47/BI XXVII. GP

Eingebracht am 15.09.2022
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bürgerinitiative


 

 

An die

Parlamentsdirektion
Dr. Karl Renner-Ring 3
A-1017 Wien

Wien, 15.9.2022

Parlamentarische Bürgerinitiative

betreffend „Wiedereinführung der Wertsicherung bei der Arbeitslosenversicherung"

Seitens der EinbringerInnen wird das Vorliegen einer Bundeskompetenz in folgender Hinsicht angenommen: Sozialversicherung / Arbeitslosenversicherung.

Dieses Anliegen wurde bis zur Einbringung im Nationalrat von 650 BürgerInnen mit ihrer Unter­schrift unterstützt.

Anliegen:

Der Nationalrat wird ersucht,

eine sofortige und nachhaltige Wiedereinführung der VALORISIERUNG von Leistungen der Ar­beitslosenversicherung (Arbeitslosengeld, Notstandhilfe, Pensionsvorschuss ...) zu beschließen. Dies soll bedeuten, dass so wie bei allen anderen Sozialversicherungsleistungen auch, wieder eine automatische Anpassung der Bezüge der Arbeitslosenversicherung an die jährliche Steigerung der Lebenskosten (Inflation) statt findet. Konsequenterweise soll auch der Be­messungsgrundlagenschutz nach § 21 Absatz 8 AIVG valorisiert werden.

Begründung:

Die Arbeitslosenversicherung und ihre Umsetzung ist im wesentlichen durch das Arbeitslosen­versicherungsgesetz (AIVG), das Arbeitsmarktservicegesetz (AMSG), das Arbeitsmarktförder­gesetz (AMFG), Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz (AMPFG) geregelt, unterliegt also der Regelungskompetenz des Nationalrats.

Zu den gesetzlichen Aufgaben des AMS gehört nach § 29 AMSG Absatz 2 Ziffer 6 ganz klar for­muliert „die wirtschaftliche Existenz der Arbeitslosen zu sichern".

Im Jahr 2000 wurde mit BGBl. I Nr. 142/2000 per 1.1.2001 die bis dahin in der Sozialversicherung selbstverständliche automatische Wertanpassung von Versicherungsleistungen bei Bezügen der Arbeitslosenversicherung durch ersatz-lose Streichung des § 21 Absatz 9 AIVG abgeschafft. Das hat zur Folge, dass alle Erwerbsarbeitslosen, die aufgrund der Dauerkrise keine Erwerbsarbeit finden, wesentlich an Kaufkraft verlieren. Seit 2001 verzeichnet Österreich laut Statistik Austria eine kumulierte Inflation von 61 %, was einem Wertverlust von etwa 38 % entspricht.

Die Zahl der bei der Stellensuche von der Wirtschaft besonders diskriminierten Langzeitar­beitslosen ist stetig gestiegen und nur vorrübergehend aufgrund der Abschottung der Arbeits­märkte durch die Coronapolitik gesunken. Durch die Abschaffung der befristeten Invaliditäts­pension werden immer mehr Menschen, die zum Teil durch die Arbeit in ihrer Gesundheit ruiniert wurden, zum AMS abgeschoben und müssen dann mit immer weniger Realeinkommen auskommen.

Auch der Bemessungsgrundlagenschutz für Arbeitslose über 45 nach § 21 Absatz 8 AIVG verliert immer mehr seine Funktion, weil gerade ältere Menschen arbeitslos gemacht werden und bei neuen Arbeitsverhältnissen massive Gehaltseinbußen hinnehmen müssen.

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits 1998 auch die Notstandshilfe als durch die Europäische Menschenrechtskonvention 1. Zusatzprotokoll Artikel 1 geschütztes „vermögenswertes Recht" erkannt (VfG G363/97 u.a.). Dieses als Versicherungsleistung zustehende „vermögenswertes Recht" ist im vollen Wert wieder zu sichern. Alles andere wäre die Fortsetzung der kalten Enteignung der Versicherten!

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellt in seinem Urteil C 233/18 am 12.11.2019 in Auslegung des Artikel 1 der Europäischen Grundrechtecharta fest: „„Insoweit verlangt die Achtung der Menschenwürde im Sinne dieses Artikels, dass der Betroffene nicht in eine Situation extremer materieller Not gerät, die es ihm nicht erlaubt, seine elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie etwa eine Unterkunft zu finden, sich zu ernähren, zu kleiden und zu waschen, und die seine physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder ihn in einen Zustand der der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre.“

Durch die auch dank der Kriegspolitik der EU (Wirtschaftssanktionen gegen Russland und dadurch massiv gestiegen Gaspreise bzw. Energiekosten generell) bereits auf 9 % angestiegene Inflation bedeutet die 2000 abgeschaffte Wertsicherung ein enorme Verarmung der von den Leistungen ihrer Arbeitslosenversicherung abhängigen Menschen!

Angesichts der damit verbundenen Armutsgefährdung der Versicherten, die viele Jahr lang selbst die Versicherungsbeiträge gezahlt haben, ist dieser Zustand untragbar und soll daher umgehend durch die Novellierung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes beendet werden!

 

Erstunterzeichner

 

 

Mag. Ing. Martin Mair

Obmann „Aktive Arbeitslose Österreich“