9256/J XXV. GP

Eingelangt am 12.05.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Georg Willi, Werner Kogler, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend dramatische Risken durch CETA für den Bereich Verkehr

 

Ende Februar 2016 gaben die Europäische Kommission und die kanadische Regierung bekannt, dass die juristische Überprüfung von CETA, dem EU-Kanada Handelsabkommen, abgeschlossen ist. Im Rahmen dessen wurden alle wesentlichen Elemente des neuen EU-Ansatzes im Bereich Investitionen übernommen, der im TTIP-Vorschlag der EU vom November 2015 dargelegt wurde. Sobald der Vertragstext in alle EU-Amtssprachen übersetzt ist, wird dieser dem Rat und dem Europäischen Parlament zur Zustimmung vorgelegt.

Im Verkehr würde das CETA-Abkommen für die in Österreich erreichten umwelt- und sozialpolitischen Standards eine vielfache Bedrohung bedeuten. Dies insbesondere im Hinblick auf Vergaben im Öffentlichen Verkehr, aber auch im Bereich Güterverkehr oder bei den ohnedies mehr als zurückhaltenden branchenschonenden Rahmenbedingungen im Flugverkehr.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Öffentlicher Verkehr: Guter und leistbarer öffentlicher Verkehr kommt nicht ohne öffentliche Zuschüsse aus. Diese Finanzierung regelt innerhalb der EU die so genannte PSO-Verordnung (VO 1370/2007). Das Konfliktpotenzial dieser Verordnung und der darauf fußenden Vergaben im Hinblick auf CETA liegt darin, dass im österreichischen Bahnverkehr bisher Streckenlose, die öffentliche Zuschüsse bekommen, direkt vergeben werden. Die Behörden beauftragen also ein Eisenbahnunternehmen (z.B. ÖBB, Raaberbahn, Stern & Hafferl), den Personenverkehr als Gemeinwirtschaftliche Leistung durchzuführen, und leisten dafür diejenigen Zahlungen, die ein finanzielles Defizit des Verkehrsunternehmens aus dem bestellten Angebot vermeiden.

 

a)    Könnte im Rahmen von CETA ein kanadisches Eisenbahnunternehmen deshalb auf Diskriminierung klagen und vorenthaltene Subventionen als Enteignung geltend machen?

b)    Wenn nein: Auf Basis welcher Formulierung im Abkommen oder sonstiger konkreter Einschätzung schließen Sie dies aus?

 

2)    Im Busverkehr werden Streckenlose meist ausgeschrieben. Dabei sollte eigentlich der Bestbieter den Zuschlag bekommen. Bei der Auswahl können auch Sozial- und andere Qualitätskriterien den Ausschlag geben. Das BMVIT hat dazu entsprechende Orientierungshilfen für die vergebenden Behörden auf seiner Webseite veröffentlicht.

 

a)    Könnten im Rahmen von CETA kanadische Busfirmen diese Vergaben anfechten, weil sie Sozialkriterien (z.B. Überzahlung und Schulung der LenkerInnen) nicht gewährleisten können oder wollen?

b)    Wenn nein: Auf Basis welcher Formulierung im Abkommen oder sonstiger konkreter Einschätzung schließen Sie dies aus?

 

3)    Um das Überleben von Klein- und Mittelbetrieben im Markt abzusichern, kann man kleine Buslose auch direkt – also ohne Ausschreibung – vergeben.

 

a)    Würden im Rahmen von CETA kanadische Busunternehmen rechtlich dagegen vorgehen können?

b)    Wenn nein: Auf Basis welcher Formulierung im Abkommen oder sonstiger konkreter Einschätzung schließen Sie dies aus?

 

4)    Die Stadt Wien hat mit den „Wiener Linien“ ihren eigenen Verkehrsbetrieb und muss daher ihre U-Bahn-, Straßenbahn- und Busverkehre nicht ausschreiben. Andere Großstädte gehen ähnlich vor.

 

a)    Bietet das CETA-Abkommen ausreichend Schutz, dass dies beibehalten werden kann?

b)    Wenn ja: Auf Basis welcher Formulierung im Abkommen oder sonstiger konkreter Einschätzung schätzen Sie dies so ein?

c)    Könnten diese „exklusiven Rechte“ vor einem Schiedsgericht bekämpft werden?

d)    Wenn nein: Auf Basis welcher Formulierung im Abkommen oder sonstiger konkreter Einschätzung schließen Sie dies aus?

 

5)    Viel Steuergeld fließt in die Freifahrt von SchülerInnen und Lehrlingen. Dies stellt allerdings keine Förderung von Verkehrsunternehmen, sondern von Familien dar.


a)    Könnten im Rahmen von CETA auch hier kanadische Firmen mit entsprechenden Methoden in diesen Markt drängen und entsprechende Zahlungen auch für sich beanspruchen?

b)    Wenn nein: Auf Basis welcher Formulierung im Abkommen oder sonstiger konkreter Einschätzung schließen Sie dies aus?

 

6)    Österreichs Verkehrsunternehmen sind gewerkschaftlich gut organisiert und verfügen meist auch über Betriebsräte. In Kanada ist dies seltener der Fall.

 

a)    Würde dann im Rahmen von CETA ein allfälliger Arbeitskampf in Österreich eine einklagbare Profitminderung dar?

b)    Wenn nein: Auf Basis welcher Formulierung im Abkommen oder sonstiger konkreter Einschätzung schließen Sie dies aus?

 

7)    Zwischen Wien und Salzburg tritt die Westbahn AG (an der die französische Staatsbahn beteiligt ist) im liberalisierten Personenfernverkehr in Konkurrenz mit den – zur Gänze staatlichen – ÖBB. Auf dieser Strecke müssen beide Firmen ihre Schnellzüge „eigenwirtschaftlich“ (also ohne öffentliche Zuschüsse) betreiben. Voraussetzung ist allerdings österreichischer Firmensitz und Einhaltung österreichischer Kollektivverträge.

 

a)    Könnte im Rahmen von CETA ein kanadisches Eisenbahnunternehmen den Zugang zur Westbahnstrecke erzwingen?

b)    Wenn nein: Auf Basis welcher Formulierung im Abkommen oder sonstiger konkreter Einschätzung schließen Sie dies aus?

 

8)    Güterverkehr: Billiger Transport und sinkende Frachtraten haben eine ihrer Ursachen im technischen Fortschritt (größere Schiffe, längere Züge, effizientere LKW usw.), kommen aber zu einem Gutteil durch Sozial-, Sicherheits- Umweltdumping zustande. CETA würde einerseits das Transportvolumen – mit all seinen negativen ökologischen Auswirkungen – erhöhen. Auf der anderen Seite wird CETA auch zusätzlichen Druck ausüben, dass Transport möglichst billig ist und bleibt. Soziale Verbesserungen werden bei den Verkehrsbeschäftigten also noch schwieriger durchzusetzen sein. Der Gedanke, dass fairer Transport auch einen fairen Preis bedingt, wird noch mehr in die Defensive geraten. In der EU-Gesetzgebung ist zwar der freie Warenverkehr und seine Förderung ein Grundpfeiler, es sind aber zumeist Evaluierungsschleifen eingebaut, um unerwünschte oder ungeplante Folgen später nötigenfalls „reparieren“ zu können. Freihandelsabkommen wie CETA enthalten hingegen standardgemäß Klauseln, die diesem Zugang entgegenstehen.

 

a)    Sind bei CETA etwaige „standstill“- und „ratchet“-Klauseln ein Hindernis, um nachteilige Liberalisierungsschritte wieder zurücknehmen zu können?

b)    Wenn nein: Auf Basis welcher Formulierung im Abkommen oder sonstiger konkreter Einschätzung schließen Sie dies aus?


9)    Flugverkehr: CO2-Zertifikatehandel im Flugverkehr und eine allfällige EU-weite Kerosinbesteuerung werden schon heute nicht nur von der Branche selbst, sondern auch von vielen außereuropäischen Staaten bekämpft. Kanada ist zudem einerseits Heimatstaat eines der wenigen verbliebenen großen Flugzeughersteller und könnte hier auch deshalb einseitige Interessen haben, andererseits ist Kanada Sitzstaat der ICAO, die als Weltluftfahrtorganisation eine – normalerweise heute schon bremsende - Schlüsselrolle bei der Änderung ungerechtfertigter Steuerprivilegien der weltweiten Luftfahrt hat.

 

a)    Würden sich durch CETA Möglichkeiten eröffnen, im Flugverkehr wichtige umwelt- und klimapolitische Maßnahmen, wie zum Beispiel eine EU-weite Kerosinsteuer oder sonstige Schritte gegen die ungerechtfertigten Steuerprivilegien der Luftfahrt, zu verhindern?

b)    Wenn nein: Auf Basis welcher Formulierung im Abkommen oder sonstiger konkreter Einschätzung schließen Sie dies aus?