Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Mit der Einführung einer dualen Berufsausbildung nach dem Berufsausbildungsgesetz sollen die Möglichkeiten zum Erwerb eines Abschlusses zur Pflegeassistenz oder zur Pflegefachassistenz nach Erfüllung der Schulpflicht, ergänzend zu den bestehenden Ausbildungsmöglichkeiten, strukturell und inhaltlich erweitert werden. In der Schweiz wurde bereits im Jahr 2003 eine duale Ausbildung im Gesundheitswesen (Fachmann / Fachfrau Gesundheit) eingeführt, die zahlenmäßig an dritter Stelle sowohl der Lehrausbildungen als auch bei den Abschlüssen liegt (vgl. Merçay / Grünig / Dolder, Gesundheitspersonal in der Schweiz – Nationaler Versorgungsbericht 2021, Obsan Bericht 03/2021). Mit der dualen Ausbildung als neue Form der beruflichen Erstausbildung der Sekundarstufe II sollen neue Perspektiven für interessierte Jugendliche und junge Erwachsene mit durchlässigen Bildungspfaden bis hin zum gehobenen Dienst der Gesundheits- und Krankenpflege geschaffen werden.

Im Hinblick auf die Anforderungen an den Berufsschulunterricht für die Lehrberufe in den Pflegeassistenzberufen, insbesondere die Unterrichtserteilung nach den Standards der Pflegeassistenzberufe-Ausbildungsverordnung – PA-PFA-AV, BGBl. II Nr. 301/2016, sollen weiters das Schulorganisationsgesetz und das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz im Rahmen eines gesonderten Gesetzwerdungsverfahrens novelliert werden.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Ziffern 8 (Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie; im Hinblick auf die Berufsausbildung von Lehrlingen) und 12 (Gesundheitswesen).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Mit den für das GuKG vorgesehenen neuen Bestimmungen wird der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. Nr. I 255 vom 30.09.2005 S. 22, entsprochen.

Besonderer Teil

1. Zu Artikel 1 (§ 35b – Novellierung des Berufsausbildungsgesetzes)

Die neu zu schaffenden Lehrberufe sollen sich dabei an den Vorgaben und Regelungen des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes (GuKG) und der Pflegeassistenzberufe-Ausbildungsverordnung (PA-PFA-AV) orientieren und die Auszubildenden altersgerecht an die Qualifikationen heranführen. Folgende Sonderregelungen sind für Lehrberufe mit Abschluss Pflegeassistenz- und Pflegefachassistenz vorgesehen:

1.1 Nicht anzuwendende Bestimmungen des BAG (§ 35b Abs. 2):

Angeführt sind jene Bestimmungen des Berufsausbildungsgesetzes, die im Hinblick auf die Ausbildung von Lehrberufen in den Pflegeassistenzberufen und bei der Durchführung der entsprechenden Lehrabschlussprüfungen nicht angewandt werden sollen. Daraus folgend ist im Einzelnen vorgesehen:

Scheidet ein Ausbilder oder eine Ausbilderin aus dem Lehrbetrieb aus (Ende des Beschäftigungsverhältnisses oder der entsprechenden vertraglichen Grundlage), hat der Lehrberechtigte unverzüglich, d.h. sobald als möglich, eine entsprechende Ersatzkraft zu bestellen (Ausnahme zu § 2 Abs. 9 BAG, siehe Abs. 2).

Die Ausbildung in überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen (§§ 8c, 30 und 30b) ist ausgeschlossen (s. Abs. 2), da deren Aufgaben von entsprechenden Einrichtungen im Gesundheits- und Pflegebereich wahrgenommen werden sollen.

Gleichhaltungen mit Ausbilderprüfung und Ausbilderkurs mit Bescheid gemäß § 29h Abs. 2 sollen ausgeschlossen werden, da die Qualifikation der Ausbilderinnen und Ausbilder in den Ausbildungsvorschriften abschließend festgelegt werden soll (s. unten zu Punkt 1.4).

Lehrzeitanrechnungen gemäß den allgemeinen Bestimmungen des BAG sind möglich (§ 5 Abs. 4 Ausbildungszeiten in verwandten Berufen, § 13 Abs. 2 fachbezogene Ausbildungszeiten, § 28 schulische Ausbildungszeiten). Das bedeutet, dass fachbezogene Ausbildungen und entsprechende Tätigkeiten, die in einem anderen Kontext absolviert wurden, zB im Rahmen des Zivildienstes, entsprechend den allgemeinen gesetzlichen Vorgaben auf die Lehrzeit angerechnet werden können.

Die Absolvierung der Lehrabschlussprüfung im „zweiten Bildungsweg“ (außerordentliche Zulassung gemäß § 23 Abs. 5), die Ablegung einer Zusatzprüfung (§ 27) sowie die Gleichhaltung einer ausländischen Qualifikation gemäß § 27a sind ausgeschlossen. Bestimmungen zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen finden sich in den §§ 87 ff GuKG.

1.2 Zulassung als Lehrbetrieb (§ 35b Abs. 3):

Vorgesehen ist, dass die Lehrlingsstelle in den Verfahren gemäß § 3a zur Überprüfung der Eignung einer Einrichtung als Lehrbetrieb eine/n vom Landeshauptmann zu nominierende/n Sachverständige/n aus dem Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege, der / die über einen Qualifikationsnachweis in der allgemeinen Gesundheits- und Krankenpflege mit Spezialisierung Lehraufgaben und eine aufrechte Berufsberechtigung (Eintragung im Gesundheitsberuferegister) verfügt, beizuziehen hat. Dabei muss es sich nicht um Angehörige aus dem Personalstand der jeweiligen Landesregierung handeln, sondern es können externe Personen mit der entsprechenden Qualifikation (zB Lehrerinnen oder Lehrer an Gesundheits- und Krankenpflegeschulen) für diese Funktion nominiert werden. Es ist von bundesweit jährlich rund fünf solcher Verfahren auszugehen.

1.3. Einvernehmen (§ 35b Abs. 4)

Verordnungen auf Grundlage der angeführten Verordnungsermächtigungen sind, sofern sie sich auf die Ausbildung in Lehrberufen der Pflegeassistenzberufe beziehen, im Einvernehmen mit dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister zu erlassen.

1.4. Ausbildungsvorschriften und Prüfungsordnung (§ 35b Abs. 5):

Angeführt sind zentrale, jedenfalls aufzunehmendeVerordnungsinhalte. Das betrifft beispielsweise:

Ziffer 1: Vorgesehen ist, dass in den Ausbildungsvorschriften ausgehend vom Europäischen Übereinkommen über die theoretische und praktische Ausbildung von diplomierten Krankenpflegepersonen, BGBl. 1973/53, ein Ausbildungsrahmen (insb. im Hinblick auf das Berufsbild / Tätigkeitsbereiche gemäß den §§ 83 und 83a GuKG) festzulegen ist, aus dem sich ergibt, zu welchen Ausbildungsmaßnahmen Jugendliche vor Vollendung des 17. Lebensjahres im Lehrbetrieb zur Erlangung der erforderlichen Kompetenzen herangezogen werden dürfen. In weiterer Folge ist zur entsprechenden Unterstützung der Umsetzung in den Lehrbetrieben die Bereitstellung eines das Berufsbild konkretisierenden Ausbildungshandbuches und einer entsprechenden Ausbildungsdokumentation, insbesondere auch im Hinblick auf die Verwendung zeitgemäßer Ausbildungsinstrumente, geplant.

Ziffer 2: Vorgesehen ist, dass spezifische qualitätsbezogene Anforderungen an Ausbilderinnen und Ausbilder (vgl. Weiterbildung Praxisanleitung) und das nicht zu überschreitende Verhältnis Lehrlinge – Ausbilderinnen / Ausbilder im Hinblick auf gesundheitsrechtliche Standards zu regeln sind.

1.5. Lehrvertrag und Lehrverhältnis (§ 35b Abs. 6):

Vorgesehen ist, dass bei Nichtvorliegen der gesundheitlichen Eignung und Vertrauenswürdigkeit einer auszubildenden Person der Lehrvertrag nicht eingetragen werden darf. Die Vertrauenswürdigkeit liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn eine Person vorsätzlich eine Straftat, die mit einer mindestens einjährigen Freiheitstrafe bedroht ist, begangen hat und wenn nach Eigenart der Straftat und nach der Persönlichkeit der Person in Ausübung des Dienstes die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Strafhandlung zu befürchten ist (vgl. § 85 Abs. 1 Z 2 iVm § 27 Abs. 2 GuKG). Für die Überprüfung der gesundheitlichen Eignung können die vom ehemaligen Bundesministerium für Frauen und Gesundheit festgelegten Guidelines für die Eintragung in das Gesundheitsberuferegister (GBR-Guidelines.pdf) herangezogen werden.

1.6. Lehrabschlussprüfung (§ 35b Abs. 7 bis 8):

Die Lehrabschlussprüfung ist nach allgemeinen Regeln von den Lehrlingsstellen der Wirtschaftskammern (§ 19 BAG) zu organisieren. Folgende Sonderbestimmungen sind vorgesehen:

Der Vorsitzende oder die Vorsitzende der Prüfungskommission der Lehrabschlussprüfung ist vom Landeshauptmann zu nominieren, gemäß § 22 BAG vom Leiter oder von der Leiterin der Lehrlingsstelle zu bestellen, muss dem gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege mit Spezialisierung Lehraufgaben gemäß § 17 Abs. 1 Z 2 GuKG angehören und über eine mindestens zweijährige Berufserfahrung als Lehrer oder Lehrerin in der Gesundheits- und Krankenpflege verfügen. Ein weiteres Kommissionsmitglied muss ebenfalls dem gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege angehören und über eine mindestens zweijährige einschlägige Berufserfahrung verfügen.

Ansonsten ist gemäß § 22 BAG vorzugehen, wobei weitere Mitglieder der Prüfungskommission dem Kreis der Lehrer und Lehrerinnen an einer Gesundheits- und Krankenpflegeschule oder eines Fachhochschulstudiengangs in der Gesundheits- und Krankenpflege angehören können. Die Prüfungskommission besteht damit nach allgemeinen Regeln aus drei Mitgliedern. Prüferinnen und Prüfer haben Anspruch auf die Prüferentschädigung gemäß § 13 der Allgemeinen Lehrabschlussprüfungsordnung, BGBl. Nr. 670/1995.

1.7. Bundes-Berufsausbildungsbeirat (§ 35b Abs. 9):

Dem Bundes-Berufsausbildungsbeirat (§ 31 BAG) sollen, sofern Lehrberufe in den Pflegeassistenzberufen betreffende Verordnungen gemäß Tagesordnung behandelt oder entsprechende Beschlüsse gefasst werden, zwei Mitglieder mit beratender Stimme, die vom zuständigen Bundesminister für das Gesundheitswesen bestellt werden, angehören. Die genannten Mitglieder sind zu den betreffenden Sitzungen einzuladen. Sofern die Einladung an die genannten Personen nicht erfolgt ist, sind bezugnehmende gefasste Beschlüsse wegen Nichtigkeit aufzuheben.

2. Zu Artikel 2 – Novellierung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes

Durch die im Berufsausbildungsgesetz neu geschaffenen Lehrberufe in den Pflegeassistenzberufen, die eine Qualifikation in der Pflegeassistenz sowie Pflegefachassistenz vermitteln sollen, bedarf es einer berufsrechtlichen Verankerung.

Im GuKG wird daher ergänzend zu den Bestimmungen gemäß Berufsausbildungsgesetz eine Rechtsgrundlage dafür geschaffen, dass die von der Lehrlingsstelle nach erfolgreicher Lehrabschlussprüfung ausgestellten Urkunden mit den im GuKG vorgesehenen Qualifikationsnachweisen für die Pflegeassistenzberufe unter den in § 86 Abs. 1b und 4 Z 1 und 2 angeführten Bedingungen gleichgehalten sind. Der Hinweis auf die Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. Nr. I 255 vom 30.09.2005 S. 22 und das jeweilige Berufsqualifikationsniveau soll eine Anerkennung innerhalb der Europäischen Union, dem Europäischen Wirtschaftsraum und der Schweizerischen Eidgenossenschaft erleichtern.

Mit der GuKG-Novelle Nr. 165/2022 wurde eine Rechtsgrundlage für die Gleichhaltung der Qualifikationsnachweise in der Pflegeassistenz und Pflegefachassistenz, erworben an einer Höheren Lehranstalt für Pflege und Sozialbetreuung gemäß Schulorganisationsgesetz, geschaffen. Zwischenzeitlich hat sich herausgestellt, dass für die laufenden Schulversuche der Höheren Lehranstalt für Sozialbetreuung und Pflege, die vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung gemäß § 7 Schulorganisationsgesetz mit Geschäftszahl BMBWF GZ 2020-0.005.987 am 9. Jänner 2020 ausgeschrieben worden sind, ebenfalls eine gleichlautende berufsrechtliche Regelung erforderlich ist. Daher wurden § 86 Abs. 1a und 3 entsprechend ergänzt. Damit soll sichergestellt werden, dass die Absolventinnen und Absolventen dieser Schulversuche eine Berufsberechtigung in der Pflegassistenz bzw. Pflegefachassistenz erlangen.