8999/J XXV. GP

Eingelangt am 18.04.2016
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Jarolim,

an den Bundesminister für Justiz

betreffend

Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt in einem Pflegeskandal

Im privaten Pflegeheim „Haus Hannes“ in Berndorf in Niederösterreich lag sich eine 93- jährige demenzkranke Bewohnerin bis auf ihre Knochen wund. Als sie am 27.07.2015 in das Landespflegeheim Berndorf überstellt wurde, befand sich eine große, nekrotische Wunde am Gesäß von Frau Pfeiffer und wurden umgehend Antibiotika und stärkste Schmerzmittel der massiv leidenden Patientin verabreicht. Infolge der Schwere der Verletzung musste Frau Pfeiffer in der Folge in das Krankenhaus Baden überstellt und notoperiert werden, was aber leider nicht mehr viel nützte. Die Patientin verstarb geraume Zeit später an der Folgen der schweren Wunde.

Der Sohn der Verstorbenen, Herr Karl Pfeiffer, war auch Sachwalter und hat Strafanzeige gegen die Betreiber des Heimes erstattet. Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt ein Ermittlungsverfahren gegen die Betreiber des sog. „Pflegeheims“ eingeleitete, ebenso aber auch gegen den Sohn, da er als Sachwalter seinen Aufsichtspflichten nicht nachgekommen sei. Der Heimarzt Dr. Helmut Niederecker, dem das Wundliegen seiner Patientin bekannt sein musste und welcher nichts Ausreichendes gegen die Verwundung unternahm, wurde erstaunlicher Weise lediglich als Zeuge geführt, obwohl die Aufsicht bzw. Kontrolle des körperlichen Zustandes von Patienten selbstverständlich primär beim Arzt liegt.

Das Strafverfahren gegen die Heimverantwortlichen wegen fahrlässiger Tötung sowie wegen Vernachlässigung einer wehrlosen Person wurde eingestellt und wurde nur noch wegen fahrlässiger Körperverletzung fortgeführt. Die Einstellung hinsichtlich § 80 StGB, fahrlässige Tötung erfolgte aufgrund des vorliegenden gerichtsmedizinischen Gutachtens wohl zu Recht. Zur Vernachlässigung nach § 92 Abs 2 StGB hat Karl Pfeiffer über seinen Rechtsanwalt hingegen einen Fortführungsantrag gestellt, über den bislang noch nicht entschieden ist.

Der zuständige Staatsanwalt hat zu diesem Fortführungsantrag eine Äußerung abgegeben, worin er u.a. wörtlich ausführt:

„Der Vorwurf der gröblichen Vernachlässigung beruht somit auf bloßen Mutmaßungen des Fortführungswerbers, wobei sich die Staatsanwaltschaft des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass der Fortführungswerber im vorliegenden Verfahren im Gefolge des Ablebens seiner Mutter vorwiegend für sich selbst Kapital zu schlagen trachtet, weshalb den

Depositionen des Fortführungswerbers von ha. Seite keine erhöhte Glaubwürdigkeit beigemessen wird."

Diese Argumentation der StA Wr. Neustadt legt gewisser Maßen nahe, dass ein Anschluss in einem Verfahren als Privatbeteiligter dazu erfolge um aus der Straftat eines anderen „Kapital zu schlagen“, was wieder den Privatbeteiligten unglaubwürdig machen soll.

Wegen dieser inhaltlich und nach ihrer Wortwahl auffälligen Äußerung hat Karl Pfeiffer eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den zuständigen Staatsanwalt eingebracht, wobei die Leitung der StA Wr. Neustadt die Äußerungen aber als offenbar angemessen empfand und dienstaufsichtsbehördliche Maßnahmen verwarf.

Unabhängig von der strafrechtlichen Beurteilung, ist es eine Tatsache, dass Frau Pfeiffer jedenfalls über Wochen an unsäglichen Schmerzen gelitten hat (wegen Demenz konnte sie sich aber nicht entsprechend äußern). Insofern ist es verständlich, dass der Sohn eine Konsequenzlosigkeit gegen die Verantwortlichen des Heimes keinesfalls nachvollziehen kann. Während notwendige Ermittlungen gegen die Heimbetreiber unterlassen werden, wird der Hinterbliebene vom Staatsanwalt selbst für Außenstehende auf völlig unangebrachte Weise behandelt beleidigt.

Es wäre auch nicht wünschenswert, wenn sich Staatsbürger, welche von ihrem gesetzlichen Recht, Strafanzeigen zu erstatten und sich einem Strafverfahren anzuschließen, Gebrauch machen, dermaßen wie im gegenständlichen Fall behandeln lassen müssen. Daher ist auch nicht ohne weiteres verständlich, warum auch die eingebrachte Dienstaufsichtsbeschwerde verworfen wurde.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Justiz folgende

Anfrage:

1.      Werden inzwischen von der Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt zu 61 BAZ 1117/15t auch Ermittlungen gegen den Heimarzt Dr. Niederecker wegen § 88 StGB geführt?

1.1  Wenn ja, seit wann?

1.2  Wenn nein, warum nicht?

2.       Die Leiterin der StA Wr. Neustadt führt in ihrer Äußerung zur Dienstaufsichtsbeschwerde aus, dass Karl Pfeiffer .als leiblichen Sohn der verstorbenen Gerda Pfeiffer die Fürsorgepflicht im Sinne des § 92 StGB ebenso traf wie das von ihm angezeigte, die tatsächlich Obhut über die Frau ausübende Pflegepersonal“.

Entspricht es der Rechtsauffassung des BMJ, dass bei einer Frau, die ärztlich behandelt und in einer Pflegeeinrichtung untergebracht ist, deren Sohn (bloß deswegen, weil er „Sohn“ ist) bzw. deren Sachwalter die gleichen Fürsorgepflichten treffen, wie Pflegepersonal und behandelnden Arzt?

3.       Findet das BMJ die Anschuldigung durch die StA Wr. Neustadt, dass der Hinterbliebene „bloß Kapital aus dem Tod seiner Mutter schlagen möchte“ angemessen und im Einklang mit der gesetzlichen Priorität des Opferschutzes?

3.1.   Wenn ja, warum?

3.2.   Wenn nein, warum nicht und wie wollen soll in solch einem Fall vorgegangen werden?

4.       Ist es nach Erachten des Bundesministers in Ordnung, dass die StA Wr. Neustadt der Meinung ist, dass dem Verantwortlichen des Pflegeheims „voraussichtlich nicht einmal fahrlässige Verhalten“ vorzuwerfen ist, obwohl der gerichtsmedizinische Sachverständige Dr. Wolfgang Denk in seinem Gutachten vom 24.11.2015 ausdrücklich angeführt hat, dass „durch intensivierte Lagerungsmaßnahmen und Wundversorgung die Ausbildung einer tief reichenden, letztlich gangränös nekrotischen Weichteildefektbildung mit hoher Wahrscheinlichkeit unterblieben wäre“?

4.1   Wenn ja, warum?

4.2       Warum stellt sich die StA Wr. Neustadt damit gegen den ganz eindeutigen Gutachtensinhalt?

4.3.     Warum wurde entgegen der objektivierten schrecklichen Vernachlässigung einer alten Frau das Verfahren gern. § 92 StGB unverzüglich eingestellt?

5.    Es ist aktenkundig, dass Frau Pfeiffer am 27.07.2015 mit einer großen, nekrotischen, bis zum Knochen reichenden Wunde vom sog. „Pflegeheim“ ins Spital überstellt wurde, wo eine sofortige Notoperation durchgeführt wurde, das mit anschließendem Spitalsaufenthalt bis 12.08.2015.

5.1.     Gibt es eine für das BMJ nachvolle Erklärung dafür, dass die StA Wr. Neustadt ungeachtet dessen ein Ergänzungsgutachten des Gerichtsmediziners in Auftrag geben möchte, ob überhaupt eine Gesundheitsschädigung von über 14 Tagen vorlag?

5.2.   Wie sehen Sie die Reichweite qerichtsmedizinischer Gutachten?

5.3.                   Teilen Sie die Auffassung, dass in Strafverfahren in derartigen Fällen wohl fachärztliche statt gerichtsmedizinischer Gutachten in Auftrag gegeben werden müssten, im konkreten Fall zur Erhebung der Notwendigkeit besserer pfleglicher Maßnahmen ein solches aus dem Fachgebiet der Pflegewissenschaft?