8682/J XXVII. GP

Eingelangt am 18.11.2021
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Anfrage

 

des Abgeordneten Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung

betreffend die Verstärkung des Lehrlingsmangels durch die Corona-Krise sowie fehlender Maßnahmen seitens der Politik

 

 

Die Wirtschaft in Österreich leidet seit geraumer Zeit an einem stetig steigenden Lehrlings- und Facharbeitermangel. Die Corona-Krise hat diese Entwicklung noch einmal verstärkt. Weniger Schulabgänger und eine mangelnde Berufsorientierung zählen dabei zu den Hauptgründen.

 

Auch die Lehrlingsinitiative zukunft.lehre.österreich. (z.l.ö.) warnt im November 2021 vor einem kritischen Lehrstellen-Bewerbermangel. „Schon nach der 2. und 3. Corona-Welle meldeten Lehrlingsausbilder aus allen Branchen, sie können ihre freien Lehrstellen nicht besetzen, aktuell treffen noch deutlich weniger Bewerbungen als im Vorjahr ein.“[1]

 

„Lehrlinge sind wichtig für die heimische Wirtschaft. (…) Ein Bewerbermangel führt unweigerlich zu einem Fachkräftemangel in der Zukunft, das kostet dem Wirtschaftsstandort Österreich Milliarden!“, warnt Dr. Werner Steinecker, Präsident der Lehrlingsinitiative z.l.ö. und Genrealdirektor der Energie AG.1

 

Um genau zu sein, würde das nicht nur in Zukunft zu einem Fachkräftemangel führen, sondern den aktuell bestehenden Fachkräftemangel noch einmal zusätzlich verstärken. Eine Studie, durchgeführt im Auftrag der WKO, spricht bereits im September 2020 von einem geschätzten Fachkräftebedarf (offene Stellen) von rund 177.000 Personen (bezogen auf alle Mitgliedsbetriebe der WKO).[2] Laut Wirtschaftskammer können derzeit viele Lehrstellen nicht besetzt werden, weil es zu wenige bzw. nicht die passenden Bewerber gibt. „Der Grund dafür sei, dass Schüler aktuell trotz einer negativen Note im Abschlusszeugnis ins nächste Schuljahr aufsteigen können, sowie der Irrglaube, dass die Erfolgschancen einer Bewerbung in der Krise geringer wären.“[3]

 

Hinzu kommen das schlechte Image der Lehre, die fehlende Information der Jugendlichen und die mangelnde Zusammenarbeit von Wirtschaft und Schulen. Das bestätigt auch eine Analyse des market Marktforschungsinstitus vom Frühjahr 2021, die im Auftrag der Lehrlingsinitiative z.l.ö. durchgeführt wurde: „Durchwegs sieht man Potential beim Image der Lehre – nur etwa ein Zehntel spürt sehr große Wertschätzung für die Lehre.“[4]

Die Lehrlingsinitiative z.l.ö. spricht zudem von zu wenig Berufsorientierung in Schulen, zu selten wahrgenommenen Schnuppermöglichkeiten, ausfallenden Lehrlingsmessen und zu wenig Kontakt zu den Schülern. „Jetzt beginnt in der Regel die Hochphase der Lehrstellenbewerbungen, aber heuer bleiben erneut viele aus. Viele Unternehmen bieten auch digitale Kennenlernmöglichkeiten, virtuelles Schnuppern etc., aber nichts ersetzt einen Schnuppertag vor Ort in den Betrieben. Es muss unter allen Umständen gewährleistet sein, dass der Kontakt zwischen Schulen und Unternehmen aufrecht bleibt“, beschreibt Mario Derntl, Geschäftsführer der Lehrlingsinitiative die Situation in den Mitgliedsbetrieben.1

Laut Studie dominiert das persönliche Erleben die Entscheidungsfindung: Schnuppertage (62 %), Messen (47 %) und Betriebsbesuche (46 %) sind die wichtigsten Informationsquellen für Schüler. Zudem haben junge Menschen pandemie-bedingt kaum Chancen, Lehrberufe und -betriebe kennenzulernen – 43 % der Schüler empfinden es als eher schwierig, 21 % sogar als sehr schwierig – die Lehre bleibt auf der Strecke.4

Die Initiative z.l.ö. nimmt hier die Regierung – allen voran das Bildungsministerium – in die Pflicht „Trotz Warnungen ist das Bildungsministerium im Bereich Berufsorientierung nicht tätig geworden. Berufsorientierungsunterricht bleibt weiterhin stiefmütterlich behandelt und Unternehmen haben zurzeit kaum Möglichkeiten, ihre Lehrberufe in den Schulen vorzustellen.“1 Die Ergebnisse der Studie besagen hierzu: Die Praktiker sind überzeugt – das Thema Berufsvorbereitung wird aktuell in der Politik vielfach übersehen bzw. nicht mitgedacht. Die Lehrkräfte äußern den Wunsch nach einer Aufwertung der Lehre und dem Ermöglichen von berufspraktischen Tagen.4

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung folgende

 

 

 

ANFRAGE

 

1.    Wie hat sich die Zahl der Schulabbrecher in Österreich in den letzten fünf Jahren verändert? (Mit der Bitte um Aufschlüsselung nach Jahreszahl von 2016-2021 und Bundesland)

2.    Wie viele Schulabbrecher gab es in den letzten zwei Jahren? (Mit der Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern und Monaten)

3.    Wie sah der Kontakt zwischen Unternehmen und Schülern vor Beginn der Corona-Krise aus und welche Maßnahmen wurden in welchem Umfang durchgeführt?

4.    Wie sieht der Kontakt zwischen Unternehmen und Schülern seit Beginn der Corona-Krise aus?

a.    Sind diesbezüglich für das heurige Schuljahr Änderungen geplant und wenn ja, wie sehen diese aus?

5.    Welche Maßnahmen zur Berufsorientierung wurden vor Beginn der Corona-Krise in den Schulen in welchem Ausmaß durchgeführt?

6.    Welche Maßnahmen zur Berufsorientierung wurden seit Beginn der Corona-Krise in den Schulen durchgeführt?

a.    Sind diesbezüglich für das heurige Schuljahr Änderungen geplant und wenn ja, wie sehen diese aus?

7.    Wie viele Berufsorientierungsmessen wurden in den letzten drei Jahren durchgeführt? (Mit der Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren und Bundesland)

8.    Wie oft im Schuljahr fand der Berufsorientierungsunterricht an den Schulen vor Beginn der Corona-Krise statt?

9.    Gab es in den letzten eineinhalb Jahren – seit Beginn der Corona-Krise – Berufsorientierungsunterricht an den Schulen?

a.    Wenn ja, wie sah dieser aus und wie oft wurde er durchgeführt?

b.    Wenn nein, warum nicht?

10. Hatten die Schüler in den letzten eineinhalb Jahren – seit Beginn der Corona-Krise – die Möglichkeit persönlich Betriebe zu besuchen und sich die Arbeit vor Ort anzusehen?

a.    Wenn ja, wie oft fanden diese Betriebsbesichtigungen im Vergleich zu den Jahren vor der Corona-Krise statt?

b.    Wenn nein, warum nicht?

11. Werden die Schüler im aktuellen Schuljahr 2021/2022 wieder verstärkt die Möglichkeit zu persönlichen Betriebsbesichtigungen haben?

a.    Wenn ja, warum?

b.    Wenn nein, warum nicht?

12. Was ist laut Ihrem Ministerium unter einer „ausreichenden Berufsorientierung“ für Schüler zu verstehen bzw. welche Maßnahmen gehören in welchem Umfang und in welcher Form dazu?

13. Welche Maßnahmen wurden von Ihrem Ministerium in den letzten eineinhalb Jahren – seit Beginn der Corona-Krise – ergriffen, um den Schülern eine ausreichende Berufsorientierung zu ermöglichen?

14. Sind von Ihrem Ministerium für das heurige Schuljahr 2021/2022 Maßnahmen geplant, um den Schülern eine ausreichende Berufsorientierung zu ermöglichen?

a.    Wenn ja, wie sehen diese aus?

b.    Wenn nein, warum nicht?

15. Wird die Regelung, dass Schüler trotz einer negativen Note in die nächste Schulstufe aufsteigen können, auch im heurigen Schuljahr 2021/2022 beibehalten werden?

a.    Wenn ja, warum?

b.    Wenn nein, warum nicht?

16. Wie sieht Ihrer Einschätzung nach aktuell das Image der Lehre in Österreich aus?

17. Welche Maßnahmen wurden von Ihrem Ministerium in den letzten Jahren ergriffen, um das Image der Lehre unter den Schülern und Jugendlichen zu verbessern?

18. Sind von Ihrem Ministerium für das heurige Schuljahr 2021/2022 Maßnahmen geplant, um das Image der Lehre zu verbessern?

a.    Wenn ja, wie sehen diese aus?

b.    Wenn nein, warum nicht?



[1] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20211112_OTS0143/zloe-warnt-covid-19-bedroht-lehrlingssituation-im-land-erneut

[2] https://news.wko.at/news/oesterreich/ibw-summary_Fachkraeftebedarf_mangel-in-Oesterreich-2020_FIN.pdf

[3] https://orf.at/stories/3207257/

[4] https://drive.google.com/file/d/1TuYMbUMZ1r3_QZZLTSORVJg_SJpSqYzl/view