12935/J XXV. GP

Eingelangt am 28.04.2017
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Anfrage

 

der Abgeordneten Berivan Aslan, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Justiz

betreffend notwendige Maßnahmen im Kampf gegen Menschenhandel

BEGRÜNDUNG

 

Menschenhandel, im Speziellen Frauenhandel, stellt nicht nur einen massiven Verstoß gegen die Menschenrechte und die Menschenwürde dar, sondern zählt neben dem Drogen- und Waffenhandel weltweit zu den gewinnträchtigsten kriminellen Tätigkeiten des organisierten Verbrechens.

 

Nach dem Weltbericht des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) bilden 70 % der ermittelten Opfer von Menschenhandel Frauen und Mädchen. Darüber hinaus entfallen 53 % der ermittelten Formen der Ausbeutung weltweit auf sexuelle Ausbeutung und 40 % auf Zwangsarbeit, wobei 79 % der ermittelten Opfer zum Zwecke sexueller Ausbeutung Frauen und 83 % der ermittelten Opfer zur Verrichtung von Zwangsarbeit Männer sind.

 

Auch wenn die tatsächliche Zahl der Opfer nur geschätzt werden kann, so deuten dennoch alle vorhandenen Informationen darauf hin, dass Menschenhandel nicht nur den TäterInnen hohe Gewinne einbringt, sondern sie gleichzeitig auch einem geringen Risiko aussetzt, denn die Zahl der Verurteilungen und der identifizierten Opfer bleibt gering. Der jährliche Profit aus Menschenhandel wird auf 32 Milliarden US-Dollar geschätzt.

 

Österreich ist durch seine Lage in Europas Zentrum von Menschenhandel sowohl als Transit- als auch als Zielland betroffen. Menschenhandel in Österreich dient vor allem dem Zweck der sexuellen Ausbeutung und der Ausbeutung in häuslichen oder pflegerischen Tätigkeiten. Da Menschenhandel ein geschlechtsspezifisches Verbrechen darstellt, ist dafür Sorge zu tragen, Frauen und Mädchen insbesondere zu schützen. 

 

Österreich ist Vertragspartei einer Reihe internationaler Rechtsinstrumente zur Bekämpfung von Menschenhandel und hat insbesondere im Rahmen der nationalen Aktionspläne zur Bekämpfung des Menschenhandels mehrere Maßnahmen ergriffen. Dennoch wiesen sowohl die Expertengruppe des Europarates für die Bekämpfung des Menschenhandels (GRETA) in ihrem Bericht 2015, als auch das EU-Parlament (EP) 2016 auf eine Reihe wichtiger und noch ausständiger Schritte im Kampf gegen den Menschenhandel hin.

 

Im Mai 2016 hat das EP die Umsetzung der gegenwärtigen EU-Gesetzgebung zur Bekämpfung des Menschenhandels beurteilt. Im Juli 2016 hat das Parlament seinen Bericht verabschiedet, der Empfehlungen und Forderungen enthält, wie der Menschenhandel in den Außenbeziehungen der EU bekämpft werden soll. Das EP betont dabei, dass durch die illegalen Migrationsströme ein erhöhtes Risiko von Menschenhandel besteht, da die MigrantInnen, die sich in einer irregulären Situation befinden, aufgrund ihrer Schutzbedürftigkeit und ihres Lebens im Verborgenen besonders gefährdet sind, Opfer von Menschenhandel zu werden. Vor allem unbegleitete Minderjährige, die einen wichtigen Teil der nach Europa kommenden MigrantInnen ausmachen, stellen eine Zielgruppe für MenschenhändlerInnen dar.

 

Darüber hinaus hat die Expertengruppe GRETA neben der Anerkennung einiger bereits umgesetzter Maßnahmen in ihrem Länderbericht 2015 in Österreich eine Reihe von Mängeln festgestellt und weitere Forderungen im Kampf gegen den Menschenhandel gestellt.

 

Da es bei den einzelnen untenstehenden Fragen zu Überschneidungen in der Zuständigkeit kommt, wird diese Anfrage sowohl an den Bundesminister für Justiz, als auch an den Bundesminister für Inneres gerichtet. 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE

 

1)    Wurden, wie von GRETA 2015 gefordert, bereits Mitglieder der Staatsanwaltschaft in die Task Force Menschenhandel (TF-MH) aufgenommen? Wenn nein, wieso nicht?

2)    Inwieweit wurde der GRETA-Empfehlung entsprochen und die Staatsanwaltschaft verstärkt in den Kampf gegen Menschenhandel einbezogen?

3)    Welche Maßnahmen, die auf eine verstärkte Spezialisierung von RichterInnen und StaatsanwältInnen im Bereich des Menschenhandels abzielen, wurden 2016 gesetzt?

4)    Wie viele RichterInnen und StaatsanwältInnen nahmen an den 2016 angebotenen Seminaren und Schulungen zu Menschenhandel teil?

5)    Welche Schulungsmaßnahmen für Bedienstete der Finanzverwaltung, im Speziellen Betriebsprüfung, Steuerfahndung, Zoll oder Finanzpolizei, wurden 2016 angeboten? Wie hoch war die TeilnehmerInnenquote?

6)    Wurden – wie vom EP 2016 empfohlen – geschlechtsspezifische Schulungen für das Personal der Strafverfolgungs- und Zollbehörden angeboten, damit potenzielle Opfer von Menschenhandel und darunter insbesondere die potenziellen Opfer von sexueller Ausbeutung besser ermittelt werden können? Wenn nein, wieso nicht?

7)    Welche der folgenden AkteurInnen erhielten 2016 spezifische Schulungen, damit sie mit Fällen von Menschenhandel umgehen und diese besser erkennen können: SozialarbeiterInnen, ÄrztInnen, ArbeitsinspektorInnen, Personal in Asylaufnahmezentren, MitarbeiterInnen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Botschaftspersonal?

8)    Fanden alle für 2016 im Umsetzungsbericht der TF-MH geplanten Schulungen statt? Wenn nicht, wieso nicht?

9)    Wird – wie vom Europäischen Parlament gefordert – das Personal, das mit dem Empfang und der Feststellung der Identität von AsylbewerberInnen betraut ist, im Rahmen von Sensibilisierungsprogrammen zur korrekten Unterscheidung zwischen Schleusung und Menschenhandel geschult, insbesondere, was die Erkennung und den Schutz von minderjährigen Opfern von Menschenhandel und von unbegleiteten Kindern, denen Menschenhandel droht, anbelangt?

10)  Welche der angebotenen Schulungen fanden auf obligatorischer Basis statt?

11)  Wird wie von GRETA empfohlen sichergestellt, dass Asylinterviews gleichgeschlechtlich geführt werden, um die Wahrscheinlichkeit der Identifikation von Opfern des Menschenhandels zu erhöhen?

12)  Wurden – wie vom EP empfohlen – andere geschlechtsspezifische Maßnahmen ergriffen, mit denen die Opfer von Menschenhandel in Asyl- und Rückführungsverfahren besser festgestellt werden können? Wurden dabei detailliertere und nach Geschlecht aufgeschlüsselte Verzeichnisse geführt? 

 

13)  Welches Budget stand 2016 und steht 2017 dem Bund und den Ländern im Kampf gegen Menschenhandel zur Verfügung?

14)  Welcher Betrag wurde 2016 für die Forschungsförderung im Bereich Menschenhandel zur Verfügung gestellt?

15)  Das EP fordert in seinem Bericht 2016, dass der Kampf gegen den Menschenhandel, insbesondere an Flughäfen, Bahnhöfen sowie in Bussen, Schulen und Universitäten und an entsprechenden Arbeitsplätzen sichtbarer gemacht wird. Welche Maßnahmen zur Bewusstseinsförderung der Öffentlichkeit für (Folgen von) Menschenhandel in Österreich sind 2017 geplant?

16)  Inwieweit wurde das Monitoring von Leiharbeitsunternehmen in Österreich zum Zweck der Überwachung von möglichem Menschenhandel 2016 gestärkt?

17)  Wird – wie von GRETA empfohlen – angedacht das Mandat von ArbeitsinspektorInnen auszuweiten? Wenn nein, wieso nicht?

18)  Welche Maßnahmen wurden 2016 für eine verbesserte Arbeitsmarktintegration von Frauen, die von Menschenhandel betroffen sind, gesetzt?

 

19)  Welche Maßnahmen wurden 2016 und werden 2017 gesetzt um die Opfer des Menschenhandels verstärkt zu schützen und besser zu identifizieren?

20)  Wurde bei allen 2016 identifizierten Opfern der Zugang zu der erforderlichen geschlechtsspezifischen medizinischen Behandlung, unabhängig von der Staatsangehörigkeit und der rechtlichen Stellung des Opfers, sichergestellt?

21)  Mithilfe eines unbefristeten Aufenthaltsrechts kann für Betroffene von Menschenhandel ein notwendiges Mindestmaß an Sicherheit vor Vergeltungsmaßnahmen durch die Verdächtigen sichergestellt werden. Ist geplant, die Fremdenrechtsnovelle für die Schaffung eines unbefristeten humanitären Bleiberechts für vermutlich von Menschenhandel Betroffene zu nützen? Wenn nicht, wieso nicht?

22)  Schwer traumatisierte oder mittels Drohungen und Gewalt eingeschüchterte Opfer, die nicht fähig oder bereit zu einer Aussage sind, fallen nicht unter den strafprozessualen Opferbegriff und haben daher nicht einmal ein befristetes Aufenthaltsrecht. Sind Sie der Ansicht, dass es hier einer rechtlichen Änderung bedarf? Wenn nicht, wieso nicht?

23)  Wie lange war die Wartezeit für die medizinische Notversorgung für Betroffene von Menschenhandel durchschnittlich 2016?

24)  Welche Maßnahmen werden gesetzt um die Wartezeiten für die medizinische Notversorgung für Betroffene von Menschenhandel 2016 zu verkürzen?

25)  Wurde die Zweckmäßigkeit des "Guardianship"-Modells bzw. alternativer Modelle für die Betreuung von potentiellen minderjährigen Opfern von Menschenhandel in Österreich, basierend auf den Empfehlungen der EU-Grundrechteagentur geprüft? Was hat diese Prüfung ergeben?

26)  Laut einer Presseerklärung des Europol-Stabschefs sind über 10 000 unbegleitete Flüchtlings- und Migrantenkinder in Europa verschwunden. 2015 hat die AG Kinderhandel an der Informationsbroschüre „Handlungsorientierung zur Identifizierung von und zum Umgang mit potenziellen Opfern von Kinderhandel“ gearbeitet. Welche Aufgaben nahm die AG Kinderhandel 2016 wahr? Wie viele Sitzungen wurden 2016 abgehalten? Zu welchen Themen?

 

27)  Zu welchen Erkenntnissen kamen die 2016 eingerichteten Ad hoc-Arbeitsgruppen zu den Themen „Non-Punishment“ und „Bessere Erreichbarkeit von potenziellen Opfern von Menschenhandel“?

28)  Welche Bundesländer (außer Tirol) haben eine Koordinationsstelle zum regelmäßigen Austausch mit der TF-MG eingerichtet?

29)  Sind weitere Koordinationsstellen geplant?

30)  Wie viele Treffen zu spezifischen Themen von Menschenhandel mit VertreterInnen welcher ausländischen Behörden in Österreich gab es 2016?

31)  Mit welchen Drittstaaten gibt es eine aktive Zusammenarbeit, um alle Formen des Menschenhandels zu bekämpfen und dabei besonderes Augenmerk auf die geschlechtsspezifische Dimension des Menschenhandels zu richten, damit insbesondere Kinderehen, die sexuelle Ausbeutung von Frauen und Mädchen und Sextourismus bekämpft werden?

32)  Inwieweit beteiligt sich Österreich konstruktiv an den Verhandlungen über die Einrichtung einer offenen zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe, die ein rechtsverbindliches internationales Instrument konzipieren soll, mit dem die Tätigkeiten transnationaler Konzerne und anderer Unternehmen in Bezug auf die Menschenrechte geregelt und die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte umgesetzt werden können?