Eingelangt am 15.12.2021
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Anfrage
der Abgeordneten Dr.
Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an
die Bundesministerin für Justiz
betreffend Rechtsschutzbeauftragte
Aicher und politische Einflussnahme auf das "Ibiza"-Verfahren
Seit 1. April 2021 ist
Frau Dr. Aicher als Rechtsschutzbeauftragte tätig. In dieser Funktion muss
sie Rechte von Beschuldigten bei geheimen Zwangsmaßnahmen, etwa
Telefonüberwachungen, vertreten. Davor war sie ab 2003
Generalanwältin und ab 2016 Erste Generalanwältin in der
Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof. Gem. §28 iVm §39 StPO
ist die Generalprokuratur bei Zuständigkeitskonflikten, Befangenheiten
etc. für die Delegierung von Strafverfahren an andere Staatsanwaltschaften
zuständig. So geschah dies beinahe bei allen Anzeigen, die gegen Mag.
Pilnacek eingebracht wurden: Die WKStA oder StA-Wien erklärte sich
für befangen und die Generalprokuratur delegierte das Verfahren zur OStA
Linz oder Innsbruck, wo es oftmals am gleichen Tag wegen fehlenden
Anfangsverdachts nach §35c StAG eingestellt wurde (https://www.addendum.org/justiz/pilnacek-moser/). Für Mag. Pilnacek seit Jahren ein probates
Mittel, wie auch Chats zwischen ihm und der Abteilungsleiterin Dr. Martini
zeigen. So schreibt Mag. Pilnacek bzgl. dem CASAG-Verfahren am 25.8.2019 um
14:25: "...wir überlegen mal Befassung der GP zur Übertragung
an eine andere StA!" (https://zackzack.at/2021/06/08/intrige-im-justizministerium-so-wollte-pilnacek-an-die-mails-der-wksta-kommen/) Er wollte also der WKStA, die ihm bekanntlich ein
Dorn im Auge ist, das Verfahren entziehen und an eine andere Staatsanwaltschaft
delegieren.
In einer Presseaussendung
mit dem Namen "Erklärung der
Rechtsschutzbeauftragen der Justiz zur Beschwerde über
Zwangsmaßnahmen gegen Berufsgeheimnisträger, insbesondere
Medieninhaber und Herausgeber", die laut den Metadaten am 28.10.2021 nicht
von Aicher selbst erstellt wurde, kritisierte
sie die Hausdurchsuchungen in der sog. Inseratenaffäre, (CASAG-Verfahren)
in der auch Sebastian Kurz beschuldigt ist (https://www.derstandard.at/story/2000130793133/oevp-ermittlungen-kritik-aus-der-justiz-an-razzien-bei-oesterreich.)
Laut der Presseaussendung "wurde eine
rote Linie des Rechtsstaates überschritten" und "die Anordnung,
gerichtliche Bewilligung und allfällige Durchführung dieser
Maßnahmen" wären "rechtswidrig." Weiter führt
Aicher aus, dass versucht werde "Grenzen zu verschieben." Auch
zweifelt sie Entscheidungen von unabhängigen RichterInnen an. So
würden "Bewilligungen ohne ausreichende Prüfung der gesetzlichen
Voraussetzungen" erfolgen. Auch nimmt sie rechtliche Beurteilungen vor,
die ordentlichen Gerichten vorbehalten sind, indem sie Bewilligungen für
Maßnahmen als "rechtswidrig" qualifiziert.
Bei diesen
Hausdurchsuchungen handelte es sich auch um die erste Hausdurchsuchung im
ÖVP-Umfeld, seitdem Aicher Rechtsschutzbeauftragte ist. Davor gab es
niemals Beanstandungen. Wie Standard- und Spiegel-Recherchen zeigen (https://www.derstandard.at/story/2000131486915/wie-sich-die-rechtsschutzbeauftragte-in-widersprueche-verstrickte), wurde die Presseaussendung von der Kanzlei
Ainedter angelegt. Genau von jener Kanzlei, die zwei Beschuldigte (Pröll,
Fleischmann) im CASAG-Verfahren vertritt. Gem §47a
Abs.5 StPO gilt: "Zustellungen an den
Rechtsschutzbeauftragten sind im Wege der Geschäftsstelle des Obersten
Gerichtshofes vorzunehmen; diese hat auch die Kanzleigeschäfte des
Rechtsschutzbeauftragten wahrzunehmen." Unter solche Kanzleigeschäfte
dürfte, mangels anderer gesetzlicher Bestimmung, auch das Verfassen von
Pressemitteilungen fallen. Eine Unterstützung von Beschuldigtenvertretern,
ist jedenfalls nicht vorgesehen.
Dass von Seiten Manfred
Ainedters über das Engagement im Sinne seiner KlientInnen eine
intrinsische Abneigung gegenüber der WKStA und Ihnen, Frau Ministerin,
herrscht, zeigen Chatverläufe zwischen Mag. Pilnacek und Dr. Ainedter aus
dem Mai und Juni 2020.
So schreibt Ainedter an
Pilnacek: "Ist alles zum Weinen, komm grad von einer BV bei der WKStA,
wieder einmal unfassbar, was die aufführen."
Pilnacek antwortet:
"Ja, aber, wer unternimmt was gegen diese missratene
StA????"
In weiterer Folge
führt Ainedter zur Justizministerin aus: "...selten soviel Feigheit
gepaart mit Dummheit auf einmal gesehen. Wer hat das Urschel das mit der
"Gewaltentrennung" in der Sektion eingeben??? dazu das Gefasel von
der unabhängigen Staatsanwaltschaft, wirklich unerträglich. Leider
hat sie der Wolf nicht nach dem Weisungsrecht gefragt... Ärgere dich nicht
zu sehr, lG Manfred
Die Kanzlei Ainedter ist
zufälligerweise auch jene, zu der nach medialem Bekanntwerden deren
Nähe zu Dr. Aicher eine bisher in der WKStA tätige Frau Mag.
Poppenwimmer wechselte (https://www.krone.at/2568961)
In weiterer Folge wurde
bekannt, dass Dr. Aicher von Dr. Zöchbauer vertreten wird (https://www.derstandard.at/story/2000131486915/wie-sich-die-rechtsschutzbeauftragte-in-widersprueche-verstrickte), der unter anderem für die Novomatic
tätig ist, die ebenfalls ihm Rahmen der Verbandsverantwortlichkeit
Beschuldigte im CASAG-Verfahren ist. Dr. Zöchbauer vertrat bzw. vertritt
auch schon BKA-Chef Mag. Holzer, Rene Benko mit der Signa-Holding,
Ex-BVT-Vizechef Zöhrer, Ex-Sobotka-Kabinettschef Kloibmüller und nun
auch Dr. Aicher.
Die unterfertigten
Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
- Wie genau gestaltete
sich der Ernennungsprozess gemäß § 47a StPO von Dr. Aicher
zur Rechtsschutzbeauftragten?
- Welche Personen wurden auf dem gemeinsamen
Vorschlag des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, des
Vorsitzenden der Volksanwaltschaft und des Präsidenten des
Österreichischen Rechtsanwaltskammertages angeführt?
- Der Vorschlag hat
gemäß § 47a StPO zumindest doppelt so viele Namen zu
enthalten wie Personen zu bestellen sind. Warum setzte sich Frau Dr.
Aicher gegenüber den anderen Kandidaten durch?
- War Dr. Aicher als
Generalanwältin und später als Erste Generalanwältin bei
der Delegierung von Verfahren iZm Mag. Pilnacek involviert?
- Wenn ja, welche waren
das und wann?
- Wenn ja, wurde jemals
ein Verfahren nicht nach Innsbruck oder Linz delegiert?
i. Wenn ja, wohin sonst?
- War Dr. Aicher als
Generalanwältin und später als Erste Generalanwältin bei
Verfahren rund um den Ibiza-Komplex (17 St 5/19d, 711 St 1/19v, 8 St
291/19x etc.) involviert?
- Wenn ja, in welcher
Weise wann?
- Kann ausgeschlossen
werden, dass Ihr Ressort die von Dr. Aicher gegenüber Dr.
Zöchbauer bzw. die Kanzlei Ainedter zu honorierenden Leistungen
bezahlt?
- Wenn ja, inwiefern?
- Wenn nein, inwiefern
wurden Zahlungen von welchen Leistungen welcher Person bzw. Kanzlei in
welchem finanziellen Umfang von Ihrem Ressort übernommen?
- Laut Medienberichten vom
27.11.2021 (https://orf.at/stories/3238115/) sollte es zu einer Unterredung zwischen
Ihnen, Frau Justizministerin, und Frau Dr. Aicher kommen. Hat dieses
Gespräch und haben weitere Gespräche mit bzw. zu der Causa
"Aicher-Ainedter" stattgefunden?
- Wenn ja, wann?
- Wenn ja, welche Position
vertraten Sie jeweils?
- Wenn ja, waren
Gesetzesverstöße durch Dr. Aicher Thema, insb. gegen
i. § 43 BDG
ii. § 47 BDG
iii. § 47 StPO
iv. § 47a StPO
v. § 310 StGB
vi. welche sonstigen Bestimmungen?
- Wenn ja, wer war
jeweils anwesend?
- Da eine Abberufung von
Frau Dr. Aicher als Rechtsschutzbeauftragte rechtlich nicht möglich
ist, dieser aber das Ansehen des Amtes und der Justiz massiv
geschädigt hat: Haben Sie Dr. Aicher nahe gelegt, die Funktion
zurückzulegen?
- Wenn ja, wann und mit
welchem Ergebnis?
- Wenn nein, warum nicht?
- Haben Sie sich in der
Folge dem Gedanken eines Schließens der Gesetzeslücke in §
47a StPO durch Einführen einer unmittelbaren
Abberufungsmöglichkeit gewidmet?
- Wenn ja, inwiefern wann
und mit welchem Ergebnis?
- Welche Verfahren wurden
wann durch wen gegen Dr. Aicher eingeleitet?
- Welche Sanktionen wurden
wann durch wen gegen Dr. Aicher geprüft bzw. wann verhängt?
- Wurde ein Verfahren
wegen des Bruchs des Amtsgeheimnisses gem. §310 StGB eingeleitet,
weil Dr. Aicher im Verdacht steht, Amtsgeheimnisse an die Kanzlei Ainedter
verraten zu haben?
- Wenn ja, wann mit
welchem Ergebnis wann?
- Wenn ja, von wem wird
das Verfahren durchgeführt?
- Wenn ja, wurde dieses
Verfahren von der Generalprokuratur nach Linz oder Eisenstadt
delegiert?
i. Wenn ja, wann?
ii. Wenn ja, ist das Verfahren zum Zeitpunkt der
Anfragebeantwortung bereits nach §35c StAG eingestellt worden?
1. Wenn ja, wann?
- Wurde ein Verfahren
wegen des Bruchs des Amtsgeheimnisses gem. §310 StGB eingeleitet,
weil Dr. Aicher im Verdacht steht, Zwangsmaßnahmen verraten zu
haben, die ihr in Rahmen des § 147 Abs 2 StPO zur Kenntnis gebracht
wurde?
- Wenn ja, wann mit
welchem Ergebnis wann?
- Wenn ja, von wem wird
das Verfahren durchgeführt?
- Wenn ja, wurde dieses
Verfahren von der Generalprokuratur nach Linz oder Eisenstadt
delegiert?
i. Wenn ja, wann?
ii. Wenn ja, ist das Verfahren zum Zeitpunkt der
Anfragebeantwortung bereits nach §35c StAG eingestellt worden?
1. Wenn ja, wann?
- Im
"Ibiza"-Untersuchungsausschuss wurde der rechtswidrige Umgang
von OStA Fuchs und Christian Pilnacek mit Dokumenten aus Verschlussakten,
insb. aus dem "CASAG"-Verfahren bekannt. Sind Sie der Frage von
Kontakt zwischen Dr. Aicher und Christian Pilnacek nachgegangen?
- Wenn ja, wann inwiefern
und mit welchem Ergebnis?
- Sind Sie der Frage von
Kontakt zwischen Dr. Aicher und OStA Fuchs nachgegangen?
- Wenn ja, wann inwiefern
und mit welchem Ergebnis?
- Sind Sie der Frage von
Kontakt zwischen Dr. Aicher und Mag. Poppenwimmer nachgegangen?
- Wenn ja, wann inwiefern
und mit welchem Ergebnis?
- Sind Sie der Frage von
Kontakt zwischen Mag. Poppenwimmer und OStA Fuchs nachgegangen?
- Wenn ja, wann inwiefern
und mit welchem Ergebnis?
- Sind Sie der Frage von
Kontakt zwischen Mag. Poppenwimmer und OStA Fuchs nachgegangen?
- Wenn ja, wann inwiefern
und mit welchem Ergebnis?
- Der eigentlich bisher
nur aus anglosächsischen Rechtssystemen bekannte Praxis der sog.
SLAPP-Suits, mit denen nicht nur Medien, sondern auch Privatpersonen
mundtot geklagt werden, widmet sich eine Arbeitsgruppe der EU-Kommission,
allerdings darf auf absehbare Zeit mit keinen Ergebnissen gerechnet
werden. Sind von Seiten des BMJ Maßnahmen geplant, um derartige
SLAPP-Suits zu unterbinden?
- Wenn ja, seit wann?
- Wenn ja, welche
Maßnahmen für wann?
- Laut der Tageszeitung
Krone hat Frau Mag. Poppenwimmer die WKStA verlassen, um künftig bei
der Kanzlei Ainedter zu arbeiten. Hat sich Mag. Poppenwimmer dafür
bei der WKStA karenzieren lassen?
- Wenn ja, wann?
- Wenn ja, für wie
lange?
- Wenn ja, wie oft kam es
in den vergangen 20 Jahren vor, dass sich StaatsanwältInnen für
einen Wechsel in die Privatwirtschaft karenzieren ließen?
- Wurde ein Strafverfahren
gegen Mag. Poppenwimmer eingeleitet?
- Wenn ja, wann mit
welchem Ergebnis wann?
- Wenn ja, von wem wird
das Verfahren durchgeführt?
- Wenn ja, wurde dieses
Verfahren von der Generalprokuratur nach Linz oder Eisenstadt
delegiert?
i. Wenn ja, wann?
ii. Wenn ja, ist das Verfahren zum Zeitpunkt der
Anfragebeantwortung bereits nach §35c StAG eingestellt worden?
1. Wenn ja, wann?
- Wurde ein
Disziplinarverfahren gegen Mag. Poppenwimmer eingeleitet?
- Wenn ja, wann mit
welchem Ergebnis wann?
- Wenn ja, von wem wird
das Verfahren durchgeführt?
- Wer hat die Entscheidung
getroffen, dass sich Mag. Poppenwimmer bei der WKStA karenzieren lassen
darf, getroffen (Dienststelle, Person)?
- War der in der Antwort
zu Frage 21 genannten Person, zu dem Zeitpunkt ihrer positiven
Entscheidung zur Karenzierung von Mag. Poppenwimmer bekannt, dass diese
vorhat, in der Kanzlei Ainedter tätig zu werden?
- Wenn ja, warum wurde
die Karenzierung von der Behörde, die das politisch brisanteste
Verfahren der Gegenwart führt, zu einer Kanzlei, die 2 in diesem
Verfahren Beschuldigte vertritt, genehmigt?
- Wenn nein, inwiefern
wurde diese Entscheidung ohne Kenntnis der Sachlage überdacht?
- Inwiefern haben
Sie wann eine solche Reflexion wodurch veranlass?
- Hat Sie der derzeitige
Zustand, dass die in der Antwort zu Frage 21 genannte Person
über Karenzierungen in der WKStA entscheidet, zu Diskussionen
bzw. Maßnahmen über bzw. zur notwendigen Änderung dieses
Zustandes veranlasst?
- Wenn ja, wann
inwiefern?
- Wenn nein, warum nicht?
- Hat Sie der derzeitige
Zustand, dass es möglich ist, sich von der
StA karenzieren zu lassen, um sich in der Privatwirtschaft
umzuschauen, zu Diskussionen bzw. Maßnahmen über bzw. zur
notwendigen Änderung dieses Zustandes veranlasst?
- Wenn ja, wann
inwiefern?
- Wenn nein, warum nicht?