3601/J XXVII. GP

Eingelangt am 01.10.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Thomas Drozda,

Genossinnen und Genossen

an den Bundeskanzler

betreffend „Wie hoch ist der Schaden des Borealis Deals für die Steuerzahlerin?"

Gegen Mittag des 11. März wurde medial der größte Deal der österreichischen Wirtschaftsgeschichte verkündet. Der OMV-Vorstand einigte sich mit dem Mehrheitseigentümer der Borealis, dem Staatsfonds von Abu Dhabi Mubadala, um die Aufstockung der OMV Beteiligung von 36% auf 75%. An der OMV hält Mubadala weiterhin 24,9%. Der 4,2 Mrd. Euro teure Deal musste zu dem Zeitpunkt nur noch vom Aufsichtsrat genehmigt werden. Diese folgte nur einige Stunden später. Für Insider sorgte der Deal für Verwunderung. Insbesondere den Preis der Anteile sahen viele als zu hoch angesiedelt.

Der Kurier berichtete am 21. September in diesem Zusammenhang nun von einer anonymen Anzeige gegen Rainer Seele, in der dem OMV Vorstand der Verdacht auf Untreue und Vorteilsnahme sowie die Verletzung der Sorgfaltspflichten des Vorstands nach Aktiengesetz vorgeworfen wird. Laut Kurier Artikel soll die Borealis bereits im Dezember 2019 erfolgt sein, bis zum Abschluss wurde der Preis allerdings nicht mehr nach unten korrigiert. So sei der OMV ein Schaden von „mindestens einer Milliarde Euro" entstanden. Das wirkt sich natürlich unmittelbar auch auf die Dividendenausschüttungen und durch die Beteiligung der ÖBAG iHv, 31,5% auf den Staatshaushalt und damit die Steuerzahlerlnnen aus.

Der Kurier schreibt auch von aus wirtschaftlicher Sicht ungewöhnlichen Vorgängen rund um den Abschluss des Deals: dem Aufsichtsrat wurden offenbar kein aktueller Forecast der Quartalsergebnisse vorgelegt, im Februar sei lediglich eine Tischvorlage In der laufenden Sitzung ausgehändigt worden. Aufsichtsratsvorsitzender Wolfgang Berndt hätte diesem Vorgehen zugestimmt, obwohl dies für eine Entscheidung mit dem Volumen äußerst ungewöhnlich erscheint. Der Kurier berichtete, dass Noch-Aufsichtsratschef Berndt nun durch Mark Garrett, er wird als renommierter Petrochemie-Experte bezeichnet, ersetzt wird. Mit ein Grund für die Ablöse sei auch das Naheverhältnis zum OMV-Chef Seele. Berndt hätte alles für Seele abgenickt. So wahrscheinlich auch in diesem Fall.

Darüber hinaus habe die OMV im Kaufvertrag keine „Material Adverse Change"- Klausel verankert. Diese ermögliche dem Käufer einen Vertragsrücktritt, wenn zwischen Abschluss und Vollzug beim Zielunternehmen oder im Marktumfeld wesentliche nachteilige Änderungen eintreten sollten. Kritisiert wird auch die Rolle der OMV-Wirtschaftsprüfer EY (Ernst&Young).

Neben dem fraglichen Borealis Deal selbst bereitet auch die Corona-Pandemie der OMV wirtschaftliche Probleme. Angesichts des Ölpreisverfalls und der Corona-Krise kündigte OMV Vorstand Seele nur wenige Wochen nach bekannt werden des Deals notwendige Einsparungen in der OMV an. Heuer sollen in Summe vier Milliarden Euro eingespart werden. Auch ein Job Abbau sei laut Seele „nicht auszuschließen".[1]

Einen Teil des 4,1 Milliarden Euro schweren Zukaufs will der Konzern mit dem Erlös aus dem Verkauf seiner Gas-Connect-Anteile und seines Tankstellennetzes in Bayern und Baden-Württemberg finanzieren. Auch die wirtschaftlichen Aussichten der OMV - und damit Dividendenzahlungen, die auch in die Staatskasse und damit an die Steuerzahlerlnnen fließen - sind getrübt. Der Umsatz sank im ersten Quartal um zwölf Prozent auf 4,76 Mrd. Euro. Unterm Strich drehte das Ergebnis von +345 auf -159 Mill. Euro.[2] Gleichzeitig soll sich Seele neben dem üppigen Managergehalt von mehr als 7 Millionen Euro auf Kosten der OMV in den letzten Jahren ein opulentes Leben finanziert haben: ausufernde Kosten für Reisen im Privatjet, teure Veranstaltungen und Sponsoringaktivitäten. Wie die Aufstockung vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Umfelds und dem angeschlagenen OMV Konzern also zu beurteilen ist, bleibt offen.

In einer parlamentarischen Anfrage an den Finanzminister wurde die Frage nach Basis für die Entscheidung und die Ermittlung des Kaufpreises lediglich so beantwortet: „Dazu liegen mir keine Informationen vor."[3]

Laut ÖBAG-Gesetz werden die Eigentümerrechte des Bundes an der ÖBAG durch den Bundesminister für Finanzen ausgeübt. Der Vorstand der ÖBAG ist unter Einhaltung der aktienrechtlichen und börsenrechtlichen Bestimmungen verpflichtet, dem Bundesminister für Finanzen jederzeit über alle wesentlichen Angelegenheiten und Entscheidungen zu berichten und über Aufforderung des Bundesministers für Finanzen sämtliche Information unverzüglich zur Verfügung zu stellen. Es verwundert daher, dass einem ihrer wesentlichsten Regierungsmitglieder eine solch wichtige Information nicht vorliegt. Immerhin wirkt sich der Deal rund um die Aufstockung der Borealis Anteile direkt über verminderte Dividendenzahlungen auf den/die Steuerzahlern aus.

2019 haben Sie als Bundeskanzler im Rahmen eines zweitägigen Besuchs in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Kuwait Khaldoon AI Mubarak, den CEO der Staatsholding Mubadala (ehemalige Mehrheitseigentümer der Borealis), getroffen. Begleitet wurden Sie auf dieser Reise laut parlamentarischer Anfragenbeantwortung (3187/AB) von zahlreichen Unternehmen begleitet:


 

Quelle: Bundeskanzleramt; Im Bild mit Khaldoon AI Mubarak (I.), CEO Staatsholding Mubadala

„Wie auf derartigen Reisen üblich, wurde ich von Medienvertreterinnen und Medienvertretern und einer Wirtschaftsdelegation von österreichischen Unternehmern, die in der Region tätig sind, begleitet. Der Wirtschaftsdelegation gehörten Vertreter der Unternehmen OMV AG, SIGNA HOLDING GMBH, Borealis Polyolefine GmbH und einiger anderer Unternehmen vor Ort an."


 

Quelle: Bundeskanzleramt; im Bild mit Sultan al Jaber (m.), CEO ADNOC, Rainer Seele, CEO OMV

Es ist daher nicht nur völlig unverantwortlich, sondern auch wenig glaubwürdig, dass zum gegebenen Zeitpunkt nichts über eine mögliche Aufstockung der OMV Anteile an der Borealis gesprochen wurde. Immerhin waren alle Beteiligten des Deals anwesend.

Aus diesem Grund richten die unterzeichnenden Abgeordneten an den Bundeskanzler folgende

ANFRAGE

1)   Wann wurden Sie zum ersten Mai über die Aufstockung der OMV Anteile an der Borealis auf 75% informiert?

a.    Hat Sie Rainer Seele bzw. ein anderes Mitglied des Vorstandes persönlich darüber informiert?

b.    Haben Sie den Deal zu dem Zeitpunkt als Sie informiert wurden, unterstützt und befürwortet? Wenn ja, warum?

2)   Hat Sie Gernot Blümel als zuständiger Finanzminister über die Aufstockung der Anteile an der Borealis informiert?

a.    Wenn ja, wann? Bitte um detaillierte Wiedergabe der übermittelten Informationen.

b.    Wenn nein, warum nicht?

c.    Wenn nein, planen Sie eine Regierungsumbildung und den Finanzminister auszutauschen?

3)   Hat Sie der Vorstand der ÖBAG, Thomas Schmid über die geplante Aufstockung der Anteile an der Borealis informiert?

a.    Wenn ja, wann? Bitte um detaillierte Wiedergabe der übermittelten Informationen.

b.    Wenn nein, warum nicht?

c.    Wenn nein, planen Sie Thomas Schmid an der Spitze der ÖBAG auszutauschen?

4)   Hat Sie OMV-Aufsichtsratschef Wolfgang Berndt, über die geplante Aufstockung der Anteile an der Borealis informiert?

a.    Wenn ja, wann? Bitte um detaillierte Wiedergabe der übermittelten Informationen.

b.    Wenn nein, warum nicht?

5)   Stimmt es, dass Wolfgang Berndt der ÖVP 20.000 Euro gespendet hat?

a.    Stimmt es, dass seine Ehefrau Traudi Berndt ebenfalls 20.000 Euro an die ÖVP gespendet hat?

b.    Wurde Wolfgang Berndt im Gegenzug für seine Spende 2019 Aufsichtsratschef der OMV?

6)   Waren die Aufstockung der Boreaiis Anteile Gegenstand einer ihrer Besprechungen im Rahmen des zweitägigen Besuchs in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Kuwait?

a.    Wenn ja, mit wem und worüber wurde gesprochen?

b.    Wenn nein, warum haben Sie dies nicht thematisiert?

7)   Wussten Sie bereits im Dezember 2019 von einem möglichen Deal?

a.    Wenn ja, wer hat Sie darüber informiert?

8)   Wann haben Sie zum ersten Mal mit Rainer Seele über die Aufstockung der Anteile der Borealis gesprochen?

a.    Was war Ihre Einschätzung in diesem Gespräch?

b.    Wie oft haben Sie insgesamt mit Rainer Seele über die Aufstockung der Anteile an der Borealis gesprochen? Was war der Inhalt dieser Gespräche?

9)   Wie beurteilen Sie die Übernahme der Borealis durch die OMV aus Sicht des Wirtschaftsstandorts, der Beschäftigten und der Steuerzahlerlnnen?

a.    Haben Sie als Bundeskanzler das Zustandekommen und die Abwicklung des Deals in irgendeiner Form unterstützt? Wenn ja, wie?

10) Haben Sie mit Rainer Seele oder einem anderen Vorstand der OMV über die Rahmenbedingungen (vor allem Kaufpreis der Aufstockung der Anteile an der Borealis) gesprochen?

a.    Wenn ja, wann und wie oft?

b.    Wenn nein, warum nicht?

11) Wurde die Unternehmensbewertung (und darauf basierend der Kaufpreis) im Laufe der Verhandlungen auf Basis der aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen überarbeitet?

12) Wann wurde der Kaufpreis der Borealis Anteile iHv. 4,2 Mrd. Euro ermittelt?

a.      Ist dieser angesichts der wirtschaftlichen Entwicklungen zu hoch?

b.    Wie hoch ist der dadurch entstandene Schaden für den/die Steuerzahlern?

c.    Stimmt es, dass dadurch ein Schaden von rund 1 Mrd. Euro entstanden ist?

d.    Befürchten Sie weitere „Unregelmäßigkeiten" bei der Abwicklung des Deals? Wenn ja, haben Sie dies bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft angezeigt?

13) Durch wen wurde der Kaufpreis ermittelt (Wirtschaftsprüferlnnen, Anwältlnnen)?

14) Nach welchen Kriterien wurde dieser zu welchem Zeitpunkt ermittelt?

15) Hat Sie ÖBAG Vorstand Thomas Schmid und/oder Finanzminister Gernot Blümel über den Kaufpreis der Borealis Anteile und dessen zu Stande kommen, informiert?

a.    Wenn nein, warum nicht?

b.    Wenn ja, worüber wurden Sie im Detail informiert?

16)  Durch die „Material Adverse Change"-Klausel (kurz „MAC-Klausel") werden die Käufer in die Lage versetzt, sich vom Vertrag zu lösen, wenn zwischen dessen Abschluss und Vollzug eine wesentliche nachteilige Änderung beim Zielunternehmen oder in seinem Marktumfeld eintritt. Wurde eine solche Klausel für die Aufstockung der Anteile vereinbart?

a.    Wenn nein, warum nicht?

b.    Wenn nein, welche Konsequenzen drohen?

c.    Wenn nein, wie hoch ist der damit verursachte Schaden aus Sicht des/ der Steuerzahlern?

17)  Wurde dem Aufsichtsrat im Februar eine Tischvorlage vorgelegt, in der die Unternehmenswertung auf Basis Dezember 2019 erfolgte?

a.    Wenn ja, bitte um Darstellung des Inhaltes dieser Tischvorlage?

b.    Wenn nein, warum wurden Sie darüber nicht informiert?

18)  Wurden Sie über die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen und möglicherweise notwendigen Anpassungen des Kaufpreises informiert?

19)  Wem wurde zu welchem Zeitpunkt der aktuelle Quartalsbericht der Borealis vorgelegt?

a.    Dem Vorstand der OMV?

b.    Dem Aufsichtsrat der OMV?

c.    Dem Finanzminister?

d.    Dem ÖBAG Vorstand?

e.    Ihnen als Bundeskanzler?

20)  Derzeit wird eine PPA durchgeführt?

a.    Von wem wird diese durchgeführt?

b.    Ist dies derselbe/dieselbe Wirtschaftsprüferin, wie bereits bei der ersten Ermittlung des Kaufpreises? Wenn ja, warum?

21)  Hat Sie der Vorstand der ÖBAG, Thomas Schmid über die geplante Ablöse von Wolfgang Berndt informiert?

a.    Wenn ja, wann? Bitte um detaillierte Wiedergabe der übermittelten Informationen.

b.   Wenn nein, warum nicht?

c.    Hat die Ablöse etwas mit dem Vorgehen rund um den Borealis Deal zu tun?


 



[1] APA 8.4.2020

[2] APA 29.4.2020

[3]  https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_01699/imfname_805967.pdf