11.22

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Dr. Georg Mayer, MBL-HSG (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Zuhörer im Haus und außerhalb des Hauses! Mir läuft es immer ein bissl kalt den Rücken hinunter, wenn ich höre: Europa zerstören; aber das ist natürlich eine hermeneutische Deutung von euch, weil euch einfach auch ein bissl das Wissen fehlt, denke ich (Abg. Meinl-Reisinger: Oh! Erklären Sie es mir, bitte! – Zwischenruf bei der SPÖ), da tiefer in die Sache zu gehen. Deswegen wirft man vor, dass Europa zerstört wird. Aber was heißt denn das? – Ich meine, niemand ist so dämlich, zu sagen: Wir fordern, Europa zu zerstören! Eines ist aber auch klar: Europa ist nicht die Europäische Union, und die Europäische Union ist nicht Europa; das ist ein bissl mehr. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Silberstein-Methoden sind wir von den Sozialisten aber gewohnt. Kollege Schieder hat gerade vorhin gesagt, Vilimsky will aus der Europäischen Union austreten – so verschafft man sich natürlich Gehör. (Abg. Schieder: Aber stimmt’s oder stimmt’s nicht?) Das machen aber auch die NEOS mit dem Titel, den sie heute gewählt haben: Brexit als Chance für eine Neugründung Europas. (Abg. Schieder: Hallo!) – Hören Sie zu, Herr Kollege Schieder, da lernen Sie vielleicht noch etwas! (Abg. Schieder: Na, aber warum ...? – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Aus dem Blickwinkel von NEOS verstehe ich natürlich, dass man sich ein bissl Aufmerksamkeit verschaffen muss, allerdings wissen wir seit Montag, was das auf NEOS-Seite bedeutet: Das bedeutet nämlich die Vereinigten Staaten von Europa, das bedeutet die Abschaffung der Neutralität, das bedeutet ein EU-Heer, das auf der einen Seite die Amerikaner als Feind sieht (Ruf bei der ÖVP: ... Wahlprogramm!) und auf der anderen die Russen. – Na gratuliere, also das nenne ich nicht gerade eine frieden­stiftende Maßnahme! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist bedauerlich, und da stimmen wir mit ein, dass die Briten diese Union verlassen, weil die Briten immer auch ein bisschen ein Korrektiv waren, wenn es darum ging, nicht jeden Unsinn mitzumachen, der vonseiten der Union kam. Dieser Volksentscheid ist aber zu respektieren, geschätzte Kollegen, und die Frage ist immer: Was passiert denn, wenn eine zweite Abstimmung stattfindet? Was passiert denn, wenn die Briten wieder Nein sagen? – Dann sind wir so gescheit wie jetzt.

Dies ist auf jeden Fall zu akzeptieren, und ich kann Ihnen ein Geheimnis verraten: Die Insel wird nicht untergehen. Das war nämlich im Europaparlament auch eine Zeit lang Thema: Um Gottes willen, die verlassen die Union, jetzt wird diese Insel wahrscheinlich untergehen! – Sie wird es nicht tun, da bin ich mir ziemlich sicher, aber es ist not­wendig, einen geordneten Austritt der Briten zu organisieren. Ich denke, da sind wir uns einig, denn es kann für keinen von Vorteil sein – das ist wie bei einer Scheidung –, dass es einen ungeordneten Austritt gibt. Davor warnen wir, das hat Nachteile für beide Seiten.

Ich habe heute aber wieder neue Aspekte gehört, ich habe das zunächst gar nicht geglaubt, wir haben das in einer Gruppe besprochen, da wurde behauptet, die Popu­listen – und in diesem Fall nehme ich an, Sie meinen uns damit –, die bösen Populis­ten sind daran schuld, dass die Briten austreten. – Also das ist mir bitte ganz neu! Da bedarf es schon einer sehr naiven politischen Fantasie, dass man jetzt also den bösen Populisten die Schuld am Austritt Großbritanniens gibt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mir ist das aber ein bissl zu wenig, was die Sozialisten hier bieten, nämlich einen Austausch von Schuldzuweisungen. Der Austritt der Briten ist tatsächlich eine Chance, da haben die NEOS in einer Sache recht, und diese Chance sollte man nutzen. Das Votum der Briten, das ist auch klar, war ein eindeutiges Misstrauensvotum der ältesten Demokratie in Europa, der zweitgrößten Volkswirtschaft in der Union gegenüber dieser Europäischen Union, und das müssen wir zur Kenntnis nehmen.

Jetzt gibt es die Chance, Dinge zu verändern, in der Union in einer neuen Qualität zu diskutieren, wie es weitergehen soll, und nicht eine – wie wir es ja auch von vielen Seiten hören – ever closer union voranzutreiben, denn das kann am Ende nicht die Lösung sein, das kann für uns auf jeden Fall nicht die Lösung sein.

Was passiert denn jetzt wieder im Europaparlament? – Wir verhandeln gerade das neue Budget. Was hören wir dort wieder? – Es soll wieder eine Budgetauffettung erfolgen. Was heißt das? – 27 Mitgliedstaaten – einer hat die Union verlassen – brauchen jetzt also mehr Budget, als 28 gebraucht haben?! Liebe Kollegen, das wird es mit uns nicht geben, und das ist freiheitliche Politik! (Beifall bei der FPÖ.)

Kontraproduktiv ist auch das Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn und gegen Polen. Das halte ich für kontraproduktiv; Kollege Karas hat da mitgestimmt. Ist das ein Weg, wie wir mit all den Mitgliedstaaten in einen neuen Dialog eintreten können? – Ich sage Nein.

Ziel muss es sein – und das ist unser Ziel, das ist aber auch das Ziel dieser öster­reichischen Bundesregierung –, eine schlanke Union zu schaffen. Die Lösung liegt auf dem Tisch, da muss man nicht besonders lange suchen; es ist nicht die NEOS-Lösung, Gott sei Dank, sondern es ist das Szenario 4, das lautet: „Weniger, aber“ dort, wo man zusammenarbeitet, „effizienter“. Das ist die Lösung und so soll es gehen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.27

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Peter Pilz. – Bitte. (Abg. Martin Graf: ... auch schon EU-Abgeordneter? – Ruf bei der FPÖ: In Brüssel gibt es keine Gemeindebauwohnung!)