514 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über den Antrag 498/A der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ministeranklage gemäß Art. 142 Abs. 2 lit. b wider den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober

Die Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Antrag am 28. April 2020 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Das österreichische Parlament hat im Zuge der Eindämmung von COVID-19 gezeigt, dass sich die österreichischen Bürger auf die Gesetzgebung verlassen können, wenn es schwere Entscheidungen zu treffen gilt. Über alle Fraktionen hinweg wurde das Verbindende vor das Trennende gestellt, um reflektierte Entscheidungen zum Wohle der Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher zu treffen.

Ohne die gelebte parlamentarische Kontrolle, die regelmäßig durch Sammelgesetze mit unzusammenhängenden Materien und kurzer Begutachtungszeit erschwert wurde, wäre die Anzahl an fehlerhaften Rechtsnormen wohl exponentiell angestiegen.

Dabei wurden jedoch von der Regierung konstruktive Beiträge der Abgeordneten zum Nationalrat zum Gesundheitsschutz, zur Abwicklung des Härtefallfonds, aber auch mahnende Worte zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit ignoriert.

Wenn aber Regierende eine nationale Kooperation unter Verzicht auf individuelle Rechte einfordern, braucht es auch eine laufende Debatte über die Sinnhaftigkeit, zeitliche Angemessenheit und Grundrechtskonformität entsprechender Maßnahmen. Das Ausrufen einer scheinbaren Alternativlosigkeit seitens der Regierung und die Ablehnung begleitender Kontrollmaßnahmen wurde daher zu Recht von einer Vielzahl an Experten öffentlich kritisiert.

Die von der Bundesregierung gesetzten Maßnahmen greifen in sämtliche Lebensbereiche ein und berühren eine Vielzahl unserer verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechte. Umso mehr braucht es juristische Klarheit über potentiell verfassungswidriges Handeln des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Rudolf Anschober, der seine Amtstätigkeit nicht nur besonders sorglos, sondern auch schuldhaft und rechtswidrig ausgeführt hat.

Hervorzuheben sind dabei insbesondere freiheitsbeschränkende Maßnahmen, die aus der verfassungsrechtlich geschützten Normalität eine „neue Normalität“ gemacht haben und dafür die Angst der Bürgerinnen und Bürger instrumentalisiert haben:

            Rechtswidrige Verordnung: Bundesminister Anschober hat entgegen des Gesetzestextes ein „generelles Vertretungsverbot“ für den gesamten öffentlichen Raum verordnet, obwohl aufgrund des COVID-19-Maßnahmengesetzes nur das Betreten einzelner abgegrenzter Orte hätte untersagt werden dürfen. Die Österreicherinnen und Österreicher wurden somit von Bundesminister Anschober rechtswidrig und ohne gesetzliche Grundlage in ihrer Freiheit eingeschränkt.

Rudolf Anschober hat sohin als Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch das in § 1 der 98. Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes vom 15.3.2020, verlautbart durch BGBl. II Nr. 98/2020, normierte generelle Verbot des Betretens öffentlicher Orte, den durch die einfachgesetzliche Ermächtigung des § 2 des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz), verlautbart durch BGBl. I Nr. 12/2020, eingeräumten Rahmen in rechtswidriger Weise schuldhaft überschritten.

            Rechtswidriger Erlass: Der von sämtlichen Experten kritisierte sogenannte „Oster-Erlass“ sollte private Zusammenkünfte von mehr als fünf Personen in einem Raum verbieten und zudem Begräbnisse und Hochzeiten einschränken, obwohl sich Erlässe ausschließlich an nachgeordnete Verwaltungsorgane richten und nicht wie Gesetze oder Verordnungen unmittelbar an die Bürgerinnen und Bürger. Doch auch Landeshauptleute und Bezirksverwaltungsbehörden wurden über die mit dem Erlass ergangene Anordnung getäuscht – es fehlte abermals die rechtliche Grundlage.

Rudolf Anschober hat sohin als Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch den Erlass, § 15 Epidemiegesetz 1950, Verbot von Zusammenkünften GZ 2020-0.201.688 vom 1.4.2020, den Landeshauptleuten und den Bezirksverwaltungsbehörden eine nicht durch gesetzliche Ermächtigung gedeckte Anordnung erteilt und diese dadurch anzuleiten versucht, verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte unrechtmäßig einzuschränken.“

Der Verfassungsausschuss hat den gegenständlichen Antrag in seiner Sitzung am 25. November 2020 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Dr. Susanne Fürst die Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Mag. Selma Yildirim, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Mag. Ulrike Fischer und Mag. Georg Bürstmayr.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Antrag keine Mehrheit (für den Antrag: F, dagegen: V, S, G, N).

 

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2020 11 25

                    Mag. Agnes Sirkka Prammer                                             Mag. Jörg Leichtfried

                                  Berichterstatterin                                                                          Obmann