2473/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 27.04.2022
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Niederschwelliger Zugang zu medizinischer Versorgung für Überlebende sexualisierter Gewalt im Ukraine-Krieg

 

Nach rund zwei Monaten Krieg in der Ukraine häufen sich Berichte über gezielte sexualisierte Gewalt und Massenvergewaltigungen ukrainischer Frauen durch russische Soldaten. Sexualisierte Gewalt, insbesondere Vergewaltigung, ist eine häufige Begleiterscheinung militärischer Auseinandersetzungen. Der Bosnien-Krieg mit seinen eigens eingerichteten Lagern zur sexuellen Folter von Frauen oder der Genozid in Ruanda in den 1990er Jahren sind nur einige wenige Beispiele aus der jüngeren Geschichte für zielgerichtete, brutalste sexualisierte Gewalt v.a. gegen Frauen. Auch wenn sexualisierte Gewalt sich im Krieg prinzipiell auch gegen Kinder und Männer richtet, zielt der Großteil sexualisierter Gewalt auf Frauen ab. Sie werden stunden- oder tagelang vergewaltigt, häufig vor den Augen der Familie, sie werden verstümmelt, gezielt mit Krankheiten angesteckt und geschwängert. Auch Frauen im hohen Alter oder Schwangere werden nicht verschont, im Gegenteil. "Neben der Verletzung, Demütigung und Entwürdigung der Frauen ist dann das Ziel, die gegnerische Kriegspartei zu erniedrigen und das soziale Gefüge zu zerstören. Die Gewalt ist darüber hinaus ein Symbol der Erniedrigung des Gegners, der "seine" Frauen nicht schützen könne", so Frauenrechtlerin Sara Fremberg.1 Für den Konfliktforscher Robert Nagel erfüllen die von Betroffenen geschilderten Vergewaltigungen außerdem Einzelmerkmale von Völkermord ("Wir werden dich so sehr vergewaltigen, dass dich kein ukrainischer Mann je wieder anfasst!").2

Immer mehr solcher Berichte erreichen uns aktuell aus der Ukraine. Die russische Armee hat bereits in der Vergangenheit im Tschetschenienkrieg und bei der Annexion der Krim bewiesen, dass sexualisierte Gewalt zu ihrem Kriegsrepertoire gehört. Als besonders problematisch werden syrische und tschetschenische Söldnertruppen innerhalb der russischen Armee eingeschätzt - sie kommen aus Kriegsschauplätzen, an denen massive sexualisierte Gewalt ausgeübt wurde. Aber auch innerhalb des russischen Militärs selbst haben Berichte über sexuelle Misshandlungen als eine Art Aufnahmeritus über die letzten Jahre zugenommen. Durch den Zusammenbruch des sozialen Gefüges und den Wegfall der gängigen Schutzmechanismen werden außerdem auch Polizisten, Zivilisten und Personal von Hilfsorganisationen zu Tätern sexualisierter Gewalt.

Der Großteil der in Österreich ankommenden Geflüchteten aus der Ukraine sind Frauen. Es ist daher davon auszugehen, dass sich unter den Geflüchteten Überlebende sexualisierter Gewalt befinden. Insbesondere Frauen, die nach Vergewaltigung(en) von ihren Peinigern schwanger wurden, stehen unter besonders hohem Leidensdruck und benötigen die volle Unterstützung beim Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen. Seit Anfang März hätten sich bei der Organisation Abortion Without Borders bereits 200 betroffene Ukrainerinnen gemeldet. In ihrer Heimat hätten sie problemlos bis zur zwölften Woche einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen können, in konservativen Aufnahmeländern wie Polen stehen sie jedoch restriktiven Abtreibungsgesetzen gegenüber, die eine Abtreibung selbst nach einer Vergewaltigung so gut wie verunmöglichen.3 Die Bundesregierung und insbesondere Frauenministerin Raab setzen sich bereits für den Schutz und die Unterstützung von Frauen und Mädchen ein, die von Gewaltformen wie z.B. Genitalverstümmelung betroffen sind. Genauso ist es notwendig, für vergewaltigte ukrainische Frauen den raschen und kostenlosen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen zu gewährleisten. Darüber hinaus muss die niederschwellige medizinische Versorgung und psychische Betreuung speziell für Überlebende von sexualisierter Gewalt in ganz Österreich gewährleistet werden.

 

1 https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_92018448/gewalt-an-frauen-im-ukraine-krieg-zieh-dich-aus-oder-ich-erschiesse-dich-.html

2 https://www.tagesschau.de/ausland/europa/vergewaltigung-kriegswaffe-101.html;

3 https://www.derstandard.at/story/2000135094147/wenn-vergewaltigung-erst-der-anfang-ist

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien, werden aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die aus der Ukraine geflüchteten Frauen, die Überlebende sexualisierter Kriegsgewalt sind, in Österreich eine umfassende medizinische Versorgung erhalten. Ein besonderes Augenmerk muss auf dem bundesweiten, niederschwelligen und raschen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen für Frauen liegen, die nach Vergewaltigungen schwanger wurden, genauso wie auf dem Zugang zu spezifischer psychischer Betreuung für Überlebende sexualisierter Gewalt und deren Angehörige."

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gesundheitsausschuss vorgeschlagen.