9880/J XXV. GP

Eingelangt am 08.07.2016
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Anfrage

 

der Abgeordneten Georg Willi, Matthias Köchl, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

betreffend WKO Pfuschjäger ohne Rechtsgrundlagen - Follow Up

BEGRÜNDUNG

 

Zunächst bedanken wir uns für die Anfragebeantwortung vom 2. Mai. Demnach haben auch Ihrer Überzeugung nach die "Mitarbeiter des Wettbewerbsschutzes keine über das Jedermannsrecht hinausgehenden Befugnisse". So darf das Betreten von Baustellen und von Häusern/Grundstücken sowie die Überprüfung von Ausweisen ausschließlich nach Zustimmung und unter Mitwirkung der Betroffenen erfolgen.

Dazu gehört die Befugnis, bei Verdacht auf Verwaltungsübertretungen eine Sachverhaltsdarstellung unter Anschluss allfälliger Beweismittel an die zur Strafverfolgung berufene Behörde zu erstatten.

Ihr Ressort hat die Datenschutzbehörde kontaktiert. Und siehe da: Am 24. Mai 2016 berichtete die Tiroler Tageszeitung: Das Nein der Datenschutzbehörde (DSB) zur Pfuschjagd durch die Wirtschaftskammer Tirol hat nun auch bundesweit Folgen. Alle Wirtschaftskammern in den Bundesländern, die im Zuge ihrer „Pfuscherkontrollen“ die Daten mutmaßlicher Schwarzarbeiter erheben und speichern, stellen nun aufgrund der Feststellung der Datenschutzbehörde ihre Pfuschjagd ebenfalls ein.[1]


 

Ihrer Auskunft gemäß[2] wurden folgende Strafgelder eingehoben:


Für die Bekämpfung der Schwarzarbeit ist eindeutig die Finanzpolizei zuständig, wie der Finanzminister in seiner Anfragebeantwortung 8159 festgestellt hat:

Darüber hinaus stellte Finanzminister Schelling allerdings in seiner Anfrage-beantwortung zur Frage 4. „Wie viele Strafgelder sind seit 2004 an die WKO (auch durch die Finanzpolizei eingehobene und an die WKO weitergegebene Gelder) geflossen?“ fest: „zu 4.: Von  der  Finanzverwaltung  werden  keine  Strafgelder  eingehoben,  die  an  die  WKO  oder  die Landeskammern weitergeleitet werden.“

Wir halten somit zusammengefasst fest:

·        Laut Anfragebeantwortung von Minister Schelling vom 2. Mai 2016 ist die Finanzpolizei für Kontrollen, welche die Schwarzarbeit bzw. unerlaubte Gewerbeausübung betreffen, verantwortlich.

·        Die Einhebung der Strafgelder insgesamt liegt in den vorliegenden Fällen weder bei der Wirtschaftskammer noch bei der Finanzpolizei (dies wäre z.B. bei einem Handeln der Finanzpolizei nach Bundesabgabenordnung ggf. möglich gewesen).[3]

·        Laut der von Ihnen übermittelten Unterlagen wurden jedoch 2015 „Strafgelder“ in der Höhe von 240.385,10 Euro im Jahr 2015 von der Wirtschaftskammer im Bereich Wettbewerbsschutz „eingenommen“.  

Im Umkehrschluss müssten die Strafgelder von den Bezirksverwaltungsbehörden (in der Regel also die Bezirkshauptmannschaften) eingehoben worden sein, die im Auftrag des Gesetzgebers mit dem Vollzug (z.B. als Gewerbebehörde aber auch für Geldstrafen im Fall des ASVG[4]) betraut sind.

Neben der offenen Frage nach der Genese der an die WKO überwiesenen „Strafgelder" gilt es zukünftig weiters, eigenmächtige Pfuschjagden auch operativ oder gesetzlich zu verhindern.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Welchen Anteil machen Anzeigen lt. Anlage 1 der Anfragebeantwortung 8162[5] (2013: 650 Anzeigen, 2014: 311 Anzeigen, 2015: 97 Anzeigen im „Wettbewerbsschutz“)   in Bezug auf die gesamte Fallzahl im Gebiet „Pfusch“ in Tirol (Verstöße gegen arbeitsmarktrechtliche und gewerberechtliche Bestimmungen) aus?

 

2)    In welcher Höhe haben die Tiroler Bezirksverwaltungsbehörden insgesamt „Strafgelder“ bzw. Bußgelder zum „Wettbewerbsschutz“ (Verstöße gegen arbeitsmarktrechtliche und gewerberechtliche Bestimmungen) eingehoben?
Bitte beziehen Sie sich auch auf die in Anlage 1 der Anfragebeantwortung 8162
[6] aufgeführten Fälle und Fallzahlen (2013: 650 Anzeigen, 2014: 311 Anzeigen, 2015: 97 Anzeigen im „Wettbewerbsschutz“). Bitte um Aufschlüsselung nach Jahr und Bezirksverwaltungsbehörde für die Jahre 2005 bis 2015 inkl. Bezug auf Art und Anzahl der Fälle.

 

3)    Nach welcher Berechnungslogik wurden Anteile der „Strafgelder“ bzw. Bußgelder zum „Wettbewerbsschutz“ von den Bezirksverwaltungsbehörden an die Wirtschaftskammer weitergegeben (bezogen auf die Überweisungen laut Anlage 2 der Anfragebeantwortung 8162, z.B. die 2015 von der WKO lukrierten „Einnahmen aus Strafgeldern“ i.d.H. von 240.385,81 Euro)?

 

4)    Nach welcher gesetzlichen Grundlage wurden die in der Anfragebeantwortung 8162 (insb. Anlage 2) bzw. in dieser Anfrage oben angeführten „Strafgelder“ an die Wirtschaftskammer Tirol überwiesen?

 

5)    Ist nunmehr dauerhaft sichergestellt, dass die Überprüfung von möglicher Schwarzarbeit nicht mehr durch „Wirtschaftskammer-Pfuschjäger“ erfolgt, sondern ausschließlich durch die Finanzpolizei?

 

6)    Beabsichtigen Sie Gesetzesentwürfe zu Änderungen am Wirtschaftskammergesetz (WKG), um klarzustellen, dass die vielzitierte fachliche Interessensvertretung bzw. die „Sicherung der Chancengleichheit der Mitglieder im Wettbewerb“ nicht über das „Jedermannsrecht“ hinausgeht?

 

7)    Sind bei Ihrem Ressort, den jeweiligen Stellen der Wirtschaftskammer oder bei anderen Ihnen bekannten Stellen inzwischen Beschwerden von Betroffenen hinsichtlich Handlungen von „Pfuschjägern“ der WKO über das „Jedermannsrecht“ hinaus eingelangt / bekannt geworden (insbesondere hinsichtlich dem Betreten von Häusern / Grundstücken / Baustellen / etc. sowie Ausweisüberprüfungen)?

 

8)    Ist die Feststellung von Personalien und das Betreten von Grundstücken bzw. Baustellen (oder ähnlich) nach Zustimmung der Betroffenen Ihrer Ansicht nach eine legale Rechtspraxis?

 

9)    Auf welche Art und Weise wurde die Zustimmung der Betroffenen zu einer Erhebung von Personalien bzw. dem Betreten von Grundstücken, Baustellen (oder ähnlich) eingeholt? Von wem wurde diese Zustimmung jeweils eingeholt? Wie wurde diese Zustimmung dokumentiert?

 

 



[1] http://www.tt.com/wirtschaft/wirtschaftspolitik/11536843-91/wirtschaftskammer-stoppt-pfuschjagd-bundesweit.csp

[2] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_08162/index.shtml

[3] https://www.wko.at/Content.Node/Service/Steuern/Weitere-Steuern-und-Abgaben/Verfahren---Pflichten-im-oesterr--Steuerrecht/weitere_Finanzpolizei_Broschuere.pdf

[4] https://www.wko.at/Content.Node/Service/Steuern/Weitere-Steuern-und-Abgaben/Verfahren---Pflichten-im-oesterr--Steuerrecht/weitere_Finanzpolizei_Broschuere.pdf

[5] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_08162/imfname_529546.pdf

[6] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_08162/imfname_529546.pdf