9258/J XXV. GP

Eingelangt am 12.05.2016
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Eva Mückstein, Werner Kogler, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Gesundheit

betreffend dramatische Risiken durch das Freihandelsabkommen CETA für den Bereich Gesundheit

BEGRÜNDUNG

 

Ende Februar 2016 gaben die Europäische Kommission und die kanadische Regierung bekannt, dass die juristische Überprüfung von CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement), dem Handels- und Wirtschaftsabkommen zwischen der EU und Kanada, abgeschlossen ist. Im Rahmen dessen wurden alle wesentlichen Elemente des neuen EU-Ansatzes im Bereich Investitionen übernommen, der im TTIP-Vorschlag der EU vom November 2015 dargelegt wurde. Sobald der Vertragstext in alle EU-Amtssprachen übersetzt ist, soll dieser dem Rat und dem Europäischen Parlament zur Zustimmung vorgelegt werden.

 

Neben der Abschaffung von 99 Prozent der zwischen EU und Kanada bestehenden Zölle zielt das Abkommen insbesondere auf die Beseitigung sogenannter nicht-tarifärer Handelshemmnisse ab. Was in der Freihandelslogik als „Hemmnis“ abgetan wird, ist jedoch wichtig für den Schutz von Umwelt, KonsumentInnen, ArbeitnehmerInnen, der Gesundheit etc. Der Abbau von regulatorischen Beschränkungen des Handels soll im Rahmen fortlaufender regulatorischer Kooperation nach Ratifikation von CETA geschehen („living agreement“). Grundsätzlich können nahezu alle zukünftigen Regulierungsmaßnahmen, die einen Bezug zum Handel mit Waren und Dienstleistungen aufweisen, in den dafür vorgesehenen Haupt- und Unterausschüssen behandelt werden. Besetzt sind diese Gremien ausschließlich mit VertreterInnen der Exekutiven der beiden Vertragsparteien; Parlamente werden außen vor gelassen, was demokratiepolitisch bedenklich ist.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende


ANFRAGE

 

1)    Gesundheitspolitik fällt in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.

 

a.    Inwiefern könnte es Ihrer Einschätzung nach dazu kommen, dass durch die verankerte Regulierungszusammenarbeit gesundheitsrelevante Kompetenzen Österreichs sowohl im Bereich der Legislative als auch Exekutive eingeschränkt werden könnten?

 

b.    Wenn es aus Ihrer Sicht zu einer Einschränkung kommen könnte: Können Sie ausschließen, dass die Regulierungszusammenarbeit aufgrund einer unzureichenden Beteiligung Österreichs negative Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit in Österreich haben könnte? Wenn ja, warum? Wenn nein, wie werden Sie dem entgegenwirken?

 

2)    Als Beispiel für die Gefahren von Investitionsschutzabkommen für die Gesundheitspolitik listet die Organisation „European Public Health Alliance“ eine Reihe von Fällen auf, in denen der Investorenschutz benutzt wurde, um Staaten wegen gesundheitspolitischer Maßnahmen auf Schadenersatz zu klagen. Gleichzeitig kommt die Organisation in ihrem Positionspapier zum Vorschlag der EU-Kommission für ein „Investment Court System“ (ICS) zum Ergebnis, dass ICS die grundlegenden Probleme von „Investor State Dispute Settlement“ (ISDS) nicht löst und die Hauptbedenken der Akteure im Sektor der öffentlichen Gesundheit nicht ausräumt.

 

a.    Befürworten Sie trotz der angeführten massiven Bedenken die geplante Verankerung von Sonderklagerechten für ausländische Investoren in CETA?

 

b.    Wenn ja, warum? Wenn nein, welche konkreten Schritte werden Sie unternehmen, um die daraus resultierenden Gefahren für Maßnahmen im öffentlichen Interesse abzuwenden?

 

3)    Die meisten Gesundheitsdienstleistungen fallen nicht unter die Ausnahme für Dienstleistungen in Ausübung hoheitlicher Gewalt, und die Schutzklausel für „Public Utilities“ (zu denen Gesundheitsdienstleistungen gehören) bietet nur limitierten Schutz vor Liberalisierungsverpflichtungen.

 

a.    Gibt es konkrete Teilbereiche des Gesundheitssystems, die durch die verschiedenen Ausnahmebestimmungen der EU und Österreichs nicht gedeckt und damit nicht von allen fünf CETA-Verpflichtungsbereichen ausgenommen sind? Wenn ja, welche?


b.    Können Sie garantieren, dass es in Bereichen, die nicht von den Ausnahmebestimmungen gedeckt sind, durch diesen mangelnden Schutz nicht zu negativen Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit kommt und wenn ja, wodurch? Wenn nein, weshalb nicht und welche Auswirkungen befürchten Sie dadurch?

c.    Wie beurteilen Sie das Risiko, dass der Schutz von Gesundheitsdienstleistungen umgangen wird, indem Investoren mittels Investoren-Klagen unter CETA gegen staatliche Maßnahmen zum Schutz der Daseinsvorsorge im Gesundheitsbereich vorgehen?

 

4)    Das CETA-Abkommen ist das erste EU-Handelsabkommen, bei dem bei der Liberalisierung von Dienstleistungen der „Negativlistenansatz“ zum Einsatz kommt. Dabei werden nur jene Sektoren von den Liberalisierungsverpflichtungen ausgenommen, die explizit auf der Negativliste genannt werden (während beim Positivlistenansatz nur jene Bereiche liberalisiert werden, die explizit auf der Positivliste genannt werden). Dienstleistungsbereiche, die erst nach Abschluss des Abkommens entstehen, unterliegen damit automatisch den Liberalisierungsverpflichtungen.

 

a.    Wie schätzen Sie das Risiko ein, dass durch den erstmaligen Einsatz des Negativlistenansatzes in CETA ein Präzedenzfall für die Abkehr vom weniger riskanten Positivlistenansatz für zukünftige EU-Freihandelsabkommen geschaffen wird?

b.    Wie schätzen Sie das Risiko ein, dass der mit Verankerung des Negativlistenansatzes einhergehende erhöhte Liberalisierungsdruck negative Auswirkungen auf die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen haben könnte?

c.    Wie werden Sie sich im Lichte dessen zum Einsatz des Negativlisteneinsatzes bei laufenden und zukünftigen EU-Handelsabkommen positionieren? Warum haben Sie sich nicht für eine Positivliste eingesetzt?

 

5)    Ein Teil der Negativliste unterliegt der sogenannten „Standstill“- und der „Ratchet“-Klausel. Die Folge ist, dass Regelungen, die davon erfasst sind, nicht auf eine Weise geändert werden dürfen, welche zu weniger Liberalisierung führt. Außerdem werden auch künftige Liberalisierungen in diesem Bereich automatisch Bestandteil des Abkommens.

 

a.    Unterliegen bestimmte gesundheitsrelevante Dienstleistungen in Österreich der „Standstill“ bzw. der „Ratchet“-Klausel unter CETA? Wenn ja, welche und aufgrund welcher Bestimmungen in CETA?

 

b.    Wie würden sich diese Bestimmungen auf den Gesundheitsbereich auswirken?


c.    Können Sie ausschließen, dass die damit einhergehende Einschränkung zukünftiger politischer Handlungsspielräume negative Auswirkungen auf die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen haben könnte? Wenn ja, weshalb? Wenn nein, weshalb nicht?

 

 

6)    Laut einer Studie von Lexchin/Gagnon (2013, 2014) werden die CETA-Bestimmungen zum geistigen Eigentum in Kanada zu einem Anstieg von Medikamentenpreisen führen und den Marktzugang von günstigeren Generika-Präparaten verzögern. Jährliche Mehrkosten von bis zu 1,6 Mrd. Dollar werden erwartet, die insbesondere von älteren und kranken Menschen, aber auch vom öffentliche Gesundheitssystem zu tragen sind. Die Studien-Autoren gehen weiters davon aus, dass sich das Angebot an Medikamenten für die kanadische Bevölkerung dadurch stark einschränken und die Qualität der Gesundheitsversorgung darunter leiden wird.

 

a.    Können Sie ausschließen, dass es in der EU bzw. in Österreich durch CETA ebenfalls zu einem Anstieg der Preise von Medikamenten kommen wird? Wenn ja, warum und aufgrund welcher Bestimmung in CETA? Wenn nein, wie werden Sie dem entgegen wirken?

 

b.    Können Sie ausschließen, dass CETA Auswirkungen auf die bestehenden Vorschriften zur Preisfestsetzung für Arzneimittel haben wird? Wenn ja, warum und aufgrund welcher Bestimmung in CETA? Wenn nein, wie werden Sie dem entgegen wirken?

 

7)    Können Sie ausschließen, dass das Kapitel zur öffentlichen Beschaffung negative Auswirkungen auf die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen oder auf die besondere Berücksichtigung gesundheitsrelevanter Kriterien bei der öffentlichen Beschaffung haben könnte? Wenn ja, weshalb und aufgrund welcher Bestimmung in CETA? Wenn nein, weshalb nein?