Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Grundlagen des Entwurfs:

Der gegenständliche Entwurf zielt auf die Schaffung einer „digitalen Sammelurkunde“ für Schuldverschreibungen und Investmentzertifikate ab. Dies soll insbesondere die Digitalisierung und Entbürokratisierung im Finanzdienstleistungssektor vorantreiben und dadurch der Finanzstandort Österreich für internationale Marktteilnehmer weiter an Attraktivität gewinnen. Die Schaffung einer „digitalen Sammelurkunde“, als zusätzliche Option neben der bereits bestehenden physischen Sammelurkunde, vereinfacht den Prozess von Wertpapieremissionen, da einerseits das logistische Verfahren der Verbringung an die Stelle des Zentralverwahrers sowie andererseits die dortige Lagerung von physischen Sammelurkunden eingespart werden kann. Als Beispiel hiefür kann genannt werden, dass im Jahr 2019 beim österreichischen Zentralverwahrer (OeKB CSD GmbH) ca. 7756 Sammelurkunden eingeliefert wurden. Die Digitalisierung würde daher auch im Interesse der Nachhaltigkeit Papier, insbesondere aber auch Transportfahrten ersparen. Zudem handelt es sich um einen technologieneutralen Ansatz zur Digitalisierung von Sammelurkunden. Darüber hinaus trägt der Entwurf dem derzeit übergeordneten Ziel der Verminderung des Ansteckungsrisikos mit COVID-19 Rechnung, da der physische Kontakt zwischen am Emissionsprozess beteiligten Personen verringert werden kann.

Im Rahmen des Begutachtungsverfahrens wurde eine Vielzahl von plausiblen Anregungen und Vorschlägen seitens der Lehre und der Praxis eingebracht, die teils auch über das unmittelbare Regelungsziel des vorliegenden Novellierungsentwurfs hinausreichen. Gegenständlicher Entwurf sieht eine rasche, schlanke und fokussierte Lösung zur angeführten Thematik vor. Eine spätere allfällig weitergreifende Reform bleibt dem Gesetzgeber unbenommen.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung des im Entwurf vorliegenden Gesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 5 und 6 B-VG („Bankwesen“ sowie „Zivilrechtswesen“).

Besonderer Teil

Zu Z 1 (§ 1 Abs. 4):

Es soll eine systemgerechte Legaldefinition der „digitalen Sammelurkunde“ geschaffen werden in welcher zudem die Entstehungsvoraussetzungen für eine digitale Sammelurkunde gemäß § 24 lit. e festgelegt werden. Die digitale Sammelurkunde stellt neben der physischen Sammelurkunde eine zusätzliche Option für Emittenten dar.

Die Anlegung des elektronischen Datensatzes über die Rechte im Umfang der Gutschriften ist ausschließlich bei den Depots einer Wertpapiersammelbank möglich und wird hierbei als Ausstellung und Begebung der digitalen Sammelurkunde über eine Schuldverschreibung oder ein Investmentzertifikat gewertet. An die Stelle der Unterschrift des physischen Wertpapiers tritt die Anlegung (Datenübermittlung und Freigabe) des elektronischen Datensatzes bei der Wertpapiersammelbank durch den Emittenten.

Mit Anteilen an einer solcherart ausgestellten und begebenen digitalen Sammelurkunde sind dieselben Rechte und wertpapierrechtlichen Funktionen verbunden wie mit Anteilen an einer Sammelurkunde gemäß § 24 lit a und b, wobei folglich „digitale Zwischensammelurkunden“ gemäß § 24 lit. a nur anstatt Sammelurkunden gemäß § 24 lit. b möglich sind. Bei den durch digitale Sammelurkunden verkörperten Rechten handelt es sich um „digital verbriefte“ Rechte, die den traditionell physisch verbrieften Rechten desselben Leistungsanspruchs rechtlich, insbesondere depot- und sachenrechtlich, gleichstehen. Rechtsnatur und Rechtswirkungen digitaler und physischer Sammelurkunden sind daher deckungsgleich.

In Anlehnung an Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012, ABl. Nr. L 257 vom 28.08.2014 S. 1 (CSD-VO) ist der elektronische Datensatz der digitalen Sammelurkunde bei einer Wertpapiersammelbank anzulegen, welche die in Abschnitt A des Anhangs der genannten Verordnung enthaltenen Kerndienstleistungen im Inland erbringt, wobei die Struktur dieses Datensatzes auch von der Wertpapiersammelbank vorzugeben ist. Dieser hat zumindest alle Informationen zu enthalten, die für die Entstehung der digitalen Sammelurkunde und der Verwahrung und Verwaltung dieser durch die Wertpapiersammelbank erforderlich sind. Insbesondere sind dies Informationen, die bei traditionellen Wertpapieren in den Wertpapierbedingungen enthalten sind. Alle Informationen, die gemäß den Vorgaben der Wertpapiersammelbank nicht in strukturierter Form dargestellt werden müssen (wie etwa Regelungen zum Gerichtsstand, Kündigungsrechte, Collective Action Clause, etc.), sind vom Emittenten in einem anderen Format (z.B. PDF) an die Wertpapiersammelbank zu übermitteln, und es ist im IT-System der Wertpapiersammelbank ein Bezug zum elektronischen Datensatz und den übrigen Bedingungen herzustellen. Der zivilrechtliche als auch der kapitalmarktrechtliche Wertpapierbegriff bleibt unberührt.

Zu Z 2 (§ 6 Abs. 2):

Hiermit soll klargestellt werden, dass kein Ausfolgungsanspruch besteht, wenn der Sammelbestand durch eine digitale Sammelurkunde vertreten wird.

Zu Z 3 und 4 (§ 24):

Die Nennung der digitalen Sammelurkunde ermöglicht, dass die Bestimmungen über die Sammelverwahrung und Verschaffung von Eigentum an Sammelbestandanteilen sowie die Bestimmungen des § 23 sinngemäß auch für die Anteile an einer digitalen Sammelurkunde gelten. Durch den Verweis auf § 24 lit. a und b in der Legaldefinition der digitalen Sammelurkunde gemäß § 1 Abs. 4 wird klargestellt, dass mit der digitalen Sammelurkunde dieselben Rechte und wertpapierrechtlichen Funktionen verbunden sind wie mit Anteilen an einer Sammelurkunde gemäß § 24 lit a und b. Die Neufassung der lit. c und d sind redaktionell bedingt.

Zu Z 5 (§ 27 Abs. 3):

Bestimmung zum Inkrafttreten.

Zu Z 6 (§ 28 Abs. 3):

Diese Bestimmung ermöglicht systemgerecht, dass Altbestände von Zwischensammelurkunden (§ 24 lit a) und Sammelurkunden für Schuldverschreibungen oder Investmentzertifikate (§ 24 lit b), die in traditionell physischen Sammelurkunden bestehen und beim Zentralverwahrer lagern in digitale Sammelurkunden umgewandelt werden können. Dies ist im Sinne der Digitalisierung, entlastet die Depots des Zentralverwahrers und reduziert logistischen Aufwand.

Zu Z 7 (§ 30):

Da die Anlegung eines Datensatzes für eine digitale Sammelurkunde im Sinn des § 1 Abs. 4 nur durch eine in § 1 Abs. 3 geregelte Wertpapiersammelbank erfolgen kann, soll die Vollzugsklausel dahingehend angepasst werden, dass für beide genannten Bestimmungen der Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Justiz zuständig ist.