510 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über die Regierungsvorlage (462 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz, das KommAustria-Gesetz, das ORF-Gesetz und das Privatradiogesetz geändert werden

Die im Dezember 2018 in Kraft getretene Richtlinie (EU) 2018/ 1808 zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste ist in innerstaatliches Recht umzusetzen. Die Umsetzungsmaßnahmen betreffen das AMD-G im Hinblick auf die geänderten inhaltlichen Anforderungen an Sendungen (einschließlich der neuen Vorgaben für die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation) und mit der Einfügung eines eigenen Abschnitts zu den der österreichischen Rechtshoheit unterliegenden Video-Sharing-Plattform-Anbietern. Das KOG ist vor allem durch die Verankerung der durch die Richtlinie neu geschaffenen „institutionellen“ Anforderungen betroffen, indem insb. die Regelungen zur Selbst- und Koregulierung Niederschlag finden. Das ORF-G ist in den Details der Werbebestimmungen und mit den geänderten Regelungen zum Jugendschutz, zur Barrierefreiheit und auch zur Kennzeichnung von Inhalten betroffen.

Das zentrale Thema der Änderungsrichtlinie bildet die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Richtlinie, um auch soziale Netzwerke zu erfassen. Das Hauptargument für dieses Anliegen bestand darin, dass soziale Netzwerke mit der Verbreitung audiovisueller Inhalte zunehmend in Konkurrenz zu „klassischen“ elektronischen Medien wie TV und TV On Demand im Kampf um Zuschaueranteile und vor allem um Werbeumsätze treten. Die diesbezüglichen Änderungen finden sich im vorliegenden Entwurf in einem neu eingefügten Abschnitt im AMD-G. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten in Art. 28b Abs. 1, dafür zu sorgen, dass die Video-Sharing-Plattform-Anbieter geeignete Maßnahmen treffen, um die Nutzer vor Sendungen, nutzer-generierten Videos und audiovisueller kommerzieller Kommunikation (im Folgenden: avkK) zu schützen, die

            • Minderjährige in ihrer körperlichen, geistigen oder sittlichen Entwicklung beeinträchtigen könnten;

            • Aufstachelung zu gegen in Art. 21 der Grundrechte-Charta genannte Gruppen gerichteter Gewalt oder Hass enthalten;

            • terroristische, kinderpornografische und rassistische oder ausländerfeindliche Inhalte verbreiten.

Zur Sicherstellung, dass die Inhalte den Vorgaben der Abs. 1 und 1 a entsprechen, führt Art. 28b Abs. 2 demonstrativ „geeignete Maßnahmen“ an. Diese reichen von der Ausgestaltung der AGB (über unzulässige Inhalte und Anforderungen an avkK), über die Einrichtung und Anwendung von Melde- und Kennzeichnungsfunktionen für Nutzer, Altersnachweissysteme, Bewertungssysteme, Beschwerdemechanismen, Systeme für elterliche Aufsicht bis hin zur Bereitstellung von Maßnahmen zur Förderung der Medienkompetenz.

Zur Umsetzung der Maßnahmen sollen die Mitgliedstaaten die Koregulierung im Sinne von Art. 4a der Richtlinie fördern. Um die Eignung der Maßnahmen zu beurteilen, sollen die Mitgliedstaate Mechanismen zur Beurteilung der „Angemessenheit“ einrichten und die Prüfung den nationalen Regulierungsbehörden übertragen. Die Einschätzung, welche Maßnahme geeignet ist, darf folglich nicht allein dem Plattform-Anbieter überlassen bleiben.

Ausgehend vom Vorschlag der Europäischen Kommission über die Elemente der Selbst- und Koregulierung und auch deren Nutzen findet sich nun in einem eigenen Art. 4a der Richtlinie eine Definition, dessen Abs. 1 zufolge die Mitgliedstaaten den Einsatz von Koregulierung und auch die Förderung der Selbstregulierung durch Verhaltenskodizes unterstützen sollen. Diese sollten von den Hauptbeteiligten im betreffenden Mitgliedstaaten allgemein anerkannt sein, klar und unmissverständlich die Ziele festlegen, eine regelmäßige, transparente und unabhängige Überwachung sowie Bewertung ihrer Zielerfüllung vorsehen und die wirksame Durchsetzung einschließlich effektiver, verhältnismäßiger Sanktionen gewährleisten. Die Mitgliedstaaten trifft allerdings keine Verpflichtung, Ko- und/oder Selbstregulierungssysteme einzurichten. Selbstregulierung soll eine ergänzende Methode bei der Umsetzung sein, kann aber keinen Ersatz für die Umsetzungsverpflichtungen des nationalen Gesetzgebers darstellen. Der vorliegenden Entwurf enthält in den von der Richtlinie angesprochenen Bereichen einige neue Bestimmungen zum Verhältnis zwischen Selbstregulierung und staatlicher Rechtsaufsicht.

Wesentlich verändert wurden in der Richtlinie auch die Bestimmungen zum Schutz der Konsumenten vor Inhalten in audiovisuellen Mediendiensten, die zu Gewalt oder Hass gegen eine nach Geschlecht, Rasse, Hautfarbe, ethnischer oder sozialer Herkunft, genetischen Merkmalen, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, dem Vermögen, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung definierte Personengruppe oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe aufstacheln. Der neue Art. 6a der Richtlinie fasst die inhaltlichen Vorgaben zum Schutz der Minderjährigen mit neuen Regelungen über die entsprechende Kennzeichnung von Inhalten zusammen. Die Mediendiensteanbieter müssen nach Art. 6a Abs. 1 dafür sorgen, Inhalte, die die körperliche, seelische oder sittliche Entwicklung Minderjähriger gefährden können, nur so bereitzustellen, dass gesichert ist, dass Minderjährige diese Inhalte üblicherweise nicht hören oder sehen. Gedacht ist dabei an Maßnahmen zur zeitlichen Programmierung, an Altersverifikationssysteme oder technische Maßnahmen. Die Norm gibt vor, dass die Maßnahmen in angemessenem Verhältnis zur potentiellen Schädigung stehen müssen, aber der „schädlichste Inhalt wie Pornografie und grundlose Gewalt den strengsten Maßnahmen unterliegen sollte“. ErwG 20 stellt klar, dass dafür – unbeschadet der Möglichkeit, strengere Maßnahmen zu ergreifen – Verschlüsselung und Systeme der elterlichen Kontrolle in Frage kommen.

Art. 6a Abs. 2 verpflichtet die Anbieter, ausreichende Informationen über den Inhalt potentiell jugendgefährdender Sendungen bereitzustellen. Zu diesem Zweck sollen sie ein System verwenden, welches die potentielle Schädlichkeit der Inhalte beschreibt.

Ein zentrales und ernstzunehmendes Anliegen des Europäischen Parlaments lag darin, die Zugänglichkeit von Inhalten für behinderte Menschen zu forcieren. Nach Art. 7 Abs. 1 müssen alle audiovisuellen Mediendienste „kontinuierlich und zunehmend besser zugänglich“ gemacht werden. Dazu sollen die Anbieter auch regelmäßig den Regulierungsbehörden über die Umsetzung und dazu entwickelte Aktionspläne berichten. Die Mitgliedstaaten müssen online eine zentrale, leicht zugängliche und öffentlich verfügbare Anlaufstelle für die Bereitstellung von Information und die Entgegennahme von Beschwerden bei Fragen der Zugänglichkeit benennen. Mit Art. 7a enthält die Richtlinie ebenfalls auf Initiative des Europäischen Parlaments ein Recht der Mitgliedstaaten, Maßnahmen zur Sicherung einer angemessenen Hervorhebung „audiovisueller Mediendienste von allgemeinem Interesse“, zu erlassen. Mit Art. 7b sollen geeignete und verhältnismäßige Maßnahmen zum Schutz der TV-Programme ergriffen werden, um zu verhindern, dass diese ohne Zustimmung der Veranstalter zu kommerziellen Zwecken, etwa durch Logo- oder Text-Einblendungen, überlagert oder modifiziert werden.

Die allgemeinen Anforderungen an avkK wurden nun durch die bislang nur für Fernsehen geltenden, aus Art. 22 stammenden Anforderungen an Alkoholwerbung ergänzt. Mit Art. 9 Abs. 2 und 3 werden die Mitgliedstaaten angehalten, Koregulierung und die Förderung von Selbstregulierung im Bereich „unangebrachter“ avkK für alkoholische Getränke und für HFSS-Produkte zu begünstigen, um die „Einwirkung [derartiger avkK] auf Minderjährige wirkungsvoll zu verringern“.

Das Sponsoring in Art. 10 und die Produktplatzierung in Art. 11 bleiben weitgehend unverändert. Bislang war allerdings Produktplatzierung bis auf einzelne Ausnahmen verboten, nun wird das Regel-Ausnahme-Prinzip umgedreht und ein Verbot für Nachrichtensendungen und Sendungen zur politischen Information, neu auch für Verbrauchersendungen, Kindersendungen und Sendungen religiösen Inhalts normiert. Art. 20 zur Unterbrecherwerbung bleibt unverändert. Neu ist in Art. 20 Abs. 2 das Verbot der Ausstrahlung von Teleshopping während einer Kindersendung. Bei der Werbezeit fixiert Art. 23 zwei Fenster, nämlich zwischen 6 Uhr und 18 Uhr und zwischen 18 Uhr und 00 Uhr, in denen der Anteil an Spots 20 % der Dauer dieser Fenster nicht übersteigen darf.

Bei der Förderung europäischer Werke wurde für Abrufdienste eine 30 % Quote fixiert und eine Verpflichtung zur Hervorhebung. Hierbei wird durch die Leitlinien der Europäischen Kommission (Mitteilung der Kommission C(2020) 4291 final) nähere Anleitung gegeben, auf welcher Basis der Prozentanteil berechnet wird. Wenn die Mitgliedstaaten die ihrer Rechtshoheit unterworfenen Anbieter dazu verpflichten, finanziell zur Produktion europäischer Werke beizutragen – sei es durch Direktinvestitionen in Inhalte oder Beiträge zu nationalen Fonds – dann können sie gemäß Art. 13 Abs. 2 auch Anbieter, die auf Zuschauer in ihrem Gebiet ausgerichtet, aber in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind, zur Leistung solcher Beiträge verpflichten. Der vorliegende Entwurf macht von dieser Option keinen Gebrauch.

Schließlich enthält die Richtlinie in Art. 30 eine Reihe von Grundsätzen zur funktionellen Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden (von Regierung und privaten Akteuren) und ihrer rechtlichen Trennung von der Regierung (Abs. 1), zur Sicherstellung der transparenten und unparteiischen Ausübung ihrer Befugnisse sowie der Weisungsfreiheit (Abs. 2), der gesetzlichen Determinierung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten (Abs. 3) und der ausreichenden finanziellen Ausstattung (Abs. 4). Ergänzt wurden Determinanten für die Ernennungs- und Enthebungsverfahren von Behördenmitgliedern (Abs. 5). Die diesbezüglichen Anforderungen sind in Österreich bereits spätestens seit der Novelle BGBl. I Nr. 50/2010 vollständig umgesetzt.

 

Der Verfassungsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 25. November 2020 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Eva Blimlinger die Abgeordneten Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Katharina Kucharowits, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Alexander Melchior, Henrike Brandstötter, Mag. Ulrike Fischer, Dr. Susanne Fürst, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Dr. Nikolaus Scherak, MA und Mag. Harald Stefan sowie Bundeskanzler Sebastian Kurz und die Bundesministerin für EU und Verfassung Mag. Karoline Edtstadler.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Alexander Melchior, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Zu Z 1 (Art. 1 Z 44 [§ 45 Abs. 1 und 2 AMD-G]) und Z 2 (Art. 3 Z 23 [§ 14 Abs. 6 ORF-G]):

Mit der Änderung in § 45 Abs. 2 AMD-G wird in Z 1 lit. b ergänzend angeordnet, dass Hinweise in Fernsehprogrammen auf Sendungen und Mediendienste der Sendergruppe nicht in die Werbezeit einzurechnen sind. Damit wird von der in Art. 23 Abs. 1 lit. a der Richtlinie eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Mit der Änderung im ORF-G wird klargestellt, dass auch Hinweise in einem Radioprogramm auf konkrete Radiosendungen nicht in die Werbezeit einzurechnen sind und ferner neutrale Trennelemente im Radio nicht zur Werbezeit zu zählen sind.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Alexander Melchior, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen mit Stimmenmehrheit (dafür: V, G, N, dagegen: S, F) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2020 11 25

                            Mag. Eva Blimlinger                                                     Mag. Jörg Leichtfried

                                  Berichterstatterin                                                                          Obmann