3744/J XXVII. GP

Eingelangt am 09.10.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Anzeige gegen OMV-Vorstandsvorsitzenden Rainer Seele wegen Verdacht auf Untreue und Verletzung der Sorgfaltspflicht

 

Wie die Tageszeitung Kurier am 21. September 2020 berichtete, prüft die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) aktuell eine jüngst eingelangte anonyme Anzeige gegen OMV-Vorstandsvorsitzenden Rainer Seele wegen des Verdachts auf Untreue, Vorteilnahme und Verletzung der Sorgfaltspflicht nach Aktiengesetz (siehe: https://kurier.at/wirtschaft/wirtschaft-von-innen/aufregungen-um-borealis-deal-der-omv/401038052): 

"Die Bewertung von Borealis, heißt es in dem Papier (Sachverhaltsdarstellung, Anm.), sei bereits im Dezember 2019 erfolgt, bis zum Abschluss sei dieser Preis aber nicht mehr nach unten korrigiert worden. Dem Aufsichtsrat sei kein aktueller Forecast der Quartalsergebnisse vorgelegt worden, obwohl dieser hätte verfügbar sein müssen. Dem Aufsichtsrat sei im Februar nur eine Tischvorlage ausgehändigt worden. Das wurde von Aufsichtsräten bereits bestätigt, die erklärten, sie hätten die Unterlagen mit der Zustimmung von (Aufsichtsratsvorsitzendem, Anm.) Berndt erst in der Sitzung erhalten. Für eine Entscheidung über ein Milliardenprojekt höchst außergewöhnlich, aber nicht gesetzeswidrig. Die Aufsichtsräte forderten ausführlichere Informationen ein. 

Zum Zeitpunkt des Abschlusses Anfang März sei längst klar gewesen, dass Borealis durch die Corona-Krise geschädigt werde. Bereits die Ergebnisse zwischen Dezember bis Anfang März 2020 hätten sich verschlechtert. Die OMV habe aber, heißt es, keine 'Material Adverse Change'-Klausel in den Vertrag reklamiert. Diese MAC-Klausel ermögliche dem Käufer einen Vertragsrücktritt, wenn zwischen Abschluss und Vollzug beim Zielunternehmen oder im Marktumfeld wesentliche nachteilige Änderungen eintreten sollten. Die Klausel sei bei der OMV üblich gewesen.

Die Rolle der OMV-Wirtschaftsprüfer EY (Ernst&Young) wird ebenfalls hinterfragt. EY habe den Kaufpreis ermittelt, die Due Diligence (Prüfung im Datenraum) sowie die Fairness Opinion (abschließende Beurteilung) gemacht und führe derzeit ein PPA (Purchase Price Adjustment) durch. Dies ist die erstmalige Bewertung einer Akquisition für den Konzernabschluss. Damit sei jegliche Überprüfung de facto ausgeschlossen, heißt es.

Seele wird direkt attackiert, alles deute darauf hin, dass er versuche, den Schaden 'bewusst unter den Teppich zu kehren'. (...) Die Vorwürfe sind wirtschaftlich bedeutsam, sollten sie den Tatsachen entsprechen." 

Im "Ibiza"-Untersuchungsausschuss bestätigte ÖBAG-Alleinvorstand Thomas Schmid, im März 2019 gemeinsam mit Seele, Sebastian Kurz und Rene Benko nach Abu Dhabi gereist zu sein. Am 14. Mai 2019, wenige Tage bevor die türkis-blaue Bundesregierung platzte, wurde er dann in den OMV-Aufsichtsrat bestellt. Seele gab wiederum bei seiner Befragung an, sich bei einem Treffen im November 2019 mit Aufsichtsratsvorsitzendem Wolfgang Berndt und seinem Stellvertreter Schmid über die geplante Borealis-Akquisition unterhalten zu haben. 

Im vergangenen Jahr war Seele mit 7,2 Mio. Euro Einkommen Österreichs bestverdienender Manager. Sein Salär wurde 2019, als Berndt bereits Vorsitzender und Schmid sein Stellvertreter im Aufsichtsrat war, großzügig aufgestockt: Zu 1,1 Mio. Euro Fixgehalt bekam er eine Nachtragsprämie für 2018 von 1,25 Mio. Euro, 280.000 Euro für die Pensionskasse sowie 3,6 Mio. Euro an Aktienvergütung. Für die interimistische Übernahme eines Vorstandsbereichs erhielt er laut der Recherche-Plattform "Dossier" zudem ein „Zuckerl“ von 1 Mio. Euro, für einen Job, den er nur ein halbes Jahr lang nebenbei erledigte. Pikant: Jener Vorstand, der zuvor für den Bereich zuständig war, hatte es noch um ganze 334.689 Euro billiger gemacht. (siehe: https://www.dossier.at/dossiers/andere-themen/aus-dem-luxusleben-eines-oelprinzen/)

„Dossier“ berichtete darüber hinaus über üppige Rechnungen des Bedarfsflugunternehmens Jetfly Airline GmbH, die zeigen, dass Seele in der Vergangenheit zahlreiche Flüge im Privatjet tätigte. Insgesamt sollen dafür seit 2016 mehr als 400.000 Euro geflossen sein, für Irland Flüge mehr als 41.000 Euro. Die von Berndt beauftragte interne Revisionsprüfung - die übrigens vom Leiter der Abteilung Internal Audit & Compliance durchgeführt wurde, der Seele direkt unterstellt ist -, wurde im Eiltempo noch vor einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung am 20. Mai  abgewickelt und betraf lediglich die Jahre 2017 bis 2019. So waren beispielsweise die beträchtlichen Jetreisen aus 2015/16 und Seeles dubioser Irland-Flug im März 2020 nicht Teil der Prüfung. Medien und Öffentlichkeit wurden Einblicke in den Revisionsbericht bis dato verwehrt. (siehe: https://www.dossier.at/dossiers/andere-themen/das-oelimperium-schlaegt-zurueck/

Bedenklich muss den/die Steuerzahler_in auch Seeles Sponsoring-Pouvoir stimmen: Unter seiner Führung sagte die OMV 2018 dem russischen Fußballklub Zenit St. Petersburg ein großzügiges Sponsoring in der Höhe von 25 Mio. Euro zu (von dieser Summe können österreichische Klubs nur träumen), das die geschäftliche Zusammenarbeit festigen sollte. Der Wiener Austria drehte Seele dafür den Geldhahn zu - und das, obwohl der tatsächliche Werbewert für die OMV in Russland sehr umstritten ist. Auch in diesem Fall veranlasste Berndt eine interne Überprüfung, und auch in diesem Fall verweigerte man der Öffentlichkeit Einblicke in das selbst erstellte Gutachten. 2018 gab die OMV zudem ein großes Fest anlässlich "50 Jahre Gaslieferverträgen" mit der russischen Gazprom, dessen Kosten sich auf satte 868.559 Euro summierten. (siehe: https://www.dossier.at/dossiers/andere-themen/der-geheimnisvolle-zenit-deal/

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Wann haben die für das Beteiligungsmanagement des Bundes verantwortlichen Beamten des Finanzministeriums von der Anzeige gegen den OMV-Vorstandsvorsitzenden erfahren?

2.    Wann hat das Kabinett des Finanzministers bzw. der Finanzminister von der Anzeige gegen den OMV-Vorstandsvorsitzenden erfahren?

3.    Waren die zuständigen Beamten und/oder der Finanzminister zum Zeitpunkt des Abschlusses der Borealis-Übernahme Anfang März 2020 darüber im Bilde, dass das Unternehmen durch die Corona-Krise beträchtlich geschädigt würde? 

4.    Waren die zuständigen Beamten und/oder der Finanzminister zum Zeitpunkt des Abschlusses der Borealis-Übernahme Anfang März 2020 darüber im Bilde, dass seit Dezember 2019 keine Preisanpassung mehr vorgenommen worden war? 

5.    Waren die zuständigen Beamten und/oder der Finanzminister zum Zeitpunkt des Abschlusses der Borealis-Übernahme Anfang März 2020 darüber im Bilde, dass dem OMV-Aufsichtsrat, in dem auch die ÖBAG in Person von Thomas Schmid vertreten ist, lediglich eine Tischvorlage präsentiert worden war?

6.    Waren die zuständigen Beamten und/oder der Finanzminister zum Zeitpunkt des Abschlusses der Borealis-Übernahme Anfang März 2020 darüber im Bilde, dass dem OMV-Aufsichtsrat, in dem auch die ÖBAG in Person von Thomas Schmid vertreten ist, die Unterlagen erst in der entscheidenden Sitzung vorgelegt worden waren?

7.    War die geplante Borealis-Akquisition bereits ein Thema im Finanzministerium, als Thomas Schmid noch Kabinettschef bzw. Generalsekretär war (bis Ende März 2019)?

8.    Wurden von Seiten des Finanzministeriums irgendwelche Schritte gesetzt, nachdem man von der kurzfristigen und verkürzten Tischvorlage erfahren hatte?

a.    Wenn ja, welche waren das?

b.    Wenn nein, wieso nicht?

9.    Waren die zuständigen Beamten und/oder der Finanzminister zum Zeitpunkt des Abschlusses der Borealis-Übernahme Anfang März 2020 darüber im Bilde, dass im Vertrage keine (für die OMV eigentlich übliche) "Material Adverse Change"-Klausel enthalten war?

10. Hat sich der Finanzminister Anfang März mit ÖBAG-Vorstand und OMV-Aufsichtsrat Thomas Schmid bezüglich der geplanten Borealis-Übernahme ausgetauscht?

a.    Wenn ja, zu welchem Ergebnis kamen die Beratungen?

b.    Wenn nein, wieso nicht?

11. Haben sich zuständige Beamte Anfang März mit ÖBAG-Vorstand und OMV-Aufsichtsrat Thomas Schmid bezüglich der geplanten Borealis-Übernahme ausgetauscht?

a.    Wenn ja, zu welchem Ergebnis kamen die Beratungen?

b.    Wenn nein, wieso nicht?

12. Welches weitere Vorgehen plant der Finanzminister nun nach Bekanntwerden der Anzeige?

13. Bei der Borealis-Akquisition handelte es sich nach Aktiengesetz um ein zustimmungspflichtiges Geschäft. Erwägt das Finanzministerium eine Überprüfung der Rolle des Aufsichtsratsvorsitzenden Berndt in diesem Kontext? 

a.    Wenn ja, seit wann läuft diese und liegen bereits Ergebnisse vor?

b.    Wenn nein, wieso nicht?

14. Bei der Borealis-Akquisition handelte es sich nach Aktiengesetz um ein zustimmungspflichtiges Geschäft. Erwägt das Finanzministerium eine Überprüfung der Rolle des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden Schmid in diesem Kontext?

a.    Wenn ja, seit wann läuft diese und liegen bereits Ergebnisse vor?

b.    Wenn nein, wieso nicht?

15. Entspricht es den Tatsachen, dass die Revisionsberichte zu den Privatjetreisen und Sponsorings des OMV-Vorstandsvorsitzenden zentraler Gegenstand des Verfahrens bzw. der Anzeige sind und beigeschafft werden? 

16. Entspricht es den Tatsachen, dass der vom Aufsichtsratsvorsitzendem genehmigte Vorstandsvertrag und die Sonderprämie Gegenstand des Verfahrens sind und beigeschafft werden?