totstellreflexes ist angeboren und wahrscheinlich fast allen Tieren verfügbar. Innerlich scheint es dabei hoch herzugehen. In der Freeze-Reaktion sind Tiere vegetativ hochgradig erregt, sind im Hyperarousal, während sie muskulär erstarren, ihr Laut/Sprach-Zentrum abschalten und möglichst leise atmen (Ulrich Sachsse, Birger Dutz, Traumazentrierte Psychotherapie: Theorie, Klinik und Praxis; mit 25 Tabellen.

Soweit man die Ursachen des freezing nach diesen Umschreibungen aus der Fachliteratur als tiefgreifende Bewusstseinsstörung oder andere schwere, einem dieser Zustände gleichwertige seelische Störung begreifen kann, liegt jedenfalls § 205a StGB vor, wobei sogar die zweite Alternative des § 205 StGB anzuwenden sein könnte; weshalb sich in der Praxis die Einholung eines Gutachtens aus dem entsprechenden Fachgebiet empfehlen wird.

Die zweite Tatbegehungsvariante, die Ausnützung einer Zwangslage des Opfers, orientiert sich an § 207b Abs. 2 StGB (vgl. auch § 104a Abs. 2 sowie die §§ 154 f StGB). Schon bei der Einführung des § 207b wurde gelegentlich erwogen, die dort nur in Bezug auf Jugendliche vorgesehene Ausnützung einer Zwangslage auch in Bezug auf Erwachsene anwendbar zu machen. Eine Zwangslage liegt vor, wenn widrige Umstände zusammentreffen, durch die das Opfer sich nach seinen persönlichen Verhältnissen genötigt sieht, einen Beischlaf oder beischlafsähnliche geschlechtliche Handlungen vorzunehmen oder an sich vornehmen zu lassen, zu denen es sich ohne diese Umstände nie verstanden hätte (Philipp in WK2 StGB § 207b Rz 16). Eine Zwangslage kann insbesondere eine schwere wirtschaftliche Notlage sein, die über eine schwere wirtschaftliche Bedrängnis hinausgeht. Aber auch Obdachlosigkeit oder eine Suchtkrankheit können eine Zwangslage begründen. Sie kann schließlich auch durch ein Übel ausgelöst werden, das einer dem Opfer nahe stehenden Person (Sympathieperson) droht (wobei keine gefährliche Drohung vorliegen muss, weil dann ohnehin schon § 202 StGB zum Tragen kommen könnte; vgl. zu alldem Philipp in WK2 StGB § 207b Rz 12 sowie Hinterhofer SbgK Rz 24 zu § 207b StGB, jeweils mwN). Tatbildmäßig handelt, wer die Tat unter Ausnützung einer beim Opfer bestehenden Zwangslage begeht. Eine Zwangslage nützt aus, wer die Notsituation des Opfers als einen Faktor einkalkuliert, der seinem Vorhaben zugutekommt; nimmt der Täter etwa eine geschlechtliche Handlung mit dem Opfer in dem Bewusstsein vor (bedingter Vorsatz genügt auch hier), dass dieses die Zustimmung zu der geschlechtlichen Handlung nicht abgegeben hätte, wenn es sich nicht in einer Zwangslage befunden hätte, nützt er diese aus (Hinterhofer SbgK Rz 27 zu § 207b StGB; Philipp in WK2 StGB § 207b Rz 16).

Der Begriff der Wehrlosigkeit entspricht dem früher in § 205 StGB enthaltenen Terminus der Widerstandsunfähigkeit. Demnach ist eine Person wehrlos, wenn ein Widerstand für sie unmöglich, aussichtslos oder unzumutbar ist. Dies kann körperliche oder psychische Ursachen haben. Wehrlosigkeit liegt etwa vor bei einer Fesselung oder sonstigen Bewegungsunfähigkeit, bei schweren körperlichen Gebrechen (wie z.B. einer Querschnittslähmung, sonstigen schweren körperlichen Behinderungen) oder völliger physischer Erschöpfung sowie im Falle einer Bewusstlosigkeit oder eines Schlafzustandes. Gleiches gilt für Personen, die sich in einem narkotisierten oder hypnotisierten Zustand befinden) bzw. gänzlich orientierungslos sind, wie z.B. infolge eines (Voll-)Rausches) oder völliger Schlaftrunkenheit. Auch schwere Schockzustände, etwa aufgrund gerade erlebter schwerer Gewalttaten, können zur Wehrlosigkeit führen. Ebenso ist eine völlig erblindete Person als wehrlos zu betrachten.

Zur bloßen körperlichen Unterlegenheit oder Angst siehe oben zum Tatbestandsmerkmal „gegen den Willen“.

Der dritte Fall soll zufolge Einschüchterung unbeachtliche Einwilligungen des Opfers erfassen. Dieses Element orientiert sich (gleichfalls) an der bereits vom Menschenhandel her bekannten Tatmodalität. Einschüchterung ist ein Verhalten im Vorfeld der gefährlichen Drohung; Gewalt oder gefährliche Drohung iSd § 74 Abs. 1 Z 5 StGB sind daher nicht erforderlich. Eine Einschüchterung kann sowohl durch psychische als auch durch physische Einwirkung geschehen. Es genügt die wie auch immer bewirkte Herbeiführung eines psychischen Zustands, in dem das Opfer aus Angst nicht mehr frei entscheiden kann. Das Ziel der Tat muss nicht durch einzelne gravierende Handlungen, sondern kann auch durch eine Vielzahl einzelner Maßnahmen, die insgesamt dazu führen, dass dem Tatopfer die Freiheit der Entscheidung genommen wird, erreicht werden. Dies kann z.B. durch vom Opfer miterlebte Gewalttätigkeiten gegen Dritte, von denen das Opfer auf die mögliche eigene Behandlung rückschließt, geschehen. Eine Einschüchterung kann aber auch dadurch erfolgen, dass beim Opfer auf Grund von Präsenz und Praktiken des Täters Angst erzeugt oder der Eindruck vermittelt wird, dass ein Widersetzen gegen die gestellten Forderungen mit schweren Konsequenzen verbunden ist (Nimmervoll SbgK Rz 53 f zu § 104a StGB; vgl. auch Schwaighofer in WK2 StGB § 104a Rz 6f). Wann die Einschüchterungshandlungen gesetzt wurden, ist grundsätzlich irrelevant, die Einschüchterung muss insbesondere nicht notwendigerweise in einem zeitlichen Naheverhältnis zum Tatzeitpunkt passiert sein; es genügt, dass sie im Tatzeitpunkt (noch) andauert. Es ist auch nicht notwendig, dass die Einschüchterung durch den Täter nach § 205a StGB herbeigeführt wurde.

Bei aktuellem Einsatz eines Nötigungsmittels liegt Strafbarkeit nach den §§ 201 f StGB vor; wenn das Opfer so sehr eingeschüchtert ist, dass es wehrlos ist und der Täter diesen Zustand ausnützt, ist Strafbarkeit nach § 205 StGB gegeben.

Im Hinblick auf die derzeit bestehenden Abstufungen zwischen Vergewaltigung, geschlechtlicher Nötigung und sexueller Belästigung wird daher die Einfügung einer neuen Bestimmung zwischen geschlechtlicher Nötigung und sexueller Belästigung vorgeschlagen, die ihrem Wesen nach „Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung“ heißen soll und die auf nichtkonsensualen Beischlaf und nichtkonsensuale beischlafsähnliche Handlungen anwendbar sein soll. Als Strafdrohung wird Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahre vorgeschlagen, und das Delikt soll kein Ermächtigungsdelikt mehr sein, sondern ein „reines“ Offizialdelikt.

Für sonstige unfreiwillige geschlechtliche Handlungen sollen weiterhin § 108 StGB (im Falle einer Täuschung) mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr sowie § 218 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten und als Ermächtigungsdelikt ausgestaltet zur Verfügung stehen.

Zu Z 154 und 155 (§ 207a Abs. 5 StGB):

Zufolge § 207a Abs. 5 Z 1 StGB idgF ist nach § 207a Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 StGB nicht zu bestrafen, wer eine pornographische Darstellung einer mündigen minderjährigen Person mit deren Einwilligung und zu deren eigenem Gebrauch herstellt oder besitzt. Damit hat der österreichische Gesetzgeber von einer nach dem EU-Rahmenbeschluss 2004/68/JI des Rates vom 22. Dezember 2003 zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornografie im Interesse der Jugendlichen selbst zulässigen Ausnahme der Strafbarkeit von Kinderpornographie Gebrauch gemacht, und zwar ungeachtet des Umstands, dass Österreich auch Mitglied des VN-Fakultativprotokolls zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie vom 25 Mai 2000 ist, das keine derartige Ausnahme kennt.

Zwischenzeitig hat einerseits das VN-Kinderrechtekomitee bei Evaluierungen Österreichs in den Jahren 2008 und 2012 Österreich für seine Ausnahmeregelung kritisiert und dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es weder auf die Zustimmung der minderjährigen Person noch auf einen Verbreitungsvorsatz ankommen sollte.

Andererseits hat die Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates eine noch weiter gehende Ausnahmeregelung im Interesse eines jugendadäquaten Umgangs mit Phänomenen wie „Sexting“ vorgesehen (Art. 8 Abs. 3 der RL). In Erwägungsgrund 20 der RL ist dazu Folgendes festgehalten: „Diese Richtlinie regelt nicht die Maßnahmen der Mitgliedstaaten hinsichtlich im gegenseitigen Einvernehmen erfolgender sexueller Handlungen, an denen Kinder beteiligt sein können und die der normalen Entdeckung der Sexualität im Laufe der menschlichen Entwicklung zugeordnet werden können; in diesem Zusammenhang wird auch den unterschiedlichen kulturellen und rechtlichen Traditionen und neuen Formen der Herstellung und Pflege von Beziehungen unter Kindern und Jugendlichen, einschließlich via Informations- und Kommunikationstechnologien, Rechnung getragen. Diese Sachverhalte fallen nicht in den Geltungsbereich dieser Richtlinie. Mitgliedstaaten, die die sich aus dieser Richtlinie ergebenden Möglichkeiten nutzen, tun dies in Ausübung ihrer Zuständigkeiten.

Zumal bereits in der Vergangenheit, aber auch im Begutachtungsverfahren auch und gerade von Betroffenenschutzeinrichtungen (z.B. ECPAT) für eine flexible Lösung im vorliegenden Zusammenhang eingetreten wurde, soll im Rahmen des nach der RL Möglichen die darin vorgesehene Ausnahme für die Zwecke des § 207a StGB nutzbar gemacht werden.

Zu Z 164 und 165 (§ 218 Abs. 1a und 3):

Der gerichtliche Straftatbestand der sexuellen Belästigung knüpft derzeit ausschließlich an den Begriff der „geschlechtlichen Handlung“ an. Dieser Begriff umfasst nach der (strafrechtlichen) Rechtsprechung jede nach ihrem äußeren Erscheinungsbild sexualbezogene Handlung, die sowohl nach ihrer Bedeutung als auch nach ihrer Intensität und Dauer von einiger Erheblichkeit ist und damit eine unzumutbare, sozialstörende Rechtsgutbeeinträchtigung im Intimbereich darstellt (12 Os 5/09s). Er schließt jedenfalls jene Handlungen ein, bei denen zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige Körperpartien des Opfers oder Täters mit dem Körper des anderen in eine nicht bloß flüchtige sexualbezogene Berührung gebracht werden (14 Os 142/06y). Hingegen verneint die (strafrechtliche) Rechtsprechung einen objektiven Sexualbezug, wenn nicht zur unmittelbaren Geschlechtssphäre des Täters oder des Opfers gehörige Körperstellen mit dem Körper des anderen in Berührung gebracht werden (RIS-Justiz RS0095204), wobei das Gesäß nicht zur unmittelbaren Geschlechtssphäre eines Menschen gezählt wird, weil der Anus damit nicht gemeint ist (RIS-Justiz RS0094997 [T 1] = 13 Os 62/09f). Handlungen wie z.B. Streicheln am Gesäß oder an den Oberschenkeln wird von der (strafrechtlichen) Rechtsprechung zwar zugebilligt, unter Umständen ein Indiz für eine weitergehende Absicht des Täters bilden zu können, für sich genommen trügen sie hingegen „indifferenten Charakter“ (RIS-Justiz RS0095204).

Demgegenüber wird im Gleichbehandlungsrecht das Berühren des Gesäßes sehr wohl der sexuellen Sphäre zugerechnet (vgl. Smutny/Mayr, Gleichbehandlungsgesetz, 321; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 6 Rz 20; 9 ObA 292/99b). Durch eine solche Berührung kann daher der auf ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten abstellende – mit ideellem Schadenersatz sanktionierte – Diskriminierungstatbestand der sexuellen Belästigung verwirklicht werden (vgl. §§ 6 GlBG, 8 B-GlBG).

Die Tatbestände nach dem Gleichbehandlungsrecht unterscheiden sich nun nicht nur darin vom gerichtlichen Straftatbestand, sondern gehen insgesamt viel weiter, indem etwa überhaupt keine Berührungen verlangt werden, sondern auch verbale oder nonverbale Belästigungen mit Sexualbezug ohne Körperkontakt tatbildlich sein können. Art. 40 der Europaratskonvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sowie Art 2 Abs. 1 lit. d der EU-Gleichbehandlungsrichtlinie 2006/54/EG gehen nahezu wortident gleichfalls von einem solchen weiten Verständnis von sexueller Belästigung aus. Art. 25 der EU-Richtlinie verlangt zwar „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende“ Sanktionen, lässt aber Schadenersatzleistungen an die Opfer genügen, und auch Art. 40 der Europaratskonvention lässt „sonstige rechtliche Sanktionen“ als Alternativen zu strafrechtlichen Sanktionen zu. In diesem Sinn soll nun keineswegs eine weiter gehende Angleichung des gerichtlichen Straftatbestandes der sexuellen Belästigung an dieses Begriffsverständnis unternommen werden.

Es scheint jedoch angezeigt – nicht unähnlich der seinerzeitigen Angleichung der strafrechtlichen Bewertung missbräuchlicher „bloß“ beischlafsähnlicher Handlungen an den Beischlaf im Zuge des Strafrechtsänderungsgesetzes 2004 – im Bereich körperlicher belästigender Übergriffe den Strafrechtsschutz klar umgrenzt auszuweiten.

Im Ministerialentwurf wurde daher vorgeschlagen, den Tatbestand des § 218 Abs. 1 StGB durch die Aufnahme von nach Art und Intensität einer Belästigung durch eine geschlechtliche Handlung vergleichbaren körperlichen Belästigungen im Bereich der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zu ergänzen. Dieser Vorschlag erfuhr zum einen Zustimmung, zum anderen aber auch Ablehnung, wobei sich die Kritik überwiegend gegen die als unbestimmt empfundene Formulierung richtete. Dem soll nunmehr durch eine präzisere Formulierung abgeholfen werden, die dennoch bestimmte und strafwürdige Formen (körperlicher) sexueller Belästigung abdeckt.

Wie bisher stellen belästigende geschlechtliche Handlungen am Opfer im Sinne der Judikatur eine sexuelle Belästigung dar. Die Vornahme einer geschlechtlichen Handlung vor dem Opfer soll gleichfalls unter denselben Umständen wie bisher strafbar sein.

Ergänzt werden soll das bestehende strafrechtliche Instrumentarium durch einen Tatbestand gegen das Verletzen der Würde des Opfers durch intensives Berühren einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle. Ausgangspunkt bleibt also die Geschlechtssphäre. Während nicht bloß flüchtige unerwünschte Berührungen der zur (unmittelbaren) Geschlechtssphäre gehörigen Körperstellen weiterhin von Abs. 1 erfasst werden, geht der vorgeschlagene Abs. 1a darüber hinaus, indem er jene Körperstellen erfasst, die zwar nach der (strafrechtlichen) Judikatur nicht zur (unmittelbaren) Geschlechtssphäre gehören, aber (dennoch) der Geschlechtssphäre zuzuordnen sind. Diese Körperstellen umfassen jedenfalls das Gesäß und die Oberschenkel. Das strafrechtliche Begriffsverständnis von sexueller Belästigung wird daher insofern ein Stück weit dem gleichbehandlungsrechtlichen angenähert. Es ist jedoch dem im Begutachtungsverfahren wiederholt eingemahnten ultima-ratio-Prinzip geschuldet, dass sich die vorgeschlagene Ausweitung des gerichtlichen Strafrechts auf intensive Berührungen dieser Körperstellen beschränkt, während sexuell konnotierte Belästigungen in einem noch weiteren Begriffsverständnis den – auch nach der Istanbul-Konvention zulässigen – Instrumentarien des Zivil-, Arbeits- und Verwaltungs(straf)rechts überantwortet bleiben.

Schon derzeit liegt eine geschlechtliche Handlung dann nicht vor, wenn die Berührung bloß flüchtig und oberflächlich ist, wobei es nicht nur auf die zeitliche Dauer der Berührung ankommt, sondern auch auf deren Intensität, Präzision und Zielsicherheit (vgl. RIS-Justiz RS0095186). Abs. 1a hebt das Erfordernis der Intensität im Sinne der verfassungsrechtlich gebotenen Bestimmtheit des Tatbestandes ausdrücklich hervor, wobei davon ausgegangen werden kann, dass eine umgangssprachlich als „Grapschen“ bezeichnete Handlung, also der wenn auch schnelle, so doch bewusste Griff auf eine der Sexualsphäre zuzuordnenden Körperstelle dieses Erfordernis regelmäßig erfüllen wird. Darin liegt auch die besondere Strafwürdigkeit solcher höchst unerwünschter Verhaltensweisen.

Schließlich verlangt der vorgeschlagene Tatbestand, dass die Würde des Opfers verletzt wird. Der Vorschlag orientiert sich damit an der Istanbul-Konvention (sowie wiederum am Gleichbehandlungsrecht). Nach dieser wird die Würde des Opfers insbesondere dann verletzt, wenn das fragliche Verhalten ein einschüchterndes, feindliches, erniedrigendes, entwürdigendes oder beleidigendes Umfeld schafft (Erläuternder Bericht zur Konvention, Abs. 208). Bei unerwünschten körperlichen Attacken wie dem bereits erwähnten gezielten „Grapschen“ wird dazu regelmäßig schon ein einmaliger Übergriff genügen (vgl. Smutny/Mayr, Gleichbehandlungsgesetz, 322).

Zu Z 166 (§ 220a StGB):

In der gerichtlichen Kriminalstatistik scheint zu diesem Delikt in den Jahren 2000 bis 2013 nur eine einzige Verurteilung auf. Die praktische Bedeutung dieser Bestimmung ist somit äußerst gering. Darüber hinaus erscheint eine Streichung auch deshalb unproblematisch, weil strafwürdige Fälle insbesondere durch die Anwendung des § 12 (§ 222) erfasst sind.

Zu Z 167 (§ 222 StGB):

Seit dem Inkrafttreten des StGB 1975 hat sich auch die Werthaltung der Gesellschaft Tieren gegenüber wesentlich verändert. Tierschutz stellt nunmehr ein anerkanntes öffentliches Interesse dar, was intensive Bemühungen in diesem Bereich, wie beispielsweise die Schaffung des Bundes-Tierschutzgesetzes, zeigen. Im Hinblick auf diese Entwicklung erscheint eine Anhebung der Strafdrohung für die Tierquälerei sachgerecht. Die Anhebung der Strafdrohung auf bis zu 2 Jahre hat auch zur Folge, dass gewisse Ermittlungsmaßnahmen, wie beispielsweise die Observation über einen Zeitraum von mehr als 48 Stunden, nunmehr auch zur Aufklärung solcher Taten zulässig sind.

Vor dem Hintergrund, dass im Begutachtungsverfahren teils schon die vorgeschlagene Erhöhung in Zweifel gezogen wurde, teils aber noch höhere Strafen verlangt wurden, erscheint mit der maßvollen Anhebung auf zwei Jahre eine gut vertretbare Lösung gefunden worden zu sein.

Zu Z 184 (§ 241h):

Bisher wird die Herauslockung von Bankomatdaten durch fingierte E-Mails („Phishing“) und das Auslesen von Daten auf Magnetstreifen unbarer Zahlungsmittel und anschließendem Kopieren dieser Daten auf entsprechende Kartenrohlinge („Skimming“) strafrechtlich nicht vollständig erfasst. Die Arbeitsgruppe „StGB 2015“ empfahl daher die Erfassung dieser Phänomene in einer eigenen Strafbestimmung. Es wird daher vorgeschlagen, in einem neuen § 241h Abs. 1 StGB zum einen den Fall zu erfassen, in dem jemand Daten eines unbaren Zahlungsmittels ausspäht, sodass er oder ein Dritter durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert wird und zum anderen das Ausspähen von solchen Daten, mit dem Vorsatz, sich oder einem anderen eine Fälschung unbarer Zahlungsmittel zu ermöglichen. Unter „ausspähen“ versteht man alle Handlungen mit denen sich jemand Kenntnis von den Daten verschafft, sei es durch Nachfrage beim Opfer, durch den Einsatz technischer Hilfsmittel oder aber auch durch das bloße Ansehen und Merken der Kreditkartendaten.

Wie bei den Delikten nach § 241a bis f StGB ist eine Möglichkeit der Tätigen Reue auch für dieses Delikt vorzusehen, wobei sich der Wortlaut im neuen Abs. 3 an jenem in den §§ 241d und 241g StGB orientiert, und zwar einer Anregung im Begutachtungsverfahren folgend, noch stärker als dies der Ministerialentwurf getan hat. Eine Beseitigung der Gefahr einer Verwendung der Daten im Sinne des Abs. 1 Z 1 und 2 StGB „auf andere Weise“ kann beispielsweise auch durch die Verständigung des betreffenden Bankinstitutes erfolgen.

Zu Z 189 (§ 274 StGB):

Die vorgeschlagene Neufassung des § 274 dient einerseits einer zeitgemäßen und präzisen Formulierung. Damit soll aber auch hervorgehoben werden, dass von Gruppen ausgehende Gewalthandlungen ein besonderes Phänomen mit einem besonderen Gefährdungspotenzial darstellen, dem mit anderen Strafbestimmungen nicht effektiv genug entgegengetreten werden kann. Es gilt schon im Ansatz zu vermeiden, dass man an einer Zusammenkunft teilnimmt, von der man weiß, dass sie auf die Begehung schwerer Gewalttaten ausgerichtet ist, anschließt. Bei der Zusammenkunft handelt es sich um eine solche „vieler Menschen“, was idR etwa 30 Personen bedeutet (vgl. Mayerhofer in WK-StGB2 § 169 Rz 10).

Gegenüber dem geltenden Recht führt eine leichte Körperverletzung oder schwere Sachbeschädigung – mit Ausnahme der Beschädigung von einem wesentlichen Bestandteil der kritischen Infrastruktur und Sachbeschädigungen, bei denen die zweite Wertgrenze überschritten wird – nicht mehr zur Strafbarkeit.

Der Täter muss wissen, dass diese Zusammenkunft darauf abzielt, dass durch ihre vereinten Kräfte ein Mord (§ 75 StGB), ein Totschlag (§ 76 StGB) eine Körperverletzung (§§ 84 Abs. 1 bis 87 StGB) oder eine schwere Sachbeschädigung nach § 126 Abs. 1 Z 5 oder Abs. 2 StGB begangen werde. Strafbarkeit tritt jedoch nur ein, wenn es tatsächlich zu einer solchen Tat gekommen ist.

Abs. 2 sieht Qualifikationen für denjenigen Teilnehmer vor, der an einer solchen Zusammenkunft führend oder dadurch teilnimmt, dass er zur Begehung einer der im Abs. 1 angeführten strafbaren Handlungen aufstachelt oder als Teilnehmer eine solche strafbare Handlung ausführt oder zu ihrer Ausführung beigetragen hat (§ 12 StGB).

Abs. 3 entspricht im Wesentlichen dem geltenden Recht und soll die Rückkehr in die Legalität belohnen.

Zu Z 190 (§ 276 StGB):

Der Anwendungsbereich dieser Bestimmung ist eng ausgestaltet. So ist nur dann eine Strafbarkeit gegeben, wenn ein objektiv falsches Gerücht verbreitet wird, welches geeignet ist, einen großen Personenkreis zu beunruhigen und dadurch die öffentliche Ordnung zu gefährden. Hierbei ist ein systematisches Vorgehen erforderlich, gelegentliches Weitererzählen reicht nicht aus (Fabrizy, StGB11 § 276 Rz 2c). Hinsichtlich der subjektiven Tatseite ist zum einen die Absicht erforderlich, das Gerücht entsprechend zu verbreiten, zum anderen muss der Täter um die Falschheit des Gerüchtes wissen. Aufgrund des engen Anwendungsbereiches und der Tatsache, dass in der gerichtlichen Kriminalstatistik sei 20 Jahren dazu keine Verurteilung aufscheint, wird vorgeschlagen, diese Bestimmung zu streichen.

Zu Z 191 (§ 278 Abs. 2 StGB):

Mit der vorgeschlagenen Aufnahme eines Verweises auf § 283 StGB in § 278 Abs. 2 StGB soll internationalen Empfehlungen entsprochen werden, die (zusammengefasst) die Strafbarkeit der Gründung von und/oder Beteiligung an Gruppen oder Organisationen, die Rassismus fördern bzw. zu rassistischer Diskriminierung aufstacheln, vorsehen (vgl. Pkt. 18(g) der Allgemeinen Politischen Empfehlung Nr. 7 von ECRI vom 13. Dezember 2002, CRI(2003)8; Pkt. 13(e) der Allgemeinen Empfehlung Nr. 35 von CERD vom 26. September 2013, CERD/C/GC/35).

Zu Z 192 (§ 281 StGB):

In der gerichtlichen Kriminalstatistik scheinen in den letzten 20 Jahren lediglich 2 Verurteilungen wegen § 281 StGB auf. Eine Streichung dieser Bestimmung erscheint vor dem Hintergrund des heutigen Demokratiebewusstseins, was sich auch in der mangelnden Praxisrelevanz dieser Bestimmung zeigt, gerechtfertigt.

Zu Z 193 (§ 283 StGB):

Mit der vorgeschlagenen Neuformulierung des § 283 StGB soll einerseits internationalen Verpflichtungen Österreichs entsprochen, andererseits aufgrund aktueller Ereignisse zu Tage getretenen Defiziten des Tatbestandes des § 283 begegnet werden.

Im Bereich der geschützten Gruppen soll in Folge von in der Praxis zu Tage getretenen Fragestellungen und über Anregungen im Begutachtungsverfahren durch Einfügung der Wortfolge „vorhandenen oder fehlenden“ in Abs. 1 Z 1 nunmehr ausdrücklich festgelegt werden, dass die geschützte Gruppe sowohl positiv als auch negativ definiert werden kann. In diesem Sinne soll nunmehr auch die Hetze gegen „Ausländer“ oder „Ungläubige“ dem Anwendungsbereich des § 283 StGB unterliegen. Zur „Öffentlichkeitsschwelle“: Hinsichtlich der geforderten Öffentlichkeit sah § 283 StGB bisher zwei Varianten vor, nämlich (i) „öffentlich auf eine Weise, die geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu gefährden“ (1. Alternative des § 283 Abs. 1 StGB), und (ii) „für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbar“ (2. Alternative des § 283 Abs. 1 StGB sowie beide Tatbestandsvarianten des § 283 Abs. 2 StGB).

Nunmehr soll ein einheitliches Kriterium für alle Tatbestandsvarianten des Grunddelikts (Abs. 1) bestehen, nämlich „öffentlich auf eine Weise, dass es vielen Menschen zugänglich wird“. Die Begehung derart, dass die Handlungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich werden, soll einen Qualifikationstatbestand darstellen (vgl. zu Abs. 2). Zur öffentlichen Begehung sei auf § 69 StGB und die einschlägige Rechtsprechung verwiesen, die für die „einfache“ Öffentlichkeit einen Richtwert ab etwa zehn Personen annimmt, ein starres Festhalten an dieser Personenzahl aber ausdrücklich ablehnt (vgl. Jerabek in WK-StGB2 § 69 Rz 2). Das Tatbestandselement „viele Menschen“ wird im Allgemeinen bei etwa 30 Personen als erfüllt angesehen (vgl. Mayerhofer in WK-StGB2 § 169 Rz 10).

Zu den Tathandlungen des Abs. 1 Z 1: Die Z 1 soll nunmehr zwei alternative Tathandlungen umfassen, und zwar einerseits das „Auffordern zu Gewalt“ und andererseits das „Aufstacheln zu Hass“, jeweils gegen eine der in Z 1 genannten geschützten Gruppen oder ein Mitglied einer solchen Gruppe ausdrücklich wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe. Unter „auffordern“ ist wie bisher jede Äußerung, die darauf gerichtet ist, in (zumindest einem) anderen unmittelbar den Entschluss zur Vornahme der bezeichneten Handlung hervorzurufen, zu verstehen (vgl. Plöchl in WK-StGB2 § 283 Rz 11; vgl. auch § 282a StGB).

Die Formulierung „Aufstacheln zu Hass“ entspricht internationalen Vorgaben („incitement to hatred“) besser, als die bislang in § 283 Abs. 2 StGB normierte Tathandlung des „Hetzens“. Inhaltlich soll dadurch aber keine Änderung herbeigeführt werden. Schon die Rechtsprechung zu § 283 Abs. 2 StGB definierte „hetzen“ als „eine in einem Appell an Gefühle und Leidenschaften bestehende tendenziöse Aufreizung zum Hass und zur Verachtung“ (vgl. OGH vom 28. Jänner 1998, 15 Os 203/98).

Derzeit ist das Ziel von Tathandlungen im Sinne des § 283 StGB Abs. 2 StGB die Gruppe in ihrer Gesamtheit, wobei Angriffsobjekt auch ein einzelner Angehöriger der Gruppe sein kann, sofern er nicht allein in seinen Individualität, sondern als Repräsentant der Gruppe (und damit diese selbst) getroffen werden soll (vgl. Plöchl in WK-StGB2 § 283 Rz 18). Durch Überführung der Wortfolge „zu Hass gegen sie aufstachelt“ in Z 1 wird das Aufstacheln zu Hass nunmehr sowohl gegen geschützte Gruppen im Sinne der Z 1, als auch gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe ausdrücklich wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe strafbar.

Zur Tathandlung des Abs. 1 Z 2: Die zweite Tatbestandsvariante des § 283 Abs. 2 StGB verwirklicht derzeit, wer für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbar eine geschützte Gruppe in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft und dadurch verächtlich zu machen sucht. Im Zuge der vorgeschlagenen, signifikanten Absenkung der Öffentlichkeit, für die die Beschimpfung wahrnehmbar sein muss, von der „breiten Öffentlichkeit“ (ca. 150 Personen) auf „viele Menschen“ (ca. 30 Personen) soll durch die Einführung einer qualifizierten Vorsatzkomponente, nämlich „beschimpfen in der Absicht, die Menschenwürde anderer zu verletzen“ ein Korrektiv geschaffen werden (Ausnahme der sogenannten „Stammtischdiskussion“). Nur Beschimpfungen, bei denen es dem Täter auch darauf ankommt, die Menschenwürde anderer zu verletzen, sollen gemäß Abs. 1 Z 2 strafbar sein. Die Menschenwürde wird verletzt, wenn durch die Tathandlung den Angehörigen der angegriffenen Gruppe unmittelbar oder mittelbar das Recht auf Menschsein schlechthin abgesprochen wird, indem ihnen etwa das Lebensrecht als gleichwertige Bürger bestritten wird oder sie als minderwertige oder wertlose Teile der Gesamtbevölkerung dargestellt werden (vgl. Plöchl in WK-StGB2 § 283 Rz 18).

Der bisher am Abs. 2 des § 283 StGB orientierte Wortlaut des § 117 Abs. 3 StGB wird in Folge der Änderung entsprechend angepasst.

Zu den Tathandlungen des Abs. 1 Z 3: Dieser gänzlich neue Tatbestand soll in Umsetzung internationaler Vorgaben in das StGB übernommen werden. Während im Bereich des Art. 1(1)(d) des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, ABl. Nr. L. 328 vom 6. Dezember 2008 S. 55, mit § 3h VerbotsG ein Straftatbestand existiert, fehlt ein solcher im Bereich des Art. 1(1)(c) des Rahmenbeschlusses, der die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, das öffentliche Billigen, Leugnen oder gröbliche Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Sinne der Artikel 6, 7 und 8 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs, das gegen eine Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe gerichtet ist, die nach den Kriterien der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationale oder ethnische Herkunft definiert werden, wenn die Handlung in einer Weise begangen wird, die wahrscheinlich zu Gewalt oder Hass gegen solch eine Gruppe oder gegen ein Mitglied solch einer Gruppe aufstachelt, unter Strafe zu stellen. Die Europäische Kommission hat in ihrem Bericht vom 27. Jänner 2014 über die Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI festgehalten, dass es in Österreich derzeit keine strafrechtliche Bestimmung für entsprechende Handlungen gibt. Eine vergleichbare Verpflichtung enthält auch Art. 6(1) des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art, CETS Nr. 189. Darüber hinaus empfehlen Punkt 18(h) der Allgemeinen Politischen Empfehlung Nr. 7 von ECRI vom 13. Dezember 2002, CRI(2003)8 und Pkt. 14 der Allgemeinen Empfehlung Nr. 35 von CERD vom 26. September 2013, CERD/C/GC/35 die Schaffung eines entsprechenden Straftatbestands.

Zu Abs. 2: Wer die Tat in einem Druckwerk, im Rundfunk oder sonst auf eine Weise begeht, wodurch die in Abs. 1 bezeichneten Handlungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich werden, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. Zugänglich ist – wie bisher – nicht gleichbedeutend mit (tatsächlich) zugegangen (vgl. Plöchl in WK-StGB2 § 282a Rz 4).

Zu Abs. 3: Sofern der Täter bewirkt, dass andere Personen gegen eine in Abs. 1 Z 1 bezeichnete Gruppe oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe wegen dessen Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Gewalt ausüben, ist er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. Der Begriff der Gewalt in Abs. 3 ist synonym mit jenem in Abs. 1 Z 1 sohin im Sinne des „allgemeinen Gewaltbegriffs“ des StGB, zu verstehen (vgl. dazu Plöchl in WK-StGB2 § 283 Rz 11).

Zu Abs. 4: Auch der in Abs. 4 neu vorgeschlagene Straftatbestand gründet auf internationalen Vorgaben, konkret Art. 3(1) des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art, CETS Nr. 189 sowie Pkt. 18(f) der Allgemeinen Politischen Empfehlung Nr. 7 von ECRI vom 13. Dezember 2002, CRI(2003)8. Der Entwurf nimmt hier unter Abwägung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung sowie dem Ultima-Ratio-Gedanken des Strafrechts davon Abstand, auch die im erwähnten Zusatzprotokoll vorgesehene, aber vorbehaltbare Verbreitung „bloß“ diskriminierenden Materials zu kriminalisieren, und verlangt im Übrigen Absichtlichkeit, dh dass die Tat zwar nicht Teil eines aktuellen Verhetzungsgeschehens sein muss (in welchem Fall bedingter Vorsatz genügen würde), dass es dem Täter aber doch gerade darauf ankommen soll, diskriminierende Gewalt- und/oder Hasspropaganda zu verbreiten. Durch die Wortfolge „in gutheißender oder rechtfertigender Weise“ bei gleichzeitigem Entfall des Kriteriums der Absichtlichkeit soll – Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren folgend – schon auf Tatbestandsebene klargestellt werden, dass eine Verbreitung des hetzerischen Materials mit kritischer Intention nicht von Abs. 4 erfasst ist.

Zu Z 198 (§ 292c StGB):

Mit der Exekutionsordnungs-Novelle 2000, BGBl. I Nr. 59/2000, wurde – basierend auf dem Hofkanzleidekret JGS Nr. 277/1838, das sich mit unerlaubten Verabredungen im Rahmen einer Zwangsversteigerung beschäftigt – ein neuer § 177 Abs. 4 in die EO übernommen. Danach waren Vereinbarungen, wonach jemand verspricht, bei einer Versteigerung als Mitbieter nicht zu erscheinen oder nur bis zu einem bestimmten Preis oder sonst nur nach einem gegebenen Maßstab oder gar nicht mitzubieten, ungültig und konnten für die Erfüllung dieses Versprechens zugesicherten Beträge, Geschenke oder andere Vorteile nicht eingeklagt werden.

Im Hinblick auf anhaltende entsprechende Umtriebe bei Zwangsversteigerungen wurde schließlich mit der EO-Nov. 2014, BGBl. I Nr. 69/2014, in Form des neuen § 177a EO eine eigene Bestimmung mit dem Titel „Unzulässige Bieterabsprachen“ geschaffen, die in ihrem Abs. 1 den bisherigen Text des § 177 Abs. 4 EO übernahm und zwei Absätze anfügte, denen zufolge das Gericht über eine Person, die während des Versteigerungsverfahrens Vereinbarungen im Sinn des Abs. 1 schließt oder zu schließen versucht, eine Ordnungsstrafe bis zu 10 000 Euro verhängen kann (Abs. 2), sowie darüber hinaus Personen vom Bieten ausschließen kann, die vor oder während des Versteigerungstermins Vereinbarungen im Sinn des Abs. 1 schließen oder zu schließen versuchen (Abs. 3).

Erste Erfahrungen aus der Praxis (E. Neubauer, Unzulässige Bieterabsprachen im Zwangsversteigerungsverfahren – neue Sanktion Ordnungsstrafe, RZ 2015, 10) mit der mit Wirkung vom 1. Oktober 2014 in Kraft getretenen Bestimmung haben jedoch gezeigt, dass mit den Mitteln des Ordnungsstrafrechts nicht das Auslangen gefunden werden kann, um derartige Malversationen im Zusammenhang mit Versteigerungen, die nicht unter Betrug (oder eine andere gerichtliche Strafbestimmung wie Nötigung) fallen, wirksam hintanhalten zu können.

Es wird daher die Einführung einer entsprechenden gerichtlichen Strafbestimmung vorgeschlagen. Dem Ultima-Ratio Gedanken des gerichtlichen Strafrechts folgend, sollen in § 292c StGB nicht sämtliche Absprachen gerichtlich strafbar sein, sondern nur jene, bei denen Geld oder andere Vorteile fließen. In Abs. 1 sollen der üblichen Diktion der Bestechungstatbestände folgend, das Fordern, Annehmen oder Sich-versprechen-lassen eines Vorteiles für die Zusage, als Mitbieter nicht zu erscheinen oder nur bis zu einem bestimmten Preis oder sonst nur nach einem gegebenen Maßstab oder gar nicht mitzubieten, erfasst werden.

Um auch Fälle zu erfassen, in denen der Mitbieter selbst aktiv wird, soll nach Abs. 2 derjenige strafbar sein, der ohne das Andringen eines anderen Mitbieters jemandem für eine Zusage im Sinne des Abs. 1 für ihn oder einen Dritten einen Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt. So sind beispielsweise jene Fälle von Abs. 2 erfasst, in denen ein Bieter einem Mitbieter einen Geldbetrag dafür anbietet, dass dieser nicht an der Versteigerung teilnimmt oder in denen sich mehrere Mitbieter den Versteigerungsmarkt quasi aufteilen. Im Sinne des Ultima-Ratio Gedankens des Strafrechts sollen allerdings jene Fälle nicht erfasst werden, in denen ein Mitbieter nicht von sich aus aktiv wird. Nach § 177a Abs. 1 EO sind Bieterabsprachen per se ungültig, wobei nach Abs. 2 eine Ordnungsstrafe bis zu 10.000 Euro für alle, die eine Bieterabsprache treffen, verhängt werden kann. Diese Sanktionsmöglichkeit erscheint in den nicht in Abs. 2 erfassten Fällen des Anbietens, Versprechens oder Gewährens ausreichend zu sein. Es kommt – über die in Abs. 2 genannten Fälle hinaus - daher auch keine Erfassung der „aktiven Seite“ nach §§ 12, 292c Abs. 1 StGB in Betracht (vergleiche dazu auch § 160 Abs. 2 StGB).

Zu Z 205 (§ 303 StGB):

Anregungen im Begutachtungsverfahren folgend soll in § 303 StGB eine Einschränkung auf grob fahrlässiges Handeln im Sinne des § 6 Abs. 3 StGB erfolgen. Damit soll ein gewisses Korrektiv zu den von der neueren Rechtsprechung und Lehre – aus Sicht des Täters – strengen Anforderungen im Bereich der objektiven Tatbestandsmerkmale geschaffen werden.

Zu Z 209 (§ 321k StGB):

Mit dem Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung 1975 geändert werden, BGBl. I Nr. 106/2014 wurden die im materiellrechtlichen Teil des Römischen Statuts (RS) des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH; BGBl. III Nr. 180/2002) verankerten Tatbestände der Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach Art. 7 RS und der Kriegsverbrechen nach Art. 8 RS in das StGB aufgenommen (der Tatbestand des Völkermords iSv Art. 6 RS existierte bereits in Form des § 321 StGB).

Im Rahmen der Überprüfungskonferenz des RS vom 31. Mai bis 11. Juni 2010 in Kampala war zum einen eine Änderung des Art. 8 RS (Kriegsverbrechen) verabschiedet worden, die den darin enthaltenen Kriegsverbrechenskatalog erweiterte (Resolution RC/Res.5 vom 10. Juni 2010). Die Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen, die Verwendung erstickender, giftiger oder gleichartiger Gase sowie aller ähnlichen Flüssigkeiten, Stoffe oder Vorrichtungen und die Verwendung von sogenannten „Dum-Dum-Geschossen“ wurde im RS ursprünglich nur in internationalen bewaffneten Konflikten als Kriegsverbrechen verankert. Durch die in Kampala beschlossene Änderung, die von Österreich 2014 ratifiziert worden war (27 BlgNR. XXV. GP), wurde der Einsatz dieser Waffen und Geschosse auch in nicht internationalen bewaffneten Konflikten unter Strafe gestellt. Diese Änderung wurde bereits mit der erwähnten StGB-Novelle 2014 in Form des § 321f StGB innerstaatlich umgesetzt.

Darüber hinaus war in Kampala aber auch eine weitere Änderung des RS beschlossen worden, mit der eine Definition des Verbrechens der Aggression in das RS aufgenommen und Bedingungen der Ausübung der Gerichtsbarkeit des IStGH über dieses Verbrechen festgelegt wurden (Resolution RC/Res. 6 vom 11. Juni 2010). Auch diese Änderung wurde von Österreich bereits am 14. Juli 2014 ratifiziert (28 BlgNR. XXV. GP); zumal sie aber völkerrechtlich nicht vor 2017 in Kraft treten wird, wurde mit der innerstaatlichen Umsetzung noch zugewartet.

Da das völkerrechtliche Wirksamwerden nunmehr sowohl, was das Datum, als auch was die sonstigen Wirksamkeitsvoraussetzungen anlangt, in realistische Nähe gerückt ist, soll mit der Aufnahme des Verbrechens der Aggression in das StGB ein weiterer Schritt zur Umsetzung des Völkerstrafrechts gesetzt werden.

Der Tatbestand des § 321k StGB orientiert sich weitgehend an der Struktur des Art. 8bis RS. In Einklang mit dem leitenden Gedanke der Satzung der Vereinten Nationen, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit aufrechtzuerhalten, bezieht sich § 321k StGB gleichermaßen auf Angriffshandlungen gegen die Republik Österreich und solche gegen andere Staaten.

Angriffshandlungen gemäß § 321k StGB umfassen die folgenden, in der Resolution 3314 (XXIX) der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 14. Dezember 1974 aufgezählten Handlungen:

a)     die Invasion des Hoheitsgebiets eines Staates oder der Angriff auf dieses durch die Streitkräfte eines anderen Staates oder jede, wenn auch vorübergehende, militärische Besetzung, die sich aus einer solchen Invasion oder einem solchen Angriff ergibt, oder jede gewaltsame Annexion des Hoheitsgebiets eines anderen Staates oder eines Teiles desselben;

b)     die Bombardierung oder Beschießung des Hoheitsgebiets eines Staates durch die Streitkräfte eines anderen Staates oder der Einsatz von Waffen jeder Art durch einen Staat gegen das Hoheitsgebiet eines anderen Staates;

c)     die Blockade der Häfen oder Küsten eines Staates durch die Streitkräfte eines anderen Staates;

d)     ein Angriff der Streitkräfte eines Staates auf die Land‑, See- oder Luftstreitkräfte oder die See- und Luftflotte eines anderen Staates;

e)     der Einsatz von Streitkräften eines Staates, die sich mit der Zustimmung eines anderen Staates in dessen Hoheitsgebiet befinden, unter Verstoß gegen die in der entsprechenden Einwilligung oder Vereinbarung vorgesehenen Bedingungen oder jede Verlängerung ihrer Anwesenheit in diesem Hoheitsgebiet über den Ablauf der Geltungsdauer der Einwilligung oder Vereinbarung hinaus;

f)      das Handeln eines Staates, wodurch er erlaubt, dass sein Hoheitsgebiet, das er einem anderen Staat zur Verfügung gestellt hat, von diesem anderen Staat dazu benutzt wird, eine Angriffshandlung gegen einen dritten Staat zu begehen;

g)     das Entsenden bewaffneter Banden, Gruppen, irregulärer Kräfte oder Söldner durch einen Staat oder in seinem Namen, die mit Waffengewalt gegen einen anderen Staat Handlungen von solcher Schwere ausführen, dass sie den oben aufgeführten Handlungen gleichkommen, oder seine wesentliche Beteiligung daran.

Das Verbrechen der Aggression ist ein unrechtsbezogenes Sonderpflichtdelikt. Der Täter muss tatsächlich in der Lage sein, das politische und militärische Handeln eines Staates zu kontrollieren oder zu lenken (Intraneus). Er muss jedoch nicht unmittelbarer Täter sein; es genügt, wenn er in irgendeiner Täterschaftsform des § 12 StGB an der Tat beteiligt ist. Wirkt kein Intraneus an der Tat mit, sind die beteiligten Extranei straflos.

Die österreichische Gerichtsbarkeit für im Ausland begangene Verbrechen der Aggression ist durch § 64 Abs. 1 Z 4c StGB idgF aufgrund des Verweises auf strafbare Handlungen nach dem 25. Abschnitt bereits angemessen geregelt.

Zu Artikel 2 (Änderung des Suchtmittelgesetzes):

Zu Z 1, 3, 4, und 5 (§§ 12 Abs. 3, 13 Abs. 2a, 2b und 3 und 14 Abs. 1 SMG):

1. Mittlerweile ist anerkannt, dass Sucht eine Erkrankung ist, deren Entstehung komplexe Ursachen und Zusammenhänge hat und nicht als eine Charakterschwäche oder moralisches Fehlverhalten anzusehen ist. Die Ursachen für die Entwicklung eines Missbrauchs- oder Suchtproblems liegen nicht bloß in der Verfügbarkeit von psychoaktiven Substanzen (wie z.B. Alkohol, Tabak oder illegale Drogen) oder sonstigen Angeboten (z.B. Glückspiel), an denen sich eine Suchterkrankung manifestieren kann. Suchtprävention und Suchthilfe müssen daher bei den Ursachen für mögliche Problementwicklungen ansetzen und im Fall der Entwicklung problematischen Konsums auf die Minimierung schädlicher Folgen zielen.

Gesundheitsbezogene Maßnahmen sollen, wo sie geboten sind um die Verfestigung von Konsummustern mit Risikopotenzial bzw. die Entwicklung von Abhängigkeit zu verhindern, in einem frühen Stadium ansetzen. Die Dauer des Suchtmittelmissbrauchs kann sich erheblich auf das Therapieverhalten und die Erfolgswahrscheinlichkeiten auswirken. Aus diesem Grund sollen die als geboten erkannten gesundheitsbezogenen Maßnahmen so rasch wie möglich ansetzen.

Ein rascheres Handeln wäre auch im Sinne der jüngsten Judikatur des VwGH geboten. So setzt die Erlassung eines Ladungsbescheides durch die Verwaltungsbehörden eine gewisse Aktualität des angeblichen Suchtmittelkonsums voraus. Nach neueren Erkenntnissen des VwGH (2001/11/134; 2001/11/135; 2001/11/0348; 2002/11/0109 und neuerdings 2009/11/0039, 2009/11/0038, 2009/11/0061, 2010/11/0099) wurden Ladungsbescheide, die aufgrund eines vier Monate zurück liegenden Konsums erlassen wurden, wegen Rechtswidrigkeit behoben. Der derzeitige Verfahrensablauf lässt diese rasche Reaktion der Gesundheitsbehörden in vielen Fällen nicht zu.

Die Sinnhaftigkeit jener Fälle, die – nach nicht unbeträchtlichem Verfahrensaufwand – zwingend einzustellen sind, wird von den damit befassten Polizisten und Justizbediensteten regelmäßig in Frage gestellt. Der eigennützige Gebrauch oder das vorteillose Überlassen von Suchtmitteln an einen Dritten zu dessen eigenem Gebrauch nach § 27 Abs. 1 und 2 SMG ist ungeachtet spezialpräventiver Bedenken (etwa infolge mehrfacher einschlägiger Vordelinquenzen nach dem SMG [15 Os 181/10x; 13 Os 81/05v], einer laufenden Probezeit wegen einer Verurteilung nach dem SMG [11 Os 157/10p; 12 Os 66/08k]) oder besonderer Umstände bei der Tatbegehung (z.B. Erwerb und Besitz von Suchtgift durch einen Strafgefangenen in einer Haftanstalt [13 Os 40/08v]) zwingend mit einer Diversion nach § 35 Abs. 1, § 37 SMG zu erledigen. In der Praxis führt die Missachtung dieser Bestimmungen dazu, dass der OGH korrigierend eingreifen muss (was wiederum erheblichen Verfahrensaufwand in Verfahren geringer Bedeutung mit sich bringt).

Auch wenn der Erfolg des Modells „Therapie statt Strafe“ grundsätzlich unbestritten ist, so führen Fälle, in denen es nach diversioneller Verfahrenserledigung erneut zu Anzeigen kommt, bei den damit Befassten zu subjektiven Zweifeln an der Sinnhaftigkeit. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass den zahlreichen diversionellen Erledigungen nur eine geringe Zahl von Verurteilungen gegenüber steht, bei denen Delikte nach § 27 SMG strafsatzbestimmend sind, und die somit ausschließlich wegen solcher Delikte ergangen sind.

2. Nach der geltenden Rechtslage gibt es im Wesentlichen zwei Wege, die zu einem Strafverfahren wegen des Verdachts der Begehung eines Suchtmitteldeliktes führen:

Zum einen sind Behörden oder öffentliche Dienststellen gemäß § 78 StPO verpflichtet, einen ihnen bekannt gewordenen Verdacht einer Straftat, die ihren gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft, an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft anzuzeigen.

Zum anderen haben Schulleiter sowie militärische Dienststellen unter den in § 13 Abs. 1 bzw. 2 SMG genannten Voraussetzungen sowie bei Verstößen im Straßenverkehr nach § 5 Abs. 12 StVO anstelle einer Strafanzeige die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde zu verständigen. Diese wiederum hat gem. § 14 Abs. 1 SMG Strafanzeige (nur) dann zu erstatten, wenn sich die verdächtige Person der notwendigen, zweckmäßigen, nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahme nach § 11 Abs. 2 SMG nicht unterzieht, oder statt einer Strafanzeige sogleich eine Stellungnahme nach § 35 Abs. 3 Z 2 SMG zu erstatten hat, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die Voraussetzungen des § 35 SMG (vorläufige Zurücklegung der Anzeige) vorliegen. Die Anzeigepflicht der Bezirksverwaltungsbehörde gemäß § 78 StPO entfällt hier also nach geltendem Recht in jenen Fällen, in denen sich der Betroffene den von der Gesundheitsbehörde als zweckmäßig erkannten gesundheitsbezogenen Maßnahmen gemäß § 11 Abs. 1 und 2 SMG unterzieht.

Im derzeitigen System gibt es somit eine Differenzierung je nachdem, welcher Behörde ein Verdacht bekannt wird, dass eine Person eine Straftat nach § 27 Abs. 1 und 2 SMG begangen hat. Tatsächlich ist es jedoch nur schwer zu rechtfertigen, weshalb das Eintreten der mit einem Strafverfahren einhergehenden negativen Folgen allein davon abhängt, welcher Behörde der Verdacht bekannt wird und führt insbesondere bei Schülern immer wieder dazu, dass ein Herantragen des Sachverhalts an die Kriminalpolizei die Intention des § 13 Abs. 1, gesundheitsbezogene Interventionen schulintern zu setzen, zunichtemacht.

Die Sicherheitsbehörden haben wegen des Verdachts einer Straftat nach den §§ 27 bis 32 SMG an die Staatsanwaltschaft zu berichten (§ 100 StPO).

Die Staatsanwaltschaft wiederum hat bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen gemäß § 35 Abs. 1 SMG von der Verfolgung einer Straftat nach den §§ 27 Abs. 1 und 2 oder 30 SMG zurückzutreten.

Nach § 35 Abs. 3 SMG setzt ein vorläufiger Rücktritt von der Verfolgung voraus, dass 1. nach § 26 SMG eine Auskunft aus dem vom BMG zu führenden Suchtmittelregister und 2. eine Stellungnahme der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde darüber eingeholt worden sind, ob der Beschuldigte einer gesundheitsbezogenen Maßnahme gemäß § 11 Abs. 2 SMG bedarf, um welche Maßnahme es sich gegebenenfalls handeln soll, ob eine solche Maßnahme zweckmäßig, ihm nach den Umständen möglich und zumutbar und nicht offenbar aussichtslos ist. Die Staatsanwaltschaft kann von der Einholung solcher Stellungnahmen der Bezirksverwaltungsbehörde im Rahmen des § 35 Abs. 4 SMG absehen.

3. Eine Anzeige an die Kriminalpolizei bzw. eine Beanstandung durch diese selbst löst verschiedene Verständigungspflichten aus. Nach § 14 Abs. 2 SMG haben die Sicherheitsbehörden der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde die von ihnen wegen des Verdachts einer Straftat nach den §§ 27, 28 oder 28a SMG an die Staatsanwaltschaft erstatteten Berichte unverzüglich mitzuteilen. Daneben ist das Bundesministerium für Inneres nach § 24a Abs. 1 Z 1 SMG verpflichtet, die diesbezüglich erstatteten Abschlussberichte an das Suchtmittelregister zu melden.

Die Staatsanwaltschaften haben jeden Rücktritt und jeden vorläufigen Rücktritt von der Verfolgung einer Straftat nach den §§ 27 bis 32 SMG an das Suchtmittelregister zu melden.

4. Mit den vorgeschlagenen Änderungen sollen die Abläufe vereinheitlicht und der Informationsfluss vereinfacht werden. Damit soll eine raschere Reaktion der Gesundheitsbehörden bei Suchtmittelmissbrauch ermöglicht werden, ohne etwas an den Straftatbeständen zu ändern, weshalb die Änderungen auch mit den Verpflichtungen aus internationalen Übereinkommen sowie nach Unionsrecht im Einklang stehen.

4.1. Zunächst soll nach dem vorgeschlagenen § 13 Abs. 2a SMG eine Behörde oder öffentliche Dienststelle dazu angehalten werden, in den Fällen, in denen der Verdacht besteht, dass eine Person eine Straftat nach §§ 27 Abs. 1 und 2 ausschließlich für den eigenen persönlichen Gebrauch oder den persönlichen Gebrauch eines anderen begangen hat, ohne dass diese Person daraus einen Vorteil gezogen hat, anstelle einer Strafanzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft (§ 78 StPO) diesen Umstand der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde mitzuteilen. Die vorgeschlagenen Voraussetzungen decken sich mit jenen, unter denen nach geltendem Recht die Staatsanwaltschaft gemäß § 35 Abs. 1 SMG von der Verfolgung zurückzutreten hat.

Für den Fall, dass die Behörde oder öffentliche Dienststelle Substanzen sicherstellt, bei denen es sich um Suchtgift handeln könnte, kommen zwei Vorgangsweisen in Betracht. Zum Einen kann in gleicher Weise vorgegangen werden, wie es derzeit bereits im Bereich der Schulbehörden (§ 13 Abs. 1 SMG) praktiziert wird: Die verdächtigen Substanzen, werden der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES), Abteilung für Analytik chemisch-pharmazeutischer Arzneimittel (CPAA), übermittelt (vormals Bundesanstalt für chemische und pharmazeutische Untersuchungen); siehe näher den Erlass des damaligen Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur vom 30. Dezember 1997, Zl 21.070/4-III/B/8/97 (abgedruckt bei Litzka/Matzka/Zeder, Suchtmittelgesetz Kurzkommentar, 2. Auflage, S. 812).

Zum Anderen kann die verdächtige Substanz der Polizei übergeben werden, ohne dass dabei die Identität der verdächtigen Person offengelegt wird; auch diese Vorgangsweise ist durch § 13 Abs. 2a SMG gedeckt.

4.2. Für den Fall, dass der Kriminalpolizei ein Verdacht bekannt wird, so soll sie nach § 13 Abs. 2b SMG – in diesem Punkt weicht der Vorschlag vom Begutachtungsentwurf ab, um in Stellungnahmen geäußerten Bedenken Rechnung zu tragen – den Sachverhalt hinreichend zu klären (Identität, Substanz, Menge, persönlicher Gebrauch, mögliche Weitergabe an Jugendliche etc.) und allfällige Sicherstellungsmaßnahmen zu setzen haben. Kommt die Kriminalpolizei nach durchgeführten Ermittlungen zu dem Ergebnis, dass bloß ein Verdacht im Sinn des § 13 Abs. 2a SMG besteht – also der Verdacht, dass die Person eine Straftat nach §§ 27 Abs. 1 und 2 ausschließlich für den eigenen persönlichen Gebrauch oder den persönlichen Gebrauch eines anderen begangen habe, ohne dass sie daraus einen Vorteil gezogen habe –, so hat sie diesen Umstand der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde mitzuteilen und gleichzeitig der Staatsanwaltschaft darüber zu berichten (Abtretungsbericht). Ein derartiger Abtretungsbericht stellt eine weitere Form der Berichte der Kriminalpolizei an die Staatsanwaltschaft iSv § 100 StPO dar und ist in seiner Form dem Abschlussbericht des § 100 Abs. 2 Z 4 nachgebildet.

Erachtet die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen der Kriminalpolizei für nicht hinreichend zur Aufklärung des Sachverhalts, so hat sie nach § 35 Abs. 9 vorzugehen (siehe dazu unten).

4.3. Eine Mitteilung an die Gesundheitsbehörden ohne die vorherige Durchführung eines Ermittlungsverfahrens (Abs. 2a) bzw. nach durchgeführten Ermittlungen der Kriminalpolizei (Abs. 2b), aber immer ohne Einschreiten der Justiz soll den Gesundheitsbehörden eine wesentlich schnellere Reaktion ermöglichen. Damit soll eine Effizienzsteigerung gesundheitsbezogener Maßnahmen einhergehen, weil gesundheitsbezogene Maßnahmen, wo sie geboten sind um die Verfestigung von Konsummustern mit Risikopotenzial bzw. die Entwicklung von Abhängigkeit zu verhindern, in einem frühen Stadium ansetzen sollen. Die vorgeschlagenen Änderungen sollen zu einer erheblichen Reduktion jener Verfahren bei Staatsanwaltschaft und Gericht führen, bei denen die Staatsanwaltschaft zwingend von der Verfolgung nach § 35 SMG zurückzutreten oder das Gericht das Verfahren nach § 37 SMG einzustellen hat. Ferner sollte es auch zu einer erheblichen Reduktion von Anfragen der Justiz an das Suchtmittelregister sowie von Stellungnahmen der Bezirksverwaltungsbehörden als Gesundheitsbehörden an die Justiz kommen.

4.4. Die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde hat nach § 12 SMG vorzugehen (§ 13 Abs. 3 SMG). Dabei hat sie das von einer im Rahmen des Bundesdrogenforums eingesetzten Arbeitsgruppe erarbeitete und vom Bundesministerium für Gesundheit herausgegebene „Handbuch für die Vollziehung des § 12 SMG“ zu berücksichtigen.

§ 12 Abs. 1 SMG verlangt als Grundlage für das Tätigwerden der Gesundheitsbehörde das Vorliegen bestimmter Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass jemand Suchtgift missbraucht. Missbrauch von Suchtgift im Sinne des § 12 Abs. 1 SMG liegt vor, wenn Suchtgift ohne medizinische Indikation konsumiert wird.

Mitteilungen iSv Abs. 2b beinhalten durch die hinreichende Klärung des Sachverhalts durch die Kriminalpolizei das Vorliegen „bestimmter Tatsachen“. Eine Mitteilung wegen des Verdachts des Erwerbs und Besitzes, der Erzeugung, Weitergabe, Ein- oder Ausfuhr von Suchtgift iSv. Abs. 2a ist nur dann Grundlage für eine Begutachtung, wenn sie konkrete Hinweise auf ein missbräuchliches Konsumverhalten beinhaltet. Hat die Prüfung ergeben, dass bestimmte Tatsachen die Annahme eines Suchtgiftmissbrauchs mit Gegenwartsbezug nahe legen, so ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob es sich dabei um die erstmalige einschlägige Mitteilung zu der betreffenden Person handelt. In einem solchen Fall ist eine Begutachtung zu veranlassen. Der in § 13 Abs. 3 vorgeschlagene neue Halbsatz soll dabei im Sinne eines effizienten Ressourceneinsatzes klarstellen, dass die Bezirksverwaltungsbehörde in den in § 35 Abs. 4 genannten Fällen nicht nach § 12 vorgehen muss.

Die betroffene Person hat sich den dafür notwendigen Untersuchungen zu unterziehen (§ 12 Abs. 1 zweiter Satz SMG). Ergibt die Begutachtung, dass eine gesundheitsbezogene Maßnahme gemäß § 11 Abs. 2 SMG notwendig ist, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde darauf hinzuwirken, dass sich die Person einer solchen zweckmäßigen, ihr nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen Maßnahme unterzieht (§ 12 Abs. 2 erster Satz SMG).

Die Bezirksverwaltungsbehörde hat gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz SMG Strafanzeige zu erstatten, wenn sich die verdächtige Person der notwendigen, zweckmäßigen, nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahme nach § 11 Abs. 2 SMG nicht unterzieht.

5. Zum Zwecke der Überwachung der gesundheitsbezogenen Maßnahme soll mit dem vorgeschlagenen § 12 Abs. 3 klargestellt werden, dass die Bezirksverwaltungsbehörde Personen, die sich einer gesundheitsbezogenen Maßnahme unterziehen, auffordern kann, Bestätigungen über Beginn und Verlauf der Maßnahme vorzulegen. Diese Bestimmung wird analog zu § 36 Abs. 2 SMG vorgeschlagen.

6. Die Wendung „Suchtgift missbraucht“ in § 14 Abs. 1 erster Satz SMG bedeutet, dass von den Bezirksverwaltungsbehörden ein tatsächlicher Konsum von Suchtgift mit hinreichender Sicherheit angenommen werden kann. Für die rein gesundheitsbehördliche Veranlassung einer amtsärztlichen Untersuchung reicht jedoch bereits, dass „aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass eine Person Suchtgift missbraucht“ (vgl. § 12 Abs. 1 SMG).

Nach der derzeitigen Praxis reichen die an die Bezirksverwaltungsbehörden übermittelten Mitteilungen zum Teil nicht aus, um beurteilen zu können, ob und wann tatsächlich ein Suchtgiftkonsum stattgefunden hat. Dies führt dazu, dass mangels Mitwirkung der betroffenen Person Zweifel offen bleiben, ob diese Person Suchtgift missbraucht.

Mit der vorgeschlagenen Einfügung eines neuen 2. Satzes in § 14 Abs. 1 SMG soll klargestellt werden, dass auch in den Fällen, in denen der/die Eingeladene nicht zu Terminen erscheint oder nicht entsprechend mitwirkt, die Justizbehörden einzuschalten ist. Diese Einschaltung erfolgt wie bisher in den meisten Fällen in Form einer Anzeige, nur in Fällen, in denen der Verdacht der Staatsanwaltschaft aufgrund eines Abtretungsberichtes durch die Kriminalpolizei (§ 13 Abs. 2b) bereits bekannt ist, ist der Umstand bloß mitzuteilen.

Damit soll für die Bezirksverwaltungsbehörden die Notwendigkeit entfallen, einen Ladungsbescheid erlassen zu müssen. Der Nachdruck, bei der Untersuchung mitzuwirken und zu den Terminen zu erscheinen, kann durch die Information erwirkt werden, dass bei Nichterscheinen eine Strafanzeige erstattet werden muss. Es soll in Hinkunft auch möglich sein, den Betroffen ohne Ladungsbescheid zu laden (mit Zustellnachweis); was den Vorteil mit sich bringt, dass diese Ladung als bloße Verfahrensanordnung nicht bekämpfbar ist. Dadurch fällt auch das Risiko weg, dass die Verwaltungsgerichte Ladungsbescheide wegen Rechtswidrigkeit aufheben. Es ermöglicht daher den Behörden eine „ernsthafte“ Ladung auch dann zu veranlassen, wenn etwa die Aktualität des Konsums iS der restriktiven Judikatur des VwGH fehlt. Schließlich gibt es in der Praxis auch ohne behördliche Verzögerung immer wieder Fälle, bei denen die Information über einen Missbrauch einige Monate alt ist, womit ein Ladungsbescheid nach derzeitiger Judikatur des VwGH nicht möglich ist.

7. In den soeben beschriebenen Fällen (Weigerung, sich den gesundheitsbezogenen Maßnahmen oder der Untersuchung zu unterziehen) hat die Bezirksverwaltungsbehörde mit Anzeige an die Staatsanwaltschaft vorzugehen. In den Fällen des § 13 Abs. 2b ist der Staatsanwaltschaft der Sachverhalt aber bereits durch den Abtretungsbericht der Kriminalpolizei bekannt; in diesen Fällen erübrigt sich daher eine Anzeige, es genügt eine Mitteilung (neuer dritter Satz in § 14 Abs. 1 SMG).

Zu Z 6 (§ 24a Abs. 1 Z 1 SMG)

Mit der vorgeschlagenen Änderung des § 24a Abs. 1 Z 1 SMG wird die Pflicht des Bundesministeriums für Inneres, Berichte an das Suchtmittelregister zu melden, angepasst und auf Abtretungsberichte nach der neuen Bestimmung des § 13 Abs. 2b SMG erweitert.

Zu Z 7 (§ 35 Abs. 9 SMG)

Mit der Verständigung der Staatsanwaltschaft von der Einschaltung der Bezirksverwaltungsbehörde (Abtretungsbericht iSv. § 13 Abs. 2b SMG) bleibt die Staatsanwaltschaft Herrin des Strafverfahrens (dies entspricht, hat jedoch – mit Ausnahme der wenigen Fälle, in denen weitere Ermittlungen angeordnet werden – von der Verfolgung ohne weitere Schritte vorläufig zurückzutreten. In dieser vorgeschlagenen Einstellung nach § 35 Abs. 9 SMG handelt es sich um eine besondere Form der Einstellung, die zwischen der Einstellung wegen Geringfügigkeit (§ 191 StPO) und der Einstellung auf Probezeit (§ 203 StPO, § 35 Abs. 1 SMG) eingegliedert werden kann.

Zu Z 8 (§ 38 Abs. 1a SMG)

Auf Grund der in § 38 Abs. 1a SMG vorgeschlagenen Möglichkeit der Fortsetzung nach Mitteilung der Gesundheitsbehörde oder auf Antrag des Beschuldigten soll einerseits das Strafverfahren fortzusetzen sein, wenn sich der Beschuldigte den notwendigen Untersuchungen oder Maßnahmen (§ 14 Abs. 1 SMG) nicht unterzieht und andererseits soll gewährleistet werden, dass jeder Beschuldigte ein Strafverfahren verlangen kann, wenn er mit den Auflagen des Amtsarztes nicht einverstanden ist.

Aus den in § 38 Abs. 1a SMG normierten Gründen einer Fortsetzung, die innerhalb eines Jahres stattfinden kann, ergibt sich im Zusammenhalt mit dem geltenden dritten Absatz von § 38 SMG, dass nach Ablauf des Jahres das Verfahren jedenfalls endgültig einzustellen ist. Der Lauf der Jahresfrist beginnt mit der Zustellung der Verständigung.

Zu Z 2 (§ 13 Abs. 2):

Mit BGBl. I Nr. 103/2002 wurde das Heeresgebührenamt in „Heerespersonalamt“ umbenannt.

Zu Z 10 (§ 47 Abs. 14 SMG):

Es wird ein Inkrafttreten mit 1. Jänner 2016 vorgeschlagen.

Zu Artikel 3 (Änderung der Strafprozessordnung 1975):

Zu Z 1 und 2 (§ 20a Abs. 1 und Abs. 3 StPO):

Nach der Entscheidung der Generalprokuratur vom 29. Oktober 2015, Gw 413/14i, soll die WKStA für Vermögensdelikte gemäß § 20a Abs. 1 Z 1 StPO nicht zuständig sein, wenn diese Delikte im Versuchsstadium geblieben sind. Die Generalprokuratur begründet dies zusammengefasst mit dem Wortlaut des § 20a Abs. 1 Z 1 StPO („soweit auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass der durch die Tat herbeigeführte Schaden 5 000 000 Euro übersteigt“), wonach ausschließlich durch einen tatsächlichen Schadeneinstritt vollendete, nicht aber auch bloß im Versuchsstadium verbliebene Vermögensdelikte erfasst seien. Auch in den Gesetzesmaterialien werde auf Strafverfahren mit zahlreichen Geschädigten und hohem Schaden abgestellt. Demgegenüber stelle § 32 Abs. 1a Z 2 StPO idF des Strafprozessänderungsgesetzes 2014 auf die Höhe des (qualifizierten) Vermögensschadens ab, den die Handlung verursache oder auf den sich der Vorsatz erstrecke.

Eine Differenzierung der Zuständigkeit abhängig vom Stadium der Vollendung erscheint nicht zweckmäßig, insbesondere weil es durchaus möglich ist, dass sich diese Frage erst im Laufe des Ermittlungsverfahrens klären lässt. Daher soll jeweils durch Einfügung der Wortfolge „oder sich der Vorsatz darauf erstreckt“ in Z 1, 2, 5 und 7 klargestellt werden, dass die WKStA für die in § 20a Abs. 1 StPO angeführten Delikte auch dann zuständig ist, wenn diese im Versuchsstadium verblieben sind.

Überdies soll vor dem Hintergrund von in der Praxis bestehenden Unklarheiten auch die in Abs. 3 geregelte Zuständigkeit der WKStA im Bereich der internationalen Rechtshilfe einer Neuregelung zugeführt werden. Die WKStA soll wegen der in Abs. 1 erwähnten Straftaten für ausländische Ersuchen um Rechtshilfe und Übernahme der Strafverfolgung nach dem IV. Hauptstück und § 60 ARHG, BGBl. Nr. 529/1979, für die Anerkennung und Vollstreckung justizieller Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Z 1 lit. b EU-JZG, BGBl. I Nr. 36/2004, und die Rechtshilfe in Strafsachen nach § 1 Abs. 1 Z 2 EU-JZG sowie für entsprechende ausländische Ersuchen nach zwischenstaatlichen Übereinkommen zuständig sein. Ferner soll sie wie bisher zentrale nationale Verbindungsstelle gegenüber OLAF und Eurojust sein, soweit Verfahren wegen derartiger Straftaten betroffen sind.

Des Weiteren erfolgen terminologische Anpassungen im Hinblick auf die Änderungen im StGB.

Zu Z 3 bis 6 (§ 30 Abs. 1 StPO):

„Cybermobbing“ bedeutet für die betroffenen Personen eine extreme Belastung und führt in schweren Fällen zur systematischen Zerstörung der Persönlichkeit des Opfers. Wenngleich die Strafdrohung von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe (Abs. 1) grundsätzlich nur eine Zuständigkeit des Bezirksgerichts begründet, soll dem durch die Tat verwirklichten Unwert dadurch Rechnung getragen werden, dass trotz der Strafdrohung der Einzelrichter des Landesgerichts zuständig sein soll.

Für das Vergehen des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung (§ 153c StGB) soll gleichfalls die Zuständigkeit des Einzelrichters des Landesgerichts angeordnet werden, weil dessen Verfolgung oftmals mit einer solchen wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB) einhergeht, ebenso für das Vergehen der Verhetzung nach § 283 Abs. 4 StGB, da zu erwarten ist, dass in diesem Zusammenhang oftmals komplexe Beweisfragen zu beurteilen sein werden.

Zu Z 7 und 8 (§ 31 Abs. 2 Z 10a und 11 StPO):

Da es sich bei § 321k StGB um ein hochpolitisches Delikt (Angriffsobjekt ist zwingend ein anderer Staat) handelt und sich die konkrete Tatbegehungsform auch erst im Zuge des Verfahrens herausstellen kann, soll dieser Tatbestand der Zuständigkeit des Landesgerichts als Geschworenengericht unterliegen.

Zu Z 9 und 10 (§ 31 Abs. 3 StPO):

Die Anhebung der zweiten Wertgrenze auf 300 000 Euro im Bereich der Delikte gegen fremdes Vermögen bringt mit sich, dass jene Delikte, die bei einem Schaden oder Vorteil von derzeit über 50 000 Euro eine Strafdrohung von einem bis zu zehn Jahren vorsehen, eine Zuständigkeit des Schöffengerichts künftig erst bei einem Schadens-/Vorteilsbetrag von über 300 000 Euro begründen würden. Die bisherige schöffengerichtliche Zuständigkeit bei einem Schaden oder Vorteil über 50 000 Euro würde bei Beibehaltung der Zuständigkeitsvorschriften in der StPO im Bereich über 50 000 Euro bis 300 000 Euro durch die Zuständigkeit des Einzelrichters des Landesgerichts ersetzt. Dies brächte eine nicht unerhebliche Verschiebung der Rechtsmittelzuständigkeit vom Obersten Gerichtshof auf die Oberlandesgerichte mit sich. Gegenüber den Ausführungen im Begutachtungsentwurf hat sich gezeigt, dass eine ausreichende Planstellenverschiebung nicht zeitnah gewährleistet werden kann. Eine gesetzliche Sonderlösung erscheint trotz des damit verbundenen Eingriffs in das System der Zuständigkeiten unvermeidlich, um sicherzustellen, dass Rechtsmittelentscheidungen sowohl gegen Urteile der Einzelrichter des Landesgerichts als auch der Schöffengerichte auch weiterhin binnen angemessener Frist ergehen. Vorgeschlagen wird daher eine Erweiterung der Sonderzuständigkeit des „kleinen“ Schöffengerichts um jene Vermögensdelikte, bei denen der Schaden oder Vorteil zwischen 50 000 Euro und 300 000 Euro liegt. Dadurch ist sichergestellt, dass in diesen Verfahren, in denen schon bislang eine Nichtigkeitsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof erhoben werden konnte, dies auch weiterhin – trotz Anhebung der zweiten Wertgrenze – möglich ist.

Mit Z 9 wird im Übrigen die Terminologie an das StGB angepasst.

Zu Z 11 bis 13 (§ 32 Abs. 1a StPO):

Entsprechend Anregungen im Begutachtungsverfahren wird die Formulierung in Z 11 „Straftaten nach den §§ 304 bis 309 StGB“ durch „… Straftaten nach §§ 304 und 307 StGB…“ ersetzt, weil die Vergehen/Verbrechen nach §§ 305, 306, 307a, 307b, 308 und 309 StGB (maximale Strafdrohung 6 Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe) ohnehin zur Gänze in die Zuständigkeit des Einzelrichters des Landesgerichts fallen.

Durch die vorgeschlagenen Änderungen in den Z 10 und 11 soll überdies klargestellt werden, dass die Zuständigkeit des großen Schöffengerichts auch den Versuch umfasst.

Wie sich aus der Stellungnahme des OGH ergibt, schafft auch die Formulierung der Z 13: „… sowie sonstige unter die vorstehenden Ziffern fallende strafbare Handlungen, die im Rahmen einer kriminellen Vereinigung oder einer kriminellen Organisation (§§ 278 und 278a StGB) begangen werden“ nahezu keinen Anwendungsbereich. So führt der OGH aus: „…1) Die Begehung im Rahmen einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) ist bei keiner strafbaren Handlung des StGB qualifikationsbegründend; Feststellungen dazu sind daher in der Praxis weder zu erwarten, noch wären solche (oder deren Unterlassung) – weil keine entscheidenden Tatsachen betreffend – bekämpfbar. 2) Letzteres gilt auch für die Begehung im Rahmen einer kriminellen Vereinigung (§ 278 StGB) bei den strafbaren Handlungen, bei denen dieser Umstand keine eigene Qualifikation begründet. Die Begehung im Rahmen oder als Mitglied einer kriminellen Vereinigung (§ 278 StGB) ist nur bei folgenden Vergehen und Verbrechen des StGB qualifikationsbegründend: §§ 104a, 106, 118a, 126a, 126b, 130, 143, 165, 207a, 215a, 216, 241a, 241e StGB. Von den in § 32 Abs. 1a Z 1 – 6 genannten strafbaren Handlungen ressortieren (neben dem ohnedies bereits aus Z 2 erfassten § 143 StGB) lediglich § 130 Abs. 3 StGB idF des Entwurfs und § 165 Abs. 4 StGB zum Schöffengericht. …“ Um dem Anliegen Rechnung tragen zu können, dass im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangene strafbare Handlungen zum „großen“ Schöffengericht ressortieren, schlägt der Oberste Gerichtshof vor, alle in die Schöffengerichtszuständigkeit fallenden strafbaren Handlungen zu erfassen., für die eine derartige Qualifikation gesetzlich vorgesehen ist. Daher soll die Formulierung in § 32 Abs. 1a Z 7 in „…sowie sonstige strafbare Handlungen, die qualifiziert im Rahmen oder als Mitglied einer kriminellen Vereinigung (§ 278 StGB) begangen werden“ geändert werden.

Zu Z 14 (§ 32 Abs. 1b StPO):

Der OGH weist in seiner Stellungnahme auf Folgendes hin: „Nach hM (s Danek/Mann, WK-StPO § 221 Rz 27b [2015, in Druck] mwN) ist maßgebend dafür, ob eine Straftat nach § 32 Abs. 1a anzunehmen ist, die Beurteilung durch das Gericht, während die Einschätzung des Anklägers unbeachtlich ist. Wenn erst im Zuge der – ohne Beisitzer geführten – HV Verfahrensergebnisse hervorkommen, die für die Annahme eine Straftat iSd § 32 Abs. 1a StPO sprechen, oder wenn sich bei der Urteilsberatung eine Mehrheit dafür ergibt, ist mit Vertagung und Neudurchführung (§ 276a StPO) in geänderter Besetzung vorzugehen.

Um – wie vom OGH aufgezeigt – einerseits einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz zu vermeiden und andererseits die Notwendigkeit von Verfahrenswiederholungen (durch Neudurchführung oder Urteilskassation infolge Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 1 StPO) zu vermeiden, soll daher § 32 Abs. 1a StPO um einen Abs. 1b ergänzt werden, in dem angeordnet wird, dass eine solche Besetzung auch auf Antrag der StA oder des Angeklagten wirksam werden soll. Ohne ein solches Verlangen soll ein Besetzungsmangel nach § 32 Abs. 1a StPO nicht geltend gemacht werden können.

Es versteht sich von selbst, dass im Fall eines neuen Prozessgegenstandes (§ 263 StPO) die Besetzungsfrage unabhängig von diesen Voraussetzungen zu beurteilen ist.

Zu Z 15 (§ 61 Abs. 1 StPO):

Die vorgeschlagene Änderung dient der Anpassung an die Neufassung des § 129 StGB.

Zu 16 (§ 126 Abs. 4 StPO):

Mit Erkenntnis vom 10. März 2015 hat der Verfassungsgerichtshof in den Verfahren G 180/2014, G 216/2014, G 232/2014, G 42/2015 und G 77/2015 zu Recht erkannt:

                I. 1. Die Wortfolge "Sachverständigen oder" in § 126 Abs. 4 dritter Satz der Strafprozessordnung 1975, BGBl. Nr. 631/1975, idF BGBl. I Nr. 19/2004, war verfassungswidrig.

                2.1. Die verfassungswidrige Wortfolge ist auch in den beim Obersten Gerichtshof anhängigen Rechtssachen nicht mehr anzuwenden.

                2.2. Weiters ist die verfassungswidrige Wortfolge auch in den durch das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6. November 2014, AZ 65 Hv 164/13g (ONr. unbekannt), und das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 18. November 2014, AZ 4 Hv 127/14g-851, in erster Instanz entschiedenen Rechtssachen nicht mehr anzuwenden.

                3. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

                II. Die zu G 42/2015 und zu G 77/2015 protokollierten (Partei-)Anträge werden zurückgewiesen.

Begründend führte der Verfassungsgerichtshof aus, dass eine Norm, die es dem Angeklagten im Hauptverfahren – in dem der Staatsanwalt dem Angeklagten als Anklagevertreter gegenübertrete – von vornherein und ausnahmslos verbiete, den vom Staatsanwalt im Ermittlungsverfahren beauftragten Experten im Fall von objektiven, gegen dessen völlige Neutralität sprechenden Anhaltspunkten iZm seiner konkreten Tätigkeit im Ermittlungsverfahren als befangen abzulehnen, gegen das in Art. 6 Abs. 1 EMRK in der spezifischen Ausformung des Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK verankerte Gebot der Waffengleichheit verstoße. Dies habe allerdings nicht den generellen Ausschluss eines Sachverständigen allein aus dem Grund, dass er bereits im Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft beigezogen wurde, für die Bestellung in der Hauptverhandlung zur Folge, sondern führe vielmehr dazu, dass das Gericht im Rahmen einer Einzelfallprüfung eine allfällige Befangenheit anhand der Regelung des § 47 Abs. 1 Z 3 iVm § 126 Abs. 4 erster Satz StPO (Vorliegen von Gründen, die geeignet sind, die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen) zu beurteilen habe.

Da § 126 Abs. 4 StPO durch das Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2014, BGBl. I 71/2014, geändert wurde, lautet der Ausspruch dahingehend, dass die Wortfolge "Sachverständigen oder" in § 126 Abs. 4 StPO idF BGBl. I 19/2004 verfassungswidrig war.

Nachdem sich dieselbe Wortfolge jedoch auch in § 126 Abs. 4 letzter Satz StPO idgF findet, wird vorgeschlagen, diese vor dem Hintergrund der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs gänzlich zu streichen.

Zu Z 17 bis 20, 27, 28, 31 bis 33 (§§ 155 Abs. 1, 156 Abs. 1, 161 Abs. 1, 172a Abs. 3, 489 Abs. 1, 492 Abs. 1 und 514 StPO):

Die vorgeschlagenen Änderungen dienen der Beseitigung von Redaktionsversehen bzw. sprachlichen Anpassungen.

Zu Z 21 (§ 192 Abs. 1 StPO):

Sowohl die Staatsanwaltschaften als auch die Gerichte sehen sich gerade bei der Bearbeitung von Verfahren wegen strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen im Zusammenhang mit einer unternehmerischen Tätigkeit oder aus dem Bereich der organisierten Kriminalität, die durch ihre Komplexität und ihren Umfang oder durch eine Vielzahl von Beteiligten bzw. die involvierten Wirtschaftskreise gekennzeichnet sind, mit einer immer größer werdenden Arbeitsauslastung konfrontiert, die auch aus dem Prinzip der Amtswegigkeit nach § 2 StPO resultiert, wonach Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Aufgaben verpflichtet sind, jeden ihnen zur Kenntnis gelangten Verdacht einer Straftat, die nicht bloß auf Verlangen einer hiezu berechtigten Person zu verfolgen ist, in einem Ermittlungsverfahren von Amts wegen aufzuklären. Besonders bei Strafverfahren mit vielen Fakten und verzweigten Handlungssträngen besteht die Gefahr, dass in Erfüllung dieser Verpflichtung oftmals der Fokus auf das „Wesentliche“ verloren geht und die Ressourcen für eine zügige und effektive Verfolgung des Hauptvorwurfs fehlen. So sehen sich die Ermittlungsbehörden im Strafverfahren vielfach mit der Kritik zu langer Verfahrensdauer konfrontiert.

Die vorgeschlagene Regelung stellt in Ergänzung der bereits getroffenen Veranlassungen (etwa dem durch das Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2014, BGBl. I Nr. 71/2014 geschaffenen § 108a StPO) eine weitere Maßnahme zur Verringerung der Verfahrensdauer dar.

Die im Wesentlichen der Bestimmung des § 34 Abs. 2 StPO aF nachempfundene Möglichkeit, gemäß § 192 Abs. 1 Z 1 StPO Opportunitätserwägungen zu berücksichtigen und von der Verfolgung einzelner Straftaten endgültig oder unter Vorbehalt späterer Verfolgung abzusehen und das Ermittlungsverfahren insoweit einstellen, wenn dem Beschuldigten mehrere Straftaten zur Last liegen und dies voraussichtlich weder auf die Strafen oder vorbeugenden Maßnahmen, auf die mit der Verurteilung verbundenen Rechtsfolgen noch auf diversionelle Maßnahmen wesentlichen Einfluss hat, bietet erst bei weitgediehener Sachverhaltsermittlung und somit erst kurz vor der Einbringung der Anklage Abhilfe und dient somit weitgehend der Entlastung der Gerichte. Die Staatsanwaltschaft kann nach gebundenem Ermessen – wodurch Willkürentscheidungen ausgeschlossen werden – entscheiden, ob sie sämtliche Sachverhalte zur Anklage bringen will oder nur einen Teil, wobei Beschuldigte keinen Rechtsanspruch auf die Anwendung des § 192 Abs. 1 StPO haben.

Da die Staatsanwaltschaften wie auch die Kriminalpolizei aber bereits oftmals im Anfangsstadium eines Ermittlungsverfahrens nicht in ausreichendem Maße Schwerpunkte bei der Verfolgungstätigkeit setzen können und damit vielfach Effizienzverluste verbunden sind, soll der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit eröffnet werden, die Ermittlungen zur Aufklärung des Verdachts jener Straftaten, deren Nachweis im Fall gemeinsamer Führung keinen Einfluss auf den anzuwendenden Strafrahmen hätte, jedoch mit einem beträchtlichen Aufwand verbunden wären und die Erledigung in der Hauptsache verzögern würden (Z 1a), gemäß § 192 Abs. 1 StPO vorläufig einzustellen, um sich auf die Ermittlungen in der Hauptsache zu konzentrieren.

Damit soll verdeutlicht werden, dass bereits zu Beginn des Ermittlungsverfahrens Opportunitätserwägungen Platz finden können – und zum Zweck der Führung eines effizienten Ermittlungsverfahrens auch sollen –, wobei die Entscheidung einer Einstellung nach den Bestimmungen des § 192 Abs. 1 Z 1 StPO unter Berücksichtigung der weiteren Voraussetzungen der Z 1a quasi zu antizipieren ist, um damit verfahrensökonomische Erwägungen bereits zu einem früheren Zeitpunkt wirken lassen zu können. Auch hier muss das Ziel sein, eine Zweckmäßigkeitserwägung zu treffen, bei der die Staatsanwaltschaft dem staatlichen Interesse an der Strafverfolgung die Prozessökonomie gegenüberstellt und prüft, ob nicht mit einer zielgerichteten Erledigung der Hauptsache und im Falle einer diesbezüglichen Verurteilung general- und spezialpräventive Erfordernisse ausreichend entsprochen wird. Zu beachten ist, dass sich gemäß § 4 Abs. 1 StPO im Falle eines Vorgehens der Staatsanwaltschaft nach Abs. 1 Z 1a auch die Ermittlungstätigkeit der Kriminalpolizei auf die „Hauptsache“ zu beschränken hat.

Bei der Differenzierung zwischen Haupt- und Nebenfakten und vor einer Einstellung nach Z 1a sollten neben den Kriterien eines beträchtlichen Aufwands und möglicher Verzögerungen etwa auch die allfällige Dringlichkeit des Tatverdachts, die jeweilige Schadenshöhe, die Aussicht auf erfolgreiche Beweissammlung sowie gegebenenfalls die Schwere der Schuld vergleichend berücksichtigt werden.

Eine nach Abs. 1 Z 1a vorbehaltene Verfolgung soll ebenfalls innerhalb dreier Monate nach rechtskräftigem Abschluss des inländischen Strafverfahrens wieder aufgenommen werden können, wobei ein abermaliger Vorbehalt wegen einzelner Straftaten unzulässig ist.

Zu Z 22 bis 26 (§§ 198 Abs. 2 und 3, 204 Abs. 2 und 3 und 206 Abs. 1):

Die vorgeschlagene Änderung in Abs. 2 soll unter Beibehaltung der sonstigen diversionellen Zulässigkeitsvoraussetzungen im Hinblick auf jene Delikte, die zwar nicht mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, jedoch in die schöffen- bzw. geschworenengerichtliche Zuständigkeit fallen (abhängig von der jeweiligen Strafdrohung betrifft dies insbesondere die in § 31 Abs. 2 Z 4 bis 11 sowie Abs. 3 Z 3 und 5 StPO genannten Delikte) ein breiteres Spektrum der Reaktion und Sanktionierung durch verstärkte Bezugnahme auf den Einzelfall ermöglichen. Auch in diesen – nach der reinen Strafdrohung in die Ingerenz des Einzelrichters des Landesgerichts fallenden – Fällen soll künftig ein sich im Hinblick auf die geringen Rückfallszahlen bewährt habendes diversionelles Vorgehen bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen möglich sein. Die Beurteilung der Frage, ob die Schuld des Beschuldigten als schwer anzusehen ist (§ 198 Abs. 2 Z 2 StPO) soll durch die neuen Erschwerungsgründe des § 33 Abs. 2 und 3 eine veränderte Akzentuierung erfahren. Die Opferinteressen sollen durch die vorgeschlagenen flankierenden Änderungen in § 204 Abs. 2 und 3 sowie 206 Abs. 1 StPO besondere Berücksichtigung finden (darunter Sicherstellung einer Information über den Anspruch auf Prozessbegleitung und die zur Auswahl stehenden Opferschutzeinrichtungen; Mitwirkung der Prozessbegleitung am Tatausgleich und Überlegungsfrist für besonders traumatisierte Opfer). In jenen Fällen, in denen dem Täter eine strafbare Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, die mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, zum Vorwurf gemacht wird, soll ein diversionelles Vorgehen künftig hingegen nicht zulässig sein. Dies begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, zumal es sich um keinen generellen Ausschluss handelt und auf Deliktsgruppen abgestellt wird, die bereits in anderem, aber vergleichbarem Zusammenhang vom Gesetzgeber als einer besonderen Regelung bedürftig befunden wurden. So wurde etwa nach § 4a Abs. 1 TilgG für die dort genannten Delikte eine besonders lange Tilgungsfrist festgelegt, während es sich bei den in § 52a Abs. 1 StGB genannten Delikten um die Anlasstaten für eine gerichtliche Aufsicht handelt.

Die im Begutachtungsverfahren geforderte Ausnahme für gerichtlich strafbare Finanzvergehen bleibt aus systematischen Gründen einer gesonderten Regelung im FinStrG vorbehalten.

Zu Z 29 (§ 409a Abs. 2 StPO):

Die vorgeschlagene Änderung soll eine adäquate Anpassung an die im StGB vorgeschlagene Möglichkeit der Verhängung von Geldstrafen bis zu 720 Tagessätzen darstellen.

Zu Z 30, 34 (§ 445 Abs. 2a StPO):

Mit diesem Vorschlag soll Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherstellung und Einziehung von Erträgen aus Straftaten in der EU, 2014/42/EU, Rechnung getragen werden.

Nach geltender Rechtslage besteht im selbständigen Verfahren nach §§ 445 ff StPO die Möglichkeit, den Verfall (§ 20 StGB), den erweiterten Verfall (§ 20b StGB) und die Einziehung (§ 26 StGB) auch ohne Straf- oder Unterbringungsurteil auszusprechen. Abgesehen davon, besteht die Möglichkeit Gegenstände, die entweder bei der Ausübung der mit Strafe bedrohten Handlung verwendet werden sollten bzw. wurden (instrumenta sceleris) oder durch diese hervorgebracht wurden (producta sceleris) aufgrund ihrer besonderen Beschaffenheit, einzuziehen (§ 26 StGB). Die Beschaffenheit der Gegenstände muss dabei von solcher Gefährlichkeit sein, dass die Einziehung geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegen zu wirken. Die Einziehung von Gegenständen ist daher gemäß § 26 StGB weitgehend eingeschränkt.

Gegenstände, die der Täter zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat verwendet hat, die von ihm dazu bestimmt worden waren, bei der Begehung dieser Straftat verwendet zu werden, oder die durch diese Handlung hervorgebracht worden sind unterliegen der Strafe der Konfiskation nach § 19a StGB.

Die geltende Rechtslage sieht sohin nicht vor, Gegenstände iSd § 19a StGB ohne Verurteilung einzuziehen bzw. zu konfiszieren.

Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Tatwerkzeuge und Erträge oder Vermögensgegenstände, deren Wert diesen Tatwerkzeugen oder Erträgen entspricht, vorbehaltlich einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Straftat, auch durch Verfahren in Abwesenheit, ganz oder teilweise eingezogen werden können. Ist eine Einziehung auf der Grundlage dieser Bestimmung nicht möglich, sind die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 2 verpflichtet, — zumindest wenn dies auf Krankheit oder Flucht der verdächtigten oder beschuldigten Person beruht — alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass Tatwerkzeuge und Erträge dann eingezogen werden können, wenn ein Strafverfahren in Bezug auf eine Straftat, die direkt oder indirekt zu einem wirtschaftlichen Vorteil führen kann, eingeleitet wurde und dieses Verfahren zu einer strafrechtlichen Verurteilung hätte führen können, wenn die verdächtigte oder beschuldigte Person vor Gericht hätte erscheinen können.

Zur Umsetzung dieser Bestimmung ist es daher notwendig, die Möglichkeit des Ausspruchs der Konfiskation in einem selbständigen Verfahren für die Fälle zu eröffnen, in denen das Verfahren auf Grund der Flucht des Angeklagten oder seiner eine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Erkrankung nicht weiter geführt werden kann.

Obwohl es sich bei der Konfiskation um eine Strafe handelt, scheint ihr Ausspruch trotz Abwesenheit des Angeklagten und daher Unterbleibens eines Schuldspruches im Hinblick auf die Verfahrensgarantien des einer Hauptverhandlung nachgebildeten Verfahrens nach § 445 Abs. 1 und 2 StPO ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung oder insgesamt eines fairen Verfahrens nach Art. 6 EMRK zulässig zu sein. Entsprechenden Bedenken im Begutachtungsverfahren soll durch die zusätzlichen Voraussetzungen der Vernehmung des Angeklagten nach §§ 164, 165 StPO zum Anklagevorwurf und zu den Voraussetzungen der Konfiskation Rechnung getragen werden.

Zu Artikel 12 (Inkrafttreten und Übergangsbestimmung):

Es wird ein Inkrafttreten mit 1. Jänner 2016 vorgeschlagen.

In der Vergangenheit wurden wiederholt durch Novellen bewirkte Verlängerungen von Verjährungsfristen auch auf noch nicht verjährte frühere, dh vor dem Inkrafttreten der jeweiligen Novelle begangene Taten, für anwendbar erklärt. Hinsichtlich der Rückwirkung von Verjährungsfristverkürzungen gibt es offenbar unterschiedliche Zugänge (vgl. dazu den Überblick bei Marek, WK StGB2 § 57 Rz 23). So wird zum einen vertreten, dass dann wenn eine Strafdrohung durch Gesetzesänderung herabgesetzt wird, dadurch bedingte günstigere Verjährungsvorschriften zurückwirken (vgl. JBl 1981, 217, 12 Os 117/12s). Andererseits soll eine nach früherem Recht rechtzeitig eingetretene Hemmung der Verjährung durch günstigere neue Bestimmungen ohne ausdrückliche gesetzliche Vorschrift nicht rückwirkend unwirksam werden (EvBl 1973/300 = JBl 1973, 584 zur Rechtslage vor StGB 1975, 12 Os 78/08z, 79/08x, 80/08v).

Mit der vorgeschlagenen Regelung des § 2 soll klargestellt werden, dass es nicht der rechts- und kriminalpolitischen Zielsetzung dieses Entwurfes entspricht, zwar von den Strafdrohungen her anders gewichtetes, aber nach wie vor als strafwürdig befundenes Verhalten indirekt durch eine durch die Reduzierung von Strafdrohungen bewirkte Verkürzung von Verjährungsfristen gegebenenfalls doch sanktionslos zu halten. Dieses Konzept soll als allgemeine Regel in § 58 Abs. 3a StGB verankert werden. Im Begutachtungsverfahren aufgezeigten Bedenken hinsichtlich der vorgeschlagenen Übergangsvorschrift soll durch eine Einschränkung auf am 31.12.2015 bereits anhängige Ermittlungsverfahren begegnet werden. Gegen das verfassungsgesetzliche Rückwirkungsverbot wird durch die vorgeschlagene Übergangsbestimmung nicht verstoßen, zumal die Verjährungsbestimmungen nicht unter den nach der Rechtsprechung des EGMR implizit mit dem Rückwirkungsverbot einhergehenden Grundsatz der Rückwirkung milderer Strafbestimmungen fallen (EGMR vom 17.9.2009, Scoppola v. Italien Nr. 2, Nr. 10249/03, Rz 110). Die gegebenenfalls milderen Strafsätze sollen diesem „Rückwirkungsgebot“ entsprechend hingegen sehr wohl zugunsten der Beschuldigten durchschlagen.