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Stellungnahme

 

 

 

Hiermit nimmt das Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen in Wien zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Asylgesetz 2005 geändert wird, Stellung.

 

 

Die MitarbeiterInnen des Beratungszentrums für Migranten und Migrantinnen betreuen seit Jahrzehnten auch anerkannte Konventionsflüchtlinge und Subsidiär Schutzberechtigte in arbeitsmarktpolitischen, sozialrechtlichen und lebenskundlich-integrationsrelevanten Belangen.

Die Beratung bezüglich Weiterbildung und Anerkennung mitgebrachter Qualifikationen hat in den letzten Jahren  besondere Wichtigkeit erlangt.

 

Die geplanten Änderungen des Asylgesetzes sind offensichtlich der gegenwärtigen Flüchtlingswelle geschuldet und zielen darauf ab, Österreich als Zielland weniger attraktiv erscheinen zu lassen. Die Rechtsposition von anerkannten Flüchtlingen wird durch den befristeten Aufenthaltsstatus maßgeblich verschlechtert, die Familienzusammenführung generell erschwert bzw. hintangehalten.

 

Ohne auf die einzelnen gesetzlichen Bestimmungen im Detail einzugehen, möchten wir auf die integrationspolitisch wie volkswirtschaftlich negativen Auswirkungen der geplanten Änderungen hinweisen:

 

Menschen, die ihrer aufenthaltsrechtlichen Perspektive nicht sicher sind und die nicht mit ihrer Kernfamilie zusammenleben können, sind nicht in der Lage, sich auf den Integrationsprozess einzulassen. Es bedarf enormer Anstrengungen, die Flucht zu verarbeiten, die neue Sprache zu erlernen, notwendige neue Qualifikationen für den Arbeitsmarkt zu erwerben, eine Arbeit, eine Wohnung zu finden usw. Unter der Perspektive, dass das Asylrecht nach 3 Jahren wieder entzogen werden kann, stellt sich die Frage der Sinnhaftigkeit dieser Anstrengungen. Die enorme psychische Belastung, die die Angst vor dem Verlust des Aufenthaltsrechts mit sich bringt, behindert die Lernfähigkeit und den Integrationsprozess.

 

Besonders problematisch sehen wir die Regelung, dass Familienangehörige Subsidiär Schutzberechtigter erst nach 3 Jahren nachziehen dürfen. Dies scheint einerseits im Hinblick auf Art. 8 EMRK fragwürdig, da diese Familien ja im Herkunftsstaat ihr Familienleben nicht führen können. Aus integrationspolitscher Sicht verlieren die Nachziehenden, im Besonderen die Kinder, wertvolle Zeit, die sie in Österreich für Schulbesuch, Spracherwerb etc. nützen sollten.

Andererseits ist es in sich unschlüssig, Personen temporären Schutz aufgrund einer Gefährdung für Leib und Leben in ihrem Heimatland (z. B. auf Grund eines Bürgerkrieges) zuzuerkennen, ihren Familienangehörigen aber zuzumuten, noch 3 Jahre in dieser lebensgefährlichen Situation auszuharren.

 

Aus der Perspektive der Einrichtungen, die Fördermaßnahmen aus öffentlichen Mitteln (Deutschkurse, sonstige AMS-Maßnahmen) anbieten, stellt sich die Frage, ob sich Investitionen in Personen mit befristetem Aufenthaltsrecht rechtfertigen lassen.

Es stellt sich auch die Frage, ob es sinnvoll ist, sich auf oft langwierige Anerkennungsprozesse mitgebrachter Bildungsabschlüsse einzulassen.

 

Die Bereitschaft der ArbeitgeberInnen, Flüchtlinge zu beschäftigen, wird mangels Aufenthaltssicherheit sinken. Es wird eine neue Klasse von ArbeitnehmerInnen mit befristeten Asylkarten geschaffen.

Eine negative Signalwirkung wird die befristete Asylkarte auch auf VermieterInnen haben. Es ist derzeit schon schwierig für Flüchtlinge, leistbaren Wohnraum zu finden. Eine Person mit befristeter Asylkarte, die beispielsweise noch 2 Jahre gültig ist, wird wahrscheinlich nicht einmal einen befristeten Mietvertag für 3 Jahre bekommen.

 

Grundsätzlich halten wir die Befristung des Aufenthaltsrechts für Konventionsflüchtlinge für eine Maßnahme, die rechtlich ins Leere geht, da die Aberkennung des Status des Asylberechtigten ja auch nach der derzeitigen Rechtslage möglich ist. Da in der Vergangenheit von dieser Möglichkeit selten Gebrauch gemacht wurde, ist davon auszugehen, dass auch nach der neuen Regelung in den meisten Fällen eine amtswegige Weitergewährung des Asylrechts erfolgen wird. Es wird aus verfahrensökonomischen Gründen nicht möglich sein, jedes Verfahren aufzurollen, neu zu bewerten und auch dem Art. 8 EMRK Rechnung zu tragen.

 

Wir regen daher an, dem Entwurf zur Änderung des Asylgesetzes nicht zuzustimmen.

 

 

Das Team des Beratungszentrums für Migranten und Migrantinnen

 

Wien, am 27.11.2015

 

 

 

 

Kontakt:

Mag. Dunja Bogdanovic-Govedarica

Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen

Arbeitmarktpolitische Betreuungseinrichtung

Hoher Markt 8/Stiege 4/2/2

1010 Wien

Tel: 01/712 56 04/22

d.bogdanovic@migrant.at

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