976 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (951 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Kartellgesetz 2005 und das Wettbewerbsgesetz geändert werden (Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2021 – KaWeRÄG 2021)

Die Richtlinie (EU) 2019/1 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts ist in österreichisches Recht umzusetzen.

Das Regierungsprogramm 2020 – 2024 sieht eine Überprüfung und Anpassung des Kartellrechts auf europäischer und nationaler Ebene in Bezug auf das moderne Wirtschaftsleben vor.

 

Durch die gegenständliche Regierungsvorlage werden nachstehende Ziele verfolgt:

1. In Umsetzung des durch die Richtlinie (EU) 2019/1 vorgegebenen Zieles der Stärkung der nationalen Wettbewerbsbehörden soll der ohnedies schon gut funktionierende Kartellrechtsvollzug weiter gestärkt werden.

2. Ferner soll das Kartellrecht an neuere Entwicklungen im Wirtschaftsleben angepasst werden.

3. Außerdem soll die Wettbewerbskommission gestärkt und die Entscheidungsgrundlagen für die Investitionskontrolle erweitert werden.

Das Vorhaben umfasst hauptsächlich folgende Maßnahmen:

zu 1.: Regelung der Rechtshilfe im Kartellrechtsvollzug und Vollstreckungshilfe für Geldbußen und Zwangsgelder, Anpassungen der Bestimmungen über Geldbußen und Zwangsgelder (Erweiterung der Tatbestände, Sonderbestimmungen für Unternehmensvereinigungen, Unterbrechung bzw. Hemmung der Verjährung), Anpassungen beim Schutz von Kronzeugenerklärungen.

zu 2.: Modernisierung der Missbrauchsaufsicht vor dem Hintergrund der Entwicklungen der digitalen Plattformökonomie, Stärkung und Erweiterung des Konzepts der relativen Marktmacht, Anpassungen im Fusionskontrollrecht durch stärkere Berücksichtigung ökonomischer Aspekte, Einführung einer zweiten Inlandsumsatzschwelle für die Pflicht zur Anmeldung von Zusammenschlüssen, Rechtssicherheit für unternehmerische Kooperationen zugunsten nachhaltiger Vereinbarungen.

zu 3.: Aufwertung der Wettbewerbskommission durch Einbeziehung bei der Amtshilfe, Stärkung ihrer Unabhängigkeit und Erweiterung ihrer Mitwirkungsbefugnisse in Angelegenheiten der Zusammenschlusskontrolle; Stärkung der Investitionskontrolle durch Weiterleitung von Zusammenschlussanmeldungen von der Bundeswettbewerbsbehörde an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort.

 

Beitrag zu Wirkungsziel oder Maßnahme im Bundesvoranschlag

Das Vorhaben trägt dem Wirkungsziel "Gewährleistung der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens, insbesondere durch Vorschläge zur Anpassung und Weiterentwicklung des Rechtssystems im Hinblick auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedürfnisse" der Untergliederung 13 Justiz im Bundesvoranschlag des Jahres 2021 bei.

Das Vorhaben trägt dem Wirkungsziel "Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft mit Fokus auf KMU" der Untergliederung 40 Wirtschaft im Bundesvoranschlag des Jahres 2021 bei.

Das Vorhaben trägt dem Wirkungsziel "Erhöhung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes" der Untergliederung 40 Wirtschaft im Bundesvoranschlag des Jahres 2021 bei.

 

Finanzielle Auswirkungen auf den Bundeshaushalt und andere öffentliche Haushalte:

1.) Zustellung und Einbringung von Geldbußen und Zwangsgeldern innerhalb der EU und des EWR:

Die Rechts- und Vollstreckungshilfe innerhalb der EU sollte zu gewissen Vereinfachungen führen; wegen der sehr geringen Fallanzahl wird dies aber keine messbaren Auswirkungen haben.

Die Durchführung von Zustell- und Vollstreckungsersuchen für andere Mitgliedstaaten der EU oder Vertragsstaaten des EWR bzw. die Möglichkeit, diese Staaten um Zustellung oder Vollstreckung österreichischer Entscheidungen zu ersuchen, könnte zu einem gewissen Mehraufwand des Kartellgerichts und der Amtsparteien führen. Dieser Mehraufwand ist allerdings schwer zu beziffern: In Österreich wurden in den letzten fünf Jahren im Durchschnitt jährlich 7,8 Geldbußen (2015: 15, 2016: 8, 2017: 8, 2018: 4, 2019: 4) wegen Verstößen gegen nationales oder europäisches Kartellrecht verhängt. Fälle, in denen die Geldbußen in Österreich zwangsweise eingebracht werden mussten, dürften nicht vorgekommen sein. Es ist daher nicht mit Mehreinnahmen durch die Vollstreckung österreichischer Entscheidungen im Ausland zu rechnen. Auch Fälle, in denen Österreich um Vollstreckung ersucht wird, werden nur vereinzelt vorkommen.

2.) Prüfung von Zusammenschlüssen aufgrund des zusätzlichen Kriteriums der erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs:

Es ist zwar mit einem gewissen Mehraufwand für die Amtsparteien und das Kartellgericht in vereinzelten Fällen zu rechnen, allerdings dürfte sich die Steigerung des Aufwands in Grenzen halten, da bei Vorliegen von Marktbeherrschung der Zusammenschluss wie bisher ohne weiteren Nachweis der wirtschaftlichen Auswirkungen zu untersagen ist. Eine vertiefte Prüfung ist somit nur dann anzustellen, wenn keine Marktbeherrschung, aber Hinweise auf eine sonstige Wettbewerbsschädlichkeit des Zusammenschlusses vorliegen. Auch fließen ökonomische Aspekte bereits jetzt regelmäßig in gewissem Ausmaß in die Prüfung ein. Es ist anzunehmen, dass jene Fälle, in denen eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs ohne Marktbeherrschung vorliegt, vereinzelte Ausnahmefälle darstellen werden.

3.) Einführung einer zweiten Inlandsumsatzschwelle für die Pflicht zur Anmeldung von Zusammenschlüssen:

Ausgehend von 425 Fällen im Jahr 2020 werden laut Berechnungen der BWB rund 44%, also 187 weniger Zusammenschlüsse angemeldet werden. Dies würde zu Mindereinnahmen an Gebühren nach § 10a WettbG für die Zusammenschlussanmeldungen in Höhe von 654.500 Euro (187 Fälle à 3.500 Euro) führen. Mit der vorgesehenen Gebührenerhöhung auf 6.000 Euro pro Anmeldung wird das Gesamtaufkommen für 238 Fälle 1.428.000 Euro ergeben und in etwa dem Aufkommen ohne die Einführung der zweiten Inlandsumsatzschwelle in Höhe von 1.487.500 Euro (425 Fälle à 3.500 Euro) entsprechen.

4.) Feststellungsverfahren hinsichtlich der Marktbeherrschung auf einem mehrseitigen digitalen Markt:

Der Tatbestand stellt ganz spezifisch auf marktbeherrschende Unternehmen der digitalen Plattformökonomie ab und schränkt die Möglichkeit der Antragsstellung auf die Amtsparteien und Regulatoren ein. Da sich daraus ein eng umgrenzter Anwendungsbereich ergibt, wird mit höchstens einem Antrag pro Jahr gerechnet.

 

Anmerkungen zu sonstigen, nicht wesentlichen Auswirkungen:

1. Unternehmer müssen bei der Anmeldung eines Zusammenschlusses aufgrund des neu eingeführten zusätzlichen Prüfkriteriums der erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs auch Angaben zu Umständen betreffend dieses Kriterium vornehmen (§ 10 Abs. 1 Z 1 KartG). Es werden aber keine erheblichen zusätzlichen Kosten für Unternehmer entstehen, da dieses Prüfkriterium nicht zu einer Ausweitung der anmeldebedürftigen Zusammenschlusstatbestände führt (§ 9 KartG bleibt unverändert). Es ist damit zu rechnen, dass nur in vereinzelten Fällen ein detaillierterer Begründungsaufwand erforderlich sein wird, etwa wenn sich der zweit- und drittstärkste Unternehmer auf einem Markt zusammenschließen, ohne dass sich dabei eine Marktbeherrschung ergibt. In den letzten fünf Jahren wurden im Durchschnitt 440,2 Zusammenschlüsse angemeldet (2015: 366, 2016: 420, 2017: 439, 2018: 481, 2019: 495), allerdings ist eine weit überwiegende Mehrheit dieser Fälle von den Amtsparteien in Phase I freigegeben worden (zwischen 98,6 % und 99,8 %).

Durch die Einführung einer zweiten Inlandsumsatzschwelle wird sich die Anzahl der Anmeldungen um rund 44% (geschätzte 187 Fälle) verringern; Unternehmen werden in diesem Umfang von Berichtspflichten entlastet.

2. Die Modernisierung der Missbrauchsaufsicht führt zu einem faireren wettbewerblichen Umfeld, wovon gerade Unternehmen in der Aufbauphase profitieren können.

3. Der Entwurf erweitert die allgemeine Ausnahmebestimmung vom nationalen Kartellverbot dahingehend, dass bei Effizienzgewinnen aufgrund unternehmerischer Absprachen zu Gunsten einer ökologisch nachhaltigen oder klimaneutralen Wirtschaft eine angemessene Beteiligung der Verbraucher anzunehmen ist. Konkrete Schätzungen, in welchem Ausmaß die Ausnahmebestimmung zu einer Ökologisierung der Wirtschaft beitragen wird, sind nicht möglich, zumal Unternehmer allfällige Absprachen in diesem Bereich bisher und auch weiterhin selbst auf ihre Verträglichkeit mit den kartell- und wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen prüfen müssen. Die Erweiterung der Ausnahme vom Kartellverbot hinsichtlich einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaft dient auch der Rechtssicherheit für Unternehmer, da die Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen derzeit oftmals im Graubereich anzusiedeln ist. Aufgrund des Vorrangs des europäischen Kartellrechts, das eine entsprechende Ausnahme nicht vorsieht, ist die Anwendung der Ausnahme auf Fälle beschränkt, in denen es zu keiner Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels kommen kann.

4. Die Tatbestände zur Verhängung von Geldstrafen werden insoweit ausgeweitet, als Geldstrafen auch dann verhängt werden können, wenn einem Ladungsbescheid nach § 19 AVG nicht nachgekommen wird. Derartige Geldstrafen werden jedoch nur bei konkreten Verstößen verhängt.

Mit dieser Maßnahme allfällig verbundene budgetäre Auswirkungen werden aus den laufenden Ressortbudgets bedeckt.

 

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 29. Juni 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Klaus Fürlinger die Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Dr. Johannes Margreiter, Mag. Harald Stefan und Dr. Elisabeth Götze sowie die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Dr. Margarete Schramböck und die Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M..

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

Zu Art. 1:

Die Änderung dient der Korrektur eines Redaktionsversehens. Die biser in §§ 18 und 19 EO geregelte örtliche Zuständigkeit in Exekutionsverfahren wird ab 1.7.2021 durch die Gesamtreform des Exekutionsrechts, BGBl. I Nr. 86/2021, in den §§ 4 ff EO geregelt. Das soll auch im Kartellgesetz 2005 so abgebildet werden.

Zu Art. 2:

Die Änderung dient der Korrektur eines Redaktionsversehens. Es sind keine §§ 14c und 14d vorgesehen, weshalb auf § 14a zu verweisen ist. Dieser Verweis erstreckt sich wie im ersten Satz auch auf die nach § 14a Abs. 5 zu erlassende Verordnung.“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages mit Stimmenmehrheit (dafür: V, G, dagegen: S, F, N) beschlossen.

 

Ferner beschloss der Justizausschuss mit Stimmenmehrheit (dafür: V, G, N, dagegen: S, F) folgende Feststellung:

„Der Justizausschuss geht davon aus, dass mit den in der RV geschaffenen gesetzlichen Grundlagen die Unabhängigkeit der Bundeswettbewerbsbehörde im gewohnten Rahmen gewährleistet ist und Ermittlungen und Verfahren weder nach dem nationalen noch nach dem europäischen Kartell- oder Wettbewerbsrecht gefährdet werden und dies im Rahmen des § 1 Abs. 4 Wettbewerbsgesetz sichergestellt ist. Ausdrücklich festgehalten wird in § 1 Abs. 4 Wettbewerbsgesetz zudem, dass keine Auskünfte über laufende oder bevorstehende Hausdurchsuchungen verlangt werden können. Das Auskunftsrecht greift damit nicht in die Art und Weise der Ermittlungen oder der Entscheidungen der Behörde ein.

Die Unterlagen der Zusammenschlussanmeldungen, welche der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort nach § 10 Abs. 6 Wettbewerbsgesetz zu übermitteln sind, dürfen von der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort nur für die Zwecke der Investitionskontrolle im Rahmen des Investitionskontrollgesetzes verwendet werden.“

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2021 06 29

                           Mag. Klaus Fürlinger                                                 Mag. Michaela Steinacker

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau