776/A(E) XXVI. GP

Eingebracht am 25.04.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen,

betreffend die Aufwertung der Elementarpädagogik durch einen bundeseinheitlichen Qualitätsrahmen

Laut dem Working Paper „Familienleistungen und Kinderbetreuung im internationalen Vergleich"[1] des österreichischen Instituts für Familienforschung aus dem Jahr 2017 gibt Österreich 0,5% des BIP für die frühkindliche Erziehung aus und liegt damit deutlich hinter Ländern wie Dänemark mit 2,0% und Schweden mit 1,6%. Diese Unterfinanzierung der Sachleistungen, insbesondere jener für die frühkindliche Erziehung, spiegelt sich auch in der Qualität und Quantität der Kinderbetreuung wider. Während etwa in Dänemark die Einrichtungen durchschnittlich nur 9 Tage im Jahr geschlossen sind, sind es in Österreich im Durchschnitt 40 Tage - die Schließtage sind jedoch von Bundesland zu Bundesland verschieden und reichen von 3 Tagen bis zu 60 Tagen. 10,9% der Kindergärten in Österreich haben 51 und mehr Schließtage jährlich.[2] Auch in Sachen Betreuungsschlüssel und der täglichen Öffnungszeiten hinkt Österreich weit hinterher.

Ein investierter Dollar entspreche laut Nobelpreisträger James Heckmann einer Rendite von acht Dollar, bei benachteiligten Kindern betrage diese sogar 16 Dollar. Doch trotz Hochkonjunktur und medial gefeiertem Budgetüberschuss ist man seitens der Bundesregierung nicht gewillt, mehr Geld für die Kinderbetreuung in die Hand zu nehmen. Nachdem man bei den Verhandlungen der 15a- Vereinbarung zur Kinderbetreuung anfangs sogar mit einer Kürzung drohte, wurde nun doch eine Stagnation bei 142,5 Mio. Euro seitens des Bundes beschlossen und dieser Betrag soll bis 2021/22 unverändert bleiben - was de facto eine jährliche Schrumpfung bedeutet. Im Regierungsprogramm heißt es auf Seite 103: „Kinderbetreuungsangebote müssen weiter flächendeckend ausgebaut werden, damit adäquate, qualitätsvolle Betreuungsplätze zur Verfügung stehen."

Um im Bereich der Elementarpädagogik endlich Fortschritte zu erzielen und diese auf ein internationales Niveau anzuheben, braucht es neben dem dringend erforderlichen quantitativen Ausbau auch einen bundeseinheitlichen Qualitätsrahmen. Im Oktober 2017 verkündete die damalige ÖVP-Familienministerin Karmasin noch die Einführung eines bundeseinheitlichen Qualitätsrahmens, so heißt es in einer Parlamentskorrespondenz vom 13.10.2017: „Ein bundeseinheitlicher Qualitätsrahmen soll dann in Kooperation mit den Ländern bis spätestens 31. März 2018 entwickelt werden, erläuterte Bundesministerin Sophie Karmasin."[3]

Die ersten 6 Lebensjahre von Kindern sind sehr lernintensive Jahre und die bedeutendste Zeit in der kindlichen Entwicklung. In diesem Zeitraum werden alle grundlegenden Fähigkeiten erworben. Jede Einflussnahme auf das Kind wirkt prägend und soll daher seiner Förderung und Entwicklung dienen. Daher fordern wir folgende Punkte bei der Erstellung eines bundeseinheitlichen Qualitätsrahmens zu berücksichtigen:

Um jedem einzelnen Kind gerecht werden zu können, soll die Kinderhöchstzahl auf 20 Kinder pro Gruppe gesenkt werden.

Das Kleinkind braucht als Grundlage für eine gesunde Identitätsentwicklung besonders viel Beachtung und warmherzige Zuwendung durch verlässliche, einfühlsame und stabile Bezugspersonen. Es muss in seiner Einzigartigkeit an- und wahrgenommen und mit seinen individuellen Bedürfnissen und Entwicklungsthemen in den Vordergrund gestellt werden.

Dabei ist gerade für den Spracherwerb die "Betreuungsrelation" von großer Bedeutung. Wenn den MitarbeiterInnen die Zeit fehle, Alltagsgegenstände zu benennen oder Tischgespräche zu führen, dürfe sich niemand wundern, wenn Kinder mit Sprachdefiziten in die Schule kommen, sagt Raphaela Keller, Vorsitzende der Berufsgruppe der Kindergarten- und Hortpädagoginnen (ÖDHK). Sprachförderung könne nur gelingen, "wenn wir weniger Kinder pro Pädagogin haben".[4]

Dazu ist es auch notwendig, in ausreichendem Maße qualifiziertes Personal zur Verfügung zu stellen. Wir fordern daher eine Erhöhung des Mindestpersonaleinsatzes mit einem Betreuungsschlüssel von 1:8 sowie bundeseinheitliche Kriterien bei Raumgrößen und Ausstattung.

Eine gut durchdachte, prozessorientierte, auf entwicklungspsychologischer Basis aufgebaute Wochenplanung stellt die pädagogische Arbeit übersichtlich, nachvollziehbar und transparent dar. Die Pädagoglnnen führen für jedes einzelne Kind Beobachtungsbögen, um den individuellen Entwicklungsstand genau zu kennen und so alle Kinder bestmöglich zu fördern. Reflexionen und Selbstevaluierung, sowie regelmäßige Besprechungen gehören zur Aufrechterhaltung eines hohen Bildungsstandards in den elementarpädagogischen Einrichtungen.

Zur Optimierung der Bildungsqualität fordern wir daher die Angleichung der Vorbereitungszeiten der Elementarpädagoglnnen an jene der Volksschulpädagoglnnen.

Kinder brauchen für eine glückliche Grundbefindlichkeit Bezugspersonen, die auf individuelle Bedürfnisse, Wünsche und Ansprüche eingehen. Dies erfordert vom pädagogischen Fachpersonal in hohem Maße Einfühlungsvermögen, Flexibilität, Verständnis, Umsichtigkeit und dauernde Präsenz. Wir fordern eine der hohen Verantwortung angemessene Bezahlung des gesamten fachpädagogischen Personals und eine höhere Wertschätzung der Berufsgruppe „HelferInnen“ durch Umbenennung in „AssistentInnen“ sowie deren sukzessive Heranführung an das Dienstrecht der Elementarpädagoglnnen.

Gerade Alleinerziehende, aber auch Paare haben es besonders in den Ferienmonaten schwer, die Kinderbetreuung sicherzustellen; dies ist auf die höchst unterschiedliche Anzahl der Schließtage zurückzuführen, die zum Teil den Jahresurlaub von Beschäftigten bei weitem übersteigen. Daher fordern wir eine bundeseinheitliche Höchstzahl der Jahresschließtage von 25 Tagen pro Kindergartenjahr.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Frauen, Familie und Jugend wird aufgefordert, bei der Entwicklung eines bundeseinheitlichen Qualitätsrahmens für die Kinderbetreuung folgende Punkte einzuarbeiten:

-          Senkung der Gruppengrößen auf maximal 20 Kinder

-          Ein höchstzulässiger Betreuungsschlüssel von 1:8 bei den 3- bis 6-Jährigen, 1:5 bei den 2- bis 3-Jährigen und 1:3 bei den 0- bis 2-Jährigen.

-          Flächendeckende Ausweitung der Öffnungszeiten

-          Umsetzung einer Ausbildungsreform für Elementarpädagoglnnen und Assistenzkräfte

-           Angleichung der Vorbereitungszeiten an die der Volksschulpädagoglnnen

-          Aufwertung des HelferInnenberufes hinsichtlich Bezahlung und Bezeichnung

-          Eine angemessene Bezahlung für das gesamte fachpädagogische Personal

-          Höchstzahl der Jahresschließtage von 25 Tagen pro Kindergartenjahr"

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Familie und Jugend vorgeschlagen.


 



[1] Baierl, Kaindl: Familienleistungen und Kinderbetreuung im unternationalen Vergleich, Österreichisches Institut für Familienforschung, Working Paper 88 (2017)

[2] Vgl.
https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bildung_und_kultur/formales_bildungswesen/kindertagesheime
_kinderbetreuung/index.html
.

[3] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20171013_OTS0001/nationalrat-525-mio-fuer-weiteren-ausbau-des-
kinderbetreuungsangebots
(13.10.2017).

[4] https://derstandard.at/2000087366588/Baustelle-Kindergarten-Was-die-Kleinen-brauchen-und-was-sie-
bekommen
.