42/BI XXVI. GP

Eingebracht am 19.02.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bürgerinitiative

Parlamentarische Bürgerinitiative

betreffend

 der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung durch die österreichische Gesetzgebung.

 

 

Seitens der Einbringerlnnen wird das Vorliegen einer Bundeskompetenz in folgender Hinsicht angenommen:

Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit wird vom AMS beantragt und durch die PVA festgestellt.
Beide Organisationen unterstehen dem Bund. Eine etwaige Arbeitsunfähigkeit hat zur Folge, dass betroffene Menschen keine Ansprüche mehr haben auf die Rehabilitation der Arbeitsfähigkeit, welche ebenfalls Sache des Bundes ist.

Zudem erteilte mir das Land Tirol die Auskunft, dass die Gesetze zur Arbeitsunfähigkeit Bundes Gesetze sind.

Dieses Anliegen wurde bis zur Einbringung im Nationalrat von 1322 BürgerInnen mit ihrer Unterschrift unterstützt. (Anm.: zumindest 500 rechtsgültige Unterschriften müssen für die Einbringung im Nationalrat vorliegen.)

Anliegen:

Der Nationalrat wird ersucht,

gesetzlich festzulegen, dass Menschen mit angeborenen oder vor der Berufstätigkeit entstandenen Behinderungen, nicht auf Grund ihrer Behinderung als arbeitsunfähig eingestuft werden dürfen und dass frühere Verfahren zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit unter den neuen Bedingungen geprüft werden müssen.

Begründung:

1.   Menschen mit angeborenen oder vor der Aufnahme der Berufstätigkeit entstandenen Behinderungen sind von den Sozialleistungen, die aus den Sozialversicherungen sozialversicherungspflichtiger Tätigkeiten entstehen ausgeschloßen, wenn sie als arbeitsunfähig eingestuft sind, auch dann, wenn sie einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehen.

2.   Menschen mit angeborenen oder vor der Aufnahme der Berufstätigkeit entstandenen Behinderungen, die als arbeitsunfähig eingestuft sind, müssen das 20-fache der Beitragszeiten erbringen als ein Mensch erbringen muss, der während der Berufstätigkeit arbeitsunfähig wird, um einen Pensionsanspruch zu haben.

3.   Gängige Praxis ist, dass auch sehr junge Menschen als arbeitsunfähig eingestuft werden auf Grund einer vorhandenen Behinderung. Diese Menschen haben keinen Anspruch mehr auf eine berufliche Rehabilitation. Sie werden gezwungen in speziellen Werkstätten für Menschen mit Behinderung zu arbeiten oder ein Leben lang untätig zu sein. Dies trifft auch dann zu, wenn die betroffenen Menschen rehabilitationswillig und -fähig sind.

Alle drei Gründe stellen in unserer Auffassung einen eklatanten Widerspruch zum Diskriminierungsverbot von Menschen mit Behinderungen dar!

 

(Falls der Vordruck nicht ausreicht, bitte auf Beiblatt fortsetzen)

Mehr Info: vianova-austria.at


Reutte, 22.11.2017

Informationen über die Parlamentarische Bürgerinitiative

Menschen mit Behinderung werden durch die österreichische Gesetzgebung diskriminiert.

Darum starten wir eine Parlamentarische Bürgerinitiative und sammeln Unterschriften.

In den letzten Monaten und Jahren beobachten wir, dass immer mehr Menschen mit Behinderungen vom AMS auf die Gesundheitsstraße der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) geschickt werden. Dort soll von MedizinerInnen ihre Arbeitsfähigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit festgestellt werden. Die Erfahrungen mit diesem Feststellungsverfahren sind äußerst negativ und die Entscheidungen meist nicht nachvollziehbar. So wurde z.B. ein Mann vom Chefarzt der PVA als arbeitsunfähig eingestuft, obwohl er vorher von zwei Gutachtern der PVA als arbeitsfähig eingestuft worden war.

Die Feststellung dieser Arbeitsunfähigkeit hat die Folge, dass diese Menschen nun keinen Anspruch auf Rehabilitationsmaßnahmen mehr haben, also von allen Berufsunterstützenden Maßnahmen für den ersten Arbeitsmarkt (z.B. NEBA-Projekte und Mittendrin) ausgeschlossen sind.

Wir beobachten auch, dass Menschen mit Behinderung, welche bereits erfolgreich auf dem ersten Arbeitsmarkt integriert waren und ihre Anstellung verlieren, innerhalb von 6 Wochen nach Meldung beim AMS auf die Gesundheitsstraße geschickt werden. So war z.B. eine arbeitslose 23jährige Frau mit Behinderung bereits vier Jahre berufstätig und hat in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt und trotzdem soll nun ihre Arbeitsfähigkeit von der PVA überprüft werden.

Mit dieser Bürgerinitiative ersuchen wir den Nationalrat gesetzlich festzuleqen,

dass Menschen mit Behinderungen nicht auf Grund ihrer „Behinderung“ als arbeitsunfähig eingestuft werden.

Den Text der Parlamentarischen Bürgerinitiative und eine Vorlage für die Unterschriftenliste finden Sie im Anhang und auf unserer homepage www.vianova-austria.at

Bitte unterstützen Sie uns und sammeln Sie viele Unterschriften!

Die ausgefüllten Listen schicken Sie bitte an die Erstunterzeichnerin und Obfrau von
VIANOVA: Katja Rief,

Sie können die Unterschriftenlisten auch im VIANOVA-Büro abgeben.

 

Vielen Dank für Ihre Unterstützung!

BEZIRK REUTTE

„Behinderte, werdet ja nicht
arbeitslos!"

Das AMS muss die Vermittelbarkeit seiner Kunden am Arbeitsmarkt prüfen. Wird bei Behinderten eine Arbeitsunfähigkeit erkannt, führt dies zu immerwährendem Arbeitsverbot und Rückstufung als Betreuungsfall.

        ARTIKEL

        DISKUSSION (1)

© TscholDas AMS hat laut Gesetz die Arbeitsfähigkeit, -willigkeit und -losigkeit von Kunden zu überprüfen.Foto: Tschol

4

Von Helmut Mittermayr

Reutte, Wien - Auf einen paradoxen Fall von echter Lebensbehinderung behinderter Menschen macht der Reuttener Verein Vianova aufmerksam. Über die Notwendigkeit auch beruflicher Integration von Menschen mit Behinderung besteht breiter gesellschaftlicher Konsens. Wie schnell die Betroffenen aber durch legistische Fallstricke aus dem Arbeitsprozess für immer hinausgekickt werden können, zeigen aktuelle Beispiele. Denn der Zustand der Arbeitslosigkeit Behinderter kann eine Arbeitsfähigkeitsuntersuchung auf der so genannten Gesundheitsstraße nach sich ziehen - mit dramatischen Konsequenzen für die Betroffenen. Wird nämlich die Arbeitsunfähigkeit behördlich ausgesprochen, fällt sofort jeglicher Anspruch auf Rehabilitations- und berufsunterstützende Maßnahmen für den Arbeitsmarkt weg. Die Betroffenen sind nicht mehr förderbar, bekommen nie mehr Arbeitslosengeld und sind praktisch mit einem Arbeitsverbot belegt - auch wenn sie schon Jahre gearbeitet haben. Lieber zahlt die öffentliche Hand dann für den Behinderten eine Betreuungsperson zum Zeitvertreiben und Spazierengehen um mehrere tausend Euro monatlich, als je wieder eine berufliche Reintegration anzustreben, wie der Fall eines Autisten aus Innsbruck zeigt. Vianova hat sich deshalb entschlossen, für eine Änderung dieser „untragbaren Situation“ zu kämpfen. Eine gerade initiierte Parlamentarische Bürgerinitiative soll dringend notwendige Gesetzesänderungen in Gang bringen.

Im Außerfern droht dieser Tage einer 23-Jährigen mit Down-Syndrom die

Arbeitsfahigkeitsuntersuchung. Sie hat bei zwei Arbeitgebern insgesamt vier Jahre gearbeitet, wurde vor Kurzem aber ausgestellt. Beim AMS bezieht sie Arbeitslosengeld, ist im Gegensatz zu Nichtbehinderten aber nur schwer zu vermitteln. Um genau diese Arbeitsvermittlung kümmern sich erfolgreich Vereine wie eben Vianova. „Sollte die junge Frau aber schon in Kürze die Gesundheitsstraße durchlaufen müssen und für arbeitsunfähig erklärt werden, dann ist sie für ihr ganzes Leben benachteiligt und gestraft“, erklärt Katja Rief, die Obfrau von Vianova. „Ab diesem Zeitpunkt gibt es zum Beispiel keine finanzielle Unterstützung mehr für Unternehmen, die sie anstellen würden. Ohne diesen ,Zuschuss‘ ist dies aber fast unmöglich. Unsere Klientin würde auch jeden Anspruch auf Arbeitslosengeld verlieren, obwohl sie als Arbeitende schon Jahre eingezahlt hat“, ärgert sich Rief. De facto verliere die Frau die Möglichkeit, je wieder arbeiten zu können. Alle Förderprogramme zur Arbeitsintegration von Land und Bund wären dann verschlossen.


Vianova-Geschäftsführerin Angela Woldrich hat bis Dienstag 150 Unterstützungserklärungen vorliegen. Sie geht davon aus, dass die 500er-Grenze für eine parlamentarische Behandlung sicher erreicht wird. Auf der Vereinshomepage www.vianova-austria.at liegen Unterschriftenlisten auf. Woldrich: „Behinderte Menschen müssen ein Recht auf Arbeit haben. Mit diesen Gesetzen geht es nicht.“ Sie hofft auf Änderungen, ähnlich der Zeit vor 25 Jahren, als die schulische Integration niedergeschrieben wurde. Die Gesetzeslage sei sehr kompliziert, alles andere als vereinheitlicht und widerspreche sich sogar. Man können behinderten Menschen nur raten „Werdet ja nicht arbeitslos“, was ja nicht denkbar sei. Die Gesundheitsstraße der Pensionsversicherungsanstalt wird übrigens nicht in Bausch und Bogen verurteilt, sei sie doch ein probates Mittel, um etwa im Alter Invalidität festzumachen. Aber für junge Behinderte sei dies der komplett falsche Weg, sind sich Woldrich und Rief sicher.

Klaus Witting, der AMS-Leiter von Reutte, legt ein persönliches Bekenntnis zur Inklusion von Menschen mit Behinderung ab. Er weiß genau um die Problemstellung, die für ihn zum Teil auch ideologiebehaftet ist - nämlich die Frage, wie weit diese Inklusion vorangetrieben werden soll. Für das AMS stellt sich allerdings vorrangig die Frage der Vermittelbarkeit: „Nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz haben wir bei jedem Kunden die Arbeitswilligkeit, -losigkeit und - fähigkeit zu überprüfen.“ Tauchen Zweifel an der prinzipiellen Arbeitsfähigkeit auf, ist die Person auf die Gesundheitsstraße zu schicken. Witting: „Das AMS Reutte erkennt natürlich die Besonderheit dieser Situation und versucht den Behinderten samt ihren Betreuern möglichst lange Zeiträume für die Arbeitssuche einzuräumen.“ Aber irgendwann sei die Zeit aus, das Gesetz lasse keine besondere Behandlung zu. Witting ist klar, dass es hier um sehr viel geht - Arbeitslosengeld, Pensionsanrechnungszeiten, erhöhte Kinderbeihilfe u. v. m.

Der Verein Vianova beschäftigt im Außerfern 40 Mitarbeiter, die sich um insgesamt 60 vornehmlich geistig Behinderte kümmern. Insgesamt 23 Klienten sind derzeit in Arbeitsprojekte eingebunden.

Acht von ihnen haben sogar einen erhöhten Unterstützungsbedarf, trotzdem gehen sie einer Arbeit nach.

Printausgabe der Tiroler Tageszeitung vom Mi 13.12 2017

 

Hinweis: Die vorgelegten Unterschriftenlisten werden nach dem Ende der parlamentarischen Behandlung datenschutzkonform vernichtet bzw. gelöscht, soweit diese nicht nach den Bestimmungen des Bundesarchivgesetzes zu archivieren sind.