3636/J XXV. GP

Eingelangt am 10.02.2015
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Steinbichler, Ing. Dietrich

Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft

betreffend „Informationspolitik des Bundesministers zu TTIP“

 

Dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft obliegen gemäß Bundesministeriengesetz 1986 (i.d.g.F.) unter anderem „Angelegenheiten der Agrarpolitik und des Landwirtschaftsrechts und Ernährungswesen (…)“, die „Ordnung des Binnenmarktes hinsichtlich land-, ernährungs- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse sowie Saat- und Pflanzgut, Futter-, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln einschließlich der Zulassung, sowie Pflanzenschutzgeräten (…) sowie „Allgemeine Angelegenheiten des Umweltschutzes“.

Die „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ (TTIP, vulgo „Freihandelsabkommen“) ist ein Handelsabkommen, das von der Europäische Kommission im Auftrag der Mitgliedsländer seit 2013 mit den USA verhandelt wird. Die österreichische Bundesregierung, bestehend aus den Ressortverantwortlichen, ist demnach Auftraggeber und indirekter Verhandlungspartner. Die Verhandlungsdokumente zu TTIP unterliegen einer Geheimhaltung, das Europäische Parlament wird informiert, ist aber zur Geheimhaltung verpflichtet, die nationalen Parlamente werden nicht eingebunden und in Österreich von der Bundesregierung auch nicht informiert. Den spärlichen Informationen, die bis dato durchgesickert sind, ist zu entnehmen, dass TTIP alle für die Bevölkerung relevanten Politikfelder berührt wie etwa soziale Sicherheit, Arbeitsrechte, Demokratieentwicklung sowie Umweltschutz und nachhaltige Landwirtschaft.

Der in Personalunion agierende österreichische Landwirtschafts- und Umweltminister ist demnach für zwei der fünf zu verhandelnden Politikfelder zuständig. Den bis dato an den Nationalrat ergangenen Beantwortungen parlamentarischer Anfragen von Abgeordneten durch den BMLFUW ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob der BMLFUW gegenüber TTIP eine ablehnende bzw. befürwortende Haltung einnimmt. Das gleiche Bild ergibt sich, wenn man die Aussagen des BMLFUW bezüglich des o.a. „Freihandelsabkommen“ gegenüber den Medien betrachtet:

Mai 2014

Wien (APA) - Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) sieht das EU-USA-Freihandelsabkommen "TTIP" als "notwendig" - wegen "massiven Exportinteressen", sagt er im Gespräch mit dem Agrarmagazin "dlz". Es brauche offene Märkte samt Rücksicht auf sensible Bereiche; die Verhandlungen müssten transparent werden. Für "Zusatzmittel" für Bauernförderungen will er in kommenden Budgets "Sorge tragen

Juli 2014

Wien (APA) - Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) hält die Chancen für das umstrittene transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP für "wirklich nicht mehr sehr gut". Das Ziel der Einigung bis 2015 werde "sicher nicht eingehalten", er gehe davon aus, dass vor der US-Präsidentschaftswahl 2016 keine Verhandlungen stattfinden, sagte Rupprechter am Donnerstag in der "ZiB2".

September 2014

Rupprechter kritisiert TTIP-Geheimverhandlungen - Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) fordert transparentere und offenere Verhandlungen über das umstrittene transatlantische Freihandelsabkommen TTIP. "Ich habe allen Ansprechpartnern in Washington gesagt, dass wir keine Geheimverhandlungen führen dürfen", sagte Rupprechter nach seinem Besuch in Washington im Gespräch mit der "Presse"

Jänner 2015

TTIP-Debatte - Rupprechter will keinen Tiroler Speck aus den USA -  Wien (APA) - In der Debatte um den Schutz bestimmter regionaler Spezialitäten im geplanten Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) hat sich am Dienstag auch der österreichische Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) zu Wort gemeldet. "Ich werde für geschützte Herkunftsbezeichnungen kämpfen. Ein Tiroler Speck aus den USA hat mit österreichischer Qualität nichts zu tun."

Kronen Zeitung: Unsere Bauern nicht opfern! Zwei echte Tiroler schmieden ein Bündnis gegen TTIP: Minister Rupprechter und Tobias Moretti sind in Sorge um unsere Bauern

Grüne Woche - Rupprechter spricht sich für TTIP aus Wien (APA) - Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) sieht "große Chancen für Europas Wirtschaft und Landwirtschaft" durch das geplante EU-Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP). Er sehe ein Abkommen "sehr positiv", die hohen österreichischen und europäischen Standards dürften aber nicht aufgeweicht werden. Unabhängig von TTIP starte Rupprechter in diesem Jahr eine Edelweiß-Initiative in den USA.

 

Die bisherigen Aussagen des BMLFUW zu TTIP sind widersprüchlich und nicht geeignet, der österreichischen Bevölkerung ein klares Bild von der Haltung eines der wichtigsten Ressortverantwortlichen Österreichs zu geben. Als gewählte Abgeordnete zum österreichischen Nationalrat sind wir jedoch verpflichtet und auch Willens, der österreichischen Bevölkerung nach bestem Wissen und Gewissen Auskunft zu den politischen Vorgängen und deren Auswirkungen für unser Land zu geben.

 

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaf nachstehende

Anfrage

1)     Welche Bedeutung messen Sie der geplanten „Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft“ für Ihren Verantwortungsbereich bei?

2)     Halten Sie den Abschluss dieses Abkommens für alternativlos?

a)     Wenn ja, welche Überlegungen veranlassen Sie zu diesem Schluss?

b)     Wenn nein, welche Alternativen sehen Sie?

3)     Welche konkrete Daten- und Faktenlage veranlasste Sie im Mai 2014 zu der Aussage „das EU-USA-Freihandelsabkommen TTIP sei wegen massiver Exportinteressen notwendig“?

4)     Welche konkrete Daten- und Faktenlage veranlasste Sie im Juli 2014 zu der Aussage „die Chancen für das transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP seien wirklich nicht mehr sehr gut"?

5)     Welche konkrete Daten- und Faktenlage veranlasste Sie im September 2014 zu der Aussage „Ich habe allen Ansprechpartnern in Washington gesagt, dass wir keine Geheimverhandlungen führen dürfen"?

6)     Welche konkrete Daten- und Faktenlage veranlasste Sie im Jänner 2015 zu der Aussage „Ich werde für geschützte Herkunftsbezeichnungen kämpfen. Ein Tiroler Speck aus den USA hat mit österreichischer Qualität nichts zu tun.“?

7)     Laut einem Kurier-Artikel[1] gibt es in Österreich lediglich 14 geschützte Herkunftsbezeichnungen für landwirtschaftliche Produkte aus Österreich. Der Kurier berichtet, Italien habe bisher 266 Spezialitäten bei der EU schützen lassen, Frankreich komme auf 219 und Portugal habe immerhin 111 landwirtschaftliche Produkte angemeldet. Österreich kommt an diese Zahlen nicht annähernd heran, obwohl die regionale landwirtschaftliche Produktion in Österreich von höchster Qualität ist und eine Vielzahl von regionalen Spezialitäten am Markt angeboten wird. Welche weiteren landwirtschaftlichen Produktspezialitäten aus Österreich sollten aus Ihrer Sicht bei der EU mit einer Herkunftsbezeichnung geschützt werden?

a)     Wie stellen Sie sicher, dass bei den bis dato geschützten landwirtschaftlichen Produkten auch die dafür verwendeten Rohstoffe österreichischen Ursprungs sind und dem Herkunftsschutz entsprechen?

8)     Welche konkrete Daten- und Faktenlage veranlasste Sie im Jänner 2015 gemeinsam mit der Kronen-Zeitung und dem Schauspieler Tobias Moretti, ein „Bündnis“ gegen TTIP einzugehen?

a)     Welchen Einfluss messen Sie diesem „Bündnis“ auf die Verwirklichung bzw. Nichtverwirklichung des Handelsabkommens bei?

b)     Welche konkrete Funktion werden Sie für dieses „Bündnis“ ausüben?

c)     Welche Aufgabenstellung werden Sie mit Ihrem Ressort im Rahmen dieses „Bündnisses“ bearbeiten?

d)     Gibt es eine „Agenda“, die dieses „Bündnis“ bearbeiten wird?

i)      Wenn ja, wie lautet diese?

ii)     Wenn nein, warum nicht?

e)     Welche konkreten Ergebnisse erwarten Sie sich aus der Tätigkeit bzw. Wirken des „Bündnisses“?

9)     Welche konkrete Daten- und Faktenlage veranlasste Sie wiederum im Jänner 2015 zu der Aussage TTIP sei eine große Chancen für Europas Wirtschaft und Landwirtschaft?

10)  Wie erklären Sie den offensichtlichen Widerspruch zwischen Ihrem Beitritt zum „Bündnis gegen TTIP“ und der nahezu zeitgleichen Aussage, dass TTIP eine große Chance für Europas Wirtschaft und Landwirtschaft sei?

11)  Nahezu allen Ihren Aussagen ist zu entnehmen, dass „die hohen österreichischen und europäischen Standards nicht aufgeweicht werden dürften“. Welche konkreten Vorgehensweisen haben Sie getroffen, um dieser Forderung entsprechen zu können?

12)  Mit welchen relevanten Verhandlungspartnern auf US-Seite haben Sie darüber konkret wann gesprochen?

13)  Mit welchen relevanten Verhandlungspartnern auf EU-Seite haben Sie darüber konkret wann gesprochen?

14)  Was werden Sie unternehmen, wenn die von Ihnen gegenüber den Medien postulierten „roten Linien“ mit dem Verhandlungsergebnis überschritten werden?

15)  Sehen Sie das Überschreiten dieser „roten Linien“ als Rücktrittsgrund?

Wenn nein, wie werden Sie den Österreichern Ihr Scheitern erklären?

 



[1] „Zuwenig Appetit auf Gusto-Patente“ Kurier vom 27.1.2015