591/J XXVI. GP
Eingelangt am 29.03.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen,
an den Bundesminister für Inneres
betreffend den OSZE-Endbericht zu den vorgezogenen Nationalratswahlen
vom 15. Oktober 2017 und die Umsetzung der Empfehlungen aus diesem Be-
richt.
Einer Einladung des österreichischen Bundesministeriums für Europa, Integration
und Äußeres folgend, entsandte das OSZE Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (OSZE/ODIHR) eine Wahlbewertungsmission (Election Assessment
Mission - EAM) zur vorgezogenen Nationalratswahl am 15. Oktober 2017.
Die Empfehlungen der OSZE reichen von mehr Transparenz bei den Entscheidungen und Protokollen der Wahlbehörden, einer Vereinfachung der Unterstützungserklärungen über effektivere Kontrolle der Wahlkampffinanzierung bis zu umfassender Berichterstattung in öffentlich-rechtlichen Medien und sicher absperrbaren Wahlurnen.
Ganz besonders wurde kritisiert, dass die Ausübung einer effektiven Kontrolle der Wahlkampfkosten unmöglich ist. Um eine effektive Kontrolle von Parteienfinanzierung und Wahlkampfausgaben zu gewährleisten, müsste der Rechnungshof Befugnisse zur Prüfung des Finanzgebarens politischer Parteien erhalten, entsprechend seiner Prüfungskompetenz gegenüber anderen öffentlich finanzierten Institutionen, und die zur Erfüllung dieser Aufgaben erforderlichen Ressourcen sollten bereitgestelltwerden. Ebenso müssten geeignete Sanktionsmöglichkeiten auf diesem Gebiet eingeführt werden. Auch die Präsidentin des Rechnungshofes führte im Rechnungshofausschuss des Nationalrates am 6.3.2018 aus, dass umfassende Transparenz in der Parteienfinanzierung nicht erreicht sei und Kontrollmöglichkeiten fehlten.
Im Regierungsprogramm 2017-2022 ist lediglich eine zusätzliche, vereinfachte Form der Briefwahl vorgesehen; die wichtigeren Vorschläge der OSZE aus der letzten Nationalratswahl bleiben unberücksichtigt. Aus diesem Grund richten die unterzeichnenden Abgeordneten an den Bundesminister für Inneres diese
Anfrage:
Zu jeder der im Folgenden unter a) bis p) aufgezählten 16 Empfehlungen der OSZE zu den vorgezogenen Nationalratswahlen vom 15. Oktober 2017 ergehen folgende drei Fragen:
1) Wird die jeweilige Empfehlung befolgt werden?
2) Wenn ja, in welcher Form, und wann ist mit der Umsetzung zu rechnen?
3) Wenn nein, weshalb nicht?
a) Der rechtliche Rahmen der Nationalratswahlordnung sollte auf bestehende Lücken und Mehrdeutigkeiten hin, sowie unter Berücksichtigung aktueller und früherer OSZE/ODIHR Empfehlungen überprüft werden. Reformen sollten rechtzeitig vor den nächsten Wahlen umgesetzt werden und auf einem offenen Austausch mit allen relevanten Akteuren basieren.
b) Die österreichische Wahlgesetzgebung sollte dahingehend geändert werden, dass diese die Wahlbeobachtung durch Bürgerinnen und Bürger erlaubt, um umfassende Konformität mit Absatz 8 des Kopenhagener Dokuments der OSZE von 1990 herzustellen.
c) Entscheidungen und Protokolle der Wahlbehörden sollten öffentlich gemacht und die Ergebnisse der Wahllokale angeschlagen oder auf andere Weise der Öffentlichkeit zugängig gemacht werden. Entscheidungen des Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senats (UPTS) sollten immer veröffentlicht werden. Medienvertreterinnen und Medienvertretern sollte der Zugang zu offiziellen Dokumenten ermöglicht werden. -- Zur Stärkung der Transparenz sollten Sitzungsprotokolle und Entscheidungen der Wahlbehörden aller Ebenen veröffentlicht werden. Auch die Möglichkeit, Sitzungen öffentlich abzuhalten, sollte in Betracht gezogen werden.
d) Um die Unbefangenheit der Wahladministration zu bewahren und Interessenskonflikten vorzubeugen, sollten Kandidatinnen und Kandidaten sowie aktive Nationalratsabgeordnete von der Mitgliedschaft in Wahlbehörden ausgeschlossen werden. Es sollten auch weitere Maßnahmen überlegt werden um sicherzustellen, dass die Mitglieder der Sprengelwahlbehörden von mehr als einer politischen Partei gestellt werden.
e) Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils in den Wahlbehörden, auch in Führungspositionen, sollten erwogen werden. Zum Beispiel könnten politische Parteien aufgefordert werden, bei der Entsendung von Personen in die Wahlbehörden jeweils Mindestprozentsätze für Frauen und Männern zu erfüllen. Darüber hinaus sollten Daten über die Zusammensetzung der Wahlbehörden aller Ebenen nach Geschlecht gesammelt und veröffentlicht werden.
f) Eine Änderung des Verfahrens zur Abgabe der Unterstützungserklärungen sollte angedacht werden. Insbesondere sollten Wählerinnen und Wähler berechtig sein, Unterstützungserklärungen außerhalb ihrer Heimatgemeinde und für mehr als eine Liste abzugeben. Die Identitätsfeststellung bei der Unterstützung einer bestimmten wahlwerbenden Gruppe kann besonders in kleinen Gemeinden Unterstützer davon abhalten, eine entsprechende Erklärung abzugeben und damit ihre politische Überzeugung mehr oder weniger öffentlich zu deklarieren.
g) Der Höchstrahmen für die Wahlkampffinanzierung kann durch die Beteiligung von Dritten, die im Wahlkampf entweder für oder gegen einen Wahlwerber auftreten, umgangen werden. Die Tatsache, dass Dritte nicht zur Finanzberichterstattung oder Offenlegung von Finanzquellen und Ausgaben verpflichtet sind, untergräbt die Transparenz der Wahlkampffinanzierung und die Wirkungskraft der Höchstrahmen. In Betracht gezogen werden sollten die Reglementierung von Krediten und der Finanzierung von Dritten, einschließlich durch mit Meinungs- und Versammlungsfreiheit konformen Offenlegungspflichten.
h) Spenden von mehr als 50.000 EUR sind dem Rechnungshof unverzüglich zu melden; der Rechnungshof veröffentlich die Meldungen dann auf seiner Internetseite. Allerdings ist die Form der Berichtslegung nicht gesetzlich geregelt und der Rechnungshof ist auch nicht zur Vorgabe eines verpflichtenden Formats ermächtigt. Das Fehlen detaillierter und umfassender Rechenschaftsberichte verhindert eine Beurteilung der Einhaltung des PartG durch die Parteien. Da keine zeitnahen Berichte über Wahlkampfspenden und -ausgaben verfügbar sind, ist es den Wählerinnen und Wählern auch nicht möglich, diesbezügliche Überlegungen in ihre Wahlentscheidung einfließen zu lassen. -- Verpflichtende Berichte zur Wahlkampffinanzierung, die vor der Wahl vorläufige Angaben zu Einnahmen und Ausgaben der wahlwerbenden Parteien bieten, würden zu mehr Transparenz beitragen und es den Wählerinnen und Wählern erlauben, auf Basis besserer Informationen zu entscheiden. Die folgenden jährlichen Rechenschaftsberichte könnten dann umfassende und nach einzelnen Posten aufgeschlüsselte Angaben zu den Finanzen beinhalten. Ebenso könnte eine Ausweitung der jährlichen Berichtspflicht auf Parlamentsklubs und Vorfeldorganisationen erwogen werden.
i) Das Prüfungsmandat des Rechnungshofes ist gemäß PartG auf die Kontrolle der jährlichen Berichte auf Basis der vorgelegten Informationen beschränkt und umfasst keine Befugnis zu prüfen, ob die Angaben vollständig und wahrheitsgetreu sind. Die Kontrollinstanz kann, da etwa die Möglichkeit fehlt, in die Bücher, Aufzeichnungen und Belege Einsicht zu nehmen, kein vollständiges Bild der Finanzgebarung einer Partei erlangen, wodurch die Ausübung einer effektiven Kontrollfunktion unmöglich ist. Dieser Kontrollmechanismus entspricht daher nicht den internationalen Standards und bewährten Verfahrensweisen. Um eine effektive Kontrolle von Parteienfinanzierung und Wahlkampfausgaben zu gewährleisten, sollte der Rechnungshof Befugnisse zur Prüfung des Finanzgebarens politischer Parteien erhalten, entsprechend seiner Prüfungskompetenz gegenüber anderen öffentlich finanzierten Institutionen, und die zur Erfüllung dieser Aufgaben erforderlichen Ressourcen sollten bereitgestellt werden.
j) Die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten sind nicht zur Verhinderung von Verstößen oder zur Rechtsdurchsetzung geeignet. Insbesondere stellt das Fehlen von Sanktionen gegen Parteien, die ihre jährlichen Rechenschaftsberichte nicht oder verspätet vorlegen, eine erhebliche Lücke dar. Sowohl der Rechnungshof als auch der UPTS haben auf Unzulänglichkeiten im Geltungsbereich des PartG hingewiesen. In Betracht gezogen werden sollte eine Gesetzesänderung, um verhältnismäßige, effektive und abschreckende Sanktionen bei Verstößen gegen Bestimmungen zur Wahlkampffinanzierung einzuführen, basierend auf einer klaren und angemessenen Auflistung der zu ahndenden Unregelmäßigkeiten, geltend für alle Wahlwerber sowie für dritte Akteure.
k) Strafrechtliche Bestimmungen bezüglich übler Nachrede und Beleidigung sollten annulliert werden und Maßnahmen aus dem Bereich des Zivilrechts, die der Wiederherstellung des beschädigten Rufs dienen, sollten bevorzugt werden.
I) Parteien, die nicht im Parlament vertreten sind sowie neu gegründete Listen waren von der Teilnahme an Fernsehdebatten ausgeschlossen. So konnte etwa die Liste Peter Pilz nicht an den ORF Fernsehdebatten, sehr wohl aber an den Gesprächsrunden, die von privaten Sendern organisiert wurden, teilnehmen. Der ORF begründete den Ausschluss nicht im Parlament vertretener Parteien und freier Mandatare mit Verweis auf eine im Jahr 1994 getroffene und seither während aller Nationalratswahlen angewandte Entscheidung. -- Die gegenwärtige Vorgehensweise des ORF sollte, unter Berücksichtigung der Verantwortung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, breite und ausgewogene Wahlberichterstattung sicherzustellen, überdacht werden, um allen wahlwerbenden Parteien gleichberechtigten Zugang zu Fernsehdebatten und anderer Wahlberichterstattung zu ermöglichen.
m) Um früheren OSZE/ODIHR Empfehlungen zu entsprechen und um den Zugang aller Bürgerinnen und Bürger zu wirkungsvollen Beschwerdeverfahren sicherzustellen, sollten Maßnahmen überlegt werden, die eine Regelung verschiedenster Wahldispute, darunter auch solcher, die das Recht auf Kandidatur betreffen, vor dem Wahltag zu ermöglichen.
n) Manche der Wahlurnen in den von der OSZE besuchten Wahllokalen verfügten nicht über manipulationssichere Schlösser oder Siegel. Die eingehenden Wahlkarten wurden von den Wahlkommissionen nicht dokumentiert und in einigen Fällen wurden sie auch nicht an einem sicheren Ort aufbewahrt. Die Ergebnisse der jeweiligen Wahllokale wurden nicht öffentlich angeschlagen. -- Weitere Sicherheitsmaßnahmen für den Wahltag, wie die Verpflichtung zum Verschluss der Wahlurnen mit manipulationssicheren Siegeln und die Dokumentation und sichere Aufbewahrung der Wahlkarten (Briefwahl), sollten überlegt werden.
0) Um den Zugang von Menschen mit Beeinträchtigung zu allen Phasen des Wahlprozesses zu verbessern, könnten weitere Maßnahmen, etwa Wahlkampfmaterialien betreffend, überlegt werden.
p) Der Wahlkalender könnte dahingehend abgeändert werden, dass eine rechtzeitige Ankunft der Briefwahlkarten aus dem Ausland sichergestellt ist.
Zusätzlich werden folgende Fragen gestellt:
2014 wurde § 1 Abs. 2 der Nationalrats-Wahlordnung 1992 (NRWO) dahingehend novelliert, dass seitdem der Stichtag für die Nationalratswahl zwingend am 82. Tag vor dem Wahltag liegt. Dadurch kommt es zu einer unnötigen Ausdehnung der ineffektiven Zeit einer Übergangsregierung und des Zeitraums sowie der Kosten des Wahlkampfes.
q) Ist eine Gesetzesvorlage zur Änderung der NRWO vorgesehen, welche es ermöglicht, den Wahlkampf und die politisch ineffiziente Zeit einer geschäftsführenden Regierung zu verkürzen?
Im Ö1-Mittagsjournal (12:00) vom 09.02.2018 hat der Geschäftsführende Klubobmann der FPÖ im NR, Mag. Gudenus, zum Thema Parteien- und Wahlkampffinanzierung gesagt: „.... regen wir auch eine Abhaltung einer parlamentarischen Enquete zum Thema an, wo alle Parteien eingebunden sind, wo Experten eingebunden sind, wo auch die Frau Rechnungshof-Präsidentin eingebunden ist, um das Thema eingehend diskutieren zu können.“
r) Wurden dazu bereits aus Ihrem Ministerium Meinungen eingeholt oder Experten befragt? Gibt es aus Ihrer Sicht Vorbereitungen für eine solche Enquete?