8966/J XXVII. GP

Eingelangt am 15.12.2021
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper,  Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Rechtsschutzbeauftragte Aicher und politische Einflussnahme auf das "Ibiza"-Verfahren

 

Seit 1. April 2021 ist Frau Dr. Aicher als Rechtsschutzbeauftragte tätig. In dieser Funktion muss sie Rechte von Beschuldigten bei geheimen Zwangsmaßnahmen, etwa Telefonüberwachungen, vertreten. Davor war sie ab 2003 Generalanwältin und ab 2016 Erste Generalanwältin in der Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof. Gem. §28 iVm §39 StPO ist die Generalprokuratur bei Zuständigkeitskonflikten, Befangenheiten etc. für die Delegierung von Strafverfahren an andere Staatsanwaltschaften zuständig. So geschah dies beinahe bei allen Anzeigen, die gegen Mag. Pilnacek eingebracht wurden: Die WKStA oder StA-Wien erklärte sich für befangen und die Generalprokuratur delegierte das Verfahren zur OStA Linz oder Innsbruck, wo es oftmals am gleichen Tag wegen fehlenden Anfangsverdachts nach §35c StAG eingestellt wurde (https://www.addendum.org/justiz/pilnacek-moser/). Für Mag. Pilnacek seit Jahren ein probates Mittel, wie auch Chats zwischen ihm und der Abteilungsleiterin Dr. Martini zeigen. So schreibt Mag. Pilnacek bzgl. dem CASAG-Verfahren am 25.8.2019 um 14:25: "...wir überlegen mal Befassung der GP zur Übertragung an eine andere StA!" (https://zackzack.at/2021/06/08/intrige-im-justizministerium-so-wollte-pilnacek-an-die-mails-der-wksta-kommen/) Er wollte also der WKStA, die ihm bekanntlich ein Dorn im Auge ist, das Verfahren entziehen und an eine andere Staatsanwaltschaft delegieren. 

 

In einer Presseaussendung mit dem Namen "Erklärung der Rechtsschutzbeauftragen der Justiz zur Beschwerde über Zwangsmaßnahmen gegen Berufsgeheimnisträger, insbesondere Medieninhaber und Herausgeber", die laut den Metadaten am 28.10.2021 nicht von Aicher selbst erstellt wurde, kritisierte sie die Hausdurchsuchungen in der sog. Inseratenaffäre, (CASAG-Verfahren) in der auch Sebastian Kurz beschuldigt ist (https://www.derstandard.at/story/2000130793133/oevp-ermittlungen-kritik-aus-der-justiz-an-razzien-bei-oesterreich.) Laut der Presseaussendung "wurde eine rote Linie des Rechtsstaates überschritten" und "die Anordnung, gerichtliche Bewilligung und allfällige Durchführung dieser Maßnahmen" wären "rechtswidrig." Weiter führt Aicher aus, dass versucht werde "Grenzen zu verschieben." Auch zweifelt sie Entscheidungen von unabhängigen RichterInnen an. So würden "Bewilligungen ohne ausreichende Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen" erfolgen. Auch nimmt sie rechtliche Beurteilungen vor, die ordentlichen Gerichten vorbehalten sind, indem sie Bewilligungen für Maßnahmen als "rechtswidrig" qualifiziert.

Bei diesen Hausdurchsuchungen handelte es sich auch um die erste Hausdurchsuchung im ÖVP-Umfeld, seitdem Aicher Rechtsschutzbeauftragte ist. Davor gab es niemals Beanstandungen. Wie Standard- und Spiegel-Recherchen zeigen (https://www.derstandard.at/story/2000131486915/wie-sich-die-rechtsschutzbeauftragte-in-widersprueche-verstrickte), wurde die Presseaussendung von der Kanzlei Ainedter angelegt. Genau von jener Kanzlei, die zwei Beschuldigte (Pröll, Fleischmann) im CASAG-Verfahren vertritt. Gem §47a Abs.5 StPO gilt: "Zustellungen an den Rechtsschutzbeauftragten sind im Wege der Geschäftsstelle des Obersten Gerichtshofes vorzunehmen; diese hat auch die Kanzleigeschäfte des Rechtsschutzbeauftragten wahrzunehmen." Unter solche Kanzleigeschäfte dürfte, mangels anderer gesetzlicher Bestimmung, auch das Verfassen von Pressemitteilungen fallen. Eine Unterstützung von Beschuldigtenvertretern, ist jedenfalls nicht vorgesehen.  

Dass von Seiten Manfred Ainedters über das Engagement im Sinne seiner KlientInnen eine intrinsische Abneigung gegenüber der WKStA und Ihnen, Frau Ministerin, herrscht, zeigen Chatverläufe zwischen Mag. Pilnacek und Dr. Ainedter aus dem Mai und Juni 2020.

So schreibt Ainedter an Pilnacek: "Ist alles zum Weinen, komm grad von einer BV bei der WKStA, wieder einmal unfassbar, was die aufführen." 

Pilnacek antwortet: "Ja, aber, wer unternimmt was gegen diese missratene StA????"  

In weiterer Folge führt Ainedter zur Justizministerin aus: "...selten soviel Feigheit gepaart mit Dummheit auf einmal gesehen. Wer hat das Urschel das mit der "Gewaltentrennung" in der Sektion eingeben??? dazu das Gefasel von der unabhängigen Staatsanwaltschaft, wirklich unerträglich. Leider hat sie der Wolf nicht nach dem Weisungsrecht gefragt... Ärgere dich nicht zu sehr, lG Manfred 

Die Kanzlei Ainedter ist zufälligerweise auch jene, zu der nach medialem Bekanntwerden deren Nähe zu Dr. Aicher eine bisher in der WKStA tätige Frau Mag. Poppenwimmer wechselte (https://www.krone.at/2568961)

In weiterer Folge wurde bekannt, dass Dr. Aicher von Dr. Zöchbauer vertreten wird (https://www.derstandard.at/story/2000131486915/wie-sich-die-rechtsschutzbeauftragte-in-widersprueche-verstrickte), der unter anderem für die Novomatic tätig ist, die ebenfalls ihm Rahmen der Verbandsverantwortlichkeit Beschuldigte im CASAG-Verfahren ist. Dr. Zöchbauer vertrat bzw. vertritt auch schon BKA-Chef Mag. Holzer, Rene Benko mit der Signa-Holding, Ex-BVT-Vizechef Zöhrer, Ex-Sobotka-Kabinettschef Kloibmüller und nun auch Dr. Aicher.



Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Wie genau gestaltete sich der Ernennungsprozess gemäß § 47a StPO von Dr. Aicher zur Rechtsschutzbeauftragten? 
    1. Welche Personen wurden auf dem gemeinsamen Vorschlag des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, des Vorsitzenden der Volksanwaltschaft und des Präsidenten des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages angeführt?
    2. Der Vorschlag hat gemäß § 47a StPO zumindest doppelt so viele Namen zu enthalten wie Personen zu bestellen sind. Warum setzte sich Frau Dr. Aicher gegenüber den anderen Kandidaten durch? 
  1. War Dr. Aicher als Generalanwältin und später als Erste Generalanwältin bei der Delegierung von Verfahren iZm Mag. Pilnacek involviert?
    1. Wenn ja, welche waren das und wann? 
    2. Wenn ja, wurde jemals ein Verfahren nicht nach Innsbruck oder Linz delegiert? 

                                          i.    Wenn ja, wohin sonst?

  1. War Dr. Aicher als Generalanwältin und später als Erste Generalanwältin bei Verfahren rund um den Ibiza-Komplex (17 St 5/19d, 711 St 1/19v, 8 St 291/19x etc.) involviert?
    1. Wenn ja, in welcher Weise wann? 
  1. Kann ausgeschlossen werden, dass Ihr Ressort die von Dr. Aicher gegenüber Dr. Zöchbauer bzw. die Kanzlei Ainedter zu honorierenden Leistungen bezahlt?
    1. Wenn ja, inwiefern?
    2. Wenn nein, inwiefern wurden Zahlungen von welchen Leistungen welcher Person bzw. Kanzlei in welchem finanziellen Umfang von Ihrem Ressort übernommen? 
  1. Laut Medienberichten vom 27.11.2021 (https://orf.at/stories/3238115/) sollte es zu einer Unterredung zwischen Ihnen, Frau Justizministerin, und Frau Dr. Aicher kommen. Hat dieses Gespräch und haben weitere Gespräche mit bzw. zu der Causa "Aicher-Ainedter" stattgefunden?
    1. Wenn ja, wann?
    2. Wenn ja, welche Position vertraten Sie jeweils?
    3. Wenn ja, waren Gesetzesverstöße durch Dr. Aicher Thema, insb. gegen

                                          i.    § 43 BDG

                                        ii.    § 47 BDG

                                       iii.    § 47 StPO 

                                       iv.    § 47a StPO

                                        v.    § 310 StGB

                                       vi.    welche sonstigen Bestimmungen?

    1. Wenn ja, wer war jeweils anwesend? 
  1. Da eine Abberufung von Frau Dr. Aicher als Rechtsschutzbeauftragte rechtlich nicht möglich ist, dieser aber das Ansehen des Amtes und der Justiz massiv geschädigt hat: Haben Sie Dr. Aicher nahe gelegt, die Funktion zurückzulegen? 
    1. Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  1. Haben Sie sich in der Folge dem Gedanken eines Schließens der Gesetzeslücke in § 47a StPO durch Einführen einer unmittelbaren Abberufungsmöglichkeit gewidmet?
    1. Wenn ja, inwiefern wann und mit welchem Ergebnis?
  1. Welche Verfahren wurden wann durch wen gegen Dr. Aicher eingeleitet?
  2. Welche Sanktionen wurden wann durch wen gegen Dr. Aicher geprüft bzw. wann verhängt?
  3. Wurde ein Verfahren wegen des Bruchs des Amtsgeheimnisses gem. §310 StGB eingeleitet, weil Dr. Aicher im Verdacht steht, Amtsgeheimnisse an die Kanzlei Ainedter verraten zu haben? 
    1. Wenn ja, wann mit welchem Ergebnis wann?
    2. Wenn ja, von wem wird das Verfahren durchgeführt?
    3. Wenn ja, wurde dieses Verfahren von der Generalprokuratur nach Linz oder Eisenstadt delegiert? 

                                          i.    Wenn ja, wann? 

                                        ii.    Wenn ja, ist das Verfahren zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung bereits nach §35c StAG eingestellt worden?

1.    Wenn ja, wann? 

  1. Wurde ein Verfahren wegen des Bruchs des Amtsgeheimnisses gem. §310 StGB eingeleitet, weil Dr. Aicher im Verdacht steht, Zwangsmaßnahmen verraten zu haben, die ihr in Rahmen des § 147 Abs 2 StPO zur Kenntnis gebracht wurde? 
    1. Wenn ja, wann mit welchem Ergebnis wann?
    2. Wenn ja, von wem wird das Verfahren durchgeführt?
    3. Wenn ja, wurde dieses Verfahren von der Generalprokuratur nach Linz oder Eisenstadt delegiert? 

                                          i.    Wenn ja, wann? 

                                        ii.    Wenn ja, ist das Verfahren zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung bereits nach §35c StAG eingestellt worden?

1.    Wenn ja, wann? 

  1. Im "Ibiza"-Untersuchungsausschuss wurde der rechtswidrige Umgang von OStA Fuchs und Christian Pilnacek mit Dokumenten aus Verschlussakten, insb. aus dem "CASAG"-Verfahren bekannt. Sind Sie der Frage von Kontakt zwischen Dr. Aicher und Christian Pilnacek nachgegangen? 
    1. Wenn ja, wann inwiefern und mit welchem Ergebnis?
  1. Sind Sie der Frage von Kontakt zwischen Dr. Aicher und OStA Fuchs nachgegangen? 
    1. Wenn ja, wann inwiefern und mit welchem Ergebnis?
  1. Sind Sie der Frage von Kontakt zwischen Dr. Aicher und Mag. Poppenwimmer nachgegangen? 
    1. Wenn ja, wann inwiefern und mit welchem Ergebnis?
  1. Sind Sie der Frage von Kontakt zwischen Mag. Poppenwimmer und OStA Fuchs nachgegangen? 
    1. Wenn ja, wann inwiefern und mit welchem Ergebnis?
  1. Sind Sie der Frage von Kontakt zwischen Mag. Poppenwimmer und OStA Fuchs nachgegangen? 
    1. Wenn ja, wann inwiefern und mit welchem Ergebnis?
  1. Der eigentlich bisher nur aus anglosächsischen Rechtssystemen bekannte Praxis der sog. SLAPP-Suits, mit denen nicht nur Medien, sondern auch Privatpersonen mundtot geklagt werden, widmet sich eine Arbeitsgruppe der EU-Kommission, allerdings darf auf absehbare Zeit mit keinen Ergebnissen gerechnet werden. Sind von Seiten des BMJ Maßnahmen geplant, um derartige SLAPP-Suits zu unterbinden?
    1. Wenn ja, seit wann?
    2. Wenn ja, welche Maßnahmen für wann? 
  1. Laut der Tageszeitung Krone hat Frau Mag. Poppenwimmer die WKStA verlassen, um künftig bei der Kanzlei Ainedter zu arbeiten. Hat sich Mag. Poppenwimmer dafür bei der WKStA karenzieren lassen?
    1. Wenn ja, wann?
    2. Wenn ja, für wie lange? 
    3. Wenn ja, wie oft kam es in den vergangen 20 Jahren vor, dass sich StaatsanwältInnen für einen Wechsel in die Privatwirtschaft karenzieren ließen? 
  1. Wurde ein Strafverfahren gegen Mag. Poppenwimmer eingeleitet? 
    1. Wenn ja, wann mit welchem Ergebnis wann?
    2. Wenn ja, von wem wird das Verfahren durchgeführt?
    3. Wenn ja, wurde dieses Verfahren von der Generalprokuratur nach Linz oder Eisenstadt delegiert? 

                                          i.    Wenn ja, wann? 

                                        ii.    Wenn ja, ist das Verfahren zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung bereits nach §35c StAG eingestellt worden?

1.    Wenn ja, wann? 

  1. Wurde ein Disziplinarverfahren gegen Mag. Poppenwimmer eingeleitet? 
    1. Wenn ja, wann mit welchem Ergebnis wann?
    2. Wenn ja, von wem wird das Verfahren durchgeführt?
  1. Wer hat die Entscheidung getroffen, dass sich Mag. Poppenwimmer bei der WKStA karenzieren lassen darf, getroffen (Dienststelle, Person)?
  2. War der in der Antwort zu Frage 21 genannten Person, zu dem Zeitpunkt ihrer positiven Entscheidung zur Karenzierung von Mag. Poppenwimmer bekannt, dass diese vorhat, in der Kanzlei Ainedter tätig zu werden? 
    1. Wenn ja, warum wurde die Karenzierung von der Behörde, die das politisch brisanteste Verfahren der Gegenwart führt, zu einer Kanzlei, die 2 in diesem Verfahren Beschuldigte vertritt, genehmigt?
    2. Wenn nein, inwiefern wurde diese Entscheidung ohne Kenntnis der Sachlage überdacht?
    3. Inwiefern haben Sie wann eine solche Reflexion wodurch veranlass?
  1. Hat Sie der derzeitige Zustand, dass die in der Antwort zu Frage 21 genannte Person über Karenzierungen in der WKStA entscheidet, zu Diskussionen bzw. Maßnahmen über bzw. zur notwendigen Änderung dieses Zustandes veranlasst?
    1. Wenn ja, wann inwiefern?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  1. Hat Sie der derzeitige Zustand, dass es möglich ist, sich von der StA karenzieren zu lassen, um sich in der Privatwirtschaft umzuschauen, zu Diskussionen bzw. Maßnahmen über bzw. zur notwendigen Änderung dieses Zustandes veranlasst?
    1. Wenn ja, wann inwiefern?
    2. Wenn nein, warum nicht?