1616/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 19.05.2021
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Reformpaket Eigenkapital: mehr Spielraum und Resilienz für österreichische Unternehmen

Die Pandemie hat uns mehrere Dinge schmerzhaft vor Augen geführt: Die strukturellen Defizite in unserem Land. Dass wir aus unseren Fehlern endlich lernen müssen. Und dass veraltete Muster keine Basis für das Überstehen einer solche Krise bieten und uns aufhalten, nach vorne zu kommen. Daher braucht es einen echten Neustart. Wie durch ein Brennglas sehen wir nun, wo unsere Schwächen liegen, wo wir an unsere Grenzen gestoßen sind, was man besser machen kann - und soll.

 

Baustelle Eigenkapital: jahrzehntealte Reformvorhaben in der Warteschleife

Wer die Regierungsprogramme der letzten Jahre liest, wird feststellen, dass darin immer wieder die Stärkung der Eigenkapitalsituation der österreichischen Unternehmen als Ziel formuliert wird. Der Zugang zu liquiden Finanzmärkten zur Neuaufnahme von Aktien oder Beteiligungskapital ist gerade für KMU und Startups wegen des kaum existenten Kapitalmarktes in Österreich mit höheren Hürden verbunden. Unternehmen haben somit nur wenige Alternativen zur Finanzierung durch Kreditinstitute. Daher bemühten sich sämtliche Regierungen seit 2008 in diesem Bereich Verbesserungen anzukündigen. Der richtigen Diagnose, dass ein funktionierender Markt für Risiko- und Beteiligungskapital entscheidend für Innovations- und Wachstumsfinanzierungen ist, folgte jedoch eine mehr als mangelhaften Umsetzung. Während in Österreich Stillstand herrschte, haben kleine wie große Staaten in Europa große Reformen hinter sich gebracht, haben ihren Wirtschaftsstandort modernisiert und sind auch damit zu digitalen Vorreitern in der EU und weltweit geworden. In vielen europäischen Ländern gibt es zum Beispiel seit Jahrzehnten einen adäquaten Rechtsrahmen für Risikokapitalfonds für Unternehmen und Investoren, zum Beispiel in Luxemburg eine SICAV und SICAR. In Österreich fehlen solche Möglichkeiten nach wie vor - das bestehende Mittelstandsfinanzierungsgesellschaftengesetz 2017 (in Fortsetzung des Mittelstandsfinanzierungsgesellschaftengesetz 2007) wird als impraktikabel und nicht den internationalen Standards entsprechend kritisiert. Die anhaltende Untätigkeit trotz wiederkehrender Versprechungen bremst die Entwicklungsmöglichkeiten heimischer Unternehmer_innen und lassen den österreichischen Wirtschaftsstandort für ausländische Investoren zunehmend unattraktiv erscheinen. Die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort hielt in einer Anfragebeantwortung (5336/AB), wie auch in der Pressekonferenz zur Standortstrategie 2040 fest, dass Österreich in den Jahren nach der großen Wirtschaftskrise 2011 einen Wachstumsrückstand zu vergleichbaren Volkswirtschaften in Europa aufgebaut hat. Im KMU Bericht 2020 der Bundesregierung werden wiederum die ungeschönten Zahlen zum unterentwickelten Private-Equity- und Risikokapitalmarkt in Österreich klar ausgewiesen: dieser ist nur 1/20 so groß wie im EU-Schnitt, die Spitzenpositionen noch viel weiter davon entfernt. Es gibt somit klare und anhaltende Evidenz für regulatorischen Aufholbedarf - ein weiteres Dahindümpeln können wir uns nicht mehr leisten!

 

Covid-19-Krise verschlimmert bestehende Eigenkapitalsituation - neue Versprechen allein schaffen keine Abhilfe!

Eine der tiefsten Rezessionen seit Jahrzehnten war die Folge der Covid-19-Pandemie und der langen Lockdowns. Die Wertschöpfung in Österreich ist stark zurückgegangen und zahlreiche Unternehmen in Österreich mussten schwere Verluste hinnehmen, die Liquiditätsreserven sind daher stark geschrumpft. Die Höhe der Eigenkapitalquote bestimmt maßgeblich, wie robust die Finanzierungsstruktur und damit die Widerstandsfähigkeit eines Unternehmens ist. Österreichische KMU verfügten schon davor - mit im Schnitt 33% - über eher niedrige Eigenkapitalstände. Gezielter Anreize, um die Eigenkapitalisierung und damit die Krisenfestigkeit der heimischen Wirtschaft langfristig und nachhaltig zu erhöhen, wären notwendig gewesen. Am 16. Juni 2020 hat die Bundesregierung die Einführung von Maßnahmen zur Stärkung des Eigenkapitals im Ministerrat beschlossen - konkrete Vorschläge wurden seither nicht präsentiert. Neue Finanzierungsmodelle für kleinere und mittlere Betriebe, die über die letzten Jahrzehnte einen Großteil der Steuerlast in Österreich getragen haben, wären ebenfalls erforderlich gewesen. Mit Krediten allein werden unsere Unternehmen ihre Engpässe nicht überbrücken können. Die Einführung eines KMU Equity Fonds wurde nicht nur schon mehrfach von Neos vorgeschlagen. Frau Bundesministerin Schramböck hat einen 500 Mio. Euro Fonds selbst am 10. Juli 2020 angekündigt. Mit einem solchen Beteiligungsfonds hätte eine Möglichkeiten eingeführt werden sollen, an sich gesunde, angesichts der Krise aber in Not geratene Unternehmen, nachhaltig zu stützen. Erneut blieb es dabei - den bekannten Problemen wurden wieder nur Ankündigungen entgegengestellt. Weder aus einem zu erwartenden Krisenmanagement noch aus einer situationsbedingt zügigeren Umsetzung des eigenen Regierungsprogramms heraus wurden in diesem Bereich bisher Umsetzungsschritte vorgenommen. Krise hin oder her: Reformen sind weiterhin nicht in Sicht - der Druck auf die Unternehmer_innen wächst weiter.

 

Endlich neue Instrumente für Unternehmer_innen in Österreich statt verstaatlicher Zombifizierung

Unternehmen tragen in Österreich einen schweren Schuldenrucksack, der durch die Pandemie und die Ausgestaltung der Wirtschaftshilfen der Bundesregierung bei vielen Unternehmer_innen deutlich angewachsen ist. Dies ergibt sich daraus, dass der überwiegende Teil der Wirtschaftshilfen in Österreich schuldenbasiert ist und auf Steuerstundungen und Garantien beruht. Viele Unternehmen drohen unter dem Gewicht dieser Last zusammenzubrechen. Zahlreiche Expert_innen sehen eine Insolvenzwelle auf Österreich zukommen. Neben der Vermeidung des Scheitern von Unternehmen und des damit einhergehenden Verlustes von Arbeitsplätzen ist auch der Aspekt des Verfalls von Forderungen der öffentlichen Hand Teil der öffentlichen Diskussion. Statt eine umfassende Reform voranzubringen, die die Möglichkeiten frischer Eigenkapitalbeschaffung durch Unternehmen deutlich ausbauen würde, wird laut über eine Umwandlung der offenen Beträge in Anteile des Staates nachgedacht. Die ohnehin bereits konservierende Wirkung der Covid-19-Wirtschaftshilfen würde zu einer anhaltenden Zombifizierung zahlloser Unternehmen in Österreich führen. Der Staat wäre dann an vielen Betrieben beteiligt, wäre also mit einem Schlag Miteigentümer vieler Geschäfte, Bars, Hotels und vieles mehr. Die bloße Größe dieses Beteiligungshaufens lässt für sich allein schon berechtigte Zweifel über eine sachgemäße Bewertung und des darauf aufbauenden, zukunftsgerichteten Umgangs damit aufkommen. Jüngste Schlagzeilen rund um Staatsbeteiligungen erwecken kein zusätzliches Vertrauen in die Kompetenz des Staates, ein solch gewaltiges Beteiligungsmangement annähernd sachgemäß bearbeiten zu können. Absurd wird es dann, wenn die Bundesregierungen gleichzeitig ihre Möglichkeiten nicht nutzt und im Rahmen der aktuellen Insolvenzrechtsreform solche Debt-Equity-Swaps für Private nicht vorsieht. Es erscheint recht eigenartig, dem Staat diese Lösung allein zu geben - ganz zu schweigen von der Vermessenheit hinsichtlich offensichtlicher Kompetenzunterschiede zwischen staatlichen und privaten Beteiligungsmanagement. Die Bundesregierung sollte sich somit rasch an die Umsetzung des eigenen Regierungsprogramms setzen. Wie auch durch die Vorgängerregierungen richtig beurteilt, bedarf es rasch neuer, eigenkapitalfördernder Instrumente für Unternehmen in Österreich statt simpler Beteiligungsfantasien.

 

Umfassendes Reformpaket für mehr Eigenkapital: Handeln statt jahrelanges Ankündigen

Um die aktuelle Liquiditätsprobleme der Unternehmen in Österreich sowie die bestehenden strukturellen Schwächen und Fehlanreize zu beheben ist ein Bündel an Maßnahmen nötig. Für eine rasche und unkomplizierte Überwindung pandemiebedingter Eigenkapitalengpässe sollte die Bundesregierung zunächst alles unternehmen, damit die ausstehenden Auszahlungen aus dem Epidemiegesetz endlich vollständig erledigt werden. Die bisherigen Verzögerungen mit gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen Bund und Ländern sind nicht nur einem verantwortungsbewussten Krisenmanagements sondern vor allem einem ordentlichen Rechtsstaat unwürdig. Durch eine Ausweitung des Verlustrücktrages auf zumindest drei Jahre sowie eine Lockerung des aktuellen Deckels sollen Unternehmen weiters einen größeren Liquiditätspuffer in der aktuellen Phase wieder aufbauen können. Abgerundet sollte das dann durch die Einführung eines neuen Hilfsinstruments (Verlustkompensation) werden, das, aufbauend auf das Kieler Modell und aus den vergangenen Fehlern lernend, für rasche, einheitliche und transparente Unterstützung zur weiteren Bewältigung der aktuellen, wie auch zukünftiger Wirtschaftskrisen sorgen soll.

Es braucht aber auch Maßnahmen und neuer, rechtlicher Rahmenbedingungen, um sicherzustellen, dass Unternehmen in Österreich den über die Krise immer größer gewordenen Schuldenrucksack abbauen können. Statt den Staat als Gesellschafter in zahllosen Betrieben ins Boot zu holen, sollten den Unternehmer_innen neue Möglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, um die eigene Finanzierung sicherzustellen. Es braucht einen Investitionsturbo statt eines staatlichen Beteiligungsankers. Durch gezielte Mobilisierung von privatem Kapital soll die bestehende pandemiebedingte Unsicherheit überwunden und Beteiligungen in österreichische Unternehmen attraktiver gemacht werden. Durch ihre gute Bonität kann die Republik einen KMU-Fonds dotieren, der privaten Beteiligungsfonds und -investoren einen Teil ihrer Risiken abdeckt (Analog zum VC Fonds). Am Anfang wäre eine Risikoabdeckung von bis zu 50% möglich, die dann graduell abgesenkt werden würde. Dafür würde es wie üblich Haftungsentgelte geben, die mit der Haftungshöhe mit der Zeit abschmelzen. Weil die Verzinsung österreichischer Anleihen aktuell extrem gering ist, ist das insgesamt mit weniger Kosten verbunden, als wenn der Bund nun anfängt, selbst Fondsmanager und Beteiligungsmanager zu sein. Durch solche gezielten Anreize sollen private Investoren angelockt werden (crowding in). Im Ergebnis hätten die Unternehmen mehr Eigenkapital mit deutlich geringerem Einsatz von Steuergeld. Begleitend sollten auch Möglichkeiten zur Stärkung des Mezzaninkapitals geschaffen werden. Ähnlich dem Eigenkapital werden diese Instrumente im Falle einer Unternehmenspleite nachrangig bedient. Das führt zu einer höheren Rendite als bei Fremdkapital. Allerdings sind mit Mezzaninkapital zumeist keine Stimm- oder Mitspracherechte verbunden, was es wiederum von Eigenkapital unterscheidet. Essentiell ist, dass das Kapital als Eigenkapital bilanziert wird und somit die Robustheit der Unternehmen stärkt. Durch diese Art des Kapitals kann auch der Staat die notwendigen Eigenkapitalmittel zur Verfügung stellen, ohne die erwähnten Nachteile der Staatsbeteiligung zu riskieren. Zusätzlich können sich nicht nur der Staat, sondern auch private Bürger_innen am Unternehmen beteiligen und eine Rendite generieren.

Schließlich braucht es eine umfassende Modernisierung, um den Private-Equity Markt in Österreich weiterzuentwickeln, den aufgebauten internationalen Rückstand des Wirtschaftsstandortes Österreich endlich aufzuholen und Österreichs Unternehmer_innen den nötigen Zugang zu Finanzierungs- bzw. Beteiligungsinstrumenten zu geben. Durch internationalen Standards entsprechende Beteiligungsgesellschaften würden zusätzlich nationale wie internationale Kapitalgeber angezogen werden, die dazu beigetragen, eine Abwanderung von Schlüsselkräften und innovativen Unternehmen zu vermeiden. Österreich würde als attraktiver Fondsstandort etabliert und damit ein wichtiger Impuls für den österreichischen Kapitalmarkt gesetzt werden. Durch solche neuen Gesellschaftsformen sollen aber auch Anreize gesetzt werden, damit Unternehmer_innen, institutionelle Anleger aber auch Private vermehrt in österreichische Unternehmen investieren. Eine Modernisierung sollte ebenfalls eine erleichterte Anteilsübernahme vorsehen, insbesondere was Mitarbeiterbeteiligungen angeht. Mitarbeiterbeteiligung hat sich zum Beispiel gerade im Start-up Bereich als probates Mittel erwiesen, um die besten Köpfe zu gewinnen, zu halten und zu Bestleistungen zu motivieren. Solche flexiblen und moderneren Gesellschaftsstrukturen sind ein wichtiges Instrument für neue Unternehmer_innen wie für Investoren.

Es ist an der Zeit, eine breite Modernisierung rasch voranzubringen, den heimischen Betrieben neue Instrumente zur Bewältigung der Krise zur Verfügung zu stellen und neuen Unternehmertum in Österreich endlich zu beflügeln. Ein umfassendes Reformpaket zur Stärkung des Eigenkapitals sollte daher umgehend erarbeitet und möglichst rasch umgesetzt werden!

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, umgehend ein umfassendes Reformpaket zur Stärkung des Eigenkapitals gemeinsam mit Expert_innen, Unternehmer_innen und anderen betroffenen Stakeholdern auszuarbeiten und möglichst rasch dem Parlament vorzulegen. In einem solchen Paket sollten jedenfalls ein KMU-Fonds, eine Stärkung des Mezzaninkapitals, die Einführung neuer, internationaler Standards entsprechender Beteiligungsgesellschaften sowie moderner Bestimmungen für eine erleichterte Anteilsübernahme, insbesondere in Form von Mitarbeiterbeteiligungen, enthalten sein."

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Finanzausschuss vorgeschlagen.