9179/J XXVII. GP

Eingelangt am 22.12.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Strafrechtliche Aufarbeitung eines homophoben Angriffes auf ein Ehepaar in Wien

 

Bei einem Abendessen im August 2018 wurde ein schwules Ehepaar in einem Hotel in Wien von drei Männern während des Essens mit homophoben Beleidigungen konfrontiert. Nach Mitternacht begab sich das Ehepaar zum Aufzug, um auf ihr Zimmer zu gehen. Die drei Männer folgten ihnen schnell und beleidigten das Ehepaar laufend. Beim Betreten des Liftes sagte einer der Eheleute zu einem der Männer, dass er seinen Wortschatz besser korrigieren solle. Der Mann schlug ihm daraufhin mit der Faust ins Gesicht. Die drei Angreifer zerrten das Ehepaar aus dem Lift, schlugen auf sie ein und traten ihnen gegen die Beine, bis sich das Ehepaar schließlich losreißen konnte. Die drei Täter fuhren sodann mit dem Aufzug in ihre Zimmer zurück.

Da die Eheleute erheblich verletzt wurden, riefen sie die Polizei, die die Sache aufnahm und die Verletzungen dokumentierte. Eine Hotelangestellte, die den Vorfall miterlebt hat, bestätigte die Angaben des Ehepaares. Mit den Tätern, die im selben Hotel wohnten, nahmen die Polizeibeamt_innen keinen Kontakt auf. Laut Medienberichten stellte die Polizei weder die Gästeblätter der Täter sicher noch die vom Hotel angefertigten Ausweiskopien (Ukrainischer Politiker schlägt in Wien schwules Paar zusammen: Totalversagen von Polizei und Justiz - Blog: Mensch:Recht - derStandard.at › Recht).

Obwohl die Hotelangestellte mitteilte, dass eine Videoaufnahme existiert, hätten die Polizeibeamten diese nicht sichergestellt oder angeschaut, sondern lediglich angekündigt, dass sie die Aufnahme per E-Mail vom Hotel anfordern würden.

Auch am nächsten Tag begegnete das Ehepaar den drei Männer ein weiteres Mal beim Frühstück. Sie riefen neuerlich die Polizei. Obwohl die Opfer die Polizist_innen auf die Täter aufmerksam machte, reagierten die Polizeibeamt_innen nicht und verließen das Hotel - dies mit der Begründung, dass die Sache ohnehin bereits in der Nacht aufgenommen worden sei.

Die von der Polizei angeforderte Videoaufnahme des Hotels wurde dieser übermittelt, jedoch stellten die Polizeibeamt_innen erst viel später fest, dass diese keine Aufzeichnungen enthielten.  Als dies klar wurde, waren die Aufnahmen des Hotels aber bereits gelöscht. In ihrem Abschlussbericht vom Oktober 2018 gibt die Polizei an, dass mit Hilfe des Hotels nur einer der drei Täter, ein ukrainischer Parlamentsabgeordneter (Block Petro Poroschenko), ausgeforscht werden hätte können. Die Identität der beiden Mittäter konnte angeblich nicht aufgeklärt werden. Einvernahmen, so die Polizei, hätten nicht durchgeführt werden können, da die Beschuldigten bereits am nächsten Tag abgereist seien.

Die Staatsanwaltschaft setzte in weiterer Folge alle Ermittlungsschritte zur Ausforschung der beiden unbekannten Mittäter nur auf hartnäckiges Betreiben der Opfer. So beispielsweise die Beischaffung der Ausweiskopien der Hotelgäste der betreffenden Nacht. Da war es allerdings bereits Ende November 2019 und das Hotel teilte mit, dass es die Ausweiskopien der Hotelgäste vom August 2018 bereits gelöscht habe.

Die Staatsanwaltschaft lehnte auch den Antrag auf Einsicht in das nach dem Meldegesetz zu führenden Gästeverzeichnisses ab und das Landesgericht für Strafsachen Wien sowie das Oberlandesgericht Wien bestätigten diese Entscheidung. Das betreffende Hotel verfüge über mehr als 250 Zimmer und die Überprüfung all dieser Gäste, nur um ein oder zwei Täter ausfindig zu machen, verletze das Recht der unschuldigen Gäste auf Datenschutz (OLG-Wien 29.6.2020, 22 Bs 138/20k). Auch wären die beantragten Ermittlungen sehr aufwendig und von daher unverhältnismäßig. Und das, obwohl das Meldegesetz in § 10 Abs 2 bestimmt, dass das Gästeverzeichnis auch für polizeiliche Ermittlungen zu führen ist.

Auch die Fahndung der Beschuldigten wurde erst auf Betreiben der Opfer auf ganz Europa ausgedehnt. Als die Einvernahme des Parlamentsabgeordneten (er verweigerte Angaben zur Sache) eintraf, wartete die Staatsanwaltschaft die Einvernahme des zweiten Beschuldigten nicht ab und stellte das Verfahren ein (StA Wien 10 St 304/19y). Der Tathergang sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisbar.

Jahre danach stellte sohin Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen Beweisnotstands ergebnislos ein. 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Laut Medienberichten wurde der Vorfall von der Polizei noch in der Nacht des Vorfalles dokumentiert. Wann wurde das Ermittlungsverfahren eingeleitet und die ersten Ermittlungsschritte getätigt? (Bitte um genaue zeitliche Angabe)
  2. Welche Ermittlungsschritte wurden in der Folge seitens der Staatsanwaltschaft jeweils wann wem in Auftrag gegeben? (Bitte um Auflistung der genauen Ermittlungsschritte)
  3. Warum wurden alle Ermittlungsschritte zur Ausforschung der Täter nur auf Betreiben der Opfer getätigt?
  4. Weshalb wurden die Ausweiskopien nicht vor ihrer Löschung sichergestellt?
  5. Warum erfolgte die Fahndung der Beschuldigten vorerst nur im Inland, wenn jedenfalls feststand, dass es sich um ukrainische Staatsangehörige handelte?
  6. Weshalb stellt sich die Einsicht in das zu führende Gästeverzeichnisses nach dem Meldegesetz als unverhältnismäßig dar? 
    1. Weshalb ist eine Abfrage nach Datum nicht möglich?
  1. Weshalb ist es trotz Dokumentation des Vorfalles zu keinen weiteren Ermittlungsschritten gekommen?
  2. Aus welchem Grund genau blieb der Vorfall unbestraft?
    1. Sollte sich dies auf mangelnde Beweise zurückzuführen sein, wird gebeten genau zu schildern, weshalb welche Beweise nicht erhoben werden konnten.
  1. Weshalb wurde das Verfahren ohne auf die Einvernahme des zweiten Beschuldigten abzuwarten eingestellt?
  2. Wie genau wurde die Einstellung des Verfahrens StA Wien 10 St 304/19y begründet?
  3. Ist die Staatsanwaltschaft in dem Verfahren 10 St 304/19y ihrer Ermittlungspflicht hinreichend nachgekommen?
    1. Wenn ja, inwiefern?
    2. Wenn nein, inwiefern nicht?
    3. Wenn nein, welche Konsequenzen wurden wann durch wen gesetzt?
  1. Kam es aufgrund ihres Vorgehens in diesem Verfahren zur Anzeigen gegen Polizeibeamt_innen oder Staatsanwält_innen wegen des Verdachts des Amtsmissbrauches etc.?
    1. Wenn ja, wann?
    2. Wenn ja, wie wurde mit dieser/n Anzeige(n) wann verfahren?
  1. Kam es aufgrund ihres Vorgehens in diesem Verfahren zur Einleitung eines Strafverfahrens gegen Polizeibeamt_innen oder Staatsanwält_innen wegen des Verdachts des Amtsmissbrauches etc.?
    1. Wenn ja, wann?
    2. Wenn ja, wie verlief das Verfahren in der Folge?
  1. Gab es im gegenständlichen Ermittlungsverfahren zur Causa jemals Weisungen der OStA an die ermittelnden Staatsanwält_innen?
    1. Wenn ja, in welchem Zusammenhang, wann und wie lautete deren Inhalt?
  1. Wie viele Dienstbesprechungen mit Vertreter_innen der OStA und/oder des BMJ einerseits und den ermittelnden Staatsanwält_innen andererseits gab es insgesamt in der Causa (bitte um möglichst detaillierte Auflistung nach Datum, TeilnehmerInnen, Anlass, Inhalt und Ergebnis)?
  2. Gab es in diesem Verfahren Dienstbesprechungen, in denen der StA Handlungen untersagt oder nahe gelegt wurde bestimmte Schritte zu unterlassen?
    1. Wenn ja, wann?
    2. Wenn ja, wer nahm jeweils an den Dienstbesprechungen teil?
    3. Wenn ja, welche Handlungen wurden jeweils untersagt?
    4. Wenn ja, wer untersagte der StA konkrete Handlungen zu setzen? 
  1. Gab es im gegenständlichen Ermittlungsverfahren Weisungen der Bundesministerin für Justiz oder sonstiger befugter Organe?

a.    Wenn ja, in welchem Zusammenhang und wie lautete deren Inhalt?

  1. Gab es sonstige Interventionsversuche, welcher Art auch immer, in dieser Causa?
    1. Wenn ja, wann, durch wen, bei wem, auf welche Art und Weise und mit welchem Inhalt?
  1. Regte Ihr Ressort eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gemäß § 23 StPO bei der Generalprokuratur anzuregen? 
    1. Wenn ja, wann?
    2. Wenn nein, weshalb nicht?