7093/J XXV. GP

Eingelangt am 19.11.2015
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Anfrage

 

der Abgeordneten Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an den Bundeskanzler

betreffend Unbekanntes Vergabevolumen in Österreich

BEGRÜNDUNG

 

Nach passenden Kriterien auszuwählen und transparent abzurechnen, diese Kriterien gelten im täglichen Umgang und im täglichen Geschäftsleben ganz selbstverständlich.

Ausgerechnet wenn der Staat einkaufen geht, ist eine solche Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen und Transparenz von Ausgaben allerdings unvollständig: Zwar sind öffentliche Aufträge grundsätzlich auch öffentlich auszuschreiben, allerdings wird dieses Recht durch Ausnahmen und Graubereiche eingeschränkt.

Die prominenteste Einschränkung ist die Höhe der sogenannten Freivergabe-Grenze. Dieser Begriff definiert, bis zu welcher Höhe öffentliche Aufträge ohne gesetzlich geregeltes Vergabeverfahren vergeben werden können. Im Wesentlichen unterscheidet man eigentlich den Oberschwellenbereich (EU-weite Ausschreibung notwendig, Schwellenwerte werden von der EU festgelegt), und den Unterschwellenbereich. Letzterer ist allerdings per nationaler Verordnung nochmals in zwei Bereiche unterteilt: Jenen mit „normalen“ Vergabeverfahren und jenem mit „freihändigen Vergaben“. Die Schwellenwerte für „freihändige“ Vergaben wurden mit mit der Begründung, die heimische Wirtschaft stärken zu wollen, im Jahr 2009 angehoben[1]: Die wesentlichen Inhalte der eigentlich zeitlich begrenzten, aber bereits mehrmals verlängerten Verordnung[2]:  

·        Erhöhung der Grenze für Direktvergaben von Bau-, Liefer und Dienstleistungsaufträgen (sowie von Dienstleistungskonzessionen) auf € 100.000,-- (exkl. USt).

·        Erhöhung der Grenze für das nicht offene Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung bei Bauaufträgen auf € 1 Mio (exkl USt) und bei  Liefer- und Dienstleistungsaufträgen auf € 100.000,-- (exkl USt).  

·        Erhöhung der Grenze für das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung für Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge auf € 100.000,-- (exkl USt).

Dieses Regelwerk erklärt auch, warum niemand genau sagen kann, wie hoch die Ausgaben durch öffentliche Vergaben eigentlich sind: Die Schätzungen gleichen einem Ratespiel. Einige Beispiele:

·        Der Anteil von öffentlichen Aufträgen am BIP der EU wird auf mehr als 16% geschätzt[3]. Die auf Vergaberecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei Heid-Schiefer schätzt den Wert in Österreich ähnlich ein: 17%

·        Der Städtebund[4] spricht aktuell (2014) bereits von 19-20% des europäischen BIP.

·        die Europäische Kommission schätzt das Gesamtvolumen öffentlicher Beschaffung in Österreich auf 32 bis 35 Milliarden Euro[5]

·        Die auf Vergaberecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei Heid-Schiefer geht von 48 Milliarden aus[6].

·        Noch eins drauf setzt der Auftragnehmerkataster Österreich (ANKÖ) mit knapp 54 Mrd. Euro (allerdings inkl. Sektorenauftraggebern wie ÖBB, etc.) aus.

Politische Entscheidungen und gesetzliche Regelungen auf Basis einer Kristallkugel zu tätigen ist unvernünftig. Zumal es sich auch bei den vorsichtigsten Schätzungen um erhebliche Volumen an verwendeten Steuergeldern handelt.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wie viele öffentliche Aufträge wurden in den folgenden vier Vergabeverfahren im Jahr 2014 vergeben:

a.    Direktvergabe von Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen (sowie von Dienstleistungskonzessionen) - Wertgrenze 100.000 € Netto

b.    Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung für Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge - Wertgrenze 100.000 € Netto

c.    Nicht offenes Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen - Wertgrenze 100.000 € Netto

d.    Nicht offenes Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung bei Bauaufträgen – Wertgrenze 1.000.000 € Netto

 

Bitte schlüsseln Sie die Zahlen jeweils nach folgenden Organisationseinheiten auf:

                                  i.    direkten Bundesauftraggebern (z.B. Ministerien)

                                ii.    Organisationseinheiten im Einfluss oder Besitz des Bundes

                               iii.    Direkte Landesauftraggeber (z.B. Landesregierungen)

                               iv.    Organisationseinheiten im Einfluss oder Besitz der Länder

                                 v.    Gemeinden

                               vi.    Ausgegliederte Organisationseinheiten der Gemeinden

 

2)    Welchen Wert hatten die vergebenen öffentlichen Aufträge je folgendem Vergabeverfahren im Jahr 2014?

a.    Direktvergabe von Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen (sowie von Dienstleistungskonzessionen) - Wertgrenze 100.000 € Netto

b.    Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung für Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge - Wertgrenze 100.000 € Netto

c.    Nicht offenes Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen - Wertgrenze 100.000 € Netto

d.    Nicht offenes Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung bei Bauaufträgen – Wertgrenze 1.000.000 € Netto

 

Bitte schlüsseln Sie die Zahlen jeweils nach folgenden Organisationseinheiten auf:

                                  i.    direkten Bundesauftraggebern (z.B. Ministerien),

                                ii.    Organisationseinheiten im Einfluss oder Besitz des Bundes,

                               iii.    Direkte Landesauftraggeber (z.B. Landesregierungen)

                               iv.    Organisationseinheiten im Einfluss oder Besitz der Länder

                                 v.    Gemeinden

                               vi.    Ausgegliederte Organisationseinheiten der Gemeinden

 

3)    Welcher Anteil der Vergaben (ohne Sektorenbereich) mit Auftragswert von unter 100.000.- (Netto) wurde im Jahr 2014 freiwillig nach einem öffentlichen Vergabeverfahren laut Bundesvergabegesetz durchgeführt? Bitte schlüsseln Sie die Zahlen nach folgenden Organisationseinheiten auf:

                                  i.    direkten Bundesauftraggebern (z.B. Ministerien),

                                ii.    Organisationseinheiten im Einfluss oder Besitz des Bundes,

                               iii.    Direkte Landesauftraggeber (z.B. Landesregierungen)

                               iv.    Organisationseinheiten im Einfluss oder Besitz der Länder

                                 v.    Gemeinden

                               vi.    Ausgegliederte Organisationseinheiten der Gemeinden

 

4)    Sind mit der anstehenden Vergaberechtsnovelle 2015 zumindest minimale Transparenzauflagen für Direktvergaben im Unterschwellenbereich angedacht? Beispielweise eine Veröffentlichungspflicht für geplante Direktvergaben?

 

5)    Wenn nicht, warum nicht? Was spricht gegen eine Veröffentlichungspflicht für geplante respektive getätigte Direktvergaben (beispielsweise in einer zentralen, öffentlichen Datenbank)?

 



[1] http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/463912/Faymann-will-FreivergabeGrenze-fur-Bauauftraege-anheben

[2] https://www.wko.at/Content.Node/Service/Wirtschaftsrecht-und-Gewerberecht/Vergaberecht/Rechtsschutz-im-Vergaberecht/Abgrenzung_der_Verfahren_im_Unter-_und_Oberschwellenbereic.html

[3] http://www.europarl.europa.eu/atyourservice/de/displayFtu.html?ftuId=FTU_3.2.2.html

[4] Kurzleitfaden zum neuen EU-Vergaberecht, Österreichischer Städtebund, 2014

[5] http://derstandard.at/2000017977431/Staat-oeffne-dich?_articlePage=1

[6] http://www.pressetext.com/news/20120305009