12277/J XXV. GP

Eingelangt am 03.03.2017
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Anfrage

 

der Abgeordneten Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

betreffend WGG und private Investoren

 

 

Gemeinnützige Wohnbauvereinigungen („Genossenschaften“) leisten einen unschätzbaren Beitrag zur langfristigen Versorgung der Bevölkerung mit leistbarem Wohnraum. Sie verfügen österreichweit über an die 1.000.000 Mietwohnungen, gerade in der Langfristbetrachtung ist die volkswirtschaftliche Ersparnis gegenüber privaten Mietwohnungen auf dem freien Markt enorm. Genossenschaften sind bei Bau und Vermietung den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit verpflichtet. In der Praxis heißt das, dass sie nur kostendeckende Mieten verlangen dürfen und einer Gewinnbeschränkung unterliegen. Nur Gewinne in Höhe von 3,5% des Stammkapitals dürfen an die EigentümerInnen ausgezahlt werden, darüber hinausgehende Beträge haben wieder in den gemeinnützigen Wohnbau zu fließen.

§ 1 Abs 3 WGG: „Das von gemeinnützigen Bauvereinigungen nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Wirtschaftsführung erwirtschaftete Eigenkapital ist im Sinne eines Generationenausgleichs zur Sicherung einer nachhaltigen Wohnversorgung bestehender und zukünftiger Nutzer auf Dauer für Zwecke des gemeinnützigen Wohnungswesens gebunden und zu verwenden.

Mit einem der Fragestellerin zugänglichen, aktuell konzipierten Entwurf einer  Regierungsvorlage soll der Handel von Anteilen an den Unternehmen und damit auch die Investition in den gemeinnützigen Wohnbau angeregt werden. Derzeit ist der Verkaufspreis mit dem Einbringungspreis geregelt – bei einem etwaigen Verkauf sind keine Gewinne für die VerkäuferInnen erzielbar, ausscheidende Mitglieder dürfen nicht mehr erhalten, als sie eingezahlt haben. Solche Gewinne sollen in Zukunft ermöglicht werden, indem die Preisbeschränkung fällt.

Der Entwurf schlägt vor, § 10a Abs 2 lit a WGG dahingehend zu ändern, dass die Landesregierung die Zustimmung zum Erwerb von Anteilen einer GBV dann zu versagen hat, wenn


„der Kaufpreis oder – bei Einbringung als Sacheinlage – die Bewertung das im Jahresabschluss ausgewiesene Eigenkapital der Bauvereinigung (Grund- bzw Stammkapital zuzüglich Rücklagen und Bilanzgewinn sowie abzüglich Bilanzverlust gemäß § 10 Abs 5 WGG) übersteigt“.

Nach derzeit geltender Rechtslage ist die Zustimmung schon dann zu versagen, wenn der Kaufpreis oder – bei Einbringung als Sacheinlage – die Bewertung „die eingezahlten Einlagen“ übersteigt.

Mit dieser Neuregelung in § 10a Abs 2 lit a WGG soll bewirkt werden, dass Anteile an GBV höchstens zu jenem Preis gehandelt werden können, zu dem auch eine UGB-Bewertung gemäß § 10 Abs 5 WGG zulässig ist. 

Die Regelungen über die Gewinnausschüttungsbeschränkung und über die Verteilung des Vermögens einer GBV im Fall von Liquidation der Gesellschaft oder Verlust der Gemeinnützigkeit sollen unverändert bleiben.

Warum die Aufhebung der Preisbeschränkung für GBV-Anteile eine Erhöhung der Bauleistung nach sich ziehen soll, ist nicht ersichtlich. Es wird damit nur eine Gewinnmöglichkeit für AnteilseignerInnen geschaffen. Für die betroffene Genossenschaft ändert sich in finanzieller Hinsicht vorerst nichts. Eine Möglichkeit der Gewinnlukrierung bei weiter geltenden Gewinnbeschränkungen (3,5% s.o.) wäre nur denkbar, wenn neue EigentümerInnen frei werdende Wohnungen im Wohnungseigentum günstig an gewerbliche Tochtergesellschaften verkaufen und diese dann teuer weiterverkauft würden. Außerdem ist es denkbar, dass im Sinne des Gleichheitsgebots diese Regelung auch auf Genossenschaftsbeiträge der MieterInnen Auswirkungen hat und in Zukunft bei der Anmietung einer alten Genossenschaftswohnung ein heute in der Regel vernachlässigbarer, dann aber höherer, weil durch einen Marktwert bestimmter Genossenschaftsbeitrag von den neuen MieterInnen zu bezahlen ist. Das könnte zu einer neuen Form von Ablöse werden (Günstige Wohnung, höherer Genossenschaftsanteil).

Die rechtliche Problematik der beabsichtigten Änderung des § 10a WGG führt Univ. Prof. Dr. Michael Holoubek in einer Kurzstellungnahme wie folgt aus:

„Naturgemäß ergeben sich bei einer solchen punktuellen Gesetzesänderung Fragen der Auswirkungen auf das Gesamtsystem. Hier bringt die „Durchbrechung“ der Vermögensbindungslogik durch die vorgeschlagene neue Regelung – wenn diese auch eine für sich genommen sachliche Zielsetzung hat – die Frage auf die Tagesordnung, ob es einen Wertungswidersprich zu den Regelungen insbesondere hinsichtlich der Gewinnausschüttungsbeschränkung (§ 10 Abs 1 WGG) und der Auszahlungsbeschränkung bei Ausscheiden (§ 10 Abs 2 WGG) gibt. (   )

Weiters ist auf die besondere Problematik der (bisherigen) „Bewertungsreserve für Mehrtilgung“ als „zweckgebundene Rücklage für Kostendeckung“ und § 10 Abs 6 WGG idgF hinzuweisen. (   )


Auf folgende Fragestellungen ist schließlich jedenfalls noch hinzuweisen:

-          Das strikte Vermögensbindungsprinzip und damit die sehr begrenzte „Gewinnerzielungs-möglichkeit“ von Gesellschaftern einer GBV ist ein wesentliches Element zur Rechtfertigung der nach wie vor bestehenden „Privilegierungen“ von gemeinnützigen Bauvereinigungen (in körperschaftssteuerrechtlicher Hinsicht ebenso wie unter Umständen beim Zugang zu Wohnbauförderungen). Ohne dass diese sehr komplexe Problematik hier auch nur annähernd beleuchtet werden kann: jede „Lockerung“ der strikten Bindungen erhöht entsprechend den Rechtfertigungsbedarf (insbesondere im Hinblick auf allfällige beihilfenrechtliche Fragestellungen).

-          Näherer steuerrechtlicher Prüfung bedürfte die Auswirkung der vorgeschlagenen Neuregelung im Verhältnis zur abgabenrechtlichen Gemeinnützigkeit im Sinne der §§ 34 ff BAO. Körperschaftssteuerrechtlich dürfte – das sollte aber im Einzelnen geprüft werden – sichergestellt sein, dass die Körperschaftssteuerbefreiung für GBV (§ 5 Z 10 KStG) in ihrer Zwecksetzung insoweit unangetastet bleibt, als bei einer Anteilsveräußerung der Veräußerungsgewinn jedenfalls körperschaftssteuerpflichtig wäre, das privilegiert gebildete gemeinnützige Vermögen aber in der GBV verbleibt. Die Gewinnausschüttungsbeschränkungen bleiben ohnedies unverändert. Bleibt die vorgeschlagene Neuregelung auf die Anteilsveräußerung beschränkt und lässt die geltenden Beschränkungen insbesondere für jede sonstige Form des Ausscheidens oder bei Auflösung der GBV unverändert bestehen ( ), dann wäre zu prüfen, ob diesfalls, weil Veräußerungsgewinne lukriert werden können, eine Problematik im Hinblick auf die abgabenrechtliche Gemeinnützigkeit entsteht. Dies müsste aus steuerrechtlicher Sicht näher untersucht werden.“

Wohlinformierte Kreise berichten, die SPÖ, die teilweise über Beteiligungen namhafte Anteile an GBVs hält, wolle diese verkaufen. Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf würden die Anteile u.U. schlagartig stark an Wert gewinnen. Schätzungen gehen davon aus, dass der Wert der Anteile, den die SPÖ direkt und indirekt über die Wiener Arbeiterheime an der Sozialbau hält, um 16 Mio Euro steigen würde.

Es geht aber auch um andere Eigentümer. Das ÖVW gehört der Erste Bank, das Stammkapital beträgt 218.018,50 Euro. In der Bilanz ist der Wert noch niedriger angesetzt. Der Substanzwert beträgt rund 40 Mio. Euro. Wenn diese Gesetzesänderung kommt, wäre der Anreiz für die Erste Bank zu verkaufen, wohl hoch.

Mehrere (große) Gemeinnützige Unternehmen stehen im Eigentum von Gebietskörperschaften. Beispielhaft seien genannt: Gesiba (Gemeinde Wien), Neue Heimat Tirol (Land Tirol und Stadt Innsbruck), GSWB Salzburg (Land und Stadt Salzburg), Neue Heimat Kärnten (Land Kärnten), etc. Es gab in den letzten Jahrzehnten natürlich immer wieder Begehrlichkeiten dieser Eigentümer in Richtung der Substanzwerte der Unternehmen. Mit der Gesetzesänderung würde wohl der Druck in manchen Ländern steigen, mit einem Verkauf die lokalen Budgets aufzubessern. In einer vorliegenden Stellungnahme zur Regierungsvorlage übt GBV-Verbandsdirektor Mag. Alois Feichtinger deutliche Kritik an der geplanten Maßnahme:

„Zwischen den Beschränkungen des Preises für den Handel von Anteilen an einer GBV und der Gewinnausschüttung auf einbezahlte Einlagen besteht ein untrennbarer Zusammenhang. Wenn künftig beim Handel von Anteilen bei der zulässigen Höhe des Kaufpreises auf das gesamte anteilige Eigenkapital der GBV abzustellen ist, wird dies in der Folge nahezu zwangsweise auch zu einem erheblichen Druck auf eine gesetzliche Änderung der Basis für die Dividendenausschüttung führen. […] Den Entscheidungsträgern muss aber klar sein, dass durch jede Öffnung der bisher strikten Vermögensbindung bei GBVs dem System der Wohnungsgemeinnützigkeit Mittel entzogen werden und damit nicht mehr für die Wohnbautätigkeit zur Verfügung stehen.“

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1.    Stammt der Entwurf zur Änderung des §10a WGG aus Ihrem Haus? Wenn nicht, von wem sonst?

2.    Werden Sie diesen Entwurf im Ministerrat unterstützen?

3.    Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?

4.    In welcher Form prüfen Sie die rechtlichen Auswirkungen und Konsequenzen einer Änderung der derzeitigen Regelung?

5.    Wie beurteilen Sie die Absicht, durch die Neubewertung von Eigenkapitel, Wohnbaufördergelder, die Gemeinnützigen Bauträgern zum Bau von leistbaren Wohnraum gewährt wurden, nun ertragswertgesteigert privaten Investoren zu Gute kommen zu lassen?

6.    In welcher Form werden Sie die Studie von Univ. Prof. Holoubek berücksichtigen?

7.    In welcher Form werden Sie Sorge tragen, dass geplante Änderungen des WGG nicht negative soziale Konsequenzen in Form von Mietsteigerungen nach sich ziehen?