13133/J XXVII. GP

Eingelangt am 18.11.2022
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Anfrage

 

der Abgeordneten Ing. Reinhold Einwallner,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Inneres

 

betreffend Asylgipfel zwischen Österreich, Ungarn und Serbien

 

 

Nach einem Gipfel im Oktober fand am 16.11.2022 erneut ein Treffen zwischen dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić, dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und dem Bundeskanzler der Republik Österreich, statt – in Wien tagte währenddessen beide Male der Nationalrat, an dessen Sitzungen der Kanzler daher nicht teilgenommen hat.

Beim Gipfel im Oktober wurde laut Medienberichten vereinbart, dass Serbien seine Visapolitik an die Vorgaben der EU anpasst. Damit können tunesische und indische Staatsbürger*innen, die bisher über Serbien visafrei eingereist sind, nicht mehr visafrei einreisen (vgl. Krone, 16.11.2022).

Bisher hatte Serbien jene Länder mit visafreier Einreisemöglichkeit „belohnt“, die den Kosovo nicht als Staat anerkennen (vgl. Der Standard, 17.11.2022). Für Burundi wurde die Aufhebung der visafreien Einreise von Belgrad bereits kundgemacht und ist somit wirksam. Migration nach Österreich findet aus diesem Land allerdings ohnehin in bescheidenem Ausmaß statt. Anders verhält es sich aktuell mit den beiden Staaten Tunesien und Indien. Die Aufhebung für Tunesien wird aktuell abgeschlossen und tritt mit 20. November 2022 in Kraft. An der Umsetzung der Abschaffung der visafreien Einreise von Indien arbeitet Belgrad gerade - diese soll Anfang 2023 in Kraft treten. Dadurch wird die bisherige Möglichkeit via Flugzeug nach Europa zu kommen, um dann über Serbien und Ungarn nach Österreich zu gelangen, eingeschränkt. Die Asylanträge von Tunesier*innen und Inder*innen sollen laut Schätzungen um 40 Prozent zurückgehen. In der Route, über die die Einreise stattfindet, liegt auch der größte Unterschied zu Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan – diese kommen überwiegend über die Türkei auf dem Landweg nach Europa (APA 474, 16.11.2022).

Die Migration entlang der Balkanroute, die über Serbien Richtung Ungarn und von dort nach Österreich verläuft, ist heuer so stark wie seit dem Jahr 2015 nicht mehr. Laut der EU-Grenzschutzorganisation Frontex gelangten von Jänner bis Oktober 2022 128.438 Migrant*innen und Asylsuchende über die – von ihrem ehemaligen Parteichef und Bundeskanzler Sebastian Kurz angeblich geschlossene – Balkanroute in die EU. Das entspricht einer Zunahme von 159 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und stellt die Behörden, die Länder und Gemeinden vor große Herausforderungen.

Gemeinsam mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić und dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán unterzeichnete der Bundeskanzler ein "Memorandum of Understanding", das die Kooperation der drei Länder verstärken soll. Ziel sei der Kampf gegen illegale Migration, Terrorismus und die organisierte Kriminalität (APA 474, 16.11.2022).

Zugleich muss aber festgestellt werden, dass viele der Probleme, die von der ÖVP seit Wochen und Monaten medial verkauft werden, in der Haltung Ungarns liegen, das sich konsequent weigert seiner Aufgabe als EU-Außengrenze nachzukommen. Insofern wäre es wichtig, dass der Bundeskanzler seine Besuche und Einladungen nicht dazu benutzt, um bestes Einvernehmen zu signalisieren, sondern den Fokus darauf zu legen, dass Orbán die EU-Verträge einhält.

Die erneute Reise während der Budget-Plenarsitzung des Nationalrates und die Ergebnisse des Treffens lassen Fragen offen.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgende

 

Anfrage

 

 

1.      War der Zeitpunkt der Reise des Bundeskanzlers mit Ihnen akkordiert bzw. haben Sie ihm zu diesem Zeitpunkt geraten oder davon abgeraten?

a.       Wurden Erwägung angestellt, Sie, als Bundesminister für Inneres, oder die Bundesministerin für EU und Verfassung, oder den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten beizuziehen?

a.       Wenn nein: Warum nicht?

b.      Sind Ihnen Gründe bekannt, weshalb bei dem Reisevorhaben Sie als ressortverantwortlicher Bundesminister nicht eingebunden wurde?

a.       Falls ja: Welche sind das?

2.      Der Bundeskanzler hat gemeinsam mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić und dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán ein "Memorandum of Understanding" (MoU) unterzeichnet, welches das Ziel hat die Kooperation der drei Länder zu verstärken. Ist Ihnen dieses bekannt und aus Ihrer Sicht als Innenminister rechtlich bindend?

a.       Wurde dieses vorab rechtlich geprüft und mit Ihnen abgestimmt?

b.      Welche Gründe sprechen für Sie als Bundesminister für Inneres für eine Unterzeichnung des „MoU“ mit Serbien und Ungarn?

c.       Welche Gründe sprechen für Sie als Bundesminister für Inneres gegen eine Unterzeichnung des „MoU“ mit Serbien und Ungarn?

d.      Wieso wurde das „MoU“ zu diesem derart heiklen Thema nicht dem Parlament und den zuständigen Ausschüssen zugeleitet, bevor es unterzeichnet wurde?

e.       Welche Ziele umfasst dieses „MoU“ Ihres Kenntnisstandes nach konkret?

f.        Sind bei Nicht-Erfüllung der Ziele des „MoU“ Konsequenzen für die jeweiligen Länder vorgesehen?

                                                              i.      Falls ja: Welche und auf Basis welcher rechtlichen Grundlage?

g.      Welche expliziten Verpflichtungen zu Kooperationen werden darin festgehalten?

h.      Welche konkreten Schritte werden nach der Unterzeichnung seitens Österreich zu leisten sein?

i.        Welche Kosten kommen durch diese Unterzeichnung auf die österreichischen Steuerzahler*innen zu?

j.        Werden durch das „MoU“ zusätzliche Aufgaben für die österreichische Exekutive entstehen?

                                                              i.      Falls ja: Welche?

k.      Soll es neben dem „MoU“ weitere Kooperationen mit diesen Ländern geben und wenn ja in welchen Bereichen?

                                                              i.      Sind Sie in diese Planungen eingebunden?

l.        Sind weitere „MoU“ mit anderen Ländern Europas geplant? Nennen Sie bitte die konkreten Beweggründe für die Unterzeichnung mit genau diesen Ländern.

                                                              i.      Falls ja: Bis wann sollen diese unterzeichnet werden?

                                                            ii.      Falls ja: Sind sie in diese Planungen eingebunden?

3.      Gemäß APA 474, 16.11.2022 will der Bundeskanzler eine „starke Achse“ im Kampf gegen illegale Migration mit Serbien und Ungarn bilden und den „Asyltourismus“ bekämpfen. Außerdem sei die klare Trennung in Asyl und Migration notwendig. Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen kämen, sollten anders als Schutzsuchende behandelt werden. (APA 474, 16.11.2022)

a.       Ist es aus Ihrer Einschätzung mit der Einhaltung der Menschenrechte vereinbar, Menschen vor der im Verfahren vorgesehenen Einzelfallprüfung unterschiedlich zu behandeln?

                                                              i.      Falls ja: Auf Basis welcher konkreten Fakten schätzen Sie das so ein?

b.      Wodurch soll eine „starken Achse“ im Kampf gegen illegale Migration gebildet werden?

c.       Ist Ihr Bundesministerium an der Erstellung einer solchen Achse beteiligt?

d.      Wie viele Beamt*innen Ihres Hauses sind an der Erstellung dieser Achse beteiligt?

e.       Wie kann die angekündigte Trennung von Asyl und Migration rechtlich von Statten gehen, ohne damit europäische oder völkerrechtliche Verträge zu verletzten?

f.        Wie definiert der Bundeskanzler eine „andere Behandlung“ in diesem Zusammenhang und auf welcher rechtlichen Basis fußt diese?

g.      Welche Gründe veranlassen den Bundeskanzler zu der Annahme, dass Länder, wie Ungarn, das sich ja ganz offensichtlich nicht an EU-Recht hält und ganz bewusst gegen dieses verstößt, ein verlässlicher Partner in der Bewältigung der aktuell herausfordernden Situation hinsichtlich Asyl und Migration sein kann?

                                                              i.      Schätzen Sie das ebenso ein?

                                                            ii.      Welche Anstrengungen unternehmen Sie, um Ungarn davon zu überzeugen, von dem EU-rechtswidrigen Verhalten abzugehen?

h.      Ist Ihnen als Bundesminister für Inneres bewusst, dass gerade das Vorgehen von Ungarn die angespannte Situation an der burgenländischen Grenze überhaupt erst verursacht?

                                                              i.      Falls ja: Haben Sie darüber mit ihren ungarischen Amtskolleg*innen gesprochen und was werden diese in Folge dagegen unternehmen, um somit den Verpflichtungen Ungarns im Rahmen der EU-Verträge nachzukommen?

                                                            ii.      Falls ja: Haben Sie Ihren Amtsvorgänger und Regierungschef darüber informiert und ihn darauf hingewiesen, dass Ungarn unter diesen Umständen nicht als verlässlicher Partner gelten kann?

4.      Die Kronen Zeitung titelte am 16.11.2022: „Treffen zu Migration. Nehammer in Belgrad: „Kein ,Asyl à la carte‘ mehr“ (https://www.krone.at/2858791; Stand: 17.11.)

a.       Was genau bezeichnet der Bundeskanzler als „Asyl à la carte“ und gibt es dafür eine rechtliche Definition?

                                                              i.      Falls nein: Handelt es sich dabei um einen medial in Ihrem Sinne nutzbaren Begriff, mit dem die ÖVP in der aktuellen innenpolitischen Lage versucht, von Skandalen der Österreichischen Volkspartei abzulenken?

b.      Wie haben die ÖVP-Innenminister*innen der letzten 20 Jahre ein „Asyl à la carte“-System aufgebaut?

c.       Welche Änderungen im Asylsystem müssen aus Ihrer Sicht angestrebt werden, um „Asyl à la carte“ abzustellen?

d.      Gab es darüber bereits Gespräche mit ihrem Ressort?

5.      Wird dieser Besuch des Bundeskanzlers konkrete Maßnahmen nach sich ziehen, oder handelt es sich dabei vielmehr um Symbolpolitik – Stichwort Balkanroute oder Mittelmeerroute?

a.       Falls es konkrete Maßnahmen gibt: Bitte um konkrete Auflistung und Erklärung.