588 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht und Antrag

des Justizausschusses

über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Notariatsordnung, das GmbH-Gesetz, das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz und das EIRAG geändert werden

Im Zuge seiner Beratungen über den Antrag 895/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz und die Rechtsanwaltsordnung geändert werden, hat der Justizausschuss am 2. Dezember 2020 auf Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker und Mag. Agnes Sirkka Prammer einstimmig beschlossen, dem Nationalrat gemäß § 27 Abs. 1 Geschäftsordnungsgesetz einen Selbständigen Antrag vorzulegen, der ein Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung, das GmbH-Gesetz, das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz und das EIRAG geändert werden, zum Gegenstand hat.

Dieser Antrag war wie folgt begründet:

„Zu Artikel 1 (Änderung der NO)

Die Richtlinie (EU) 2019/1151 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht (im Folgenden kurz: „Digitalisierungsrichtlinie“) sieht unter anderem vor, dass die Gründung einer Gesellschaft oder Errichtung einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft in einem Mitgliedstaat durch den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren vereinfacht werden soll, wobei diese Verfahren vollständig online erledigt werden können sollen. Nach Art. 13j der Digitalisierungsrichtlinie sollen Gesellschaften – ohne Einschränkung auf die GmbH – ferner der Offenlegungspflicht nach Art. 14 unterliegende Urkunden und Informationen während des gesamten Lebenszyklus der Gesellschaft bei den nationalen Registern vollständig online einreichen können.

Aufgrund der im Gesellschaftsrecht in verschiedenem Zusammenhang vorgesehenen Formpflichten bedarf es damit im Zusammenhang entsprechender Regelungen in der Notariatsordnung zur Ermöglichung der „digitalen“ Erbringung bestimmter notarieller Dienstleistungen. Einen entsprechenden Schritt in diese Richtung hat es hier zuletzt bereits mit der (allerdings bis zum 31.12.2020 befristeten) Einführung des § 90a NO durch das 4. COVID-19-Gesetz, BGBl. I Nr. 24/2020, gegeben. Nach dieser Bestimmung können für den Fall, dass ein Rechtsgeschäft, eine Erklärung oder eine rechtserhebliche Tatsache zur Wirksamkeit der Form eines Notariatsakts oder einer sonstigen öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde bedarf, zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 die für die Errichtung der Urkunde erforderlichen notariellen Amtshandlungen unter sinngemäßer Anwendung von § 69b Abs. 2 und 3 sowie § 79 Abs. 9 auch unter Nutzung einer elektronischen Kommunikationsmöglichkeit (§ 69b) vorgenommen werden. Diese Regelung hat sich in der Praxis bewährt; sie soll mit Blickrichtung auf die im aktuellen Regierungsprogramm vorgesehenen Maßnahmen zu einem weiteren Ausbau der Digitalisierung und im Lichte der in Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie erforderlichen Schritte – in etwas modifizierter Form zum bisherigen § 90a NO – in das Dauerrecht übernommen werden.

Der Entfall des Verweises in § 69b Abs. 1 erster Satz ermöglicht die Errichtung sämtlicher Notariatsakte unter Nutzung elektronischer Kommunikationsmöglichkeiten, ungeachtet einer Öffnungsklausel im jeweiligen Materiengesetz (vgl. § 4 Abs. 3 GmbHG).

Dabei ist aufgrund der in § 69b NO normierten Vorgaben und Sicherheitsanforderungen gewährleistet, dass sowohl die Einhaltung der den Notar treffenden Identifizierungspflichten als auch die ihn gegenüber allen Parteien treffenden Belehrungs- und Beistandspflichten verlässlich ermöglicht und sichergestellt werden. Die in § 69b Abs. 2 und 3 NO unter anderem zur Feststellung der Identität der Partei vorgegebenen Vorgehensweisen sind ebenso anzuwenden wie die in der Notar-E-Identifikations-Verordnung geregelten Maßnahmen zur Sicherstellung der Integrität von im notariellen Bereich verwendeten elektronisch unterstützten Identifikationsverfahren.

Aufgrund der zu § 79 Abs. 9 NO vorgeschlagenen Änderung soll die Möglichkeit einer Unterschriftsbeglaubigung unter Nutzung einer elektronischen Kommunikationsmöglichkeit nicht mehr an einen unmittelbaren Zusammenhang mit einem gesetzlich vorgesehenen elektronischen Notariatsakt geknüpft, sondern für alle Unterschriftsbeglaubigungen eröffnet werden.

Über die Fälle der „elektronisch unterstützten“ Unterschriftsbeglaubigung nach § 79 Abs. 9 NO hinaus eröffnet der neu gefasste § 90a NO die Möglichkeit der Nutzung elektronischer Kommunikationsmöglichkeiten bei sämtlichen nach dem V. Hauptstück, III. Abschnitt der Notariatsordnung (§§ 76 ff. NO) vorgesehenen Beurkundungen und Beglaubigungen auch über den 31. Dezember 2020 hinaus. Zudem entfällt – anders als dies derzeit bei § 90a idF 4. COVID-19-G, BGBl. I Nr. 24/2020, der Fall ist – das Erfordernis, dass das betreffende Rechtsgeschäft, die betreffende Erklärung oder eine rechtserhebliche Tatsache zur Wirksamkeit der Form einer notariellen Urkunde bedarf.

Zu Artikel 2 (Änderung des GmbHG)

Die seit Anfang 2018 mögliche vereinfachte elektronische GmbH-Gründung nach § 9a GmbHG hat sich – wie sich auch aus dem Bericht des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz vom 20. Dezember 2019 an den Nationalrat, GZ BMVRDJ-Z10.002O/0005-I 3/2019, ergibt – in der Praxis bewährt. Daher soll die Bestimmung nicht (wie derzeit in § 127 Abs. 23 GmbHG vorgesehen) mit Ende 2020 wieder außer Kraft treten, sondern unbefristet weitergelten.

Zu Artikel 3 (Änderung des 2. COVID-19-JuBG)

Zu Z 1 (§ 1):

Der vorübergehende Ausschluss der gerichtlichen Einforderung von Zahlungsrückstanden des Wohnungsmieters aus dem zweiten Quartal 2020 soll bis Ende März 2021 verlängert werden. Die Verlängerung der temporären Aussetzung der Klagbarkeit des Anspruchs um weitere drei Monate ist deshalb erforderlich, weil in Folge der neuerlichen Beschränkungen des öffentlichen Lebens auch über den Jahresbeginn hinaus Probleme bei der Nachzahlung der angelaufenen Zahlungsrückstände zu erwarten sind. Auch die Abdeckung aus einer vom Mieter übergebenen Kaution soll für weitere drei Monate ausgeschlossen sein.

Zu Z 2 (§ 11a und § 11b):

Zu § 11a:

Aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie soll das Zustandekommen eines Sanierungsplans im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erleichtert werden. Dabei soll die Zahlungshöchstfrist um ein Jahr auf drei Jahre verlängert werden.

Zu Z 3 und 4 (§ 17):

Die Möglichkeiten nach § 7, Fristen in Insolvenzverfahren zu verlängern, und nach § 11, Zahlungsplanraten zu stunden, sollen aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Krise verlängert werden. Aus diesem Grund soll auch die Möglichkeit, den Aufschub einer Räumungsexekution zu erwirken, wenn die Wohnung zur Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses dient, weiter gelten und auch die Gebührenfreiheit für bestimmte Unterhaltsvorschussentscheidungen verlängert werden.

Zu Art. 4 (Änderung des EIRAG)

Aufgrund des Auslaufens des Übergangszeitraums des aus Anlass des Austritts des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen geschlossenen Austrittsabkommens am 31. Dezember 2020 sind (neben Anpassungen in der Rechtsanwaltsordnung) Änderungen des EIRAG notwendig, um klare, im Einklang mit den Vorgaben des Austrittsabkommens stehende Verhältnisse für Personen mit Staatsangehörigkeit zum Vereinigten Königreich zu schaffen. Hier bedürfen jene Fälle einer Regelung, in denen ein Staatsangehöriger des Vereinigten Königreichs, der die Voraussetzungen des Art. 10 des Austrittsabkommens erfüllt, vor dem 1. Jänner 2021 in Ausschöpfung der durch die Richtlinie 98/5/EG zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde, und die Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen sowie das EIRAG eingeräumten Möglichkeiten einen Antrag auf Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte nach dreijähriger effektiver und regelmäßiger Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in Österreich oder auf Ablegung der Eignungsprüfung nach dem 3. Hauptstück des 3. Teils des EIRAG gestellt hat. Ist dies der Fall, so sollen die im 3. Teil des EIRAG (§§ 9 ff.) rund um die Niederlassung europäischer Rechtsanwälte (vgl. § 1 Abs. 1 EIRAG) in Österreich getroffenen Regelungen auf diese Personen bis zu deren „Vollintegration“ weiterhin Anwendung finden.

Um in diesem Kontext eine Schlechterstellung von österreichischen Staatsangehörigen oder Staatsangehörigen eines anderen EU-Mitgliedstaats/EWR-Vertragsstaats oder der Schweiz zu vermeiden, soll dieses Regime daneben auch für (natürliche) Personen gelten, die zum Zeitpunkt des Ablaufs des Übergangszeitraums zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft im Vereinigten Königreich unter der Berufsbezeichnung „Advocate“, „Barrister“ oder „Solicitor“ berechtigt waren oder – bezogen auf die Eignungsprüfung – zumindest über einen zum unmittelbaren Zugang zu einem dieser Berufe berechtigenden Ausbildungsnachweis verfügt haben und bereits vor dem Austrittszeitpunkt die „Vollintegration“ initiiert haben. Für Rechtsanwälte mit Staatsangehörigkeit zum Vereinigten Königreich nach dem EU-Austritt in Österreich generell nicht mehr möglich sein wird dagegen ein Tätigwerden als dienstleistender europäischer Rechtsanwalt im Sinn des 2. Teils des EIRAG. Die Zulässigkeit der Erbringung entsprechender Rechtsdienstleistungen durch solche Personen in Österreich wird dann vielmehr (einzig) nach dem 5. Teil des EIRAG zu beurteilen sein.“

 

In der Debatte ergriffen die Abgeordneten Mag. Agnes Sirkka Prammer, Dr. Johannes Margreiter, Mag. Harald Stefan, Mag. Klaus Fürlinger, Mag. Selma Yildirim und Mag. Ruth Becher sowie die Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M. das Wort.

 

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer gewählt.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2020 12 02

                    Mag. Agnes Sirkka Prammer                                          Mag. Michaela Steinacker

                                  Berichterstatterin                                                                           Obfrau