8735/J XXVII. GP

Eingelangt am 19.11.2021
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Anfrage

 

des Abgeordneten David Stögmüller, Eva Blimlinger, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport

betreffend  die Erhaltung des Lachforst als Kulturgut und Naherholungsraum

BEGRÜNDUNG

 

Der Lachforst ist jenes Waldgebiet zwischen Industriegebiet Ranshofen und dem ehemaligen Wildschweingehege Richtung Aching bzw. der B 147. Dieser soll nach den Plänen der Gemeinden Braunau und Neukirchen für eine geplante Industrieerweiterung umgewidmet werden. Dabei geht es um unvorstellbare 720.000 m² Wald (mehr als 100 Fußballfelder) die dabei vernichtet werden sollen, obwohl mehr als 50 ha Wald der Industrie ohnehin noch zur Verfügung stehen, die bereits umgewidmet aber noch nicht bebaut wurden.

[1]

Der nördliche Lachforst, im unmittelbaren Süden der Bezirkshauptstadt Braunau am Inn gelegen, umfasst neben einer heute als Freizeitareal genutzten Wald- und Weganlage drei größere, im Kontext des Denkmalschutzes interessante Flächen, die sich folgend aufteilen in:

 

1.    Das ehemalige Zwangsarbeiter:innen- und Flüchtlingslager am Achinger Totenweg:

Das ehemalige Zwangsarbeiter:innen- und Flüchtlingslager, örtlich zumeist nur „Waldlager“ genannt (1.), existierte im Ursprung als Unterkunft der zum Bau des Aluminiumwerkes Ranshofen herangezogenen Zwangsarbeitskräfte. Nach Kriegsende 1945 wurde das Areal durch aus der Tschechoslowakei vertriebene Personen als Flüchtlingslager bis mindestens in die 1950er-Jahre genutzt. Nach endgültiger Schließung und anschließendem Abriss der einstmals neun Wohnbaracken, bemessen für 700 Menschen auf dem rund 3,1 Hektar großen Areal, wurde die betreffende Fläche aufgeforstet. Erhalten blieben bis ins Jahr 2020 jedoch zahlreiche Bebauungsreste (Aschebunker, verschiedene Fundamentreste, sanitäre Elemente), die über die Jahrzehnte zwar verfielen, doch die letzten historischen Spuren des Lagers markierten. Mit September 2020 wurden diese Bebauungsreste des Waldlagers durch Verantwortliche der Grundeigentümerin (Austria Metall AG, kurz AMAG) unwiederbringlich und mit geringfügigen Ausnahmen beseitigt, ohne dass zuvor entsprechend denkmalschützerische Maßnahmen ergriffen worden wären. Noch im Sommer 2020 wandte sich das Bundesdenkmalamt (BDA) an genannte Grundeigentümerschaft mit der Absicht, das Areal des Lagers unter Schutz stellen zu lassen, und erkundigte sich bei einem lokalen Historiker um genauere Daten zu Lager und baulichem Restbestand. Doch bevor das BDA hier tatsächlich tätig werden konnte, und ein erforderliches Unterschutzstellungsverfahren anstrengte, wurden sämtliche Bebauungsreste durch die Eigentümerschaft beseitigt und damit ein Teil der physischen Braunauer Stadtgeschichte vernichtet.

 

2.    Das ehemalige Militärareal (Schießgelände, Exerziergelände, Weitschießgelände): Das ehemalige Militärareal (2.): Die einstige Garnisonsstadt Braunau besaß zur ausklingenden Zeit ihres Bestehens zwei voneinander unabhängig situierte Übungsgelände, wovon die größere dieser Militärliegenschaften im nördlichsten Teil des Lachforstes, genauer am Achinger Totenweg und später direkt an der Gemeindegrenze Braunau/Neukirchen an der Enknach lag. Seit den 1870er-Jahren diente das Lachforster Areal dabei als Exerzier-und Schießgelände, endgültiges Ende seiner militärischen Nutzung fand es mit Kriegsende 1945. Ein weiter Teil des Areals ist von gut sichtbaren Erdfurchen durchzogen, die als Schießgräben dienten. Es handelt sich hierbei um mehrere ineinander verzweigte Richtungsnetze, die sich vom Ostrand bis zum Westrand nahe der AMAG erstrecken. Im Kern des mittleren Waldteiles befinden sich dabei weitere dieser Gräben, umringt von Nadelbäumen und von dichtem Moos bewuchert. Gesamt bedeuten diese gut erhaltenen Gräben einen sehr intensiven optisch nachvollziehbaren Eindruck dessen, welch intensive Militäraktivität hier einstmals stattfand. Von ehemals hier befindlichen Bauwerken (z. B. ein nach 1924 gebauter Aufenthalt zur Verpflegsausgabe) finden sich oberflächlich noch betonierte Ruinen, Zaunanlagen und Begrenzungen. Sie sind teils noch im Boden (Drahtnetze, Stacheldraht) vorhanden.

 

3.    Die Hügelgräberfelder nebst noch nicht lokalisierter, zugehöriger Siedlung: Dieses weitreichende, ehemalige Militärareal (2.) befindet sich nebst dem bislang noch nicht lokalisierten Hügelgräberfeld samt zugehöriger hallstattzeitlicher Siedlungsfläche (3.) in einem Bereich des nördlichen Lachforstes, der in Industriebauland umgewidmet werden soll. Die hier angedachte Umwidmungsfläche in Größe von gesamt 72 Hektar Fläche umfasst beinahe exakt die Fläche des ehem. Militärareals, sowie nach Ansicht von Univ.-Prof. Dr. Peter Scherrer, Leiter des Instituts für Antike an der Universität Graz, vermutlich auch erwähnte nicht lokalisierte Hügelgräber und Siedlungsfläche hallstattzeitlicher Zeitstellung. Eine Umwidmung dieses Gebietes und seine spätere industrielle Bebauung hätten somit den Verlust sicht- und greifbarer, wie auch weiterhin unsichtbarer, noch gänzlich unerfasster historischer Flächen zur Folge, die den Großraum Braunau im lokalhistorischen Bilde prägen.

 

Neben den klimaschädlichen Folgen einer Umwidmung sind hier vor allem auch die umfassende Dimension des Denkmalschutzes in Bezug unterschiedlicher Epochen zu bedenken.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1.    Das Bundesdenkmal arbeitet auf Basis einer Unterschutzstellungsstrategie aus dem Jahr 2010, deren Schwerpunkte im Rahmen eines jährlichen Prüfungsprogramms festgelegt werden. War der Lachforst seit 2010 Schwerpunkt eines Prüfprogramms des Bundesdenkmalamts?

a.    Wenn ja, wann war das?

b.    Wenn ja, welche Maßnahmen wurden seitens des Bundesdenkmalamts ergriffen?

 

2.    Hat das Bundesdenkmalamt ein Unterschutzstellungsverfahren für das Areal des ehem. Waldlagers (1.) am Achinger Totenweg eingeleitet, bzw. prüft das Bundesdenkmalamt hier eine Unterschutzstellung?

a.    Wenn nein, warum nicht?

b.    Wenn ja, wie weit ist das Prüfverfahren gediehen? Wann ist mit einem Bescheid zu rechnen?

 

3.    Warum wurde das Bundesdenkmalamt in Bezug zu Waldlager (1.) und dessen im Sommer 2020 noch vorhandenen Bebauungsresten nicht entsprechend aktiv, bevor diese seitens Grundeigentümerschaft im September 2020 weitgehend zerstört worden sind?

 

4.    Hat das Bundesdenkmalamt Maßnahmen ergriffen in Bezug auf das Waldlager?

a.    Wenn ja, fand eine Besichtigung durch das Bundesdenkmalamt statt?

b.    Wenn nein warum nicht?

c.    Wenn ja, wurde ein Gutachten durch einen Sachverständigen erstellt?

d.    Wenn nein, warum nicht?

e.    Wenn ja, was waren die Empfehlungen aus diesem Gutachten?

 

5.    Ist dem Bundesdenkmalamt bekannt, dass weiterhin geringe Reste des Bebauungsbestandes am Gelände des ehem. Waldlagers (1.) vorhanden sind?

a.    Beabsichtigt das Bundesdenkmalamt, hierzu irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen?

b.    Wenn ja, um welche Maßnahmen handelt es sich dabei?

 

6.    Sind dem Bundesdenkmalamt das ehem. Militärareal im Bereich der geplanten Umwidmungsfläche (2.) und dessen bauliche Überreste bekannt?

 

7.    Besteht seitens des Bundesdenkmalamtes die Absicht, das Areal des ehem. Militärareals (2.) mittels Unterschutzstellungsverfahren zu schützen?

a.    Wenn nein, warum nicht?

 

8.     Sind dem Bundesdenkmalamt mehr als zwei Hügelgräber im Bereich der geplanten Umwidmungsfläche im Lachforst bekannt?

 

9.    Vermutet das Bundesdenkmalamt weitere Hügelgräber (3.) im Bereich der geplanten Umwidmungsfläche?

 

10. Vermutet das Bundesdenkmalamt eine noch nicht lokalisierte hallstattzeitliche Siedlung im Bereich der bereits bekannten Hügelgräber (3.) im Gesamtareal der geplanten Umwidmungsfläche?

 

11. Hat das Bundesdenkmalamt die Absicht, das Gebiet einer vermuteten Siedlung samt lokalisierbarer Hügelgräber mittels Unterschutzstellungsverfahren vor möglicher Zerstörung zu schützen?

a.    Wenn ja, fand eine Besichtigung durch das Bundesdenkmalamt statt?

b.    Wenn nein, warum nicht?

c.    Wenn ja, wurde ein Gutachten durch einen Sachverständigen erstellt?

d.    Wenn nein, warum nicht?

e.    Wenn ja, was waren die Empfehlungen aus diesem Gutachten?

 

12. Sind dem Bundedenkmalamt weitere historisch relevante Stätten im Bereich des nördlichen Lachforstes bzw. der geplanten Umwidmungsfläche bekannt, die ein Unterschutzstellungsverfahren rechtfertigen?

a.    Wenn ja, sind hierzu irgendwelche Maßnahmen seitens des Bundesdenkmalamts geplant?

 

13.  Hat das Bundesdenkmalamt die Absicht, an der wissenschaftlichen Aufarbeitung der in den Punkten 1, 2 und 3 angeführten Areale mitzuwirken?

a.    Wenn nein, warum nicht?



[1]Abbildung im Flyer „Zukunft Lachforst in Gefahr!“ des Vereins Gesunde Zukunft Braunau, abrufbar unter: http://gesundezukunftbraunau.at/flyer/