1429/J XXVI. GP

Eingelangt am 11.07.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alma Zadic, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser betreffend Vorwürfe gegen das Bundesverwaltungsgericht (BVwG)

BEGRÜNDUNG

Der Kurier berichtete am 17. Juni 2018 unter dem Titel „Insider packen aus: Willkür und Schlamperei im Asylwesen" folgendes:

,,Absprachen mit Anwälten, schwammige Begründungen, Willkür -Insider berichten dem KURIER von schwerwiegenden Missständen. Ist es Schlamperei? Ist es personelle Überforderung? Ist es Willkür?

Ob beabsichtigt oder nicht, eines scheint klar zu sein: Laut Insidern, die dem KURIER Auskunft gaben, scheint einiges unrund zu laufen in Österreichs Asylwesen. Es geht um fragwürdige Beziehungen zwischen Anwälten und Richtern, fragwürdige positive Asylentscheidungen und anscheinend versagende Kontrollmechanismen zwischen den Instanzen.

Unverständnis

Ein Beispiel- in einem in erster Instanz zunächst abgelehnten Asylantrag eines Afghanen heißt es da etwa von der zweiten Instanz: „Etwaige Unstimmigkeiten und Ungenauigkeiten werden auf die gesetzten Prioritäten und Wertigkeiten der afghanischen Kultur sowie seines Alters zurückgeführt", liest Herbert (Name der Redaktion bekannt) aus einer Rechtsmittelentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vor und schüttelt den Kopf. „Ein Asylwerber
aus Afghanistan erzählt in der Erstinstanz eindeutig die Unwahrheit und wird abgewiesen. Er geht in die nächste Instanz und erhält Asylstatus, weil, Unstimmigkeiten' mit der afghanischen Kultur vereinbar seien'', sagt er gegenüber dem KURIER.

Herbert arbeitet für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), der ersten Instanz für Asylverfahren in Österreich - und versteht die Welt nicht mehr. Mehr als 25 Asylanträge im Monat sollte jeder BFA-Mitarbeiter erledigen - bei etwas mehr als 20 Arbeitstagen eine schwierige Aufgabe,

,,sofern man seine Arbeit gründlich erledigen will", fügt Herbert hinzu. [...] Wird
ein Asylantrag abgewiesen, hat die Person die Möglichkeit, beim BVwG Beschwerde einzureichen. In dieser zweiten Instanz werden die Fälle neu aufgerollt und neu entschieden. Eine dieser Entscheidungen ist jene, die Herbert vorgelesen hat. „So etwas frustriert ungemein", sagt Herbert und fährt fort: „Eigentlich wäre vorgesehen, dass ein Vertreter des BFA bei seiner Beschwerde­Verhandlung dabei ist." Das wird aber laut KURIER-Informanten praktisch nie gemacht. Problematisch sei das vor allem, da das BFA in diesen Verfahren die staatlichen Interessen vertreten solle - und das sei in vielen Fällen nicht gegeben.

„Es ist wohl nachvollziehbar, dass das BFA bei rund 155.000 Asylanträgen in den letzten drei Jahren als Asylbehörde in erster Linie damit beschäftigt war, Asylentscheidungen zu treffen", sagt BFA- Direktor Wolfgang Taucher auf KURIER-Nachfrage und nennt es„schlicht falsch", dass keine BFA- Mitarbeiter bei Verhandlungen anwesend wären. Dies sei von der „Besonderheit des Einzelfalles, strategischen Überlegungen und - nicht zuletzt - auch von den personellen Ressourcen abhängig".

Absprachen?

Insider sind davon sehr irritiert, da laut ihnen bestimmte Richter während der Verhandlung Absprachen mit den Anwälten der Asylwerber treffen.

Legt beispielsweise ein Asylwerber Beschwerde gegen einen negativen Asylbescheid ein, kommt es vor, dass dessen Anwälte die Beschwerde zurückziehen, wenn der Asylwerber im Gegenzug
einen Aufenthaltstitel erhält. Bei gewissen Richtern sollen auffallend oft die Beschwerden zurückgezogen und Aufenthaltstitel erteilt worden sein - offensichtlich um sich aufwendige Ermittlungen zur Asylsache zu ersparen. Diese Absprachen sind für Juristen hoch problematisch und könnten durch die Anwesenheit eines BFA-Vertreters verhindert werden. Auf die Frage, ob ihm diese fragwürdige Praxis mancher Richter nicht aufgefallen sei, hieß es aus dem Büro von BVwG-
Präsident Harald Perl: „Aus der höchstgerichtlichen Judikatur sind dem BVwG keine Entscheidungen bekannt, im Rahmen derer ein derartiges Vorbringen enthüllt wurde." [.
..]

Interne Order?

Vor allem die Machtlosigkeit gegenüber den Entscheidungen des BVwG frustriert Herbert. „Bei einigen Entscheidungen kann ich nur noch Willkür oder Schlimmeres vermuten'', sagt Herbert. „Fakt ist, es gibt Richter, die eindeutig eine Agenda zu verfolgen scheinen und Asylwerbern mit mitunter fadenscheinigen Argumenten Asylrecht zusprechen", sagt er. Von Richtern des BVwG wird berichtet, dass Perl die interne Order gegeben habe, „Stricherln" zu produzieren und damit in so vielen Fällen wie möglich positiv zu entscheiden. „Richter/innen üben ihre Tätigkeit unabhängig und weisungsfrei aus. Jegliche Einflussnahme auf die Rechtsprechung ist daher ausgeschlossen", sagt Perl-dies gelte auch für die vorgeworfenen Absprachen."

(https://kurier.at/politik/inland/insider-packen-aus-willkuer-und-schlamperei-im-asylwesen/400052324)

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.       In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2015 bis dato gegen eine positive Entscheidung des BVwG Revision beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) eingebracht und in wie vielen Fällen führte die Revision zu einer Aufhebung der Entscheidung? Bitte um Auflistung nach Jahr, Begründung der Amtsrevision und Verfahrensausgang. Bitte auch um Angabe der Gesamtzahl der positiven Erkenntnisse.

2.       In wie vielen Fällen wurde gegen eine negative Entscheidung des BVwG Revision beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) eingebracht und in wie vielen Fällen führte die Revision zu einer Aufhebung der Entscheidung? Bitte um Auflistung nach Jahr, Begründung der Revision und Verfahrensausgang. Bitte auch um Angabe der Gesamtzahl der negativen Erkenntnisse.

3.       In wie vielen Fällen wurde gegen eine negative Entscheidung des BVwG Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) eingelegt und in wie vielen Fällen führte die Beschwerde zu einer Aufhebung der Entscheidung? Bitte um Auflistung nach Jahr, Begründung der Beschwerde und Verfahrensausgang. Bitte auch um Angabe der Gesamtzahl der negativen Erkenntnisse.

4.       Sind im Justizministerium Fälle von fragwürdigen positiven Asylentscheidungen durch das BVwG bekannt?

a.       Wenn ja, bitte um Auflistung nach Jahr, BVwG-Außenstellen, Art der Entscheidung und Vorgehensweise durch das Justizministerium; Begründung, weshalb die Asylentscheidung als „fragwürdig" bewertet wird.

5.       Sind im Justizministerium ungenaue Vorgehensweisen durch RichterInnen des BVwG in Asylentscheidungen bekannt?

a.       Wenn ja, bitte um Auflistung nach Jahr, BVwG-Außenstellen, Art der Entscheidung und Vorgehensweise durch das Justizministerium; Begründung, weshalb die Asylentscheidung als „fragwürdig" bewertet wird.

b.      Wenn ja, was wird durch das Justizministerium dagegen unternommen?

6.       Ist im Justizministerium eine personelle Überforderung beim BVwG bekannt?

a.       Wenn ja, was wird dagegen unternommen?

b.      Wenn nein, was gedenkt das Justizministerium gegen die "falsche" Berichterstattung zu tun, um die RichterInnen zu schützen.

7.       Ist im Justizministerium eine Willkür bei Asylentscheidungen durch BVwG-Richterlnnen bekannt?

a.       Wenn ja, wie äußert sich diese?

b.      Wenn ja, was wird dagegen unternommen?

8.       Sind im Justizministerium fragwürdige Beziehungen zwischen AnwältInnen und RichterInnen des BVwG bekannt?

a.       Wenn ja, was macht diese Beziehungen fragwürdig?

b.      Wenn ja, was gedenkt das Justizministerium gegen diese fragwürdigen Beziehungen zu unternehmen?

9.       Sind im Justizministerium versagende Kontrollmechanismen bei Asylentscheidungen durch das BVwG bekannt?

a.       Wenn ja, wie äußert sich dieses Versagen?

b.      Wenn ja, was wird dagegen unternommen?

10.   In wie vielen Asylentscheidungen durch das BVwG waren in den Jahren 2015 - 2018 VertreterInnen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) anwesend? Bitte um Auflistung nach Jahr, Herkunft der beschwerten Partei und Asylentscheidung durch das BVwG.

11.   Ist im Justizministerium bekannt, dass es eine interne Order an BVwG-Richterlnnen durch BVwG-Präsident Harald Perl gegeben hat, welche die Asylentscheidungen beeinflusst haben soll?

a.       Wenn ja, was ist der Inhalt der Order und wann wurde diese gegeben?

b.      Wenn ja, seit wann ist Ihnen dies bekannt?

c.       Wenn ja, was wird dagegen unternommen?

12.   Mit welchen konkreten Maßnahmen stellt das Justizministerium sicher, dass die RichterInnen beim BVwG ihre Tätigkeit unabhängig und weisungsfrei ausüben können?

a.       Sind im Justizministerium Asylentscheidungen durch BVwG-Richterlnnen bekannt, welche nicht unabhängig und weisungsfrei getroffen wurden?

b.      Wenn ja, bitte um Auflistung nach Jahr und BVwG.

13.   Hat es bezugnehmend auf die oben erwähnten Behauptungen des BFA-Mitarbeiters bereits Gespräche zwischen Innen- und Justizministerium gegeben?

a.       Wenn ja, was war Inhalt dieser Gespräche?

b.      Wenn ja, wann fanden diese statt?

c.       Wenn ja, zwischen welchen Personen fand dieser Austausch statt?

d.      Wenn ja, welche Ergebnisse haben diese Gespräche gebracht?

e.      Wenn nein, warum nicht?

14.   Hat es bezugnehmend auf die oben erwähnten Behauptungen des BFA-Mitarbeiters Gespräche zwischen dem BFA und dem Justizministerium gegeben?

a.       Wenn ja, was war Inhalt dieser Gespräche?

b.      Wenn ja, wann fanden diese statt?

c.       Wenn ja, zwischen welchen Personen findet dieser Austausch statt?

d.      Wenn ja, was sind die Ergebnisse dieser Gespräche?

e.      Wenn nein, warum nicht?

15.   Halten Sie es für mit dem Ansehen des Rechtsstaats und der unabhängigen Justiz vereinbar, dass Bedienstete des BMI eine „Verschwörung" von RichterInnen und RechtsanwältInnen medial vermuten?

a.       Wenn nein, was gedenken Sie zu unternehmen, um die RichterInnen vor solchen Rufschädigungen zu schützen.

16.   Was werden Sie unternehmen, um das Ansehen des Rechtsstaats und der unabhängigen Justiz vor solchen Vorwürfen aus dem BMI in Zukunft zu schützen?

17.   Wie bewerten Sie, dass die unabhängige Justiz von Personen, die im Verantwortungsbereich Bundesministers Kickl tätig sind, derart angriffen wird und dadurch das Fehlen von Respekt und Achtung vor der unabhängigen Justiz zum Ausdruck gebracht wird?

18.   Vertreten Sie die Auffassung, dass es sich bei dem im Kurier-Artikel genannten "Herbert" möglicherweise um Herbert Kickl selbst handeln könnte?

19.   Was wird das Justizministerium aktiv gegen die im Kurier angeführten Behauptungen unternehmen?