Entwurf

Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

Allgemeines

Hass und Hetze in sozialen Medien und im Internet sind ein globales gesellschaftspolitisches Phänomen, dessen Relevanz aufgrund des technologischen Wandels der Kommunikationsformen in den letzten Jahrzehnten massiv zugenommen hat. Der Hass richtet sich dabei aber nicht nur gegen Gruppen, die von den Tätern als anders oder fremd wahrgenommen werden, sondern trifft in vielen Fällen auch Einzelpersonen. Ein wesentlicher Teil der Angriffe beruht auf rassistischen, ausländerfeindlichen, frauenfeindlichen oder homophoben Motiven und reicht von Beleidigungen und Beschimpfungen bis hin zu gefährlichen Drohungen, Verhetzung oder Cybermobbing. Im Rahmen einer österreichischen Studie zu Gewalt im Netz des Forschungszentrums Menschenrechte der Universität Wien, des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Menschenrechte und der WEISSER RING Verbrechensopferhilfe aus dem Jahr 2018 wurde aufgezeigt, dass ein Drittel der befragten Frauen und Mädchen innerhalb eines Jahres mindestens einmal eine Form von Gewalt im Netz wie beispielsweise Beschimpfungen aufgrund der politischen Weltanschauung, Cyber-Mobbing oder sexuell anzügliche Mitteilungen erfahren hat; in der Altersgruppe der 15 bis 18-jährigen waren sogar fast zwei Drittel betroffen. Auch im ZARA Rassismus Report 2018 wurde ein Anstieg von rassistischen und verletzenden Inhalten im Internet um 22,6 % im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet. Besonders belastend stellt sich die Situation für die Betroffenen aufgrund der breiten Öffentlichkeit im digitalen Raum dar, was durch die Tatsache verstärkt wird, dass rechtswidrige Inhalte oftmals nicht oder sehr spät gelöscht werden und so für lange Zeit online sichtbar bleiben. Obwohl man sich sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene bereits mit großen Kommunikationsplattformbetreibern wie beispielsweise Twitter oder Facebook auf einen Verhaltenskodex und entsprechende Vereinbarungen zur raschen Löschung von Hasspostings verständigt hat, wird den Löschungsersuchen einzelner Benutzer durch die Anbieter*innen sozialer Medien oftmals nicht in zufriedenstellender Weise nachgekommen.

Dass sich der Hass aber nicht „nur“ auf das Internet oder bloße Worte beschränkt, sondern diesen in den schlimmsten Fällen auch entsprechende Gewalttaten folgen können, hat sich in den vergangenen Jahren durch zahlreiche ideologisch motivierte Attentate bzw. körperliche Übergriffe auf besonders tragische Weise gezeigt. Viele der späteren Täter haben sich im Vorfeld in einschlägigen Internetforen ausgetauscht oder auf den Plattformen sozialer Medien ihre Gesinnung durch das Verfassen entsprechender Hasskommentare zum Ausdruck gebracht. Die verübten Übergriffe führten ihrerseits wiederum zu Beifallsbekundungen im Internet und ausdrücklicher Befürwortung der dahinterstehenden Motive.

Dabei sind die möglichen gesundheitlichen Folgen bei von Hassrede, Beleidigungen und vergleichbaren Straftaten betroffenen Einzelpersonen gravierend: So kann Hass im Netz zu psychischen, emotionalen und psychosomatischen Auswirkungen bis hin zum Selbstmord wegen Cybermobbings führen. Die Opfer können sich den Attacken nur schwer entziehen, weil diese im digitalen Raum rund um die Uhr stattfinden können und Täter sich durch die vermeintliche Anonymität des Internets geschützt fühlen. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang nicht nur die massiven negativen Auswirkungen auf den einzelnen Betroffenen, sondern auf die gesamte Gesellschaft. So kann die Angst vor möglichen Angriffen sogar ganze Teile der Bevölkerung von einer Teilnahme am öffentlichen Leben abhalten und damit zu sogenannten „chilling“-Effekten führen.

Der Schutz vor Gewalt und Hass im Netz stellt daher einen zentralen Punkt im Kapitel „Justiz & Konsumentenschutz“ des Regierungsprogrammes 2020-2024 der österreichischen Bundesregierung dar (S. 30/31). Unter diesem Aspekt sollen insbesondere die Möglichkeiten der Verfolgung von Hass im Netz und die Opferunterstützung verbessert werden, darüber hinaus ist die Einsetzung einer ressortübergreifenden Task Force zur effizienten Bekämpfung von Hass im Netz und anderer digitaler Kriminalitätsformen vorgesehen. Zur Erarbeitung eines entsprechenden Maßnahmenpakets gegen Hass im Netz, das sämtliche straf-, medien- und zivilrechtlichen Aspekte der Thematik behandelt, wurde von der Bundesministerin für Justiz Anfang des Jahres 2020 eine Expert*innengruppe bestehend aus Vertreter*innen aus Lehre und Praxis sowie den zuständigen Fachabteilungen des Ministeriums eingerichtet. Die Überlegungen innerhalb der Expert*innengruppe konzentrierten sich dabei sowohl auf legistische als auch auf praktische Lösungen, um Opfern von Hass im Netz rasch und kostengünstig Zugang zum Recht zu verschaffen und rechtliche Instrumente und Möglichkeiten für Betroffene zu entwickeln, um sich effektiv gegen Hass im Netz zur Wehr setzen zu können.

Mit gemeinsamem Vortrag an den Ministerrat (Zirkulationsbeschluss vom 9. Juli 2020) der Bundesministerin für Justiz, der Bundesministerin für EU und Verfassung sowie der Bundesministerin für Frauen und Integration wurden die entsprechenden Vorhaben zur effizienten Bekämpfung von Hass im Netz und anderer digitaler Kriminalitätsformen dargelegt und die Einsetzung einer ressortübergreifenden Task Force beschlossen. Die vorgesehenen Maßnahmen beinhalten dabei in strafrechtlicher Hinsicht unter anderem die Einführung eines Upskirting-Verbots sowie Nachschärfungen im Bereich des materiellen Strafrechts (insbesondere bei Verletzungen des Bildnisschutzes, Hasspostings und Cyber-Mobbing), Maßnahmen im Strafprozessrecht zur effektiven Strafverfolgung von Hasskriminalität und zum Opferschutz und Anpassungen im Bereich des Medienrechts.

Mit dem vorliegenden Entwurf sollen die erforderlichen legistischen Maßnahmen umgesetzt werden.

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs im Bereich des Zivilrechts:

Schwerwiegende Verletzungen von Persönlichkeitsrechten auf Social Media Plattformen im Internet oder durch Nutzung anderer elektronischer Kommunikationsnetze stellen eine zunehmende gesellschaftspolitische und rechtspolitische Herausforderung dar. Die Schwelle für die Begehung ist niedrig, während deren Wirkung für die Opfer oft massiv und nachhaltig ist. Der zur Verfügung stehende zivilrechtliche Rechtsschutz dauert in gravierenden Fällen mitunter zu lange, insbesondere wenn die rechtsverletzenden Inhalte für viele User sichtbar und zugänglich sind. Diese Situation auch nur für einige Zeit zu erdulden, ist für die betroffenen Personen unzumutbar.

Der Entwurf verfolgt mit folgenden Maßnahmen das Ziel, dieser unbefriedigenden Situation Abhilfe zu schaffen:

Positivierung der Rechtsprechung zur Einwilligung sowie zur Aktiv- und Passivlegitimation bei der Durchsetzung von Persönlichkeitsrechten, einschließlich einer neuen Möglichkeit des Arbeit- oder Dienstgebers, gegen Hasspostings vorzugehen, die gegen seine Mitarbeiter gerichtet sind (§§ 17a und 20 ABGB);

Ermöglichung eines immateriellen Schadenersatzes bei Verletzung der Privatsphäre ohne Dazwischentreten eines medienrechtlich Verantwortlichen (§ 1328a ABGB);

Vereinfachtes Unterlassungsverfahren bei Hasspostings samt Möglichkeit zur sofortigen Vollstreckbarkeit (ZPO), das vor allem kostengünstig gestaltet werden soll (Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichts: JN; niedrige Gerichtsgebühr: GGG);

Einführung eines außerstreitigen Antrags auf Herausgabe von Nutzerdaten nach § 18 Abs. 4 E-Commerce-Gesetz.

Die Änderungen im ABGB sollen im Wesentlichen eine Positivierung der seit Jahrzehnten von Literatur und Rechtsprechung um die „Zentralnorm“ des § 16 herum entwickelten und fortgeschriebenen Anspruchsgrundlagen des Persönlichkeitsrechts erreichen. Es sollen zentrale Fragen der Aktivlegitimation und der Einwilligung geregelt werden. Insbesondere soll die Anspruchsgrundlage bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten in eine eigene Norm gegossen und ausdrücklich die bisherige Rechtslage, die einen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch aus den schadenersatzrechtlichen Einzelbestimmungen abgeleitet hat, in einer allgemeinen Grundregel festgehalten werden.

Aufgrund der Einführung des neuen Mandatsverfahrens und eines neuen außerstreitigen Auskunftsverfahrens nach dem E-Commerce-Gesetz sind auch Regelungen zum Streitwert (JN, RATG), sowie zu den Gerichtsgebühren (GGG) anzuordnen.

Auch die Durchsetzung des Anspruches einer dritten Person gegen einen Diensteanbieter iSd § 16 E-Commerce-Gesetzes („Host Provider“) auf Herausgabe von Nutzerdaten nach § 18 Abs. 4 E-Commerce-Gesetz, der als Hilfsanspruch die spätere Geltendmachung von u.a. aus Rechtsverletzungen resultierenden Unterlassungsansprüchen ermöglichen soll, soll durch eine vorgesehene Verlagerung in den außerstreitigen Rechtsweg samt Zuständigkeitskonzentration bei den zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelssachen berufenen Gerichtshöfen erster Instanz niederschwelliger ausgestaltet werden.

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs im Bereich des materiellen Strafrechts:

1.     Ausweitung des Tatbestandes des § 107c StGB („Fortdauernde“ statt fortgesetzte Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems – „Cybermobbing“);

2.     Einführung des neuen Straftatbestandes gegen unbefugte Bildaufnahmen, insb. „Upskirting“ (§ 120a StGB);

3.     Erweiterung des Tatbestandes des § 283 Abs. 1 Z 2 StGB (Verhetzung) durch Aufnahme von die Menschenwürde verletzenden Individualbeleidigungen gegen Angehörige geschützter Gruppen und damit Gleichstellung mit solchen Beleidigungen geschützter Gruppen.

Im materiellen Strafrecht sind verschiedene Verschärfungen im Bereich der Cyber-Crimes sowie des Bildnisschutzes geplant. So soll durch die Ausweitung des § 107c StGB nunmehr bereits ein einmaliges Tätigwerden durch Verfassen eines gegen die Ehre gerichteten Hasspostings sowie ein einmaliges Veröffentlichen von Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches strafrechtlich verfolgt werden können. Dem Vorbild anderer europäischer Staaten folgend (UK, DE) soll der strafrechtliche Bildnisschutz künftig durch Schaffung eines neuen Tatbestands gegen unbefugte Bildaufnahmen, insbesondere das sogenannte „Upskirting“, also (heimliche) Bildaufnahmen unter den Rock, sowie deren Verbreitung, verbessert werden. Im Lichte der Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens soll der Bildnisschutz auf entsprechende Aufnahmen in Wohnstätten erweitert werden. Durch zusätzliche Aufnahme der gegen die Menschenwürde gerichteten Beschimpfungen von Einzelpersonen in die Bestimmung des § 283 Abs. 1 Z 2 StGB werden derartige Fälle künftig als Verhetzung mit entsprechend höherer Strafdrohung geahndet werden können.

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs im Bereich des Mediengesetzes:

1.     Ausdehnung des Identitätsschutzes auf Angehörige von Verdächtigen, Verurteilten und Opfern sowie auf Zeugen von Straftaten (§ 7a Abs. 1a MedienG);

2.     Entsprechend dem Auftrag im Regierungsprogramm, „bei Verletzung des Identitätsschutzes bzw. bei bloßstellender Berichterstattung über Opfer von Straftaten“ die „Entschädigungsbeträge im MedienG“ zu erhöhen: deutliche Anhebung der Entschädigungshöchstbeträge nach §§ 6, 7, 7a und 7b; zugleich auch Inflationsanpassung und einheitliche Höhe für alle fünf Entschädigungstatbestände (§§ 6, 7, 7a, 7b und 7c MedienG) von 40 000 Euro, in besonders schweren Fällen der §§ 6, 7, 7c (besonders schwerwiegende Auswirkungen der Rechtsverletzung und grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten) von 100 000 Euro; Einführung einer Untergrenze (§ 8 Abs. 1 MedienG);

3.     Verlängerung der Frist von sechs Monaten zur Geltendmachung der Ansprüche auf ein Jahr für Opfer, die von einer Straftat besonders betroffen sind, und auf nahe Angehörige des Opfers eines Tötungsdelikts und Zeugen einer solcher Tat (§ 8a Abs. 2 MedienG);

4.     Anpassung der Regelungen über die Verjährung (der Strafbarkeit) eines Medieninhaltsdelikts für abrufbare periodische elektronische Medien (§ 1 Abs. 1 Z 5a lit. b MedienG), also insbesondere Websites, indem festgelegt wird, dass die Verjährungsfrist zwar mit dem Zeitpunkt der erstmaligen Verbreitung beginnt, sich aber nach den Fristen des § 57 Abs. 3 StGB richtet (§ 32 MedienG);

5.     Klarstellung, dass die Verjährung (der Strafbarkeit) eines Medieninhaltsdelikts die Einziehung und die Urteilsveröffentlichung nicht hindern (§ 33 Abs. 2, § 34 Abs. 3 MedienG);

6.     In Fällen, in denen die inkriminierte Äußerung zwar gegen eine bestimmte Person gerichtet, aber in Wahrheit dadurch motiviert ist, dass diese Person ihrer beruflichen Tätigkeit nachgeht, also ihr eigentliches Ziel der Arbeit- oder Dienstgeber der Person ist, und die inkriminierte Äußerung eine derartige Intensität erreicht, dass die Möglichkeiten des Arbeit- oder Dienstgebers, die Person einzusetzen, nicht unerheblich beeinträchtigt oder das Ansehen des Arbeit- oder Dienstgebers erheblich geschädigt werden könnten, so soll dem Arbeit- oder Dienstgeber die Befugnis eingeräumt werden, einen Antrag auf Einziehung zu stellen (§ 33a MedienG); Entsprechendes soll für ehrenamtlich Tätige und Organe einer Körperschaft gelten;

7.     Einziehung (einschließlich der vom Arbeit- oder Dienstgeber beantragten), Urteilsveröffentlichung und Beschlagnahme (§§ 33, 33a, 34 und 36) sollen, wenn der Medieninhaber (§ 1 Abs. 1 Z 8) nicht greifbar ist, weil er sich etwa im Ausland befindet, auch direkt dem Hostingdiensteanbieter (Hostprovider) angeordnet werden können (§ 36b MedienG);

8.     Anpassung der Verfahrensbestimmungen im MedienG an die in der StPO (§ 71) vorgeschlagene Möglichkeit, dass es auch im Privatanklageverfahren ein Ermittlungsverfahren gibt (§ 41 Abs. 5 MedienG);

9.     Schaffung der Rechtsgrundlage dafür, dass psychosoziale und juristische Prozessbegleitung auch in selbständigen Verfahren (§ 8a) über Entschädigungsansprüche (§§ 6, 7, 7a, 7b und 7c MedienG) sowie über Ansprüche auf Einziehung und Urteilsveröffentlichung (§ 33 Abs. 2 und § 34 Abs. 3 MedienG) gewährt werden kann (§ 41 Abs. 8 MedienG), und zwar für den selben Personenkreis und im selben Umfang wie in der StPO (§ 66b StPO) vorgeschlagen.

Mit den vorgeschlagenen Änderungen des Mediengesetzes sollen – gemeinsam mit den im Zivilrecht vorgeschlagenen Bestimmungen – ein besserer Persönlichkeitsschutz und insbesondere mehr Durchschlagskraft gegen Hass im Netz erreicht werden, wobei vor allem das primäre Anliegen der Opfer von Hass im Netz befördert werden soll, dass die betreffenden Mitteilungen oder Darbietungen so rasch und so umfassend wie möglich „aus dem Netz“ genommen werden.

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs im Bereich des Strafprozessrechts:

1.     Neustrukturierung und Ausweitung der Prozessbegleitung auf bestimmte Opfer (minderjährige Zeugen von Gewalt im sozialen Nahraum und Opfer „typischer“ Hass im Netz-Delikte) im Zuge der neu geschaffenen Bestimmung des § 66b StPO;

2.     Schaffung einer Möglichkeit zur erleichterten Ausforschung des Täters bei Privatanklagedelikten wegen übler Nachrede (§ 111 StGB), Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung (§ 113 StGB) und Beleidigung (§ 115 StGB), die im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen werden, durch Neuregelung des § 71 StPO;

3.     Ergänzung des § 76a StPO um sonstige Diensteanbieter (§ 3 Z 2 ECG);

4.     Entfall der Kostenersatzpflicht des Privatanklägers für die Verfahrenskosten bei Strafverfahren wegen übler Nachrede (§ 111 StGB), Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung (§ 113 StGB) und Beleidigung (§ 115 StGB), die im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen werden, es sei denn, dass der Vorwurf wissentlich falsch erhoben wurde.

Mit den vorgeschlagenen Änderungen der StPO soll eine neuerliche Verbesserung im Bereich des Opferschutzes erreicht werden, die insbesondere die speziellen Bedürfnisse der von Hass im Netz betroffenen Opfer berücksichtigt. Diesen Opfern sowie minderjährigen Zeug*innen von Gewalt im sozialen Nahraum soll künftig im neu zu schaffenden § 66b StPO ebenfalls die Möglichkeit der Inanspruchnahme psychosozialer und juristischer Prozessbegleitung eingeräumt werden, soweit dies zur Wahrung ihrer prozessualen Rechte unter größtmöglicher Bedachtnahme auf ihre persönliche Betroffenheit erforderlich ist. Damit wäre einerseits eine professionelle psychosoziale Unterstützung der Opfer von Hass im Netz, die in vielen Fällen gezielt gegen sie als Person gerichteten Hass erleben müssen, gewährleistet, andererseits würde durch die Möglichkeit der juristischen Prozessbegleitung eine potenzielle Hemmschwelle zur tatsächlichen Verfolgung virtueller Übergriffe durch das einzelne Opfer, das sich mit der Einbringung formal vollständiger und korrekter Anträge bei Gericht schnell überfordert fühlen oder Bedenken aufgrund entstehender Kosten hegen könnte, abgebaut.

Darüber hinaus soll für Opfer von Hass im Netz durch die Änderung des § 71 StPO eine Möglichkeit zur erleichterten Ausforschung des Täters in Privatanklageverfahren wegen übler Nachrede, Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung und Beleidigung (§ 111, § 113 und § 115 StGB), die im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen werden, geboten werden. Das Opfer soll durch einen bei Gericht (Zuständigkeit des Haft- und Rechtsschutzrichters) zu stellenden Antrag auf Anordnung der Auskunft über Stamm- und Zugangsdaten nach § 76a StPO oder der Anordnung auf Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung nach § 135 Abs. 2 Z 2 StPO ein effizientes Mittel haben, um unter Inanspruchnahme der ermittlungstechnischen Möglichkeiten des staatlichen Behördenapparates die Ausforschung des Täters erreichen zu können. Bedenken aus diversen Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren, wonach es durch die im Ministerialentwurf vorgeschlagenen Maßnahmen zu weitreichenden (Grund-)Rechtseingriffen, insbesondere auch in datenschutzrechtlicher Hinsicht, in der Sphäre des Beschuldigen bzw. allenfalls unbeteiligter Dritter kommen könnte, soll durch mehrere Maßnahmen Rechnung getragen werden. Dazu zählen insbesondere die Beschränkung auf Anträge zur Ausforschung des Beschuldigten (unter Entfall von Anträgen zur Sicherung von Beweisen oder vermögensrechtlichen Anordnungen), die Einschränkung der möglichen Ermittlungsmaßnahmen auf die Auskunft über Stamm- und Zugangsdaten nach § 76a StPO und die Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung nach § 135 Abs. 2 Z 2 StPO, die Festlegung, dass das Gericht die ermittelten Daten nach § 76a StPO oder das in Schriftform übertragene Ergebnis (§ 134 Z 5 StPO) dem Opfer nur mitteilen darf, wenn die Anordnung gegenüber dem (ausgeforschten) Beschuldigten rechtskräftig geworden ist, sowie die Normierung einer Frist von sechs Wochen zur Einbringung der Privatanklage ab Mitteilung dieser Daten durch das Gericht.

Des Weiteren wird vorgeschlagen, in § 76a StPO sonstige Diensteanbieter (§ 3 Z 2 E-Commerce-Gesetz) ausdrücklich anzuführen, um sicherzustellen, dass auch von Internetdiensten, insbesondere OTT-Diensten, die keine Anbieter von Kommunikationsdiensten sind, die dort genannten Auskünfte über Stamm- und Zugangsdaten erlangt werden können.

Durch den Entfall der Kostenersatzpflicht des Privatanklägers in § 390 Abs. 1a StPO sollen außerdem bestimmten von Hass im Netz betroffenen Opfergruppen die Bedenken vor möglichen Kostenfolgen bei Einbringung einer Privatanklage gegen den Täter genommen werden.

Kompetenzgrundlage:

Der vorliegende Entwurf stützt sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Zivilrechtswesen einschließlich des wirtschaftlichen Assoziationswesens) sowie auf Art. 7 Abs. 1 F-VG (Bundesabgaben) und Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Strafrechtswesen).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Der Entwurf dient der Umsetzung von Unionsrecht, nämlich folgender Rechtsakte:

-       von Art. 21 der Richtlinie (EU) 2017/541 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates, ABl. Nr. L 88 vom 31.3.2017, S. 6, und

-       von Art. 25 der Richtlinie 2011/93/EU zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates, ABl. Nr. L 335 vom 17.12.2011, S. 1.

-       von Art. 3 Abs. 3, Art. 8 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4, Art. 9 Abs. 1 lit. a bis e und Abs. 2, Art. 13, Art. 18, Art. 20 lit. c, Art. 22 Abs. 1 bis 4, Art. 23 Abs. 2 lit. b und Art. 24 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2012/29/EU über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI, ABl. Nr. L 315 vom 14.11.2012, S 57.


 

Besonderer Teil

Zu Art. 1 (Änderung des ABGB)

Zu Z 1 (§ 17a):

Mit dieser Bestimmung sollen Aspekte der Wahrnehmung der allgemeinen Persönlichkeitsrechte nach § 16 geregelt werden. Sonderbestimmungen, wie etwa die Bestimmungen der DSGVO zum Datenschutz, bleiben unberührt. Das datenschutzrechtliche Einwilligungsrecht ist abschließend in der DSGVO geregelt und wird durch § 17a Abs. 2 nicht geändert. Es ist freilich möglich, dass ein und dieselbe Handlung sowohl das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen als auch den Datenschutz betrifft; dann wird der Betroffene zu spezifizieren haben, auf welche Rechtsgrundlage er sich stützt. Im Prinzip soll am Grundsatz der „Höchstpersönlichkeit“ von Persönlichkeitsrechten festgehalten werden, wonach sie nicht übertragbar (Abs. 1) und auch durch Stellvertreter nicht wahrnehmbar sind (Abs. 2). Vom Grundsatz der Unübertragbarkeit unberührt bleiben Vermarktungsrechte, die sich ausschließlich auf den vermögensrechtlichen Teil der Persönlichkeitsrechte beziehen. Diese sind als Sache iSd § 1041 ABGB zu betrachten und können, weil sie nicht den Kern des Persönlichkeitsrechts betreffen, weiterhin einschließlich des Rechts, Ansprüche aus der Verletzung dieser wirtschaftlichen Interessen zu verfolgen, abgetreten werden (4 Ob 124/10d). So beinhaltet etwa die kommerzielle Seite des Namensrechts den Schutz der vermögenswerten Interessen des Berechtigten an der Verwertung seines Namens (17 Ob 2/10h). Aus der Unübertragbarkeit ergibt sich in weiterer Konsequenz die Unvererblichkeit des Anspruches, für dessen Geltendmachung daher eine eigene Bestimmung zum postmortalen Persönlichkeitsrechtsschutz (Abs. 3) zu schaffen ist.

Abs. 2 regelt die Einwilligung in den Eingriff in ein Persönlichkeitsrecht, die – soweit sie in den Grenzen der guten Sitten bleibt (vgl. § 90 StGB) – grundsätzlich nur durch den entscheidungsfähigen Träger des Persönlichkeitsrechts erteilt werden kann. Das bedeutet, dass die Entscheidung über den Eingriff prinzipiell nicht durch einen Stellvertreter getroffen werden kann. Die Vermarktungsrechte, die sich ausschließlich auf den vermögensrechtlichen Teil der genannten Persönlichkeitsrechte beziehen und sogar abgetreten werden können (siehe dazu die Ausführungen zu Abs. 1), sind nicht Bestandteil dieser Bestimmung, sofern sie den Kern des Persönlichkeitsrechts nicht berühren. In diesem Ausmaß können sie daher weiterhin auch durch Bevollmächtigte wahrgenommen werden. Die (wirksame) Einwilligung führt zu einem (gerechtfertigten) „Eingriff“ in ein Persönlichkeitsrecht, während ohne Einwilligung prima facie (vorbehaltlich einer Interessenabwägung) von einer „Verletzung“ des Persönlichkeitsrechts im Sinne des § 20 zu sprechen ist.

Ist der Träger eines Persönlichkeitsrechts nicht (mehr) entscheidungsfähig, kommt eine Vertretung volljähriger Personen nur nach Maßgabe des § 250 in Betracht. Unberührt bleiben daneben die Sonderbestimmungen im Kindschaftsrecht, in denen fallweise Zustimmungsrechte der Obsorgeberechtigten in personenrechtlichen Angelegenheiten vorgesehen werden (etwa §§ 167 Abs. 2, 173 Abs. 2). Im Begutachtungsverfahren wurde die Befürchtung vorgebracht, es sei nicht mehr möglich, Bilder von Kindern zu Werbezwecken zu verwenden. Diese Befürchtung ist unbegründet: denn eine Bildnisverwendung ist nach § 78 UrhG nur unzulässig, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt würden. Um abzuschätzen, ob die Bildnisverwendung den berechtigten Interessen des Kindes widerspricht, muss weiterhin Kontakt mit den Erziehungsberechtigten aufgenommen werden, die am Besten einschätzen können, ob die Veröffentlichung der Abbildung ihrem Kind schaden könnte. Auch die rechtsgeschäftliche Seite der Bildnisverwendung muss durch die Erziehungsberechtigten wahrgenommen werden. Die gesetzlichen Vertreter können bloß keine Einwilligung in eine Bildnisverwendung erteilen, die den Interessen des Kindes zuwiderläuft, also dem Kindeswohl widerspricht. Das entspricht allerdings schon jetzt der herrschenden Lehre (Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 57 f; Marous, jusIT 2016/55, EF-Z 2013/160; Höhne, ZIIR 2015, 335) und Rechtsprechung (15 Os 176/15v). Insofern findet die aus der Obsorge erfließende gesetzliche Vertretungsbefugnis der Eltern in Belangen des Persönlichkeitsrechts dort ihre Grenze, wo berechtigte Interessen des Kindes verletzt werden. Die Einwilligung zur Datenverwendung in sozialen Netzwerken, wie sie Art. 8 DSGVO bei Kindern durch die Eltern vornehmen lässt, ist eine Sonderbestimmung, die unberührt bleibt.

Zu Abs. 3: Es entspricht ständiger Rechtsprechung des OGH und einhelliger Lehrmeinung, dass – insbesondere anknüpfend an § 16 und §§ 77, 78 UrhG – das Persönlichkeitsrecht auch über den Tod fortwirkt und postmortale Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen, losgelöst von einer eigenen Persönlichkeitsrechtsverletzung der Hinterbliebenen, geltend gemacht werden können. Anders als im Begutachtungsentwurf wird mit dem nun normierten Konzept des „Andenkens“ von einer reinen Fortwirkung der Persönlichkeitsrechte über den Tod hinaus abgegangen. Das Andenken im Sinn des Abs. 3 soll ein vom Verstorbenen hinterlassenes und von diesem allenfalls bewusst gestaltetes, objektiv nachvollziehbares Gesamtbild seines Lebens und Wirkens umfassen (vgl. Pierer, Postmortaler Schutz von Persönlichkeitsrechten [2018] 63). Damit fließt auch der zu Lebzeiten erkennbar geäußerte Wille des Verstorbenen auf die Gestaltung seines Lebensbildes in die Beurteilung ein. Entsprechend der bisherigen Regelung im UrhG zum postmortalen Brief- und Bildnisschutz (§§ 77, 78 UrhG) soll die „Wiederherstellung des Ansehens“ (vgl. 4 Ob 203/13a) im Sinne des „mittelbaren Schutzkonzepts“ durch die nahen Angehörigen wahrgenommen werden. Im Sinne der bisherigen Rechtsprechung wird eine Beeinträchtigung der Interessen der nahen Angehörigen im Regelfall schon dann eingetreten sein, wenn die Interessenabwägung zu Lebzeiten des Betroffenen zu dessen Gunsten ausgegangen wäre. Daher ist eine besondere Begründung für eine eigene Interessenbeeinträchtigung der Angehörigen nicht erforderlich (RS0129339 [T 1], 4 Ob 224/13i mwN). Dadurch soll das „fortwirkende Lebensbild“ eines Verstorbenen insbesondere vor groben Beeinträchtigungen oder Entstellungen geschützt werden. Der Kreis der Wahrnehmungsberechtigten sowie die Schutzdauer entspricht § 77 Abs. 2 UrhG, sodass auch auf die bisher zu §§ 77, 78 UrhG ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann.

Der im Begutachtungsentwurf noch nicht enthaltene letzte Satz soll der Freiheit der Wissenschaft (Art. 17 StGG) und der Kunst (Art. 17a StGG) im Bereich des Andenkensschutzes einen besonderen Stellenwert einräumen.

Ob überhaupt ein rechtswidriger Eingriff vorliegt, ist weiterhin anhand einer umfassenden Interessenabwägung zu prüfen, bei denen auch andere als die besonders hervorgehobenen Interessen zu berücksichtigen sind.

Zu Z 2 (§ 20):

Abs. 1 normiert den bisher schon in Rechtsprechung und Literatur anerkannten Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung. Von einer Verletzung kann jedoch nur dann gesprochen werden, wenn eine umfassende Interessenabwägung stattgefunden hat: Den Interessen am gefährdeten Gut müssen stets auch die Interessen des Handelnden und die der Allgemeinheit gegenübergestellt werden (RIS-Justiz RS0031657). Anders als noch im Begutachtungsentwurf wird vorgeschlagen, die Interessenabwägung nicht explizit im Gesetz anzuführen, da damit nur Selbstverständliches zum Ausdruck gebracht werden würde.

Im Begutachtungsverfahren hat der Vorschlag, den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch nebeneinander zu erwähnen, ohne sie eigenständig auszuformulieren (wie in den §§ 81 und 82 UrhG) oder den Beseitigungsanspruch als Teil des Unterlassungsanspruchs zu formulieren (wie in § 15 UWG), für Unklarheiten gesorgt. So wurde wiederholt gefragt, warum das neue Mandatsverfahren nicht auch den Anspruch auf Beseitigung umfasst. Es wird daher vorgeschlagen, die ständige Rechtsprechung des OGH zum UWG zu verallgemeinern, nach der der Unterlassungsanspruch bei einer Rechtsverletzung im Internet, die sich nicht in einer vorübergehenden Handlung erschöpft, sondern dauerhaft abrufbar ist, auch das Recht umfasst, die Beseitigung des gesetzwidrigen Zustands vom Verpflichteten zu verlangen (Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek, UWG2 § 15 Rz 21 ff). Der aus dem Unterlassungsanspruch erfließende akzessorische Beseitigungsanspruch nach Abs. 1 zweiter Satz ist ein Unterfall des allgemeinen Beseitigungsanspruchs, und sein Charakteristikum besteht darin, dass das für jeden Beseitigungsanspruch zentrale Tatbestandsmerkmal eines rechtswidrigen Zustands im Fall des zweiten Satzes aus dem Widerspruch zur Unterlassungsverpflichtung herrührt. Damit ist auch klargestellt, dass jeder titulierte Unterlassungsanspruch zweckentsprechende Beseitigungsmaßnahmen als Vollstreckungshandlungen deckt. Gleichzeitig ergibt sich eine praxistaugliche Lösung für die Anwendung des § 549 ZPO, weil der Kläger seine Klage auf einen Unterlassungsanspruch beschränken kann, ohne befürchten zu müssen, dadurch Möglichkeiten zur effektiven Rechtsdurchsetzung aus der Hand zu geben.

Bei Rechtsverletzungen im Internet ist demnach vorwiegend der Unterlassungsanspruch von Bedeutung, geht es doch darum, die weitere Verbreitung eines rechtswidrigen Postings für die Zukunft zu unterlassen. Die Art und Weise, wie es der Täter oder Provider verhindert, dass ein rechtswidriger Beitrag weiterhin ausgestrahlt wird, ist bei der Formulierung als Unterlassungsanspruch traditionell diesem überlassen.

Für den von einer Unterlassungsverpflichtung unabhängigen Beseitigungsanspruch bleibt nur noch ein schmaler Anwendungsbereich, sei es, weil keine auch in die Zukunft wirkende Unterlassung gefordert wird oder werden kann (z.B. mangels Wiederholungsgefahr), sei es, weil die Beseitigung nicht vom Unterlassungsverpflichteten, sondern einem Dritten gefordert wird (z.B. die Beseitigung von physischen Verbreitungsstücken mit rechtsverletzendem Inhalt oder die Löschung von Daten auf bestimmten Datenträgern).

Abs. 2: Die Aktivlegitimation des Arbeitgebers ist neu und soll Situationen erfassen, in denen der Arbeitnehmer aufgrund seiner dienstlichen Tätigkeit Hasspostings ausgesetzt wird, die letztlich bewirken, dass die Tätigkeit erschwert und damit die wirtschaftliche Sphäre oder das Ansehen des Arbeit- oder Dienstgebers beeinträchtigt wird. Dieses Phänomen ist in jüngerer Zeit beobachtbar, etwa wenn gegen Rechtsprechungsorgane wegen unliebsamer Rechtsprechung gehetzt wird, sodass diese in die Befangenheit getrieben werden, was wiederum den Gang der Rechtsprechung insgesamt beeinträchtigen und sogar blockieren kann. Auch die „Vorführung“ eines Polizeiorgans mit dem Ziel, die Staatsgewalt „herunterzumachen“ (und damit auch deren Arbeit zu erschweren), war bereits Gegenstand von Gerichtsverfahren (6 Ob 6/19d). Schließlich werden praktische Anwendungsfälle auch bei Journalisten auftreten, deren Persönlichkeitsrechte systematisch verletzt werden. Wenn ein Journalist wegen seiner Recherchen in einem gesellschaftlich emotionalisierten Thema Zielscheibe von Hassattacken wird, könnte das seine Bereitschaft beeinträchtigen, in diesem Umfeld zu recherchieren oder die Ergebnisse veröffentlichen. Das beeinträchtigt die Fähigkeit des Medieninhabers, über ein Thema zu berichten und letztendlich auch die Meinungsäußerungsfreiheit. Kommt der Arbeit- oder Dienstgeber somit zu dem Schluss, dass die Verletzung der Persönlichkeitsrechte seines Arbeit- oder Dienstnehmers dazu geeignet ist, seine eigene Rechtssphäre zu beeinträchtigen, soll ihm zur Abwehr ein eigener Anspruch auf Unterlassung zustehen.

Der Anspruch besteht parallel zum Anspruch auf Einziehung nach dem vorgeschlagenen § 33a MedienG. Anders als für das medienrechtliche Verfahren, das zumeist an objektiven Tatbeständen strafbarer Handlungen anknüpft, werden für die zivilrechtliche Rechtsdurchsetzung die Tathandlungen nicht einzeln aufgezählt. Stattdessen werden sie als Verletzung des Ansehens (das umfasst die in § 33a Z 1 MedienG umschriebenen Handlungen) und der Privatsphäre (umfasst die in § 33a Z 2 und 3 MedienG umschriebenen Handlungen) normiert. Da wie dort erfasst der Unterlassungsanspruch nur Persönlichkeitsrechtsverletzungen in einem Medium (§ 1 Abs. 1 Z 1 MedienG), die in Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen.

Da es sich um einen originären Anspruch des Arbeitgebers handelt, muss die Verletzung geeignet sein, seine Möglichkeiten, den Arbeitnehmer einzusetzen, nicht unerheblich zu beeinträchtigen oder sein Ansehen erheblich zu schädigen. Ersteres ist dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer aufgrund des psychischen Drucks erkrankt und seiner Arbeit nicht mehr nachgehen kann, oder woanders eingesetzt werden muss. Die Möglichkeiten des Arbeitgebers werden aber auch dann beeinträchtigt, wenn er schwieriger Menschen findet, die bereit sind, dieser Arbeit nachzugehen.

Entsprechend einer Forderung im Begutachtungsverfahren soll der Anwendungsbereich auf ehrenamtlich Tätige (etwa für Vereine oder NGO) sowie auf Organe einer Körperschaft ausgeweitet werden. Mit „Organ“ ist hier ein menschlicher Organwalter gemeint, etwa ein Mitglied des Vorstands, eine Geschäftsführerin oder ein Bürgermeister.

Abs. 3 stellt klar, dass nicht nur der unmittelbare Täter geklagt werden kann, sondern auch der Vermittler (siehe § 81 Abs. 1a UrhG). Zur Auslegung dieser Bestimmung kann daher zunächst auf die zu § 81 UrhG ergangene Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen werden. Zugrunde liegt ein allgemeines Prinzip, das bereits von der Rechtsprechung anerkannt wurde: Danach kommt eine Klage gegen denjenigen in Betracht, der rechtswidrig eine besondere Verbindlichkeit unterlassen hat, das Übel zu verhindern; so etwa wenn er eine verpflichtende Vorhandlung gesetzt hat oder eine Gefahrensituation geschaffen hat (Ingerenzprinzip, siehe dazu 6 Ob 6/19d). Ganz generell kann nach der Rechtsprechung des OGH vom mittelbaren Störer – das ist von jenem, der die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit hat, die auf ihn zurückgehende, seiner Interessenwahrung dienende, aber unmittelbar von Dritten vorgenommene Störhandlung zu steuern und gegebenenfalls auch zu verhindern – Unterlassung und nicht bloß Einwirkung auf den unmittelbaren Störer begehrt werden (RIS-Justiz RS0103058). An dieser Rechtsprechung soll nicht gerüttelt werden.

Im Begutachtungsverfahren wurde mehrfach vorgebracht, dass der Diensteanbieter, der von einem Nutzer eingegebene Informationen in einem Kommunikationsnetz übermittelt oder den Zugang zu Kommunikationsnetzen vermittelt („Access-Provider“), davon ausgenommen werden sollte, einem Unterlassungsanspruch ausgesetzt zu sein, zumindest bis Regelungen getroffen werden, Zugangssperren zu bestimmten Websites mit der Netzneutralität in Einklang zu bringen. Es wird daher vorgeschlagen, vorerst von der Regelung eines Unterlassungsanspruchs gegen Access-Provider Abstand zu nehmen, weil die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch erst näher determiniert werden müssen. Dies betrifft auch Aktivitäten der Access-Provider, die in § 15 E-Commerce-Gesetz genannt werden (Zwischenspeicherungen, Caching).

Im Begutachtungsverfahren wurde auch die Funktion der Abmahnung hinterfragt. Zweck der Abmahnung ist es, die erforderliche Kenntnis eines Diensteanbieters von der rechtswidrigen Information herzustellen, um diesem die Möglichkeit zu geben, den Inhalt unverzüglich (siehe dazu insbesondere § 16 Abs. 1 Z 2 E-Commerce-Gesetz) zu entfernen. Auch eine Meldung im Sinne des § 3 des vorgeschlagenen Kommunikationsplattformen-Gesetzes (KoPl-G) ist eine gültige Abmahnung. Die Abmahnung ist eine materielle Voraussetzung für das Entstehen eines Unterlassungsanspruchs (§ 20 Abs. 3 ABGB, vgl. auch zu § 81 UrhG: Zemann in Dokalik/Zemann, Urheberrecht7 § 81 UrhG E 245). Wenn der Diensteanbieter auf eine solche Meldung nicht reagiert, kann gerichtlich gegen ihn vorgegangen werden.

Zu Z 3 (§ 1328a):

Nach § 1328a Abs. 2 zweiter Satz richtet sich die Verantwortung für Verletzungen der Privatsphäre „durch Medien“ alleine nach den Bestimmungen des Mediengesetzes. Dieses sieht jedoch einen Entschädigungsanspruch nur gegen den Medieninhaber vor. Sinn dieser Einschränkung ist es, bei den traditionellen Medien die einzelnen Journalisten vor Schadenersatzansprüchen zu schützen (ErläutRV ZivRÄG 2004, 173 BlgNR 22. GP. 20). Diese Einschränkung verhindert bei Persönlichkeitsverstößen in sozialen Netzwerken unter Umständen, dass der unmittelbare Täter geklagt werden kann, was ohne das Dazwischentreten einer medienrechtlich verantwortlichen Person aber nicht gerechtfertigt ist. In solchen Fällen soll der Ausschluss des zweiten Satzes nicht gelten, was bedeutet, dass in diesen Fällen das MedienG neben § 1328a anwendbar bleibt. Wenn der unmittelbare Täter gleichzeitig Medieninhaber ist (z.B. der Inhaber einer Facebook-Seite), dann hat der Geschädigte die Wahl, ob er gegen ihn nach den Bestimmungen des MedienG oder im Wege des Zivilverfahrens vorgeht.

Zu Z 4 (§ 1503):

Die Übergangsbestimmung sieht – abgesehen von § 20 Abs. 2 und § 1328a Abs. 2 – keine zeitliche Einschränkung des Anwendungsbereichs im Hinblick auf die verletzende Handlung vor. Die übrigen vorgeschlagenen Bestimmungen im ABGB (§§ 17a, 20 Abs. 1 und 3) können daher auch bei vor dem Inkrafttreten gesetzten Handlungen zum Tragen kommen.

Zu Art. 2 (Änderung der Jurisdiktionsnorm)

Zu Z 1 und 2 (§§ 49 und 59a):

In Verfahren wegen Streitigkeiten über erhebliche Verletzungen der von Persönlichkeitsrechten, die eine natürliche Person in ihrer Menschenwürde beeinträchtigen, und die in einem Mandatsverfahren nach § 549 ZPO geltend gemacht werden, soll ein möglichst einfacher und niederschwelliger Zugang für die Klagsführung geschaffen werden. Der vorgeschlagene § 49 Abs. 2 Z 6 regelt daher, dass diese Verfahren in die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte fallen. Nach dem vorgeschlagenen § 59a wird für die Klage ein fixer Streitwert in Höhe von 5 000 Euro festgesetzt.

Die Bezirksgerichte sind aufgrund ihrer einschlägigen Erfahrungen im Bereich der Gewaltschutzverfahren und des einfachen Zugangs für Bürgerinnen und Bürger etwa am Amtstag besser für die sachliche Behandlung dieser Verfahren geeignet als die Landesgerichte.

Außerdem ist durch die vorgeschlagenen Bestimmungen gewährleistet, dass sich die klagende Partei im Verfahren nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen muss (§ 27 Abs. 2 ZPO), sondern sich grundsätzlich durch jede volljährige und geschäftsfähige Person in erster Instanz vertreten lassen kann (§ 29 Abs. 1 ZPO).

Zu Art. 3 (Änderung der Zivilprozessordnung)

Zu Z 1 bis 3 (§§ 502, 549):

Mit der vorgeschlagenen Bestimmung soll ein Sonderverfahren in der ZPO eingerichtet werden, das für besonders massive Fälle von Persönlichkeitsrechtsverletzungen zur Verfügung stehen soll. Dieses Verfahren soll ausschließlich in Rechtsstreitigkeiten über Klagen zur Anwendung kommen, in denen Ansprüche auf Unterlassung wegen einer erheblichen, eine natürliche Person in ihrer Menschenwürde beeinträchtigenden Verletzung der Persönlichkeitsrechte in einem elektronischen Kommunikationsnetz geltend gemacht werden. Anregungen im Begutachtungsverfahren folgend, soll mit der Formulierung des Tatbestands „erhebliche, eine natürliche Person in ihrer Menschenwürde beeinträchtigende Verletzung von Persönlichkeitsrechten“ klargestellt werden, dass ein Persönlichkeitsrecht verletzt werden muss, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um eine Verletzung der Ehre und des Ansehens, der Privatsphäre, des Rechts am eigenen Bildes oder eines anderen Persönlichkeitsrechts handelt. Da es sich aber um Verletzungen mittels Darstellung von Gedankeninhalten (Wort und Bild) in einem elektronischen Kommunikationsnetz handeln muss, wird etwa eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts auf körperliche Unversehrtheit nicht in Betracht kommen.

Der Begriff der Menschenwürde findet sich in zahlreichen Stellen der österreichischen Rechtsordnung und dies nicht nur als programmatische Absichtserklärung (Gleichbehandlungsgesetze, Verhetzungstatbestand des § 283 StGB, uvm). Mit der vorgeschlagenen Bestimmung soll an den Begriff der „Menschenwürde“ und an bestehende Auslegung und Judikatur angeknüpft werden. Die Persönlichkeitsrechte sind besondere Ausprägungen des „Urrechts der Persönlichkeit“, des obersten Rechtsprinzips (Zeiller, Privat-Recht3 26 ff, 66 ff, 69 ff), das als das „Recht, die Würde eines vernünftigen, freyhandelnden Wesens zu behaupten oder auch das Recht der gesetzlichen Freyheit, dh zu allen, aber auch nur zu denjenigen Handlungen, bey denen ein geselliger Zustand gleichmäßig freyhandelnder Wesen stattfinden kann […]“ in § 16 seine positivrechtliche Anerkennung gefunden hat (vgl. Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4 § 16 ABGB Rz 1). Auch der Oberste Gerichtshof hat sich in zahlreichen Entscheidungen zu § 16 mit dem Begriff der Würde des Menschen auseinandergesetzt. Hervorzuheben ist hier das in RS0008993 wiedergegebenen Substrat dieser Entscheidungen, wonach die Bestimmung des § 16 die Persönlichkeit als Grundwert anerkennt und in ihrem Kernbereich die Menschenwürde schützt (vgl. auch hiezu Aicher aaO Rz 2).

Die Achtung der Menschenwürde ist ebenso ein Teil des Wesenskerns der MRK (vgl. etwa EGMR 13.1.2015 Bsw 61243/08 RS0131776). Über § 16 fließen die allgemeinen Wertvorstellungen der verfassungsmäßig garantierten Grundrechte in die Privatrechtsordnung ein (F. Bydlinski, ZÖR 12, 454 ff; F. Bydlinski, RZ 1965, 67 u 85; ua; aus der Rsp grundlegend 4 Ob 91/78 SZ 51/146 [zu Art. 8 EMRK]; 6 Ob 563/92 SZ 65/166 [Gleichheitssatz]; 3 Ob 566/95 SZ 68/154). Sie werden durch § 16 zu privatrechtsrelevanten Grundwerten, die der Privatautonomie Grenzen setzen (Aicher aaO Rz 57 mwN).

In seiner Menschenwürde wird verletzt, wem unmittelbar oder mittelbar das Recht auf Menschsein schlechthin abgesprochen wird, indem ihm etwa das Lebensrecht als gleichwertiger Bürger bestritten wird oder er als minderwertiger oder wertloser Teile der Gesamtbevölkerung dargestellt wird, oder wer sonst einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen wird (vgl. Plöchl in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 283 Rz 23). Im gegebenen Zusammenhang soll es um Verletzungen gehen, die auch durch die Meinungsäußerungsfreiheit nicht gerechtfertigt werden können, wie etwa, wenn eine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr im Wesentlichen nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht, oder bei mit Vorbedacht und nicht nur in der Hitze einer Auseinandersetzung verwendeten, nach allgemeiner Auffassung besonders krassen, aus sich heraus herabwürdigenden Schimpfwörtern (etwa aus der Fäkalsprache). Aber auch das heimliche Anfertigen kompromittierender Bildaufnahmen wie nach dem vorgeschlagenen § 120a StGB kann eine Verletzung der Menschenwürde darstellen.

Die Voraussetzung der Begehung der behaupteten Rechtsverletzung in einem elektronischen Kommunikationsnetz (zu diesem Begriff siehe bereits §§ 13 ff E-Commerce-Gesetz, siehe Zankl, ECG2 § 13 Rz 210, aber auch Art. 2 Z 1 Richtlinie 2018/1972/EU) soll die Verbreitung persönlichkeitsrechtsverletzender Inhalte in breit zugänglichen sozialen Netzwerken ebenso erfassen wie Messenger-Dienste, bei denen der rechtsverletzende Inhalt nur der verletzten Person übermittelt wird. Die rechtsverletzenden Inhalte sollen möglichst rasch aus den jeweiligen Kommunikationsnetzen entfernt werden und so auch eine weitere Verbreitung verhindert werden. Dafür ist ein Unterlassungsanspruch notwendig, aber auch ausreichend (siehe die Erläuterungen zu § 20 Abs. 1 ABGB). In allen einschlägigen Verfahren der letzten Jahre, die auf ein „Löschen“ („take down“) rechtswidriger Postings gerichtet waren, wurde das Klagebegehren als Unterlassungsanspruch formuliert (vgl. nur beispielhaft 6 Ob 178/04a, 6 Ob 116/17b). Der Unterlassungsauftrag beinhaltet daher immer auch den Auftrag zur Beseitigung der verletzenden Inhalte, ohne dass dies ausdrücklich ausgesprochen werden müsste. Siehe hiezu § 20 ABGB.

In der Klage ist der behauptete Anspruch schlüssig darzulegen (§ 226) und die Erlassung eines Unterlassungsauftrags zu beantragen. Der Klage ist auch ein Nachweis anzuschließen, der die rechtsverletzenden Inhalte darstellt oder ersichtlich macht. Hier ist etwa an einen Screenshot des verletzenden Eintrags, Textes oder Bildes oder die Bereitstellung eines Link zu den fraglichen Inhalten gedacht. So wie bei der Entscheidung über die Erlassung eines bedingten Zahlungsbefehls, ist ausgehend von den Klagsbehauptungen darüber zu entscheiden, ob der beantragte Unterlassungauftrag erlassen wird. Zum Prüfungsmaßstab im Mahnverfahren s Kodek in Fasching/Konecny3, III/1 § 244 ZPO Rz 29ff.

Die Regelungen der Abs. 2 und 3 über den Inhalt und den verfahrensrechtlichen Umgang mit dem Unterlassungsauftrag orientieren sich am Wechselmandatsverfahren sowie dem mit der Zivilverfahrens-Novelle 2009, BGBl. I Nr. 30/2009, aufgehobenen Mandatsverfahren. Der Auftrag soll ausdrücklich als „Unterlassungsauftrag“ bezeichnet werden.

Die Vollstreckbarkeit gerichtlicher Entscheidungen tritt grundsätzlich erst mit deren formeller Rechtskraft ein. Hievon sieht das Gesetz allerdings eine Reihe von Ausnahmen vor. So können im streitigen Verfahren Beschlüsse grundsätzlich schon vor ihrer Rechtskraft vollstreckt werden, soweit ihnen nicht aufschiebende Wirkung zuerkannt wird (§ 524); auch Urteile, gegen die eine außerordentliche Revision erhoben wurde, sind vollstreckbar (§ 505 Abs. 4 letzter Satz). Eine weitere Möglichkeit sofortiger Vollstreckbarkeit sieht § 44 AußStrG vor. Nach dieser Bestimmung kann einer Entscheidung sofortige Verbindlichkeit oder Vollstreckbarkeit zuerkannt werden. Dem Gericht soll damit die Möglichkeit geboten werden, seine Entscheidungen sofort in Kraft zu setzen. Diese Möglichkeit soll auch hier zur Verfügung stehen.

Abs. 4 der vorgeschlagenen Regelung ermöglicht dementsprechend der klagenden Partei, besonders rasch einen fortwirkend ihr Ansehen massiv verletzenden Zustand zu beenden, indem ihr das Recht eingeräumt wird, einen Antrag an das Gericht zu stellen, dem Unterlassungsauftrag mit Beschluss vorläufige Vollstreckbarkeit zuzuerkennen. Voraussetzung dafür ist, dass die Aufrechterhaltung der behaupteten rechtsverletzenden Handlung für die klagende Partei unzumutbar oder mit erheblichen Nachteilen verbunden oder mit tragenden Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung nicht vereinbar ist. In diesen Fällen soll die klagende Partei nicht in die Situation kommen, die Dauer eines aufgrund von allfälligen Einwendungen der beklagten Partei einzuleitenden ordentlichen Gerichtsverfahrens bis zu dessen Rechtskraft abwarten zu müssen. Bei solchen schwerwiegenden Vorwürfen ist dem effizienten und raschen Schutz der Persönlichkeitsrechte vor einem allfälligen damit verbundenen Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 10 EMRK) der Vorzug zu geben. Das Verfahren zur Erlangung der vorläufigen Vollstreckbarkeit orientiert sich an § 44 AußStrG. Hiebei sollen insbesondere Fälle erfasst werden, bei denen die behauptete Persönlichkeitsrechtsverletzung eine individuelle Schwere erreicht, deren Erduldung von der verletzten Person zumutbarer Weise nicht erwartet werden kann, etwa die Verbreitung von obszönen Schmähungen und Beschimpfungen oder von Ton- oder Bildaufnahmen intimer Persönlichkeitsbereiche. In gleicher Weise soll die Bestimmung zur Anwendung kommen, wenn mit der behaupteten Persönlichkeitsrechtsverletzung erhebliche individuelle Nachteile verbunden sind, etwa durch schwerwiegende, die Menschenwürde beeinträchtigende Vorwürfe z.B. bezogen auf die berufliche Qualifikation oder Charaktereigenschaften der verletzten Person. Zuletzt sollen auch Persönlichkeitsrechtsverletzungen erfasst sein, die eine überindividuelle Komponente beinhalten. Dies ist etwa dann der Fall, wenn zu der individuellen behaupteten Rechtsverletzung etwa geschlechterbezogene, ethnische, religiöse oder politische Schmähungen oder Verhetzungen hinzutreten, oder die Formulierung oder Darstellung als solche mit den sich aus den österreichischen Gesetzen ergebenden Werten unserer Gesellschaft nicht vereinbar ist, sodass es auch anderen Personen nicht zugemutet werden soll, damit konfrontiert zu werden.

Um betroffenen Personen die gerichtliche Geltendmachung zu erleichtern, wird die Bundesministerin für Justiz ermächtigt, für die Klage und den Antrag auf Erlassung eines Unterlassungsauftrags ein Formblatt aufzulegen.

Zwar gibt es zu Verletzungen der Privatsphäre in den verschiedensten Ausprägungen bereits Judikatur, zu den nunmehr neu definierten Rechtsverletzungen und dem dafür geschaffenen besonderen Verfahren sowie zu den Kriterien, bei deren Vorliegen eine sofortige Vollstreckbarkeit angeordnet werden kann, gibt es naturgemäß keine höchstgerichtliche Rechtsprechung. Eine solche wäre jedoch für die Betroffenen als Orientierung in der Praxis von großer Bedeutung und könnte auch für mehr Rechtssicherheit sorgen. Aufgrund der Festlegung des Streitwerts mit 5 000 Euro wäre die Anrufung des Obersten Gerichtshofes nach § 502 Abs. 2 und 3 ZPO ausgeschlossen. Allerdings sind Ansprüche auf Unterlassung der Verletzung höchstpersönlicher Rechte an sich nicht vermögensrechtlicher Natur, sodass bei Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage die Anrufung des OGH möglich ist. Um aber jedenfalls Auslegungen, wonach doch eine Bewertung durch das Berufungsgericht erforderlich ist (sei es, weil dies doch auch vermögensrechtliche Folgen haben kann, sei es aufgrund des gesetzlich festgelegten Streitwerts) zu vermeiden, wird der Anspruch – auf Zeit – ausdrücklich in § 502 verankert. Nach einem angemessenen Zeitraum soll die Notwendigkeit weiterer höchstgerichtlicher Entscheidungen überprüft werden, weshalb die Bestimmung zunächst befristet für einen Zeitraum von zehn Jahren gelten soll. Damit soll verhindert werden, dass der bewusst knapp gehaltene Ausnahmenkatalog des § 502 Abs. 5 überfrachtet wird. Es ist zu erwarten, dass innerhalb des vorgesehenen Geltungszeitraums ausreichend Judikatur vorliegen wird, um Grundsätze und Orientierungshilfen für die jeweils auf den konkreten Einzelfall abstellenden Entscheidungen vorzugeben.

Richtet sich eine Unterlassungsklage wegen der Verletzung eines Persönlichkeitsrechts gegen einen Vermittler iSd vorgeschlagenen § 20 Abs. 3 ABGB, so ist auch die Bestimmung des § 5 Abs. 1 iVm Abs. 3 des vorgeschlagenen Kommunikationsplattformen-Gesetzes (KoPl-G) für gerichtliche Verfahren relevant. Diese Bestimmung verpflichtet Diensteanbieter nach dem KoPl-G, zur Sicherstellung der Erreichbarkeit sowie für gerichtliche und behördliche Zustellungen einen „verantwortlichen Beauftragten“ zu bestellen. Dieser hat sich bei einem Zustelldienst nach dem 3. Abschnitt („Elektronische Zustellung“) des Zustellgesetzes, BGBl. I 2004/10, anzumelden und bei der Anmeldung mitzuteilen, dass es keine Zeiträume gibt, innerhalb derer die Zustellung ausgeschlossen sein soll. Der Plattform können dann an diese elektronische Zustelladresse (auch) gerichtliche Schriftstücke (nachweislich) nach den Vorschriften des Zustellgesetzes über die elektronische Zustellung zugestellt werden.

Zu 4 (§ 619):

Die Übergangsbestimmung für das neue Mandatsverfahren sieht keine zeitliche Einschränkung im Hinblick auf die Veröffentlichung der klagsgegenständlichen rechtswidrigen Inhalte vor. Es können daher auch solche die Menschenwürde verletzenden Inhalte Gegenstand des Mandatsverfahrens nach § 549 ZPO sein, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes veröffentlicht wurden.

Zu Art. 4 (Änderung der Exekutionsordnung):

Die Aufzählung des § 1 ist um den neu geschaffenen „Unterlassungsauftrag“ (siehe den vorgeschlagenen § 549 ZPO) zu erweitern.

Das Mandatsverfahren wurde mit der Zivilverfahrens-Novelle 2009, BGBl. I Nr. 30/2009, ersatzlos beseitigt. Der Verweis auf das Mandatsverfahren ist daher gegenstandslos geworden. Ebenfalls gegenstandslos geworden ist die Bezugnahme auf das Amtshaftungsverfahren, weil § 10 Abs. 3 AHG, der im Amtshaftungsverfahren die Erlassung eines Zahlungsauftrages vorgesehen hatte, mit dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33/2013, aufgehoben wurde.

Zu Art. 5 (Änderung des Rechtsanwaltstarifgesetzes):

In § 10 Z 6 RATG ist nach geltendem Recht eine Begrenzung des Streitwerts bei nicht auf einen Geldbetrag gerichteten Ansprüchen nach § 1330 ABGB (Widerruf, Veröffentlichung, Unterlassung) vorgesehen. Dies hat insbesondere den Zweck, Bewertungen in exorbitanter Höhe und das damit einhergehende Unterdrucksetzen des Prozessgegners wegen des hohen Kostenrisikos zu vermeiden und „Knebelungsklagen“ hintanzuhalten (vgl. ErläutRV 1638 BlgNR 20. GP 21 f). Dies gilt in gleicher Weise für die nunmehr vorgeschlagenen Ansprüche nach § 20 ABGB, sodass § 10 Z 6 RATG um diese Fälle zu erweitern ist. Bis zu den in § 10 Z 6 festgelegten Höchstbeträgen steht dem Kläger eine (niedrigere) Bewertung frei. Auch mehrere zusammenhängende (nicht in Geld bestehende) Ansprüche nach § 20 und/oder § 1330 ABGB dürfen nicht zur Überschreitung dieser Höchstbeträge führen (1 Ob 97/09k).

Für das neue Mandatsverfahren nach § 549 ZPO, dem erhebliche, eine natürliche Person in ihrer Menschenwürde beeinträchtigende Persönlichkeitsrechtsverletzungen zugrunde liegen, ist, um einen Gleichklang zur entsprechenden Begrenzung des Streitwerts in § 59a JN herzustellen, ebenfalls ein Fixbetrag von EUR 5 000 für die Bewertung nach dem RATG vorzusehen.

Ferner ist in den Tarifposten 2, 3A und 4 RATG auf die neuen Rechtsbehelfe nach § 549 ZPO und § 33a MedienG Bedacht zu nehmen.

Zu Art. 6 (Änderung des E-Commerce-Gesetzes):

Dem Ziel einer raschen und kostengünstigen Rechtsdurchsetzung auch von Auskunftsansprüchen nach § 18 Abs. 4 ECG soll durch die Verlagerung des Auskunftsverfahrens vom streitigen in den außerstreitigen Rechtsweg Rechnung getragen werden, sodass die Antragseinbringung in Hinkunft unabhängig vom Streitwert an keine Vertretungspflicht gebunden ist. Für die Einbringung eines Auskunftsanspruchs im außerstreitigen Rechtsweg fällt durch die systematisch passende Eingliederung in TP 12 lit. c Z 1 GGG statt einer streitwertabhängigen Gerichtsgebühr eine fixe Pauschalgebühr von 82 Euro an.

Die in § 18 Abs. 4 normierten Anspruchsvoraussetzungen sind unverändert ein überwiegendes rechtliches Interesse an der Feststellung der Identität eines Nutzers und eines bestimmten Sachverhalts sowie Kenntnis dieser Informationen als wesentliche Voraussetzung für die spätere Rechtsverfolgung. Sie sind glaubhaft zu machen, was nach der Judikatur erfordert, dass nach grober Prüfung der vom Kläger geltend gemachten Verletzungen eine erfolgreiche Geltendmachung von aus der behaupteten Rechtsverletzung resultierenden Ansprüchen nicht gänzlich auszuschließen ist (vgl. 6 Ob 133/13x; vgl. auch RIS-Justiz RS0129335).

Bereits derzeit sind für Auskunftsansprüche nach § 18 Abs. 4, denen eine behauptete Ehrenbeleidigung oder Kreditschädigung nach § 1330 ABGB wegen Veröffentlichung in einem Medium iSd § 1 Abs. 1 MedienG zugrunde liegt, wenn deren Streitgegenstand an Geld oder Geldeswert 15 000 Euro übersteigt, gemäß § 51 Abs. 1 Z 8b JN die selbständigen Handelsgerichte sachlich zuständig (vgl. OGH 27.11.2019, 6 Ob 137/19v). Diese Zuständigkeit soll zur Bündelung der Ressourcen und der damit zu erzielenden Verfahrensbeschleunigung streitwertunabhängig auf sämtliche Auskunftsverfahren nach § 18 Abs. 4 ausgedehnt werden. Aufgrund der vorhandenen Sachnähe von Auskunftsansprüchen nach § 18 Abs. 4 ECG zu Ansprüchen nach § 1330 ABGB dient eine spezialisierte Zuständigkeit zudem der Rechtssicherheit, da an den von den Rechtsmittelgerichten geprägten Rechtsprechungsgrundsätzen angeknüpft werden kann.

Der neue § 18 Abs. 4a ECG soll mit 1. Jänner 2021 in Kraft treten. In Anlehnung an § 202 AußStrG sollen die neuen Verfahrensbestimmungen erst dann anwendbar sein, wenn der verfahrenseinleitende Antrag nach dem 31. Dezember 2020 gestellt wurde. Bereits anhängige streitige Verfahren über solche Ansprüche sind nach den bisher geltenden Regeln für das Streitverfahren zu erledigen, was auch für die Wiederaufnahme derartiger bereits abgeschlossener Verfahren gilt.

Zu Art. 7 (Änderung des Gerichtsgebührengesetzes):

Für die neuen Verfahrensarten nach § 549 ZPO und § 18 Abs. 4a ECG sind Gebührentatbestände zu schaffen. Das Verfahren nach § 549 ZPO soll – ähnlich wie arbeitsrechtliche Feststellungs- und Unterlassungsklagen, Bestandsverfahren, Besitzstörungsklagen – gebührenrechtlich insofern begünstigt werden, als dafür ein fixer Streitwert von 750 Euro angenommen wird. Das entspricht einer Gerichtsgebühr von 107 Euro in erster Instanz, 144 Euro in zweiter Instanz und 214 Euro für die Anrufung des Obersten Gerichtshofs.

Für das Verfahren nach § 18 Abs. 4a ECG soll mit der niedrigsten Gebühr nach der Tarifpost 12 (82 Euro) das Auslangen gefunden werden.

Durch die Änderung in der Tarifpost 13 lit. a) sollen Anträge nach § 71 Abs. 1 zweiter Satz StPO von der Gebührenpflicht für verfahrenseinleitende oder -fortführende Anträge ausgenommen werden. Die Gebührenpflicht erstreckt sich damit nur noch auf Privatanklagen und auf Anträge des Privatanklägers auf Erlassung vermögensrechtlicher Anordnungen nach § 445 StPO.

Zu Artikel 8 (Änderung des Strafgesetzbuches)

Zu Z 1 (§ 107c StGB):

Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015, BGBl. I Nr. 112/2015, wurde § 107c StGB neu eingeführt. Danach macht sich strafbar, wer eine Person für eine größere Zahl von Menschen wahrnehmbar an der Ehre verletzt (Abs. 1 Z 1) oder Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereichs einer Person ohne deren Zustimmung für eine größere Zahl von Menschen wahrnehmbar macht (Abs. 1 Z 2), sofern dies im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems, längere Zeit hindurch fortgesetzt geschieht und auf eine die Lebensführung des Opfers unzumutbar zu beeinträchtigen geeignete Weise. Zur Auslegung des Begriffes „längere Zeit hindurch fortgesetzt“ wurde in den Erläuterungen Folgendes ausgeführt:

„Was unter dem Begriff „längere Zeit hindurch fortgesetzt“ zu verstehen ist, hat sich an den Umständen des Einzelfalles zu orientieren. So kann es in manchen Fällen genügen, dass jemand ein einziges Mal eine Belästigung im Sinne der Bestimmung begeht und dadurch bereits dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt. Bei § 107c StGB handelt es sich nämlich um ein Dauerdelikt, welches auch durch Unterlassen begangen werden kann. So könnte beispielsweise in Fällen, in denen jemand Nacktfotos des Opfers ohne dessen Zustimmung im Internet veröffentlicht und diese eine längere Zeit hindurch nicht löscht – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen –, eine Strafbarkeit nach § 107c StGB gegeben sein. Von einer fortgesetzten Tathandlung kann jedenfalls dann nicht gesprochen werden, wenn der Täter oder die Täterin gar keine Möglichkeit zur Löschung hat bzw. andere vor erfolgter zeitnaher Löschung z. B. die Bildaufnahmen bereits vervielfältigt und weitergegeben haben. Bei weniger massiven Handlungen wird man im Einzelfall genau prüfen müssen, ob erst bei mehrfacher Wiederholung der Handlungen von einer „über längere Zeit fortgesetzten“ Begehung gesprochen werden kann. Bei Belästigungen durch E-Mails, SMS oder Telefonanrufe sind jedenfalls wiederholte Tathandlungen erforderlich.“ (ErläutRV 689 BlgNR 25.GP 19f.).

Diese Ansicht hat sich jedoch nicht durchgesetzt. Argumentiert wird, dass § 107c StGB zwar als Dauerdelikt verstanden werden könnte, das Wort „fortgesetzt“ jedoch jedenfalls mehrere Handlungen erfordere (Schwaighofer in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 107c Rz 17; OLG Wien, 21 Bs 278/16k = JSt 2017, 563 (Birklbauer)). Das bedeutet in der Praxis, dass derzeit Fälle, in denen jemand beispielsweise einmal ein Nacktfoto einer anderen Person ins Internet stellt, nicht von § 107c StGB erfasst werden, selbst wenn dieses eine längere Zeit hindurch für Dritte wahrnehmbar ist. Es soll daher – in Übereinstimmung mit dem Vorschlag der seinerzeitigen Strafrechtskommission im Rahmen der Task Force – das Element der „fortgesetzten Tatbegehung“ in § 107c StGB entfallen, um auch bereits die einmalige Veröffentlichung strafrechtlich verfolgen zu können.

Bei mehreren Tathandlungen könnte sich weiterhin die Frage der Abgrenzung zwischen dem mit dem Gewaltschutzgesetz 2019 geschaffenen § 107a Abs. 2 Z 5 und § 107c Abs. 1 Z 2 StGB stellen. Zwar könnte die Bestimmung des § 107c Abs. 1 Z 2 StGB wie aktuell im Einführungserlass des BMJ zum Gewaltschutzgesetz, S318.040/0016-IV 1/2019, eJABl Nr. 24/2019, als lex specialis angesehen werden; im Hinblick auf die mit dem Gewaltschutzgesetz 2019 geschaffene Qualifikation des ersten Falls des § 107a Abs. 3 StGB wären dann aber länger als ein Jahr hindurch fortgesetzte Internetveröffentlichungen (für die weiterhin § 107c Abs. 2 StGB ohne diese zusätzliche Qualifikation gelten würde) gegenüber sonstigen öffentlichen Verbreitungshandlungen durch Aushängen o. Ä. privilegiert. § 107c Abs. 2 StGB soll daher analog zu § 107a Abs. 3 StGB um die neue Qualifikation des länger als ein Jahr dauernden Tatzeitraums ergänzt werden, wobei dieser – einer Anregung im Begutachtungsverfahren folgend – durch Abstellen auf die länger als ein Jahr dauernde Wahrnehmbarkeit präzisiert werden soll. Weiteren Anregungen im Begutachtungsverfahren folgend soll als weitere Qualifikation das Begehen fortgesetzter gegen die verletzte Person gerichteter Tathandlungen im Sinne des Abs. 1 innerhalb eines ein Jahr übersteigenden Zeitraums vorgesehen werden.

Schließlich soll dem Begutachtungsverfahren noch in zweifacher Hinsicht Rechnung getragen werden: Zum einen soll in Abs. 1 Z 1 ausdrücklich auf die Überschrift des vierten Abschnitts des besonderen Teils des StGB abgestellt und damit klargestellt werden, dass es hiebei um Tathandlungen im Sinne der §§ 111 ff StGB geht. Zum anderen soll im Rahmen des Abs. 1 Z 1 auf die wahrnehmbare Begehung einer oder mehrerer strafbarer Handlungen gegen die Ehre abgestellt werden und nicht – wie im Rahmen des Abs. 1 Z 2 – auf die Wahrnehmbarmachung; damit soll insbesondere klargestellt werden, dass eine (sich nicht mit den Ehrverletzungen identifizierende) Berichterstattung über Ehrverletzungen durch Dritte nicht tatbildlich ist.

Zu Z 2 (§ 120a StGB):

Vorbemerkung:

„Upskirting“-Bildaufnahmen, bei denen unter die Bekleidung, zumeist den Rock oder das Kleid einer Frau, fotografiert wird, konterkarieren das Bestreben der Opfer, diese Körperteile dem Anblick fremder Menschen zu entziehen. Kameras sind aufgrund des technischen Fortschritts mittlerweile in Mobiltelefonen verbaut und in der Lage, Bildaufnahmen von hoher Qualität zu erzeugen. Oft werden derartige Aufnahmen im öffentlichen Raum heimlich unter Zuhilfenahme eines Selfie-Sticks, beispielsweise auf einer Rolltreppe oder in öffentlichen Verkehrsmitteln, hergestellt. Durch diese Verhaltensweise verletzen die Täter die Privatsphäre der Opfer. Opfer müssen zudem damit rechnen, dass die Bildaufnahmen an andere Personen weitergegeben oder sogar auf einschlägigen Seiten im Internet veröffentlicht werden.

Auch das Anfertigen von Nacktfotos oder -filmen ohne das Wissen und die Einwilligung der betroffenen Personen, beispielsweise in Umkleidekabinen oder öffentlichen Toiletten durch versteckt platzierte Kameras, stellt sich als Problem dar, dem mit dem geltenden Recht nicht ausreichend begegnet werden kann.

Der Schutz vor diesen Bildaufnahmen durch das Strafrecht erscheint verbesserungsbedürftig. Die Herstellung derartiger Bildaufnahmen stellt derzeit nur einen Verwaltungsstraftatbestand dar (§ 62 Abs. 1 Z 4 DSG). Erst bei Vorliegen weiterer Tatbestandselemente können in diesen Fällen beispielsweise die Tatbestände der gefährlichen Drohung (§ 107 StGB), der beharrlichen Verfolgung (§ 107a StGB), der fortgesetzten Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems (§ 107c StGB) oder der Datenverarbeitung in Gewinn- oder Schädigungsabsicht (§ 63 DSG) erfüllt sein. Die Anwendung des § 63 DSG scheitert jedoch immer dann, wenn lediglich eine Bildaufnahme des Intimbereichs vorliegt, weil nur Bildaufzeichnungen, die die betreffende Person erkennen lassen, personenbezogene Daten sind und in den Schutzbereich des § 63 DSG fallen (Salimi in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 63 DSG Rz 28). Auch § 107c StGB setzt voraus, dass das Opfer identifizierbar ist (Schwaighofer in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 107c Rz 12).

Mit dem vorliegenden Entwurf soll das im Regierungsprogramm 2020-2024, S. 273, vorgesehene Upskirting-Verbot durch Schaffung eines neuen Straftatbestands umgesetzt werden. Gleichzeitig wird dadurch der Entschließung des Nationalrats vom 22.4.2020, 27/E XXVII. GP, mit der die Bundesregierung aufgefordert wurde, dem Nationalrat einen Gesetzesvorschlag zuzuleiten, der die unbefugte Herstellung von Bildaufnahmen des Intimbereichs einer anderen Person, indem unter deren Bekleidung fotografiert oder gefilmt wird (Upskirting), unter Strafe stellt, entsprochen.

Der neue Straftatbestand soll in den Fünften Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches eingeordnet werden, weil derartige Bildaufnahmen die Privatsphäre verletzen. Die unbefugte Bildaufnahme stellt ein Pendant zur unbefugten Tonaufnahme, die nach § 120 StGB strafbar ist, dar.

Auch in Deutschland sind Bildaufnahmen einer Person in einem gegen Einblick besonders geschützten Raum im Rahmen des § 201a dStGB in den 15. Abschnitt (Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs) eingeordnet. Dass ein neuer Tatbestand gegen Upskirting im Rechtsausschuss des deutschen Bundestags nach langen Diskussionen letztlich am 2. 7. 2020 als Sexualdelikt (§ 184k dStGB) beschlossen wurde, spricht nicht gegen die vorgeschlagene Einordnung, weil nach dem Entwurf ebenso wie in Deutschland eine allfällige der Tat zugrundeliegende sexuelle Motivation des Täters – im Unterschied zu anderen Rechtsordnungen (vgl. § 67a des Sexual Offences Act für England und Wales) – nicht einmal zum Teil bzw. als Alternative Tatbestandsmerkmal des neuen Straftatbestands sein soll.

Anregungen im Begutachtungsverfahren folgend soll der Tatbestand – insofern auch in Anlehnung an § 201a Abs. 1 Z 1 dStGB – auf unbefugte Nacktfotos oder -filme von Personen, die sich in einer Wohnstätte befinden, ausgeweitet werden. Von einer gelegentlich angeregten Ausweitung auch auf „Gafffer-Fotos“, etwa nach einem Unfall, soll hingegen im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber erst im Jahr 2018 mit der Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz BGBl. I Nr. 55/2018, einen – wenn auch nicht auf Bildaufnahmen beschränkten – Verwaltungsstraftatbestand geschaffen hat, Abstand genommen werden. Der am 15. August 2018 in Kraft getretene § 81 Abs. 1a SPG pönalisiert nämlich nicht nur die Behinderung von Hilfeleistungen, sondern auch die unzumutbare Beeinträchtigung der Privatsphäre betroffener Personen.

Zu § 120a StGB:

Nach dem neuen § 120a Abs. 1 StGB soll strafbar sein, wer absichtlich eine Bildaufnahme der Genitalien, der Schamgegend, des Gesäßes, der weiblichen Brust oder der diese Körperstellen bedeckenden Unterwäsche eines anderen, der diese Bereiche gegen Anblick geschützt hat oder sich in einer Wohnstätte oder in einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, ohne dessen Einwilligung herstellt.

Die erste Variante umfasst neben der Oberbekleidung auch beispielsweise Handtücher oder die eigenen Hände, die als Sichtschutz eingesetzt werden. Die im Begutachtungsverfahren vorgesehene Beschränkung der ersten Variante auf Sachverhalte, in denen das Opfer den Intimbereich „durch Bekleidung oder vergleichbare Textilien“ gegen Anblick geschützt hat, ist, Anregungen im Begutachtungsverfahren folgend, nicht mehr vorgesehen. Gleichfalls im Hinblick auf entsprechende Anregungen im Begutachtungsverfahren, soll (auch) der geschützte räumliche Bereich in der zweiten Variante ausgeweitet werden, und zwar auf „Wohnstätten“. Die zweite Variante ist damit nicht nur erfüllt, wenn der Täter das Opfer beispielsweise in einer Umkleidekabine oder öffentlichen Toilette fotografiert oder filmt, sondern auch wenn sich das Opfer in einer Wohnstätte befindet. Dem Begriff der Wohnstätte soll dasselbe Verständnis wie in den §§ 109 und 129 StGB zukommen. Die Wohnstätte ist ein Gebäude oder ein sonstiges abgegrenztes Gebilde, das typischerweise Menschen zu Wohnzwecken dient; entscheidend ist die Funktion als Wohnraum, somit als Ort, an dem sich die Intimsphäre der Bewohner in besonderer Weise lokalisiert, wobei diese Räumlichkeiten auch dann während der gesamten Zeit hindurch als Wohnstätten gelten, wenn sie diese Funktion nur tagsüber, nur über Nacht oder nur während bestimmter Zeiten im Jahr erfüllen (z.B. Ferienhäuser; vgl. zu alldem Salimi in SbgK, § 129 Rz 24 mwN).

Der Begriff der Bildaufnahme erfasst wie in § 107c StGB sowohl Fotos als auch Videos (vgl. Schwaighofer in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 107c Rz 12; Thiele in SbgK, § 107c Rz 26).

Die geschützten Körperstellen umfassen die Genitalien, die Schamgegend, das Gesäß und die weibliche Brust. Die Begriffe Genitalien und Schamgegend sind wie in § 207a Abs. 4 Z 3 lit. b StGB zu verstehen. Wenngleich es sich bei Bildern der weiblichen Brust nicht um „Upskirting“ im engeren Sinn handelt, sollen nach deutschem Vorbild auch diese Aufnahmen in den Tatbestand einbezogen werden. Vom Tatbestand sollen nicht nur Nacktfotos, sondern auch Bildaufnahmen der diese Körperstellen bedeckenden Unterwäsche erfasst sein, weil auch diese durch die Oberbekleidung gegen die Blicke Fremder geschützt werden soll und derartige Aufnahmen daher ebenso die Privatsphäre des Opfers verletzen. Das Fotografieren von Leggings, die eine Person unter einem Kleid oder Rock trägt, wird hingegen nicht den Tatbestand erfüllen, weil es sich dabei nicht um Unterwäsche handelt.

Ob eine der geschützten Körperstellen auf einem Teil des Bildes vorkommt oder das ganze Bild einnimmt, ist für den objektiven Tatbestand nicht relevant. Um die Strafbarkeit auf besonders strafwürdige Verhaltensweisen zu beschränken und Anwendungsproblemen in der Praxis entgegenzuwirken, soll jedoch auf der subjektiven Tatseite Absichtlichkeit verlangt werden. Dem Täter muss es somit auf die Verwirklichung des Tatbestandes ankommen. Wer eine Person auf einem Brunnenrand sitzend fotografiert und dabei in Kauf nimmt, dass auch geschützte Stellen einer daneben sitzenden Person abgebildet werden, soll sich weiterhin nicht strafbar machen. Dasselbe gilt, wenn beispielsweise Pressefotografen Prominente beim Aussteigen aus einem Auto auf dem Roten Teppich ablichten und dabei deren Unterwäsche sichtbar wird.

Soweit die Herstellung der Bildaufnahme in Ausübung rechtmäßiger Pflichten erfolgt (z.B. durch die Kriminalpolizei oder Strafvollzugsbedienstete) ist sie mangels Rechtswidrigkeit nicht strafbar (vgl. zum Besitz pornographischer Darstellungen Minderjähriger Hinterhofer in SbgK, § 207a Rz 80).

Nach § 120a Abs. 2 StGB soll sich strafbar machen, wer eine nach Abs. 1 hergestellte Bildaufnahme einem anderen zugänglich macht oder veröffentlicht. Die Tathandlung des Zugänglichmachens umfasst alle Handlungen, die die Bildaufnahme einer vom Täter verschiedenen Person (oder mehreren solchen) einsehbar machen (Salimi in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 63 DSG (Stand 30.8.2019, rdb.at) Rz 67), also beispielsweise das Verschaffen, Überlassen oder Vorführen. Unter Veröffentlichen ist, wie in anderen Tatbeständen, das Zugänglichmachen in Bezug auf einen unbestimmten Personenkreis zu verstehen. Von einem Veröffentlichen kann man nur sprechen, wenn iSd § 69 StGB ca. 10 Personen (Richtwert) Kenntnis von den Daten erlangen können (Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 69 Rz 1; SSt 55/28, 12 Os 119/05 z, SSt 2006/20 = RZ 2007/3, 52; Salimi in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 63 DSG Rz 70).

Empfehlungen im Begutachtungsverfahren folgend soll anstelle der ursprünglich vorgesehenen einheitlichen Strafdrohung für die Abs. 1 und Abs. 2 von Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zwischen den Fällen des Abs. 1 und des Abs. 2 differenziert und in Abs. 1 eine Strafdrohung von Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen vorgesehen werden.

Der Entwurf geht davon aus, dass die Abs. 1 und Abs. 2 gegebenenfalls echt konkurrieren können. Im Übrigen soll Anregungen im Begutachtungsverfahren folgend eine ausdrückliche Subsidiarität der Tat nach Abs. 2 gegenüber gleich oder strenger bestraften Delikten vorgesehen werden.

Zu Z 3 (§ 283 Abs. 1 Z 1 StGB):

§ 283 Abs. 1 Z 1 StGB nennt derzeit unter den nach dieser Bestimmung geschützten Gruppen u.a. die nach den Kriterien „einer körperlichen oder geistigen Behinderung“ definierte Gruppe von Menschen. Dazu wurde im Begutachtungsverfahren aus Anlass der vorgeschlagenen Änderung des § 283 Abs. 1 Z 2 StGB unter Bezugnahme auf Art. 1 des UN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, aber auch § 3 des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes einerseits moniert, dass diese Aufzählung im Hinblick auf psychische Beeinträchtigungen sowie Beeinträchtigungen von Sinnesfunktionen zu kurz greife; andererseits wurde auch eingewandt, dass der Begriff der „geistigen Behinderung“ als diskriminierend empfunden werde.

Dazu ist festzuhalten, dass § 283 Abs. 1 StGB in der Fassung BGBl. I Nr. 103/2011, also jener Novelle, mit der u.a. Menschen mit Behinderungen als geschützte Gruppe in den Anwendungsbereich einbezogen wurden, schlechthin, das heißt ohne nähere Umschreibung (und damit auch ohne Einschränkungen), auf „Behinderungen“ abstellte. Ohne nähere Begründung wurde diese Regelung durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2015, BGBl. I Nr. 112/2015, dahin geändert, dass in § 283 Abs. 1 Z 1 StGB seither insoweit auf eine „körperliche oder geistige Behinderung“ abgestellt wird. Wenngleich den Gesetzesmaterialien mangels jeglicher Begründung keine Präzisierungs- oder gar Einschränkungsabsicht entnommen werden kann, könnte der Wortlaut in diese Richtung gedeutet werden. Im Lichte der Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens soll durch das Abstellen auf „Behinderungen“ schlechthin klargestellt werden, dass der Schutzbereich insofern keinerlei Einschränkungen unterliegt. In Übereinstimmung mit § 3 des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes sowie § 1 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes versteht vielmehr auch § 283 Abs. 1 Z 1 StGB unter Behinderungen mehr als voraussichtlich sechs Monate andauernde körperliche, geistige oder psychische Funktionsbeeinträchtigungen oder Beeinträchtigungen der Sinnesfunktionen, die geeignet sind, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren (bzw. deren Auswirkungen).

Zu Z 4 (§ 283 Abs. 1 Z 2 StGB):

Beschimpfungen von Einzelpersonen sind derzeit nach § 115 StGB als Beleidigung mit bis zu drei Monate Freiheitsstrafe bedroht. Wenn das Opfer wegen seiner Zugehörigkeit zu einer der im § 283 Abs. 1 StGB bezeichneten Gruppen beschimpft wird und die Beschimpfung geeignet ist, das Opfer in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, wird zwar aus dem Privatanklagedelikt ein Ermächtigungsdelikt und kann der Erschwerungsgrund des § 33 Abs. 1 Z 5 StGB zum Tragen kommen, die Strafdrohung als solche ändert sich jedoch nicht. Selbst wenn eine Beschimpfung von Einzelpersonen unter den Tatmodalitäten geschieht, die § 283 Abs. 1 Z 2 StGB für die hetzerische Beschimpfung von (geschützten) Gruppen vorsieht, nämlich, dass die Beschimpfung vielen (d.h. mindestens rund 30) Personen zugänglich wird und in der Absicht geschieht, das Opfer in seiner Menschenwürde zu verletzen, bleibt es in Bezug auf (einer geschützten Gruppe angehörige) Einzelpersonen bei der Strafdrohung bis zu drei Monaten Freiheitsstrafe, während die Gruppenbeschimpfung als Verhetzung mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bedroht ist. Nachdem seit der Novelle des § 283 StGB durch BGBl. I Nr. 103/2011 bereits der Aufruf zu Gewalt gegen Einzelpersonen dem Aufruf zu Gewalt gegen geschützte Gruppen gleichgestellt war, wurde mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015, BGBl. I Nr. 112/2015 auch der Aufruf zu Hass (die Hetze) gegen Einzelpersonen dem Aufruf zum Hass (Hetze) gegen Gruppen gleichgestellt. Nunmehr erscheint auch bei der hetzerischen Beschimpfung die Diskrepanz zwischen der Verhetzung von Gruppen und jener von Einzelpersonen unter dem Gesichtspunkt des erhöhten Stellenwerts des Persönlichkeitsschutzes sowie des Umsichgreifens von Hass im Netz nicht mehr länger angemessen. Es sollen daher nunmehr auch gegen die Menschenwürde gerichtete Beschimpfungen von Einzelpersonen nach § 283 Abs. 1 Z 2 StGB geahndet werden können.

Einer Anregung im Begutachtungsverfahren folgend soll klargestellt werden, dass die Menschenwürde grundsätzlich nicht einer Gruppe von Menschen als solcher, sondern den Mitgliedern der Gruppe zukommt.

Aufgrund der bestehenden Unterschiede in den Tatbeständen bei der Publizität sowie des nur bei der Bestimmung des § 283 Abs. 1 Z 2 StGB erforderlichen erweiterten Vorsatzes in Form der Absicht, die Menschenwürde zu verletzen, erscheint die Beibehaltung des § 117 Abs. 3 StGB in der geltenden Fassung für zwar nicht hetzerische, aber doch diskriminierende Beleidigungen weiterhin zweckmäßig.

Zu Artikel 9 (Änderung des Mediengesetzes)

Zu Z 1, 12, 21 und 22 (neue Unterabschnitte)

Es wird vorgeschlagen, die Bestimmungen des Dritten Abschnitts (Persönlichkeitsschutz) in vier Unterabschnitte zu gruppieren und damit übersichtlicher zu gestalten.

Zu Z 2 bis 5 und 8 bis 10 (§ 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 7a Abs. 1, § 7b Abs. 1, § 7c Abs. 1 und § 8 Abs. 1 und 2 MedienG)

1. Derzeit enthalten § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 7a Abs. 1, § 7b Abs. 1 und § 7c Abs. 1 MedienG die Kriterien für die Festsetzung der Höhe der Entschädigung. Der Entwurf schlägt vor, die Kriterien aus den genannten Bestimmungen herauszulösen und sie in § 8 MedienG für alle fünf Tatbestände gemeinsam (und einheitlich) vorzusehen. Damit wird die Regelung insgesamt kompakter und übersichtlicher.

Der in § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 7a Abs. 1, § 7b Abs. 1 und § 7c Abs. 1 MedienG derzeit verwendete Begriff „Kränkung“ soll an die zivilrechtliche Terminologie des Schadenersatzrechts angepasst und auf „persönliche Beeinträchtigung“ umgestellt werden. Mit der Wahl dieser Begrifflichkeit wird klargestellt, dass die medienrechtlichen Entschädigungsansprüche lediglich immaterielle Schäden ersetzen (vgl. dazu schon zur bisherigen Rechtslage etwa Rami in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar2, MedienG (2019) Vor §§ 6 bis 7c, Rz 7). Eine Bedeutungsänderung tritt durch die Änderung der Terminologie somit nicht ein.

Der Ersatz des Begriffs „Mensch“ durch jenen der „Person“ in § 7 Abs. 1 MedienG dient der Vereinheitlichung. Eine Änderung des Sinngehalts der Bestimmung tritt hierdurch nicht ein, insbesondere soll sie weiterhin lediglich natürliche, nicht aber juristische Personen erfassen (Berka in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Mediengesetz Praxiskommentar4 Vor §§ 6 – 8a Rz 29). Dies ergibt sich auch bereits daraus, dass § 7 Abs. 1 MedienG den höchstpersönlichen Lebensbereich einer Person schützt, über welchen lediglich natürliche Personen verfügen.

2. In allen fünf Entschädigungstatbeständen ist die Entschädigung der Höhe nach mit einer festen Obergrenze gedeckelt, wobei es drei verschiedene Modelle gibt:

-       Entschädigung bis 20.000 € (§§ 7, 7a, 7b MedienG);

-       Entschädigung bis 20.000 €, in besonders schweren Fällen bis 50.000 € (§ 6 MedienG);

-       Entschädigung bis 50.000 €, in besonders schweren Fällen bis 100.000 € (§ 7c MedienG).

An der derzeitigen Rechtslage und Praxis wird kritisiert, dass einerseits die Obergrenzen der Entschädigung zu niedrig angesetzt seien, andererseits diese von den Gerichten nicht in wünschenswertem Ausmaß ausgeschöpft werden (offenbar aus der Überlegung, sich einen Spielraum für noch schlimmere Fälle offen zu lassen). Die Entschädigungsbeträge, die großen und wirtschaftlich potenten Medienunternehmen drohen, stehen daher in keinem Verhältnis zu dem Gewinn, der durch persönlichkeitsrechtsverletzende Veröffentlichungen erzielt werden könne, und werden von einzelnen Medien offenbar bewusst in Kauf genommen. Auf der anderen Seite können schon Bußgelder von 1.000 Euro existenzgefährdend sein, wenn sie über kleine Medien mit geringer Verbreitung verhängt werden.

3. Der Entwurf schlägt in § 8 Abs. 1 MedienG eine Neuregelung vor, die dieser Kritik Rechnung tragen soll, zugleich aber auch der gestiegenen gesellschaftlichen Sensibilität für Persönlichkeitsschutz – was ja das Hauptziel des gesamten Entwurfs ist.

Zunächst scheinen jedenfalls aus heutiger Sicht die offenbar vom historischen Gesetzgeber gesehenen unterschiedlichen Wertigkeiten der fünf Arten von Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht (mehr) ersichtlich. Es wird daher vorgeschlagen, dass die Regelung für alle fünf Tatbestände (§§ 6, 7, 7a, 7b, 7c MedienG) gleich sein soll.

Weiters soll die Obergrenze besser mit dem Grundgedanken – Entschädigung für erlittenen (ideellen) Schaden (Rami in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar² MedienG (2019) Vor § 6 – 7c Rz 7) – vereinbar gemacht werden, indem den Gerichten eine größere Bandbreite für die Bemessung der Entschädigung eingeräumt wird.

Die geltenden Obergrenzen bestehen seit dem 1.7.2005 (Mediengesetznovelle 2005, BGBl. I Nr. 49/2005). Seit damals ist das allgemeine Preisniveau um rund 30 % gestiegen (VPI 2005 bis Mai 2020: 130,2).

Vor diesem Hintergrund und um auch dem gestiegenen gesellschaftlichen Bedürfnis nach Persönlichkeitsschutz zu entsprechen, wird vorgeschlagen, die Obergrenze grundsätzlich mit 40 000 Euro zu beziffern.

Überdies wird vorgeschlagen, dass – wenn es um Entschädigungen nach den §§ 6, 7 oder 7c MedienG geht – dieser Betrag überschritten und eine Entschädigung bis 100.000 Euro bemessen werden kann, wenn zwei Voraussetzungen zusammenfallen: besonders schwerwiegende Auswirkungen der Veröffentlichung und ein grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten des Medieninhabers oder seines Mitarbeiters. Die Voraussetzung der besonders schwerwiegenden Auswirkungen entspricht der nach geltendem Recht in den §§ 6 und 7c MedienG vorgesehenen Voraussetzung für die erhöhte Obergrenze.

Dagegen bringt die zweite Voraussetzung, das grob fahrlässige oder vorsätzliche Verhalten des Medieninhabers oder seines Mitarbeiters, einen Aspekt ein, der bisher bei den Entschädigungen nach den §§ 6 ff MedienG weitgehend außer Betracht geblieben ist, nämlich eine Bewertung des Sorgfaltsverstoßes auf Seiten des Mediums. Mit dieser Anknüpfung an eine Art eines Verschuldens kann einerseits die besondere Höhe der Entschädigung gerechtfertigt werden; andererseits soll damit auch die präventive Wirkung der §§ 6 ff MedienG befördert werden. Das Kriterium richtet sich an professionelle Journalisten ebenso wie an Personen, die nicht in diese Berufsgruppe fallen; die der Bewertung zu Grunde zu legenden Sorgfaltsmaßstäbe können daher dementsprechend divergieren.

Durch diese qualifizierte Obergrenze soll auch die bisher zu beobachtende Zurückhaltung der Judikatur, an die derzeitigen Höchstbeträge heranzugehen, aufgelöst werden.

4. Durch die Schaffung einer Untergrenze von 100 Euro soll verdeutlicht werden, dass bei entsprechend geringer Bedeutung des Mediums (geringe Auflage und Reichweite: z.B. Gemeindeblätter, Vereinszeitungen, Flyer etc.) auch Entschädigungen deutlich unter 1.000 Euro angemessen sein können.

Dem Grundanliegen des Entwurfs – besserer Schutz der Persönlichkeitsrechte – entspricht es besser, einerseits von den festen Obergrenzen abzugehen und andererseits auch die unterschiedliche Gewichtung fallen zu lassen.

5. Nach geltendem Recht (§ 6 Abs. 1 zweiter Satz MedienG) ist die Höhe des Entschädigungsbetrages nach Maßgabe des Umfangs und der Auswirkungen der Veröffentlichung, insbesondere auch der Art und des Ausmaßes der Verbreitung des Mediums zu bestimmen. Dabei ist auch auf die Wahrung der wirtschaftlichen Existenz des Medieninhabers Bedacht zu nehmen.

Unter dem Ausmaß der Verbreitung ist im Wesentlichen die Höhe der (konkreten) Auflage oder die Reichweite des (auch elektronischen) Mediums zu verstehen, während mit der Art der Verbreitung auf die Zielgruppe des Mediums unter Bedachtnahme auf die Stellung des Betroffenen abgestellt wird.

Insoweit soll die geltende Rechtslage grundsätzlich unverändert beibehalten, allerdings in vier Punkten weiterentwickelt werden.

Zunächst wird vorgeschlagen, die Aufzählung der Kriterien für die Bemessung des Entschädigungsbetrags demonstrativ auszugestalten und damit die bisher zu den einzelnen Entschädigungstatbeständen bestehende Uneinigkeit über die Art der Aufzählung (siehe dazu Berka in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Mediengesetz Praxiskommentar4, Vor §§ 6 – 8a Rz 46) zu beseitigen. Dadurch soll jedoch der bereits erwähnte Grundgedanke (Entschädigung für erlittenen ideellen Schaden; vgl. dazu etwa Rami in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar2 MedienG (2019) Vor §§ 6 – 7c Rz 7; Berka in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Mediengesetz Praxiskommentar4, Vor §§ 6 – 8a Rz 46) beibehalten und keine Einbeziehung materieller Nachteile in die Bemessung erfolgen (so schon die bisherige Rechtslage: vgl. dazu Berka in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Mediengesetz Praxiskommentar4, Vor §§ 6 –8a Rz 46).

Weiters wird vorgeschlagen, neben dem Umfang und den Auswirkungen der Veröffentlichung als weiteres Kriterium für die Bestimmung der Entschädigung den Veröffentlichungswert anzuführen. Dieser Begriff ist im Gegendarstellungsrecht gebräuchlich (vgl. § 13 MedienG) und umfasst insbesondere die Aufmachung der Veröffentlichung.

Darüber hinaus soll einer Besonderheit bei Websites Rechnung getragen werden: Bei diesen kann nämlich das Ausmaß der Verbreitung in der Regel auch dadurch konkretisiert werden, dass die Zahl jener Endnutzer (dieser Begriff ist im Sinne von § 3 Z 5 TKG zu verstehen) festgestellt werden kann, die konkret die inkriminierte Veröffentlichung aufgerufen („angeklickt“) haben. Diese Zahl soll daher bei Websites zugrunde zu legen sein, um das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung festzustellen. Schließlich wird vorgeschlagen, dass bei zeitlich eng aufeinanderfolgenden Veröffentlichungen gleichen Inhalts die Auswirkungen der späteren Veröffentlichungen in der Regel als geringer anzusehen sein sollen; begrenzt ist dies zeitlich mit dem erstinstanzlichen Zuspruch eines Entschädigungsbetrages (weil ab diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht mehr von Gutgläubigkeit ausgegangen werden kann). Dieses Kriterium kann insbesondere bei Veröffentlichungen gleichen Inhalts, die dem gleichen Medienkonzern zuzuordnen sind, angewendet werden.

6. In den neuen § 8 Abs. 1 MedienG sollen die materiellen Bestimmungen zur Bemessung des Entschädigungsbetrages aufgenommen werden; daher soll auch die bisher in Abs. 2 Satz 2 enthaltene Bestimmung, die das Zusammentreffen mehrerer Ansprüche regelt, in Abs. 1 verschoben werden, wobei jener Halbsatz entfallen kann, der auf das Höchstmaß des höchsten in Betracht kommenden Entschädigungsanspruchs Bezug nimmt (weil ja ein für alle Tatbestände einheitlicher Betrag sowie die Möglichkeit dessen Überschreitung vorgeschlagen wird).

7. In den neuen § 8 Abs. 2 MedienG sollen – inhaltlich weitgehend unverändert – jene Bestimmungen aufgenommen werden, die primär verfahrensrechtlichen Charakter haben. Im Sinne einer Stärkung der Privatautonomie soll ausdrücklich vorgesehen werden, dass der Verletzte erklären kann, dass er sich auf einzelne Entschädigungsansprüche nicht stützen will. Gibt der Verletzte eine derartige Erklärung ab, so ist das Gericht an die dadurch bewirkte Beschränkung des Antrags auf bestimmte Anspruchsgrundlagen gebunden (arg. „jedoch“).

Zu Z 5 und Z 6 (§ 7a Abs. 1a und 2 MedienG)

Der Identitätsschutz gilt derzeit nur für Opfer von Straftaten, für Verdächtige und Verurteilte sowie (seit BGBl. I Nr. 101/2014) für Auskunftspersonen vor einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates. Im Zuge der Berichterstattung über Straftaten geschehen jedoch oftmals auch nicht minder schwere Eingriffe in Persönlichkeitsrechte von Angehörigen von Tatverdächtigen, Verurteilten oder Opfern sowie von Zeugen von Straftaten, indem deren Identität preisgegeben wird und sie damit in der Öffentlichkeit bloßgestellt werden.

Der Entwurf schlägt daher vor, den Kreis der geschützten Personen auf Angehörige (§ 72 StGB) von Tatverdächtigen, Verurteilten und Opfern sowie auf Zeugen einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung auszudehnen. Durch die Einschränkung auf Angehörige, die nicht selbst schon unter den Opferbegriff des § 65 Z 1 lit. b StPO fallen, wird vermieden, dass auch Angehörige von Angehörigen iSd § 65 Z 1 lit. b StPO in den Schutzbereich der neuen Bestimmung fallen.

Der Umfang des Schutzes soll enger sein als jener von Verdächtigen, Verurteilten und Opfern von Straftaten: der Schutz soll nur gegen die Veröffentlichung von Namen oder Bild bestehen, nicht aber gegen die Veröffentlichung von anderen Angaben, die eine Identifizierung ermöglichen.

Im Übrigen setzt der Anspruch auf Entschädigung – wie auch schon bisher nach Abs. 1 – nicht bloß die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe, sondern auch voraus, dass schutzwürdige Interessen der Person verletzt sind und dass kein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung besteht. Jene Fälle, in denen schutzwürdige Interessen der angesprochenen Personengruppen jedenfalls verletzt werden, werden in Abs. 2 Z 1 aufgenommen. Sie entsprechen zunächst jenen, in denen schutzwürdige Interessen von Opfern als verletzt erachtet werden (Abs. 2 Z 1). Die von der Rechtsprechung zum bisherigen Abs. 1 entwickelten Maßstäbe zur Auslegung dieser Voraussetzungen (siehe etwa Berka in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Mediengesetz Praxiskommentar4 § 7a Rz 23, 25 ff) werden daher auch auf die neue Bestimmung anzuwenden sein Hinzukommen soll jedoch als neues Kriterium die Eignung zur Verletzung berechtigter Sicherheitsinteressen (siehe dazu den Vorschlag von Zöchbauer in Zöchbauer, Zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem straf- und medienrechtliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Hass im Netz getroffen werden, MuR 5/2020, 245). Damit sollen all jene Fälle in die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person einbezogen werden, in denen durch die Preisgabe des Namens oder des Bildes einer Person (§ 7a Abs. 1 und 1a) oder anderer Angaben (Abs. 1) die Sicherheit dieser Person potenziell gefährdet wird. Dies ist etwa dann der Fall, wenn sich aus den preisgegebenen Informationen ein Rückschluss auf die Privatadresse der Person ziehen lässt, an deren Schutz für diese ein besonderes Interesse besteht (vgl. hierzu etwa zur urheberrechtlichen Rechtsprechung zum Bildnisschutz nach § 78 UrhG Haybäck, Aktuelle Rechtsentwicklung zum Bildnisschutz nach § 78 UrhG, wbl 2020, 53 [60 f sowie 65]).

Zu Z 11 (§ 8a Abs. 2 MedienG)

In § 8a Abs. 2 MedienG wird vorgeschlagen, die relativ kurze Frist von sechs Monaten zur Geltendmachung der Entschädigungsansprüche für emotional besonders betroffene Personen auf ein Jahr zu verlängern. Damit soll Personen, die durch die Ereignisse traumatisiert sind, mehr Zeit eingeräumt werden, ihre Ansprüche geltend zu machen.

Konkret soll die Verlängerung jenem Personenkreis zugutekommen, der in § 65 Z 1 lit. a und b StPO umschrieben ist, also Opfern bestimmter Straftaten, nahen Angehörigen des Opfers eines Tötungsdelikts und Angehörigen, die Zeugen einer solcher Tat waren.

Zu Z 12 (§ 8 Abs. 4, § 8a Abs. 4 MedienG)

Die Bestimmung des bisherigen § 8a Abs. 4 MedienG gilt nach ihrer systematischen Stellung bloß im selbständigen Verfahren. Nach ganz herrschender Meinung (Rami in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar² MedienG (2019) § 8a Rz 10; Berka in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Mediengesetz Praxiskommentar4 § 8 Rz 18) ist sie aber auch dann anzuwenden, wenn die Entschädigung im Strafverfahren beansprucht wird. Die Bestimmung soll daher an § 8 MedienG angefügt werden; in § 8a MedienG soll auf sie verwiesen werden.

Zu Z 14 (§ 10 Abs. 1 Z 3 MedienG)

Die vorgeschlagene Änderung soll dem Umstand Rechnung tragen, dass es nach der StPO auch möglich ist, dass das Gericht das Ermittlungsverfahren einstellt (nach § 108 Abs. 1 oder § 215 Abs. 2 StPO; vgl. Rami in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar² MedienG (2019) § 10 Rz 9).

Zu Z 15 (§ 11 Abs. 1 Z 10 MedienG)

Die vorgeschlagene Änderung dient lediglich der Anpassung an die Terminologie der StPO („Absehen von der Verfolgung“ statt „Zurücklegung der Anzeige“); vgl. auch § 10 Abs. 1 MedienG.

Zu Z 16 (§ 13 Abs. 7 MedienG)

Durch die vorgeschlagene Änderung soll lediglich ein Redaktionsversehen beseitigt werden, das schon seit der Stammfassung des Mediengesetzes besteht; die Formulierung soll mit jener in § 46 Abs. 3 in Übereinstimmung gebracht werden(Rami in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar² MedienG (2019) § 13 Rz 54; ihm folgend Höhne in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Mediengesetz Praxiskommentar4 § 8 Rz 18).

Zu Z 17 (§ 14 Abs. 2 MedienG)

Die Änderung dient der Anpassung an die Terminologie der StPO (§ 31 Abs. 1 StPO).

Zu Z 18 (§ 14 Abs. 3 MedienG)

Wie unten (zu § 15 Abs. 1; siehe auch schon § 41 Abs. 5 MedienG) näher ausgeführt, dürfen auch offensichtlich unberechtigte Anträge nur nach öffentlicher mündlicher Verhandlung abgewiesen werden (Rami in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar² MedienG (2019) § 14 Rz 37; Höhne in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Mediengesetz Praxiskommentar4 § 14 Rz 15); dies soll nun gesetzlich klargestellt werden.

Damit wird zugleich die in der Literatur strittige Frage geklärt, ob auch schon vor der Zustellung des Antrages an den Antragsgegner offensichtlich unberechtigte Anträge abgewiesen dürfen.

Zu Z 19 (§ 15 Abs. 1 MedienG)

Durch die vorgeschlagene Änderung soll zunächst klargestellt werden, dass einem Antrag auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung jedenfalls (ohne Verhandlung) stattzugeben ist, wenn innerhalb der vom Gericht nach § 14 Abs. 4 MedienG gesetzten Frist keine Einwendungen erhoben wurden (arg. § 14 Abs. 4 erster Satz MedienG: „… widrigenfalls dem Antrag Folge gegeben werde.“) und der Antrag nicht offensichtlich unberechtigt ist.

Für den Fall, dass das Gericht der Ansicht ist, dass der Antrag auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung offensichtlich nicht berechtigt ist, soll nun ausdrücklich vorgesehen werden, dass die Entscheidung erst nach öffentlicher mündlicher Verhandlung ergehen darf. Es ist daran zu erinnern, dass der EGMR Österreich in einer vergleichbaren Konstellation verurteilt hat, weil Anträge ohne mündliche Verhandlung abgewiesen wurden; dies ist durch die MedienG-Novelle 2005 (BGBl. I Nr. 49/2005) in § 41 Abs. 5 Satz 4 MedienG bereinigt worden (vgl. ausführlich die EBRV 784 BlgNR XXII. GP 27 f). Eine analoge Bereinigung wird nun auch für das Gegendarstellungsverfahren vorgeschlagen(Rami in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar² MedienG (2019) § 15 Rz 6).

Die letzten beiden Sätze der Bestimmung können entfallen, weil ihr Inhalt (Beschwerderecht; keine aufschiebende Wirkung einer Beschwerde) ohnehin nach der allgemeinen Bestimmung des § 87 StPO gilt.

Zu Z 20 und 21 (§ 15 Abs. 3 und § 16 Abs. 1 MedienG)

Die vorgeschlagenen Änderungen dienen lediglich dem Zweck, die Terminologie systemkonform zu machen („Durchführung einer Hauptverhandlung“ statt „öffentlicher mündlicher Verhandlung“).

Zu Z 22 (§ 20 Abs. 2 MedienG)

Die Änderung dient der Beseitigung eines Redaktionsversehens.

Zu Z 25 (§ 30 MedienG)

Die Änderung dient der Beseitigung eines Redaktionsversehens.

Zu Z 26 (§ 32 MedienG)

1. Die geltende Bestimmung in § 32 MedienG enthält Regelungen über die Verjährung der Strafbarkeit von Medieninhaltsdelikten, die den allgemeinen Verjährungsregeln des StGB (§§ 57, 58 StGB) vorgehen: Satz 1 enthält Sonderregeln zum Beginn der Verjährungsfrist, Satz 2 zur Dauer der Verjährungsfrist.

Die Bestimmung gilt seit der Stammfassung des MedienG (1981) unverändert; sie wurde also auch durch die MedienG-Novelle 2005 nicht verändert, die zahlreiche Bestimmungen des MedienG an die durch die neuen elektronischen Medien, insbesondere im Internet, geänderten Rahmenbedingungen anpasste.

Als Gründe für diese Sonderregeln wies die RV zum MedienG auf ähnliche Bestimmungen im damals geltenden Pressegesetz hin und führte bloß kurz einerseits die Offenkundigkeit von Medieninhaltsdelikten und andererseits den langen Zeitraum der Verbreitungstätigkeit an (2 BlgNR XV. GP, 44); aus der Formulierung der Gesetzesbestimmung in der RV (damals noch § 35) ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber Medienwerke, Rundfunk und Film im Blick hatte.

2. Mögen die damals angeführten Gründe auch heute noch für jene Medien, die damals im Blick waren, ihre Gültigkeit haben – für die modernen elektronischen Medien, namentlich im Internet, ist die Sachlage in mehrfacher Hinsicht verschieden. Druckwerke haben einen bestimmten Erscheinungszeitpunkt; ihre Aktualität nimmt (bei Tages- oder Wochenzeitung usw.) sehr rasch ab (Ähnliches gilt für den Rundfunk). Bei Büchern steht das Interesse des Herausgebers, rasch und abschließend zu erfahren, ob das Buch ein Medieninhaltsdelikt enthält, im Vordergrund, weil die Entfernung der betreffenden Textstellen einen ganz erheblichen Aufwand bedeuten (Ähnliches gilt für den Film). All dies gilt für abrufbare elektronische Medien nicht in gleicher Weise. Dort abrufbar gemachte Inhalte sind oft weltweit und zeitlich unbegrenzt zugänglich und können auf unterschiedliche technische Weise vervielfältigt oder weitergeleitet und damit ihre Verbreitung erhöht werden. Angesichts der überbordenden Zahl von „ins Netz gestellten“ Inhalten kann es durchaus sein, dass ein etwa „geposteter“ Inhalt lange Zeit weitgehend unbeachtet bleibt, aber erst viel später – etwa, weil er „verlinkt“ wird – von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Es ist daher die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der von einer Veröffentlichung betroffen ist, von dieser erst viel später erfährt, viel höher. Schließlich können (und werden) in elektronischen Medien veröffentlichte (abrufbar gemachte) Darstellungen einfach, rasch und mit minimalem Kostenaufwand verändert oder gelöscht werden.

3. In der Praxis hat sich daher in zahlreichen Fällen die kurze Verjährungsfrist als für Darstellungen auf (insbesondere) Websites nicht sachgerecht erwiesen. Dies gilt schon für Rechtsinstitute wie Einziehung und Urteilsveröffentlichung, aber auch für die Strafbarkeit selbst.

Für Einziehung und Urteilsveröffentlichung wird eine Klarstellung in § 33 Abs. 2 und in § 34 Abs. 3 MedienG vorgeschlagen.

4. Für den Bereich der Strafbarkeit sind mehrere Wege denkbar, um der anders gelagerten Sachlage bei „abrufbaren periodischen elektronischen Medien“ (§ 1 Abs. 1 Z 5a lit. b MedienG) – also vor allem Websites – gerecht zu werden:

-       So könnte die gesamte Bestimmung des § 32 MedienG für Websites unanwendbar gemacht werden.

-       Es könnte die kurze Verjährungsfrist (Satz 2 erster Halbsatz) als auf Websites unanwendbar erklärt werden.

-       Es könnte die Bestimmung über den Beginn der Verjährungsfrist (Satz 1) als auf Websites unanwendbar erklärt werden.

-       Es könnte auch festgelegt werden, dass für Websites jene Bestimmung in § 58 Abs. 1 StGB, die anordnet, dass die Verjährung von Erfolgsdelikten erst dann eintritt, wenn die Frist ab dem Eintritt des Erfolges verstrichen ist, (entgegen der Anordnung im zweiten Halbsatz des ersten Satzes von § 32 MedienG) gilt. Diese Lösung begegnet allerdings der Unsicherheit, die in der Rechtsprechung bisweilen bei der Zuordnung einzelner Straftaten zur Kategorie der Erfolgsdelikte besteht.

-       Es könnte angeordnet werden, dass in die Verjährungsfristen jene Zeiten nicht eingerechnet werden, zu denen die Darstellung auf einer Website abrufbar war (in Anlehnung an § 58 Abs. 3 StGB).

-       Es könnte schließlich jener Zeitpunkt, zu dem die Verjährungsfrist beginnt, für Websites anders als für die übrigen Medien festgelegt werden (in Anlehnung an § 13 Abs. 3a MedienG).

5. Der Entwurf schlägt – abweichend vom Begutachtungsentwurf – eine Regelung entsprechend der an zweiter Stelle genannten Variante vor: bei „abrufbaren periodischen elektronischen Medien“ (§ 1 Abs. 1 Z 5a lit. b MedienG), also insbesondere bei Websites, soll die Verjährung wie bisher zwar mit dem Zeitpunkt der erstmaligen Verbreitung im Inland zu laufen beginnen (§ 32 erster Satz MedienG), nicht aber wie nach der geltenden Rechtslage mit einem Jahr befristet (§ 32 zweiter Satz erster Halbsatz) sein, sondern sich nach den allgemeinen Bestimmungen des § 57 Abs. 3 StGB richten. Insofern wird eine Gleichstellung von strafbaren Handlungen, die durch den Inhalt eines abrufbaren periodischen elektronischen Mediums begangen werden, mit strafbaren Handlungen, die mit einer drei Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind (§ 32 zweiter Satz zweiter Halbsatz) vorgenommen. Dadurch soll in Hinblick auf den Beginn der Verjährung Einheitlichkeit innerhalb des Mediengesetzes herrschen, während die Dauer der Verjährung unterschiedlich ausgestaltet sein und dadurch auf die eingangs dargestellten besonderen Bedürfnisse in Hinblick auf Veröffentlichungen im Internet Bedacht genommen werden soll. Diese Bedürfnisse rechtfertigen es auch, von der kurzen Verjährungsfrist des § 32 zweiter Satz erster Halbsatz MedienG in diesem Zusammenhang abzugehen.

Zu Z 27 und 30 (§ 33 Abs. 2 und § 34 Abs. 3 MedienG)

Durch die vorgeschlagenen Einfügungen soll klargestellt werden, dass eine Einziehung bzw. eine Urteilsveröffentlichung im selbständigen Verfahren auch noch möglich sind, wenn die Strafbarkeit des Medieninhaltsdelikts nach § 32 MedienG oder allgemeinen Bestimmungen verjährt ist; die geltende Rechtslage ist umstritten: siehe Rami in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar² MedienG (2019) § 32 Rz 13, und Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Mediengesetz Praxiskommentar4 § 32 Rz 12 – 14; unlängst hat der OGH ausgesprochen, dass die Verjährung der Strafbarkeit die Einziehung nicht hindert, zugleich aber in einem obiter dictum gemeint, für die Urteilsveröffentlichung gelte das Gegenteil: 27.2.2019, EvBl 2019/100 = JBl 2019, 600, mit Anm Rami JBl 2019, 603.

Zu Z 28 (§ 33 Abs. 3 MedienG)

Die im geltenden § 33 Abs. 3 MedienG vorgesehene Verfahrensfrist von sechs Wochen für den Antrag auf Einziehung orientierte sich an der gleichen Frist, die damals für Privatanklagen vorgesehen war (§ 46 StPO alte Fassung). Seit dem Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2014, das am 1. 1.2018 in Kraft getreten ist (siehe nun § 71 StPO), gibt es jedoch eine solche Frist für Privatanklagen nicht mehr (und soll auch nicht in der mit diesem Entwurf vorgeschlagenen Neufassung des § 71 StPO eingeführt werden).

Überdies gibt es für einen Einziehungsantrag im Rahmen eines Strafverfahrens keine derartige Frist.

Schließlich gilt die Frist nach dem Wortlaut der Bestimmung nur für die erste und die vierte Variante des § 33 Abs. 2 MedienG („Verfolgung einer bestimmten Person nicht durchführbar“ bzw. „Verurteilung nicht möglich“); nahe liegender Weise wird aber vertreten, dass sie auch auf die zweite und dritte Variante („Verfolgung wird nicht beantragt“ bzw. „nicht aufrechterhalten“) anwendbar sei (Rami in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar² MedienG (2019) § 33 Rz 22, und Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Mediengesetz Praxiskommentar4 § 33 Rz 32). Allerdings bedeuten die beiden zuletzt genannten Varianten, dass das fristauslösende Ereignis von der Willensbildung des Antragstellers abhängt und dessen Eintritt von diesem unwiderleglich behauptet werden kann. Umgekehrt ist das fristauslösende Ereignis im Antrag darzulegen; fehlt diese Darlegung, ist der Antrag zurückzuweisen.

Zusammenfassend scheint die Bestimmung daher zunächst systemwidrig. Darüber hinaus belastet sie aus Sicht eines Antragstellers das Verfahren mit unnötigem Formalismus, bringt aber auch dem Beschuldigten bzw. dem Medieninhaber vielfach keinen zusätzlichen Schutz, weil bestimmte Behauptungen eines Antragstellers kaum widerlegbar sind.

Es wird daher vorgeschlagen, die Bestimmung entfallen zu lassen.

Zu Z 29 (§ 33a MedienG)

1. Der vorgeschlagene neue § 33a MedienG soll ein weiteres Kernstück der Maßnahmen sein, die zu verbessertem Persönlichkeitsschutz und damit auch zu verbesserten Instrumentarien gegen „Hass im Netz“ führen sollen; er ist ähnlich ausgestaltet wie die in § 20 Abs. 2 ABGB vorgeschlagene Bestimmung. Zur inhaltlichen Begründung kann daher auf die Erläuterungen dort verwiesen werden.

2. Die Bestimmung soll ein besonderer Fall der Einziehung (bzw. bei Websites Löschung) im Sinn von § 33 MedienG sein: Nach bisher geltendem Recht kann einen Antrag auf Einziehung nur der Ankläger oder der zur Anklage Berechtigte stellen, also nur (bei Offizialdelikten) der Staatsanwalt und der durch das Medieninhaltsdelikt Verletzte. In Fällen, in denen die inkriminierte Äußerung zwar gegen eine bestimmte Person gerichtet, aber in Wahrheit dadurch motiviert ist, dass diese Person ihrer beruflichen Tätigkeit nachgeht, also ihr eigentliches Ziel der Arbeit- oder Dienstgeber der Person ist, und die inkriminierte Äußerung eine derartige Intensität erreicht, dass die Möglichkeiten des Arbeit- oder Dienstgebers, die Person einzusetzen, nicht unerheblich beeinträchtigt oder das Ansehen des Arbeit- oder Dienstgebers erheblich geschädigt werden könnten, so soll dem Arbeit- oder Dienstgeber das Recht eingeräumt werden, einen Antrag auf Einziehung zu stellen (Abs. 1). Eine Pflicht des Arbeit- oder Dienstgebers, einen solchen Antrag zu stellen, soll gerade nicht geschaffen werden.

Entsprechend einer Forderung im Begutachtungsverfahren soll – wie im Zivilrecht – der Anwendungsbereich auf ehrenamtlich Tätige (etwa für Vereine oder NGO) sowie auf Organe einer Körperschaft ausgeweitet werden.

In Abs. 1 werden jene Fälle umschrieben, die nach den bisherigen Erfahrungen für derartige Angriffe in Betracht kommen: Die Bestimmung übernimmt dabei die in § 6 MedienG angeführten Handlungsweisen und führt daneben die gefährliche Drohung nach § 74 Abs. 1 Z 5 StGB an. Bei letzterem soll es dabei lediglich auf das objektive Setzen einer gefährlichen Drohung im Sinne des § 74 Abs. 1 Z 5 StGB ankommen und nicht auf die Verwirklichung eines spezifischen Tatbestands. In Betracht kommen daher sämtliche gefährlichen Drohungen, die unter diese Definition subsumiert werden können, so etwa solche die in Kombination mit anderen Tatbestandsmerkmalen objektiver und subjektiver Art den Tatbestand der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB, der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB oder der Erpressung nach § 144 Abs. 1 StGB erfüllen, aber auch solche, die nicht unter einen solchen Tatbestand fallen, sondern sich in dem objektiven Bestehen einer derartigen Drohung erschöpfen.

Die in § 33 Abs. 1 und 2 angeführten Voraussetzungen müssen auch für eine Einziehung nach § 33a vorliegen; es kommt daher auch hier etwa eine Einziehung bei Freispruch nach § 29 Abs. 3 MedienG (§ 33 Abs. 1 Satz 2 MedienG) in Betracht, und es müssen für eine Einziehung im selbständigen Verfahren die in § 33 Abs. 2 Satz 1 MedienG angeführten Voraussetzungen vorliegen.

3. Die in Betracht kommenden Ausschlussgründe (Wahrheitsbeweis, Wahrnehmung journalistischer Sorgfalt, wahrheitsgetreue Wiedergabe der Äußerung eines Dritten) sollen auch gegenüber dem Arbeit- oder Dienstgeber eingewendet werden können (Abs. 2).

4. Der Arbeit- oder Dienstgeber soll die Einziehung in einem bereits anhängigen Strafverfahren (entsprechend § 33 Abs. 1 MedienG) oder auch mit einem selbstständigen Antrag (entsprechend § 33 Abs. 2 MedienG) begehren können (Abs. 3).

Weiters werden jene Verfahrensbestimmungen angeführt, die auf einen solchen Antrag angewendet werden sollen, nämlich § 33 Abs. 4 und 5 MedienG.

5. Die dem Arbeit- oder Dienstgeber eingeräumte Befugnis, Einziehung zu beantragen, soll neben dasselbe Recht des durch das Medieninhaltsdelikt Verletzten treten.

Aus Gründen der Verfahrensökonomie sollen selbständige Anträge des Verletzten und des Arbeit- oder Dienstgebers im selben Verfahren behandelt werden können (Abs. 4). Werden die Anträge nicht im selben Verfahren gestellt, wird sie das Gericht verbinden können (§ 37 Abs. 3 StPO in Verbindung mit § 41 Abs. 1 MedienG).

6. Als vorläufige Maßnahme soll die Beschlagnahme iSv § 36 MedienG in Betracht kommen; siehe dazu sogleich die Änderungen in § 36 Abs. 1 und 2 MedienG.

Zu Z 31, 32und 34 (§ 36 Abs. 1 und 2, § 41 Abs. 1 MedienG)

Die in diesen Bestimmungen vorgeschlagenen Änderungen sollen der neuen Bestimmung in § 33a MedienG Rechnung tragen.

Zu Z 33 und 42 (§§ 36b und 57 MedienG)

1. § 36b MedienG soll einen Durchgriff auf Hostprovider ermöglichen. Dieser soll in Konstellationen, in denen der Medieninhaber entsprechend dem engen Begriff des § 1 Abs. 1 Z 8 MedienG nicht greifbar ist, weil er sich etwa im Ausland befindet, Lücken in Hinblick auf die Möglichkeiten eines Vorgehens gegen unerwünschte Medieninhalte schließen.

Überdies können mit der Bestimmung unionsrechtliche Verpflichtungen umgesetzt werden, bestimmte Inhalte (terroristische und kinderpornografische) aus dem Netz zu nehmen bzw. den Zugang zu ihnen zu sperren, nämlich:

-       Art. 21 der Richtlinie (EU) 2017/541 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates, ABl. Nr. L 88 vom 31.3.2017, S. 6, und

-       Art. 25 der Richtlinie 2011/93/EU zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates, ABl. Nr. L 335 vom 17.12.2011, S. 1.

2. Die Möglichkeit des Durchgriffs auf Provider ist zwar im Bereich des Mediengesetzes etwas Neues, orientiert sich aber an den bereits im Urheberrechtsgesetz (§ 81 Abs. 1a, § 87b Abs. 3 UrhG) bestehenden Ansprüchen gegen Vermittler, wie sie nun im Zivilrecht allgemein für Verletzungen von Persönlichkeitsrechten vorgesehen werden sollen (siehe § 20 Abs. 4 ABGB in der Fassung des Entwurfs im Bereich des Zivilrechts). Sie soll für die geltenden Bestimmungen über Einziehung, Urteilsveröffentlichung und Beschlagnahme (§§ 33, 34 und 36 MedienG) zur Verfügung stehen, aber auch für die vorgeschlagene neue Einziehung wegen Beeinträchtigung des Arbeit- oder Dienstgebers (§ 33a MedienG).

3. Jegliche Maßnahme unterliegt nach dem Verweis in § 41 Abs. 1 MedienG auf die StPO dem dort herrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 5 StPO) und ist daher – auch mit Blick auf das Spannungsverhältnis zur Meinungsfreiheit – auf das unbedingt nötige Maß zu beschränken.

Zu Z 35 (§ 41 Abs. 5 MedienG)

Seit dem Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes, BGBl. I Nr. 19/2004, mit 1. 1. 2008 ist ein Ermittlungsverfahren nur mehr bei Offizialdelikten vorgesehen (§ 71 Abs. 1 StPO); ein Ermittlungsverfahren ist demnach in Privatanklageverfahren und daher auch in zahlreichen Medienrechtsverfahren nicht (mehr) zulässig.

Der Entwurf schlägt nun an anderer Stelle (s. § 71 StPO) vor, dem Opfer in bestimmten Fällen (wieder) die Möglichkeit einzuräumen, bei Gericht (Zuständigkeit des Haft- und Rechtsschutzrichters) einen Antrag auf Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen zur Ausforschung des Beschuldigten zu stellen.

Diese Möglichkeit soll künftig auch im Bereich des Mediengesetzes bestehen, weshalb der bisher im ersten Satz von Abs. 5 enthaltene Ausschluss eines Ermittlungsverfahrens durch einen Verweis auf den (neu gefassten) § 71 StPO ersetzt werden soll.

Im Übrigen soll die Bestimmung gestrafft und insbesondere um den zweiten und dritten Satz gekürzt werden, die bloß deklaratorischen Charakter haben (Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Mediengesetz Praxiskommentar4 § 41 Rz 13 und 23; Rami in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar² MedienG (2019) § 42 Rz 15 und 23).

Zu Z 36 (§ 41 Abs. 7 MedienG)

Der Hostingdiensteanbieter soll in das Verfahren zur Durchsetzung der Einziehung und Urteilsveröffentlichung nach § 36b MedienG insofern eingebunden werden, als er das Recht haben soll, zu den Voraussetzungen des § 36b MedienG gehört zu werden. Damit sollen nur die formellen Voraussetzungen der Bestimmung angesprochen sein, nämlich die Frage, ob der Medieninhaber seinen Sitz im Ausland hat oder aus anderen Gründen nicht belangt werden kann (§ 36b erster Halbsatz MedienG). In der dem § 36b MedienG zu Grunde liegenden Sache selbst, nämlich zu den Voraussetzungen der Einziehung oder Urteilsveröffentlichung, soll der Hostingdiensteanbieter hingegen keine Mitwirkungsrechte erhalten. Neben dem Recht, zu den Voraussetzungen des § 36b MedienG gehört zu werden, soll dem Hostingdiensteanbieter auch das Recht zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung und das Recht auf Einbringung einer Beschwerde gegen den Beschluss auf Durchsetzung der Löschung nach § 36b MedienG zukommen. Letzteres ergibt sich dabei bereits aus § 41 Abs. 1 MedienG i.V.m. §§ 87 ff StPO.

Werden dem Hostingdiensteanbieter die Durchsetzung der Beschlagnahme nach § 36 MedienG oder jene der Einziehung oder Urteilsveröffentlichung außerhalb der Hauptverhandlung, sohin nach rechtskräftiger Entscheidung über diese, aufgetragen, so soll er durch die Zustellung des jeweiligen Beschlusses sowie der diesem zu Grunde liegenden Entscheidung (Beschlagnahmebeschluss, Einziehungserkenntnis, Entscheidung über Urteilsveröffentlichung) in das Verfahren einbezogen werden und über § 41 Abs. 1 i.V.m. §§ 87 ff StPO ebenfalls eine Rechtsmittelmöglichkeit erhalten.

Zu Z 37 (§ 41 Abs. 9 MedienG)

1. Mit diesem Entwurf sollen an anderer Stelle (§ 66b StPO) die bisher bestehenden Möglichkeiten, bestimmten Personen psychosoziale und juristische Prozessbegleitung im Strafverfahren zu gewähren, erweitert werden.

Überdies hat ein Opfer, dem im Strafverfahren psychosoziale Prozessbegleitung gewährt wurde, schon bisher auch Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung in einem zwischen ihm und dem Beschuldigten des Strafverfahrens geführten Zivilprozess, wenn der Gegenstand des Zivilprozesses in sachlichem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Strafverfahrens steht (§ 73b ZPO).

2. In medienrechtlichen Verfahren fehlen bisher Bestimmungen über Prozessbegleitung.

Zwar ist davon auszugehen, dass die nach der StPO zustehende Prozessbegleitung Anträge nach dem MedienG (insbesondere nach den §§ 6, 7, 7a, 7b und 7c sowie nach den §§ 33 und 34 MedienG) insoweit mitabdeckt, als diese in einem Strafverfahren gestellt werden. Für derartige Anträge im selbstständigen Verfahren kann es nach geltendem Recht aber keine Prozessbegleitung geben, nicht einmal in jenem Umfang, wie er im Zivilprozess schon bisher vorgesehen ist.

Mit derartigen Anträgen sind aber psychosoziale Belastung von Opfern bzw. Betroffenen ebenso verbunden, wie sie oftmals schwierige Rechtsfragen aufwerfen – unabhängig davon, ob sie in einem Strafverfahren oder selbstständig gestellt werden. Es besteht daher die Gefahr, dass Opfer bzw. Betroffene aus diesen Gründen davon Abstand nehmen, ihnen zustehende medienrechtliche Ansprüche geltend machen.

3. Es wird daher vorgeschlagen, für die genannten Entschädigungsansprüche (§§ 6, 7, 7a, 7b und 7c MedienG) im selbständigen Verfahren (§ 8a MedienG) sowie für die Ansprüche auf Einziehung und Urteilsveröffentlichung im selbständigen Verfahren (§ 33 Abs. 2 und § 34 Abs. 3 MedienG) die gesetzliche Grundlage für Prozessbegleitung zu schaffen, und zwar wegen des engen inhaltlichen Zusammenhangs mit dem Strafverfahren für den selben Personenkreis und im selben Umfang, wie nun in § 66b StPO vorgeschlagen, also nicht bloß psychosoziale, sondern auch juristische Prozessbegleitung.

Zu Z 38 (§ 42 MedienG)

Durch diese Änderung soll lediglich klargestellt werden, dass sich § 42 MedienG ausschließlich auf gerichtlich strafbare Handlungen und nicht auch auf verwaltungsrechtlich strafbare Ehrenkränkungen bezieht (Rami in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar² MedienG (2019) § 42 Rz 3; ebenso Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Mediengesetz Praxiskommentar4 § 42 Rz 5).

Zu Z 39 (§ 50 Z 1 MedienG)

Auch hier soll lediglich ein Redaktionsversehen (der Mediengesetz-Novelle 2005) beseitigt werden, indem an die Stelle der Medienunternehmen Medieninhaber treten sollen.

Zu Artikel 10 (Änderung der Strafprozeßordnung 1975)

Zu Z 1 (Inhaltsverzeichnis), Z 5 (§ 66 Abs. 2 und 4 StPO), Z 6 (§ 66b StPO), Z 7 (§ 67 Abs. 7 und § 381 Abs. 1 Z 9 StPO) und Z 8 (§ 70 Abs. 2 StPO):

Gemäß § 66 Abs. 2 StPO ist Opfern iSd § 65 Z 1 lit. a oder b StPO sowie Opfern (§ 65 Z 1 StPO) terroristischer Straftaten (§ 278c StGB) auf ihr Verlangen psychosoziale und juristische Prozessbegleitung zu gewähren, soweit dies zur Wahrnehmung der prozessualen Rechte der Opfer unter größtmöglicher Bedachtnahme auf ihre persönliche Betroffenheit erforderlich ist. Der Opferbegriff des § 65 Z 1 lit. a StPO umfasst Personen, die durch eine vorsätzlich begangene Straftat Gewalt oder gefährlicher Drohung ausgesetzt, in ihrer sexuellen Integrität und Selbstbestimmung beeinträchtigt oder deren persönliche Abhängigkeit durch eine solche Straftat ausgenützt worden sein könnte. Demgegenüber umfasst der Opferbegriff des § 65 Z 1 lit. b StPO den Ehegatten, den eingetragenen Partner, den Lebensgefährten, die Verwandten in gerader Linie, den Bruder oder die Schwester und sonstige Unterhaltsberechtigte einer Person, deren Tod durch eine Straftat herbeigeführt worden sein könnte, oder andere Angehörige, die Zeugen der Tat waren. Für Opfer nach § 65 Z 1 lit. c StPO ist die Gewährung von Prozessbegleitung aktuell nur bei terroristischen Straftaten (§ 278c StGB) möglich.

Nunmehr soll die Möglichkeit der Gewährung von Prozessbegleitung erweitert werden und zwar einerseits auf Opfer (§ 65 Z 1 StPO) bestimmter weiterer Straftaten und andererseits auf minderjährige Zeugen von Gewalt im sozialen Nahraum. Aufgrund des größeren Regelungsumfangs und der damit einhergehenden steigenden Bedeutung des Instituts der Prozessbegleitung wird vorgeschlagen, die Regelungen zur Prozessbegleitung – unter Entfall der bisherigen § 66 Abs. 2 und 4 StPO – in einem neuen § 66b StPO in übersichtlicher Art und Weise zusammenzufassen. Die in der StPO enthaltenen Verweise auf § 66 Abs. 2 StPO sind entsprechend anzupassen (§ 67 Abs. 7, § 70 Abs. 2, § 381 Abs. 1 Z 9 StPO).

Die neu für die Gewährung von Prozessbegleitung in Frage kommenden Personen werden in § 66b Abs. 1 lit. c, d und e genannt.

Bei den in lit. c angeführten Opfern (§ 65 Z 1) von beharrlicher Verfolgung (§ 107a StGB), fortdauernder Belästigung im Wege einer Telekommunikation (§ 107c StGB) und Verhetzung (§ 283 StGB) werden die Tathandlungen üblicherweise gegen gezielt ausgewählte Opfer begangen, die sich oftmals direkt gegen sie als Person gerichtetem Hass ausgesetzt sehen. Ähnliches gilt für die in lit. d genannten Opfer (§ 65 Z 1) von übler Nachrede (§ 111 StGB), Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung (§ 113 StGB), Beleidigung (§ 115 StGB) und Verleumdung (§ 297 StGB), wenn auf Grund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass eine solche Tat im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems (vgl. hierzu Schwaighofer in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 107c [Stand 27.4.2020, rdb.at] Rz 15 sowie unten zu Z 9) begangen wurde. Bei der Tatbegehung im Internet oder auf sozialen Medien werden die Opfer solcher Straftaten darüber hinaus auch noch vor einer breiten Öffentlichkeit diskreditiert, können sich gegen rasche Vervielfältigung („teilen“ von Beiträgen in sozialen Netzwerken, Weiterleiten von Screenshots etc.) nicht wehren und haben häufig nur geringe Einflussmöglichkeiten darauf, dass derartige Inhalte wieder entfernt werden. Die Tat selbst wie auch die Aufklärung im Rahmen eines Strafverfahrens wirken auf diese Opfer daher oft außerordentlich belastend und machen eine professionelle Unterstützung und Beratung erforderlich, weshalb die Eröffnung der Möglichkeit der Gewährung von Prozessbegleitung für diese Opfer sachgerecht scheint.

Bei übler Nachrede (§ 111 StGB), Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung (§ 113 StGB) und Beleidigung (§ 115 StGB) handelt es sich überdies um Privatanklagedelikte, die in den letzten Jahren stark gehäuft im Internet bzw. auf sozialen Medien begangen werden. Durch die Eröffnung der (juristischen) Prozessbegleitung soll einerseits die Hemmschwelle für die Stellung von formal korrekten und vollständigen Beweisanträgen zur Ausforschung des Täters (vgl. unten zu Z 9) und in weiterer Folge das Einbringen einer Privatanklage herabgesetzt werden. Andererseits soll Bedenken im Hinblick auf allfällige Kosten für eine professionelle juristische Beratung und Vertretung im Strafverfahren, die Opfer möglicherweise von der weiteren Strafverfolgung abhalten könnten, begegnet werden.

Durch die Beibehaltung der Einschränkung auf die Erforderlichkeit zur Wahrung der prozessualen Rechte unter größtmöglicher Bedachtnahme auf die persönliche Betroffenheit des Opfers wird sichergestellt, dass die Entscheidung über die Gewährung der Prozessbegleitung trotz der Ausweitung des anspruchsberechtigten Opferkreises auch weiterhin immer eine Einzelfallentscheidung bleibt. Nach lit. e soll Prozessbegleitung auch „Minderjährigen, die Zeug*innen von Gewalt im sozialen Nahraum (Gewalt in der Familie, Gewalt an Kindern) waren,“ gewährt werden können. Die Gruppe der indirekten Opfer nach § 65 Z 1 lit. b ist auf Zeug*innen eines Tötungsdelikts bei Angehörigen beschränkt und stellt auf „die Schwere der persönlichen Betroffenheit bei unmittelbarer Konfrontation mit dem Tatgeschehen“ ab“ (vgl. Böttcher in FS Miklau [2006] 67 [82]; s. auch Kier in Fuchs/Ratz, WK StPO § 65 [Stand 30.6.2018, rdb.at] Rz 15). Zeug*innen anderer Delikte gegen einen ihrer Angehörigen und damit auch minderjährige Zeug*innen von Gewalt im sozialen Nahraum (z. B. Gewalt innerhalb der Familie oder Gewalt an Kindern) zählen derzeit nicht zum Kreis jener Opfer, die psychosoziale und/oder juristische Prozessbegleitung in Anspruch nehmen können. Nunmehr soll auch Minderjährigen, die Zeug*innen familiärer Gewalt wurden, das Recht auf Prozessbegleitung eingeräumt werden. Damit wird nicht nur der besonders hohen emotionalen Betroffenheit dieser Gruppe bei Gewalttaten in ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld Rechnung getragen, sondern auch der im GREVIO-Bericht dargestellten Kritik an der derzeitigen österreichischen Gesetzeslage iZm Art. 56 Abs. 2 und Art. 26 der Istanbul-Konvention, die eine altersgerechte psychosoziale Beratung sowie Begleitung von Kindern und Jugendlichen, die Zeug*innen einer Straftat auch ohne Todesfolge wurden, vorsehen. Darüber hinaus dient diese Änderung der Umsetzung des Regierungsprogramms 2020-2024 „Aus Verantwortung für Österreich“.

Zu Z 2 (§ 30 Abs. 1 Z 3a StPO):

Die Änderung stellt eine redaktionelle Anpassung an die geänderte Bezeichnung des § 107c StGB dar.

Zu Z 3 (§ 31 Abs. 1 StPO), Z 9 (§ 71 StPO):

In Privatanklageverfahren findet ein Ermittlungsverfahren derzeit nicht statt (§ 71 Abs. 1 letzter Halbsatz StPO). In Rechtsprechung und Lehre ist anerkannt, dass in Fällen, in denen (noch) keine Anklage eingebracht werden kann, aber zur Sicherung von Beweisen oder vermögensrechtlichen Anordnungen Zwangsmaßnahmen angeordnet werden sollen, das zur Privatanklage berechtigte Opfer Anträge auf Erlassung von Anordnungen im Sinne des § 445 StPO stellen kann. Ein solcher Antrag führt zur Eröffnung des Hauptverfahrens und ist insbesondere im Immaterialgüterrecht relevant. Auf diese Weise wird etwa die Anordnung von Hausdurchsuchungen und Beschlagnahme sowie Sicherung von Daten, sofern diese Maßnahmen auch vermögensrechtlichen Charakter aufweisen, ermöglicht (Engin-Deniz, Angriffs- und Verteidigungsrechte im Privatanklageverfahren MR 2015, 81 [82f]). Die Ergreifung von Zwangsmaßnahmen durch Privatankläger ist nach § 71 Abs. 1 zweiter Satz StPO aktuell jedoch auf bekannte Angeklagte oder Betroffene beschränkt. Eine teleologische Reduktion des § 71 StPO in Richtung der Ermöglichung eines selbständigen Antrags des Privatanklägers auf Erlassung vermögensrechtlicher Anordnungen nach § 445 StPO auch bei vorerst unbekannten Betroffenen scheidet mangels erkennbar planwidrig überschießenden Regelungsgehalts aus (RIS-Justiz RS0126294). Der Angeklagte oder Betroffene muss also bekannt sein, denn Anträge gegen Unbekannte erfüllen die Voraussetzungen für einen Verfolgungsantrag gemäß § 71 Abs. 1 zweiter Satz StPO aktuell nicht (Korn/Zöchbauer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 71 [Stand 1.11.2019, rdb.at] Rz 19).

Diese Situation erweist sich v.a. bei Privatanklagedelikten, die im Internet oder in sozialen Medien begangen werden, oft als unbefriedigend: Die Täter sind in diesen Fällen regelmäßig unbekannt, mangels verfügbarer Ermittlungsmaßnahmen zu deren erfolgreicher Ausforschung können weder eine Privatanklage noch Anordnungen nach § 445 StPO eingebracht werden.

Es wird daher vorgeschlagen, für die Privatanklagedelikte der üblen Nachrede, des Vorwurfs einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung (in Entsprechung mehrerer Stellungnahmen aus dem Begutachtungsverfahren, 50/ME XXVII. GP) und der Beleidigung (§ 111, § 113 und § 115 StGB), die „im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen wurden“, vorzusehen, dass das Opfer bei Gericht (§ 31 Abs. 1 Z 6 StPO) einen Antrag auf Anordnung bestimmter taxativ aufgezählter Ermittlungsmaßnahmen zur Ausforschung des Beschuldigten stellen kann. Erfasst sind daher neben Telefonanrufen (einschließlich Internettelefonie), SMS, MMS, Faxen und E-Mails insbesondere auch Postings und die Platzierung von Nachrichten und Bildern auf Webseiten oder Internetplattformen aller Art sowie die Verbreitung durch soziale Netzwerke (Schwaighofer in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 107c [Stand 27.4.2020, rdb.at] Rz 15 mwN).

Die vorgeschlagene Regelung des Abs. 1 soll somit gezielt Opfern von Hass im Netz die Rechtsdurchsetzung erleichtern, deren Grad der Betroffenheit sich gegenüber anderen Delikten, die nur auf Verlangen des Verletzten zu verfolgen sind, deutlich unterscheidet (massiver Eingriff in Persönlichkeitsrechte). In diesem (eingeschränkten) Bereich, in dem eine strafrechtliche Verfolgung des Täters derzeit faktisch nicht möglich ist, soll also die Ausforschung des Beschuldigten auch bei den genannten Privatanklagedelikten vorgesehen werden.

Während die vorgeschlagenen Änderungen des § 71 StPO im Begutachtungsverfahren grundsätzlich überwiegend befürwortet wurden, wurden von mehreren Seiten Bedenken geäußert, dass es dadurch zu weitgehenden (Grund-)Rechtseingriffen, insbesondere auch in datenschutzrechtlicher Hinsicht, in der Sphäre des Beschuldigen bzw. allenfalls unbeteiligter Dritter kommen könnte. Mitunter wurden aus den Stellungnahmen auch Unklarheiten iZm der Reichweite der Neuregelung und der durch das Gericht anzuwendenden Rechtsgrundlagen ersichtlich.

Diesen Bedenken soll auf mehrfache Weise begegnet werden. Zum einen soll eine Beschränkung auf Anträge zur Ausforschung des Beschuldigten (unter Entfall von Anträgen zur Sicherung von Beweisen oder vermögensrechtlichen Anordnungen) und eine Einschränkung der möglichen Ermittlungsmaßnahmen auf die Auskunft über Stamm- und Zugangsdaten nach § 76a StPO und die Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung nach § 135 Abs. 2 Z 2 StPO erfolgen, zum anderen soll festgelegt werden, dass das Gericht die ermittelten Daten nach § 76a StPO oder das in Schriftform übertragene Ergebnis (§ 134 Z 5 StPO) dem Opfer nur mitteilen darf, wenn die Anordnung gegenüber dem (ausgeforschten) Beschuldigten rechtskräftig geworden ist; überdies soll eine Frist von sechs Wochen zur Einbringung der Privatanklage oder eines Antrags auf Erlassung vermögensrechtlicher Anordnungen nach § 445 StPO ab Erteilung dieser Auskünfte durch das Gericht normiert werden.

Darüber hinaus soll § 71 StPO übersichtlich neu gegliedert werden, wobei das Verfahren vor Einbringung einer Privatanklage oder eines selbstständigen Antrags des Privatanklägers auf Erlassung vermögensrechtlicher Anordnungen nach § 445 StPO abschließend in den Abs. 1 und 2 geregelt wird.

Des Weiteren sollen gewisse inhaltliche Präzisierungen erfolgen, sodass für das Verfahren vor Einbringung der Privatanklage oder des selbständigen Antrags zusammengefasst Folgendes gelten soll:

Das Opfer einer im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangenen Straftat nach § 111, § 113 oder § 115 StGB kann bei Gericht einen Antrag auf Anordnungen nach § 76a StPO oder § 135 Abs. 2 Z 2 StPO zur Ausforschung des Beschuldigten stellen. Dieser Antrag hat den Erfordernissen eines Beweisantrags (§ 55 StPO) zu entsprechen. Soweit dies nicht offensichtlich ist, hat das Opfer die Berechtigung zur Antragstellung in der Begründung darzulegen. Im Vergleich zum Ministerialentwurf 50/ME XXVII. GP soll der Anwendungsbereich der Regelung auf die Ausforschung des Beschuldigten eingeschränkt werden. Die dafür grundsätzlich zur Verfügung stehenden Ermittlungsmaßnahmen sollen ausschließlich die in diesem Zusammenhang praktisch relevanten Ermittlungsmaßnahmen der Auskunft über Stamm- und Zugangsdaten nach § 76a StPO und der Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung nach § 135 Abs. 2 Z 2 StPO sein. Für die im Ministerialentwurf 50/ME XXVII. GP neben der Ausforschung des Beschuldigten genannten Zwecke der Sicherung von Beweisen oder vermögensrechtlichen Anordnungen sollen vor Einbringen der Privatanklage oder des selbständigen Antrags nach § 445 StPO hingegen keine Ermittlungsmaßnahmen möglich sein. Solche können jedoch nach Ausforschung des Beschuldigten – wie schon bisher – im Rahmen des Hauptverfahrens beantragt werden (vgl. Abs. 6).

Durch die Anordnung in Abs. 1 vierter Satz, wonach das Gericht über die Anordnung der beantragten Ermittlungsmaßnahmen „nach den dafür maßgeblichen Bestimmungen“ zu entscheiden hat, soll ausdrücklich klargestellt werden, dass das Gericht die jeweilige Ermittlungsmaßnahme nur anordnen darf, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, also insbesondere die Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen (dementsprechend kann z.B. die Ermittlungsmaßnahme der Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung nach § 135 Abs. 2 Z 2 StPO im Rahmen des § 71 Abs. 1 StPO nur im Fall eines Verdachts nach § 111 Abs. 2 StGB – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – zur Anwendung kommen) und die beantragte Ermittlungsmaßnahme erforderlich und verhältnismäßig ist. Aus der angeordneten sinngemäßen Anwendung des § 104 Abs. 1 letzter Satz StPO ergibt sich, dass das Gericht den Antrag des Opfers mit Beschluss abzuweisen hat, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung der Anordnung nicht vorliegen. Der Verweis auf § 210 Abs. 3 zweiter Satz StPO stellt klar, dass das Gericht die Kriminalpolizei mit der Durchführung der Anordnung zu beauftragen hat (die ihrerseits an das Gericht zu berichten hat).

In Abs. 2 soll nunmehr das Vorgehen nach Durchführung einer Anordnung nach Abs. 1 geregelt werden: Wird der Beschuldigte durch die angeordnete Ermittlungsmaßnahme ausgeforscht, so hat ihm das Gericht den Beschluss über die Anordnung der Ermittlungsmaßnahme unverzüglich zuzustellen und ihn über sein Recht, Beschwerde (§ 87 StPO) zu erheben, zu informieren. Erst (und nur dann) wenn dieser Beschluss gegenüber dem Beschuldigten rechtskräftig geworden ist, hat das Gericht die ermittelten Daten nach § 76a StPO oder das in Schriftform übertragene Ergebnis (§ 134 Z 5 StPO) dem Opfer mitzuteilen; darüber hinausgehende Informationen sind nicht zu erteilen. Andernfalls hat das Gericht das Opfer zu informieren, dass die Ausforschung des Beschuldigten nicht möglich war oder dass die Mitteilung der Daten nicht zulässig ist. Durch diese Regelungen soll sichergestellt werden, dass der Beschuldigte vor Herausgabe der Daten bzw. des Ergebnisses an das Opfer gehört wird und Beschwerde erheben kann.

Schließlich soll in Abs. 3 in den Fällen, in denen eine Ausforschung des Beschuldigten im Wege einer Anordnung nach Abs. 1 erfolgt ist, eine Frist von sechs Wochen ab der Auskunftserteilung durch das Gericht zur Einbringung der Privatanklage oder des selbständigen Antrags nach § 445 StPO eingeführt werden, um Bedenken im Begutachtungsverfahren zu begegnen, das Opfer habe völlig freie Hand, ob und wann es eine Privatanklage einbringe. Korrespondierend dazu soll in Abs. 5 geregelt werden, dass im Fall einer Antragstellung nach Abs. 1 nach Ablauf der Frist eingebrachte Privatanklagen oder selbständige Anträge nach § 445 StPO vom Gericht zurückzuweisen sind. Andernfalls soll das Gericht wie bisher die Privatanklage oder den Antrag auf Erlassung vermögensrechtlicher Anordnungen nach § 445 StPO dem Angeklagten oder Antragsgegner und den Haftungsbeteiligten mit der Information zustellen, dass sie berechtigt sind, sich dazu binnen 14 Tagen zu äußern. Danach hat das Gericht, soweit es nicht nach § 451 oder § 485 vorgeht, die Hauptverhandlung anzuberaumen.

Um die erforderliche Abgrenzung zu Abs. 1 zweiter Satz herzustellen, soll in Abs. 6 ausdrücklich normiert werden, dass der Privatankläger Zwangsmaßnahmen im Hauptverfahren zu beantragen nur insofern berechtigt ist, als dies zur Sicherung von Beweisen oder vermögensrechtlichen Anordnungen erforderlich ist. Die im 9. Hauptstück geregelten Ermittlungsmaßnahmen zu beantragen, ist er nicht berechtigt.

Abs. 4 entspricht inhaltlich unverändert dem bisherigen Abs. 2; Abs. 7 dem bisherigen Abs. 6.

Zu Z 4 (§ 49 StPO):

Die Frage, ob behauptete Verletzungen verfassungsrechtlicher Grundsätze, denen keine einfachgesetzlich in der StPO geregelte subjektive Rechte entsprechen, im Wege eines Einspruchs nach § 106 Abs. 1 Z 2 StPO geltend gemacht werden können, wurde in der Judikatur bislang unterschiedlich behandelt.

Erhebliche praktische Bedeutung kommt dabei der Frage zu, ob der Beschuldigte die Möglichkeit hat, mittels Einspruch wegen Rechtsverletzung nach § 106 Abs. 1 Z 2 StPO gegen die überschießende Gewährung von Akteneinsicht an Opfer oder Privatbeteiligte im Ermittlungsverfahren vorzugehen.

Ein Teil der Rechtsprechung führt aus, dass sich aus § 68 Abs. 1 StPO kein subjektives Recht des Beschuldigten ableiten lasse, dass dem Opfer oder Privatbeteiligten nur unter der Voraussetzung des § 68 Abs. 1 StPO und in diesem Umfang Akteneinsicht gewährt werde. Der Gesetzgeber habe sich bewusst dafür entschieden, nur Normen der StPO der gerichtlichen Prüfung im Rahmen des Einspruchsverfahrens zuzuführen (vgl. etwa OLG Wien 17 Bs 67/20g).

Demgegenüber hält der OGH zu 11 Os 51/20i fest, dass über § 5 Abs. 1 StPO auch die Garantien der EMRK in § 106 Abs. 1 StPO einfließen. In seiner Entscheidung 11 Os 56/20z führt der OGH zusätzlich aus, dass Rechtsschutz gegen Entscheidungen oder Anordnungen der Staatsanwaltschaft den in ihren Persönlichkeitsrechten Betroffenen der Einspruch an das Gericht nach § 106 Abs. 1 StPO bietet, dies mit – unter anderem – der schlüssigen Behauptung einer Verletzung eines von § 5 Abs. 1 erster Satz StPO iVm Art. 8 MRK bzw. § 1 DSG, allenfalls § 74 Abs. 1 StPO geschützten subjektiven Rechts.

Aufgrund der hohen praktischen Bedeutung der eingangs dargestellten Fallkonstellation wird zum Zweck einer ausdrücklichen gesetzlichen Klarstellung im Sinn der Judikatur des OGH vorgeschlagen, in einem neu zu schaffenden § 49 Abs. 2 StPO ausdrücklich das Recht des Beschuldigten zu statuieren, wonach Opfern, Privatbeteiligten oder Privatanklägern Akteneinsicht nur in dem Ausmaß gewährt wird, als dies „zur Wahrung ihrer Interessen“ erforderlich ist. Dies bedeutet eine Einschränkung des Umfangs der Akteneinsicht (vgl. im Folgenden Korn/Zöchbauer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 68 (Stand 1.11.2019, rdb.at) Rz 2: „Nur soweit die Interessen eines Privatbeteiligten oder Privatanklägers betroffen sind, besteht ein Recht auf Akteneinsicht. Das gebietet im Einzelfall eine Interessenabwägung (so im Ergebnis auch Fabrizy, StPO13 § 68 Rz 2 und 15 Os 7/17v, EvBl 2018/27 = MR 2017, 225 [Engin-Deniz]): Zum einen steht Akteneinsicht jedenfalls in dem Umfang zu, als sie zur Durchsetzung oder Abwehr eines Rechtsanspruchs – auch gegenüber einem Dritten – erforderlich ist (zustimmend Kirschenhofer in Schmölzer/Mühlbacher, StPO 1 § 68 Rz 2). Zum anderen steht diesem Interesse das Interesse Dritter – auch des Beschuldigten – gegenüber, wonach grundsätzlich ein Anspruch auf Geheimhaltung personenbezogener Daten (vgl. § 1 DSG) und des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK besteht, das von einer Akteneinsicht idR typischerweise berührt wird (s. 14 Os128/14a, EvBL 128/14a, EvBL 2015/108 = AnwBl 2015, 567). Bei personenbezogenen Daten besonderer Kategorie (Art. 9 DSGVO oder personenbezogenen Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten (Art. 10 DSGVO) bedarf es besonderer Vorkehrungen zur Wahrung der Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen (vgl. Kirschenhofer in Schmölzer/Mühlbacher, StPO 1 § 68 Rz 2 zur Rechtslage nach dem DSG 2000). Für diese Abwägung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 5) einschlägig (vgl. Fabrizy, StPO13 § 68 Rz 2): Es ist zu prüfen, inwiefern Aktenbestandteile, an denen Betroffene ein gerechtfertigtes Geheimhaltungsinteresse haben (z.B. Strafregisterauskunft des Beschuldigten; Einkommensnachweis), zur Durchsetzung oder Abwehr von Rechtsansprüchen des Privatbeteiligten oder Privatanklägers unbedingt dienlich sind. In diesem Umfang ist Akteneinsicht zu gewähren. Aufrechte EKIS- oder SIS-Ausschreibungen sind idR von der Akteneinsicht ausgenommen (Kirschenhofer in Schmölzer/Mühlbacher, StPO 1 § 68 Rz 2 mwN).“

Der Begriff Interesse ist daher im Sinn der verfahrensrechtlichen Position des jeweils Beteiligten zu verstehen; dies führt zu einer Zulässigkeit der Akteneinsicht nur in jene Akteninhalte, die Opfer, Privatbeteiligte oder Privatankläger zur Durchsetzung der ihnen durch das Verfahrensrecht jeweils zugestandenen Rechtsansprüche benötigen.

Dieses subjektive Recht ist nicht nur gegenüber der Staatsanwaltschaft von Bedeutung sondern kann auch gegenüber dem Gericht (§ 87 Abs. 2 StPO) geltend gemacht werden. Gerade auch zum neu vorgeschlagenen § 71 Abs. 1 StPO wurde in Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren 50/ME XXVII. GP die Befürchtung geäußert, Opfer könnten durch die neu geschaffene Möglichkeit der Antragstellung zur Ausforschung des Beschuldigten überschießende Informationen erlangen. Die vorgeschlagene Regelung ergänzt die Informationserteilung an das Opfer einschränkenden Ergänzungen in § 71 Abs. 1 und 2 StPO insofern, als sie dem Beschuldigten einen Rechtsbehelf bei entsprechenden Verstößen einräumt.

Zu Z 10 (§ 76a StPO):

In seiner Entscheidung vom 13. Juni 2019, C-193/18, der ein deutsches Vorabentscheidungsersuchen zu Grunde lag, hat der EuGH festgestellt, dass Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 33) in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. 2009, L 337, S. 37, berichtigt im ABl. 2013, L 241, S. 8) geänderten Fassung dahin auszulegen ist, dass ein internetbasierter E‑Mail-Dienst, der wie der von Google erbrachte Dienst Gmail keinen Internetzugang vermittelt, nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze besteht und daher keinen „elektronischen Kommunikationsdienst“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt (Rz 41).

Unter diese vom Europäischen Gerichtshof angesprochene Kategorie von Diensteanbietern fallen auch mit Google vergleichbare OTT-Dienste („Over the top“-Dienst ist ein über das Internet zur Verfügung stehender Dienst, ohne dass ein traditioneller Internet-Service-Provider involviert ist, siehe EuGH vom 13. Juni 2019, C-193/18, Rz 10). Beispiele für OTT-Dienste können Suchmaschinen (Google), Videoplattformen wie YouTube sowie soziale Kommunikationsnetze wie etwa Facebook und Twitter ebenso wie WhatsApp, (Video)Telefoniedienste wie Skype und auch Cloud-Services sein, wobei der EuGH bestimmte OTT-Dienste durchaus als „elektronische Kommunikationsdienste“ qualifiziert hat (EuGH vom 5. Juni 2019, C-142/18, Rz 46; vgl. Feiel, "SkypeOut" ist ein Telekommunikationsdienst, MR 2019, 198ff).

Da § 76a StPO aktuell (nur) auf „Anbieter von Kommunikationsdiensten“ abstellt, ist im Lichte der genannten Entscheidungen des EuGH fraglich, in wie fern Internetdienste, insbesondere die genannten OTT-Dienste, erfasst sind.

Es wird daher vorgeschlagen, in § 76a StPO sonstige Diensteanbieter ausdrücklich zu nennen. Aus dem Verweis auf § 3 Z 2 ECG ergibt sich, dass natürliche oder juristische Personen oder sonstige rechtsfähige Einrichtungen, die einen Dienst der Informationsgesellschaft bereitstellen, umfasst sein sollen. Zu den Diensteanbietern zählen Access-, Host- und Contentprovider im engeren Sinn, Websitebetreiber (inklusive Gästebuch), Forenbetreiber, Blogger (soweit er Dritten die Speicherung von Inhalten ermöglicht), Tauschbörsenbetreiber, Online-Auktionare, Werbedienste, Registries (Domainvergabestellen) sowie WLAN-Betreiber (als Access-Provider), nicht aber bloße Registrare, Domaininhaber oder Admin-C (Laga/Sehrschön/Ciresa, E-Commerce-Gesetz², § 3 Z 2).

Durch die Ergänzung um Nutzer „eines sonstigen Dienstes (§ 3 Z 4 ECG)“ soll der korrespondierende Adressatenkreis abgedeckt werden.

Zu Z 11 (§ 390 Abs. 1a StPO) und Z 12 (§ 393 Abs. 4a StPO)

Während die Kosten eines auf andere Weise als durch einen Schuldspruch beendeten Strafverfahrens gemäß § 390 Abs. 1 erster Satz StPO grundsätzlich der Bund trägt, wird im zweiten Satz davon abweichend normiert, dass dem Privatankläger der Ersatz aller infolge seines Einschreitens aufgelaufenen Kosten in der das Verfahren für die Instanz erledigenden Entscheidung aufzutragen ist. Um die Verfolgung von Hass im Netz-Delikten zu erleichtern und den Betroffenen mögliche Bedenken im Hinblick auf allfällige Kostenfolgen zu nehmen, soll das Kostenrisiko des Privatanklägers in Strafverfahren wegen übler Nachrede (§ 111 StGB), Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung (§ 113 StGB) und Beleidigung (§ 115 StGB) für Kosten des Strafverfahrens zur Gänze entfallen. Anregungen im Begutachtungsverfahren aufgreifend soll einerseits eine mit § 71 Abs. 1 StPO korrespondierende Einschränkung auf „im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems“ begangene Straftaten erfolgen, andererseits soll dem Privatankläger oder Antragsteller dieser Entfall der Kostenersatzpflicht nicht zu Gute kommen, wenn er den Vorwurf wissentlich falsch erhoben hat. Zur leichteren Lesbarkeit soll diese Regelung – als abweichende Regelung vom in § 390 Abs. 1 zweiter Satz StPO normierten Grundsatz – in einem neuen Abs. 1a erfolgen.

Diese Erleichterung soll der besonderen Lage und persönlichen Belastung der Opfer von Hass im Netz sowie insbesondere dem Umstand Rechnung tragen, dass diese Opfergruppe bislang oftmals durch das Kostenrisiko von der Einbringung einer Privatanklage abgeschreckt wurde. Die vorgesehenen Maßnahmen stehen darüber hinaus im Einklang mit dem Vorhaben im Regierungsprogramm 2020-2024, eine grundsätzliche Kostenreduktion bei bestimmten Privatanklagedelikten iZm Hass im Netz zu erwirken (S. 38).

Die zu 50/ME XXVII. GP vorgeschlagene korrespondierende Regelung für das Rechtsmittelverfahren in § 390a Abs. 1 zweiter Satz StPO soll hingegen nicht übernommen werden, weil diese Begünstigung für gänzlich erfolglose Rechtsmittel im Begutachtungsverfahren als nicht sachgerecht beurteilt wurde.

Aufgrund der vorgeschlagenen Ausnahme der Strafverfahren wegen übler Nachrede (§ 111 StGB), Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung (§ 113 StGB) und Beleidigung (§ 115 StGB), die im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen wurden, in § 390 Abs. 1a StPO kommt die Regelung des § 393 Abs. 4 StPO über die Ersatzpflicht des Privatanklägers für die Verteidigungskosten des nicht verurteilten Angeklagten nicht mehr zur Anwendung. Vorgeschlagen wird daher ein neuer Abs. 4a, der die Kostenersatzpflicht des Privatanklägers in diesen Strafverfahren für die Kosten der Verteidigung des Angeklagten im Hauptverfahren festlegt.

Nachdem die Privatanklage gemäß § 71 Abs. 3 StPO in der vorgeschlagenen Fassung – wie bereits nach geltendem Recht – den formalen Erfordernissen einer Anklageschrift (§ 211 StPO) zu entsprechen hat und darüber hinaus dem Gericht gemäß § 485 StPO eine umfassende Möglichkeit zur amtswegigen Prüfung der Anklage zukommt, ist aus derzeitiger Sicht nicht davon auszugehen, dass es durch den vorgesehenen Entfall der Kostenersatzpflicht für bestimmte Opfergruppen zu einer leichtfertigeren Inanspruchnahme von Rechtsinstrumenten kommen wird. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang außerdem, dass auch weiterhin die entsprechenden Gerichtsgebühren bei Einbringung zu entrichten sind und sich die Regelung lediglich auf die Verfahrenskosten beziehen würde. Demgegenüber hätte der Privatankläger im Falle eines Freispruchs nach der vorgeschlagenen Bestimmung des § 393 Abs. 4a StPO jedenfalls die Verteidigungskosten des Angeklagten zu ersetzen, sodass weiterhin ein gewisses Kostenrisiko bei ihm verbliebe.

Zu Z 13 (§ 514 Abs. 46 StPO):

Sämtliche Änderungen sollen mit 1. Jänner 2021 in Kraft treten. Die Änderungen in § 390 Abs. 1a und § 393 Abs. 4a StPO sollen vorerst befristet bis 31. Dezember 2023 eingeführt werden. Rechtzeitig vor diesem Datum soll die Akzeptanz und praktische Anwendung der neuen Regelungen im Privatanklageverfahren für Opfer von Hass im Netz im Hinblick auf die Auswirkungen des Entfalls der Kostenersatzpflicht des Privatanklägers für Kosten des Strafverfahrens in Verfahren wegen übler Nachrede (§ 111 StGB), Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung (§ 113 StGB) und Beleidigung (§ 115 StGB), die im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen wurden, aussagekräftig evaluiert werden. Sodann sollen die Regelungen mit allfälligen erforderlichen Änderungen in den permanenten Rechtsbestand überführt werden.

Zu Z 14 (§ 516a Abs. 12 StPO):

Bereits vor Umsetzung der RL Opferschutz hatte der Opferschutz in Österreich ein ausgesprochen hohes Niveau, wobei insbesondere das bislang in § 66 Abs. 2 StPO verankerte Institut der psychosozialen und juristischen Prozessbegleitung stets als positives Beispiel hervorgehoben wurde. Mit dem am 1. Juni 2016 in Kraft getretenen Strafprozessrechtänderungsgesetz I 2016, BGBl. I Nr. 26/2016, hat Österreich die RL Opferschutz vollständig umgesetzt. Das Strafrechtsänderungsgesetz 2018, BGBl. I Nr. 70/2018, führte schließlich in Umsetzung der RL Terrorismus unter anderem bei der Prozessbegleitung zu einer Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises auf die Opfer terroristischer Straftaten (§ 278c StGB). Durch die geplanten Änderungen ist nunmehr neuerlich ein wesentlicher Ausbau des Opferschutzes durch die Erweiterung des Personenkreises, der Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung hat, in der neuen Bestimmung des § 66b StPO vorgesehen, sodass diese der Ergänzung der bereits erfolgten vollständigen Umsetzung der RL Opferschutz im nationalen Recht dient.

Zu Art. 12 (Notifikation):

Nach § 6 Notifikationsgesetz, BGBl I Nr. 183/1999, ist in den Text einer technischen Vorschrift im Anwendungsbereich des Notifikationsgesetzes ein Hinweis auf die Einhaltung des Notifikationsverfahrens aufzunehmen.