9288/J XXV. GP

Eingelangt am 18.05.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Georg Willi, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend "Die Grüne Krone"

 

Am 30.3.2016 gaben Sie in einer Beilage zur Kronen Zeitung unter anderem einen Überblick zu Ihren Einschätzungen und Plänen im Zusammenhang mit den Pariser Welt-Klimabeschlüssen (vgl. https://www.bmvit.gv.at/presse/interviews/2016/0330krone.html).

 

Im Editorial dieser Kronen-Zeitungs-Beilage heißt es „In dieser Ausgabe wollen wir Ideen und Menschen vorstellen, die die Welt besser machen könnten. (…) Mehr Innovationen will auch der neue dafür zuständige Bundesminister Gerald Klug fördern; er hat uns eines seiner ersten längeren Interviews zu seinen Zielen gegeben.“

In der Einmoderation des Interviews ist zu lesen: „Ende Jänner wurde der Steirer Gerald Klug neuer Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie – damit sitzt er an den Schalthebeln für wichtige Umweltthemen. Um die Pariser Klimaschutzziele umsetzen zu können, muss auch sein Ministerium einen großen Beitrag leisten.“

 

Sowohl was die Schalthebel für Umweltthemen als auch was das Muss eines großen Beitrags des BMVIT zum Ziel des weitgehenden Ausstiegs Österreichs aus fossilen Energieträgern bis 2050 angeht, ist dem vollinhaltlich zuzustimmen. Konkretes dazu aus dem Bereich Verkehr hält das Interview allerdings kaum bereit: Die Installation einer Plattform mit Stakeholdern zur allgemeinen Beratung von Handlungsbedarf und Umsetzungspfaden wäre wohl ein Routinevorschlag jeder Zweitliga-Beraterfirma an dieser Stelle, ersetzt aber konkrete Aktivitäten – zB die Umsetzung bisher unerledigter Punkte aus bisherigen Klimastrategien und Masterplänen der Bundesregierung - nicht. Ein anderweitiger „großer Beitrag“ des BMVIT, der sich wohl aus raschen und mutigen politischen Maßnahmen auf Basis der bereits bestehenden Möglichkeiten sowie aus deutlich darüber hinausgehenden zusätzlichen Maßnahmen zur CO2-Reduktion zusammensetzen müsste, wird im Interview wenig greifbar. Etwas konkreter kündigen Sie einzig Schritte beim Ausbau des Öffentlichen Verkehrs in der Stadt sowie bei der stärkeren Anbindung der Umlandgemeinden an die Städte an sowie bei der Förderung der E-Mobilität („Vertrauen der Bevölkerung in diese neuen Technologien festigen“, „technologische Themen wie die Reichweitenproblematik lösen“).

 

Die konkreten Aktivitäten und Pläne müssen jedoch zügig auf den Tisch, denn für die großen und dringlichen Aufgaben wäre eine breit ausgreifende, prominent auf Rückendeckung durch die Nutznießer des bisherigen Systems für Maßnahmen zielende Inszenierung eher Hindernis als zeitlich wie sachlich zielführender Lösungsbeitrag.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Zur Frage, wo Sie den größten Handlungsbedarf sehen bzw. wo Sie mit ihren Möglichkeiten konkrete Schwerpunkte setzen wollen führen Sie im anfragegegenständlichen Interview aus: “ „… sehe ich Handlungsbedarf im Bereich der städtischen Entwicklung … kann nach Einschätzung unserer Experten zum Beispiel der Straßenausbau den zusätzlichen Bedarf an Mobilität gar nicht abdecken. Vor diesem Hintergrund gibt es natürlich Anforderungen an den Ausbau des öffentlichen Verkehrs in der Stadt. Und wir werden auch die Umlandgemeinden stärker an die Städte anbinden müssen.“

a)    Welche konkreten Schwerpunkte haben Sie seit Ihrer Amtsübernahme gesetzt, um den bisher vom BMVIT sehr prominent gewichteten hochrangigen Straßenausbau in den Städten bzw. Stadtregionen (insbesondere Raum Wien, Raum St. Pölten, Raum Linz) Ihrer Aussage entsprechend neu zu bewerten?

b)    Welche konkreten Schwerpunkte werden Sie bis wann setzen, um den um den bisher vom BMVIT sehr prominent gewichteten hochrangigen Straßenausbau in den Städten bzw. Stadtregionen Ihrer Aussage entsprechend neu zu bewerten?

c)    Welche konkreten Schwerpunkte haben Sie seit Ihrer Amtsübernahme gesetzt, um den Ausbau des öffentlichen Verkehrs in der Stadt stärker als bisher vorgesehen zu forcieren?

d)    Welche konkreten Schwerpunkte werden Sie bis wann setzen, um den Ausbau des öffentlichen Verkehrs in der Stadt stärker als bisher vorgesehen zu forcieren?

e)    Welche konkreten Schwerpunkte haben Sie seit Ihrer Amtsübernahme gesetzt, um Umlandgemeinden im Öffentlichen Verkehr stärker an die Stadt anzubinden?

f)     Welche konkreten Schwerpunkte werden Sie bis wann setzen, um Umlandgemeinden im Öffentlichen Verkehr stärker an die Stadt anzubinden?

 

2)    „Auf der anderen Seite sind Entwicklungen von neuen Technologien, beispielsweise rund um die E-Mobilität, enorm wichtig.“

a)    Bei welchen Projekten des BMVIT, die als Förderung der E-Mobilität charakterisiert werden können, sehen Sie besonders große CO2-Reduktionswirkung, wie groß ist diese konkret bzw wird diese konkret sein, und wann wird diese schlagend?

b)    Bei welchen neuen Technologien „rund um die E-Mobilität“ sehen Sie besonders große CO2-Reduktionswirkung, wie groß ist diese konkret bzw wird diese konkret sein, und wann wird diese schlagend?

c)    Welche konkrete CO2-Reduktionswirkung ist mit den von Ihnen in diesem Zusammenhang erwähnten Projekten „Ladestationen für E-Taxi Flotte Wien“ und „Verkehrsknotenpunkte E-Fahrzeug/Öffentlicher Verkehr Graz“ verbunden?

d)    Wie und bis wann wollen Sie konkret das „Vertrauen der Bevölkerung in diese neuen Technologien festigen“?

e)    Welchen konkreten CO2-Minderungseffekt erwarten Sie für welchen Zeitraum als Ergebnis dieses „gefestigten Vertrauens“?

 

3)    „Grundsätzlich bin ich ein Fan von einem guten Mix zwischen Individual- und öffentlichem Verkehr.“

a)    Wie sieht ein „guter Mix“ zwischen IV und ÖV in Qualität („gut“) und Quantität („Mix“) konkret aus?

b)    Welche konkreten Veränderungen des Modal Split im Personenverkehr wollen Sie bis wann erreichen?

c)    Welche konkrete Veränderung des Modal Split im Güterverkehr wollen Sie bis wann erreichen?

d)    Wollen Sie die in b) und c) angesprochenen Ziele einheitlich überall in Österreich oder in regional differenziertem Ausmaß – falls ja in welcher Differenzierung - erreichen?

 

4)    „Allerdings sind wir jetzt alle gefordert, die Beschlüsse eines weitgehenden Ausstiegs aus Kohle, Erdöl und Gas bis 2050, zu denen wir uns beim Klimagipfel in Paris bekannt haben, in die Umsetzung zu bringen. Ich persönlich halte es für eine gute Idee, dass man so etwas wie eine gemeinsame Plattform installiert, wo alle maßgeblichen Partner und Beteiligten an einen Tisch geholt werden, um zu beraten, wie wir gemeinsam diese Klimaschutzziele umsetzen – die Politik, die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft.“

a)    Werden Sie für die Umsetzung der Beschlüsse beim Klimagipfel in Paris zu einem weitgehenden Ausstieg aus Kohle, Erdöl und Gas bis 2050 einen konkreten Vorschlag für Ihren Zuständigkeitsbereich vorlegen, wenn ja bis wann, wenn nein warum nicht?

b)    Die nötigen sowohl raschen als auch tiefgreifenden Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft werden möglicherweise nicht im Konsens, sondern nur im Konflikt mit derzeitigen Akteuren zB der fossilen Energiewirtschaft oder der fossilen Kfz-Lobby umgesetzt werden können – warum halten Sie dennoch eine gemeinsame Plattform für den der Größe und Dringlichkeit der Maßnahmen angemessenen Rahmen?

c)    Haben Sie eine derartige „gemeinsame Plattform“ bereits eingerichtet?

d)    Wenn nein: Werden Sie eine derartige Plattform einrichten, wenn ja bis wann?

e)    Welche Geldflüsse an welche Empfänger sind im Zusammenhang mit dieser „gemeinsamen Plattform“ erfolgt bzw. vorgesehen?

f)     Soll jemand anderer – zB andere Regierungsmitglieder oder Unternehmen - eine derartige Plattform einrichten, wenn ja wer und bis wann?

 

5)    „Aus der Sicht des Verkehrsministers ist damit ein deutlicher Auftrag verbunden, den öffentlichen Verkehr nachhaltig, proaktiv auszubauen. Wir wollen noch mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen. Wir stehen jetzt in Österreich bei rund 30 % des gesamten Güterverkehrs auf der Schiene, unser Ziel sind 40 %. Deshalb arbeiten wir auch daran, das öffentliche Schienennetz weiter zu attraktivieren und auszubauen.“

a)    Mit welchen konkreten Maßnahmen werden Sie trachten, bis spätestens 2018 das erwähnte, im Regierungsübereinkommen festgeschriebene Ziel von 40% Schienenanteil im Güterverkehr zu realisieren?

b)    Welche Faktoren oder Rahmenbedingungen (zB steuerlicher, EU-rechtlicher, koalitionstechnischer, … Art) haben aus Ihrer Sicht maßgeblich dazu geführt, dass dieses Ziel bisher nicht erreicht wurde und dass zuletzt auch keine Annäherung an dieses Ziel gelang?

c)    Welche Gegenaktivitäten haben Sie bzw Ihre Vorgänger seit 2013 zur Abänderung dieser Faktoren oder Rahmenbedingungen im Sinne besserer Zielerreichung konkret gesetzt?

d)    Welche Gegenaktivitäten wollen Sie bis 2018 zur Abänderung dieser Faktoren oder Rahmenbedingungen im Sinne besserer Zielerreichung konkret setzen?

e)    In welcher Weise geht konkret der CO2-Minderungs-Effekt in den Schieneninfrastruktur-Rahmenplan und in die wechselseitige Priorisierung der einzelnen in diesem Rahmenplan enthaltenen Projekte und Umsetzungszeitpläne ein? Bitte beschreiben Sie konkret sowohl die bei der Erstellung des Planes durch die ÖBB-Infrastruktur AG als auch bei der Bewertung durch das BMVIT zwecks Einvernehmensherstellung erfolgenden diesbezüglichen Schritte.

f)     Halten Sie angesichts des „deutlichen Auftrags, den öffentlichen Verkehr nachhaltig, proaktiv auszubauen“ und der starken Nachfragezuwächse insbesondere im Nah- und Regionalverkehr die diesbezüglichen Investitionsschwerpunkte bei der Infrastruktur – vor allem Fern- und Güterverkehrsprojekte - für treffsicher?

g)    Wie erklären Sie angesichts dieses „deutlichen Auftrags, den öffentlichen Verkehr nachhaltig, proaktiv auszubauen“, dass Ihr Ressort in einschlägigen aktuellen Verhandlungsprozessen von geringfügigen Nachfragesteigerungen und entsprechend geringfügigen Angebotsausweitungen ausgeht, also eine dem „deutlichen Auftrag“ widersprechende, wenig proaktive und wenig dynamische Rolle einnimmt?

 

6)    „Die neue LKW-Maut, bei der es ab 2017 Aufschläge für Umwelt- und Lärmbelastung gibt, wird das zusätzlich unterstützen.“

a)    In welchem Umfang und in welchem Zeitraum werden die von Ihnen angesprochenen, bekanntlich minimalen Maut-Aufschläge real zum Erreichen des 40-%-Ziels im Schienengüterverkehr beitragen? Bitte um Bekanntgabe der Grundlagen (Studien, Berechnungen o.ä.) für Ihre Angaben.

b)    Welche Ziele und Positionen im Sinne einer deutlich größeren Verlagerungswirkung Richtung Schiene vertreten Sie und Ihr Ressort im Hinblick auf die nötigen grundlegenden Veränderungen des EU-Mautregimes im Rahmen einer „nächsten“ Wegekostenrichtlinie?

 

7)    Aus welchen Erwägungen betonen Sie – wie im Grüne-Krone-Interview ausgeführt – bei der zur Umsetzung der Pariser Klimabeschlüsse nötigen Abkehr von einem auf billige fossile Energie aufgebauten Wirtschafts- und Gesellschaftssystem die Wichtigkeit „enger Zusammenarbeit mit den Leitbetrieben in der Industrie“, die doch ihren Profit auf Grundlage dieser billigen fossilen Energie erwirtschaften und kein Interesse an raschen oder gar grundlegenden Änderungen in Richtung weitere CO2-Reduktion haben, sondern diese sogar mit Standortverlagerungs-Drohungen und dergleichen aktiv bekämpfen?

 

8)    Was meinen Sie im Lichte der Pariser Klimaziele konkret mit dem „Ausbau strategisch wichtiger Netze“ im Bereich Straße? Halten Sie zur CO2-Reduktion den bekanntlich durch „induzierten Verkehr“ verkehrsvermehrenden weiteren Ausbau hochrangiger Straßen für wichtig und zielführend? Wenn ja warum?

 

9)    Welchen Beitrag hat das BMVIT wann direkt oder indirekt – zB über zeitnahe eigene Inserate, über „empfohlene“ Inserate von nahestehenden Unternehmen wie den ÖBB, oder über Geldflüsse zu Beraterfirmen - zur Finanzierung der „Grünen Krone“ vom 30.3.2016 und/oder ihrer Inhalte geleistet?