Entwurf

Bundesgesetz, mit dem zivilrechtliche und zivilprozessuale Maßnahmen zur Bekämpfung von Hass im Netz getroffen werden (Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz – HiNBG)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Inhaltsverzeichnis

           Artikel    1 Änderung des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs

           Artikel    2 Änderung der Jurisdiktionsnorm

           Artikel    3 Änderung der Zivilprozessordnung

           Artikel    4 Änderung der Exekutionsordnung

           Artikel    5 Änderung des Rechtsanwaltstarifgesetzes

           Artikel    6 Änderung des E-Commerce-Gesetzes

           Artikel    7 Änderung des Gerichtsgebührensgesetzes

Artikel 1

Änderung des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs

Das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch – ABGB, JGS Nr. 946/1811, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 16/2020, wird wie folgt geändert:

1. Nach § 17 wird folgender § 17a samt Überschrift eingefügt:

„Wahrnehmung der Persönlichkeitsrechte

§ 17a. (1) Persönlichkeitsrechte sind nicht übertragbar.

(2) Die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Persönlichkeitsrechts ist nur zulässig, wenn sie als solche nicht gegen die guten Sitten verstößt. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist und soweit nicht eine zulässige kommerzielle Verwertung des Persönlichkeitsrechts im Vordergrund steht, kann die Einwilligung nur vom entscheidungsfähigen Träger des Persönlichkeitsrechts selbst erteilt werden.

(3) Der Schutz des Persönlichkeitsrechts endet nicht mit dem Tod. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, kann die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Persönlichkeitsrechts des Verstorbenen zur Wahrung seines Andenkens nur von den nahen Angehörigen erteilt werden.“

2. § 20 lautet samt Überschrift:

„Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch

§ 20. (1) Wer in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt worden ist oder eine solche Verletzung unmittelbar befürchten muss, kann auf Unterlassung und auf Beseitigung des widerrechtlichen Zustandes klagen. Unter den Voraussetzungen des § 17a Abs. 3 können auch dessen nahe Angehörige klagen.

(2) Wird in einem Medium im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Arbeit- oder Dienstnehmers dieser in seinem Ansehen oder seiner Privatsphäre verletzt und ist dieses Verhalten geeignet, die Möglichkeiten des Arbeit- oder Dienstgebers, den Arbeit- oder Dienstnehmer einzusetzen, nicht unerheblich zu beeinträchtigen oder das Ansehen des Arbeit- oder Dienstgebers erheblich zu schädigen, so hat dieser unabhängig vom Anspruch des Arbeit- oder Dienstnehmers einen eigenen Anspruch auf Unterlassung und Beseitigung. Die Geltendmachung des Anspruchs des Arbeit- oder Dienstgebers ist nicht an die Zustimmung des Arbeit- oder Dienstnehmers geknüpft. Eine Pflicht zur gerichtlichen Geltendmachung für den Arbeit- oder Dienstgeber bezüglich die den Arbeit- oder Dienstnehmer betreffende Persönlichkeitsrechtsverletzung insbesondere aufgrund der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht besteht nicht.

(3) Bedient sich derjenige, der eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts begangen hat oder von dem eine solche Verletzung droht, hiezu der Dienste eines Vermittlers, so kann auch dieser auf Unterlassung und Beseitigung geklagt werden. Liegen beim Vermittler die Voraussetzungen für einen Ausschluss der Verantwortlichkeit nach den §§ 13 bis 17 ECG vor, kann er jedoch erst nach Abmahnung geklagt werden.“

3. Nach § 20 wird folgender § 20a samt Überschrift eingefügt:

„Interessenabwägung

§ 20a. (1) Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts kann gerechtfertigt sein, sofern sie ihrer Art nach zur Verfolgung eines überwiegenden berechtigten Interesses geeignet und verhältnismäßig war.

(2) Bei der Verbreitung von Informationen über den Träger des Persönlichkeitsrechts hat eine Abwägung zwischen der von Art. 8 EMRK geschützten Privatsphäre und der in Art. 10 EMRK geschützten Meinungsäußerungsfreiheit stattzufinden.“

4. Dem § 1328a Abs. 2 wird folgender Satz angefügt:

„Dies gilt jedoch nicht, wenn es sich um Verletzungen der Privatsphäre durch Inhalte handelt, die von einem Nutzer ohne Dazwischentreten eines medienrechtlich Verantwortlichen über ein elektronisches Kommunikationsnetz veröffentlicht oder verbreitet werden.“

5. In § 1503 wird folgender Abs. 15 angefügt:

„(15) § 17a, § 20, § 20a und § 1328a Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. #/2020, treten mit 1. Jänner 2021 in Kraft. § 20 Abs. 2 und § 1328a Abs. 2 sind auf Fälle anzuwenden, in denen die verletzende Handlung nach dem 31. Dezember 2020 gesetzt wurde.“

Artikel 2

Änderung der Jurisdiktionsnorm

Die Jurisdiktionsnorm, RGBl. Nr. 111/1895, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 61/2019, wird wie folgt geändert:

1. In § 49 Abs. 2 lautet die Z 6:

„6. Streitigkeiten nach § 549 ZPO;“

2. Der bisherige Inhalt des § 59 erhält die Absatzbezeichnung „(1)“; folgender Abs. 2 wird angefügt:

„(2) Bei Klagen auf Unterlassung nach § 549 ZPO gilt der Betrag von 5 000 Euro als Streitwert.“

3. Nach § 122 wird folgender vierter Teil samt Überschrift eingefügt:

„Vierter Teil

Inkrafttreten, Schluss- und Übergangsbestimmungen

§ 123. §§ 49 und 59 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2020, treten mit 1. Jänner 2021 in Kraft und sind in dieser Fassung auf Klagen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2020 eingebracht werden.“

Artikel 3

Änderung der Zivilprozessordnung

Die Zivilprozessordnung, RGBl. Nr. 113/1895, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 109/2018, wird wie folgt geändert:

1. In § 502 Abs. 5 wird am Ende der Z 4 der Punkt durch einen Strichpunkt ersetzt und folgende Z 5 angefügt:

       „5. für Streitigkeiten nach § 549.“

2. Nach § 548 wird folgender zweiter Abschnitt samt Überschriften eingefügt:

„Zweiter Abschnitt

Mandatsverfahren

Verfahren wegen Verletzung der Menschenwürde in einem elektronischen Kommunikationsnetz

§ 549. (1) In Rechtstreitigkeiten über Klagen, in denen ausschließlich Ansprüche auf Unterlassung wegen Verletzung der Menschenwürde in einem elektronischen Kommunikationsnetz geltend gemacht werden, hat das Gericht auf Antrag der klagenden Partei ohne vorhergehende mündliche Verhandlung und ohne Vernehmung der beklagten Partei einen Unterlassungsauftrag zu erlassen, wenn sich die behauptete Rechtsverletzung aus den Angaben in der Klage schlüssig ableiten lässt. Der Klage ist ein Nachweis aus dem elektronischen Kommunikationsnetz anzuschließen, der die rechtsverletzenden Inhalte darstellt oder ersichtlich macht.

(2) Der Unterlassungsauftrag hat die Aufschrift „Unterlassungsauftrag“ zu enthalten und auszusprechen, dass die beklagte Partei die weitere Verbreitung der rechtsverletzenden Inhalte zu unterlassen und die vom Gericht bestimmten Kosten zu zahlen oder, wenn sie den geltend gemachten Anspruch bestreitet, gegen den Auftrag binnen vierzehn Tagen Einwendungen zu erheben hat. Es ist darüber zu belehren, dass der Unterlassungsauftrag nur durch die Erhebung von Einwendungen außer Kraft gesetzt werden kann und dass im Fall der Erhebung von Einwendungen das ordentliche Verfahren über die Klage stattfinden wird.

(3) Der Unterlassungsauftrag ist der beklagten Partei mit der Klage zuzustellen. Gegen den Unterlassungsauftrag können binnen einer Notfrist von vierzehn Tagen ab Zustellung nur Einwendungen erhoben werden. Es genügt, wenn aus dem Schriftstück die Absicht, Einwendungen zu erheben, hervorgeht. Die im Unterlassungsauftrag enthaltene Kostenentscheidung kann mit Rekurs angefochten werden. Die §§ 556 Abs. 5, 557 Abs. 2 bis 6 und 558 gelten sinngemäß.

(4) Das Gericht kann dem Unterlassungsauftrag auf Antrag der klagenden Partei vorläufige Vollstreckbarkeit zuerkennen, wenn die Fortwirkung der behaupteten rechtsverletzenden Handlung für die klagende Partei unzumutbar oder mit erheblichen Nachteilen verbunden oder mit den rechtlich geschützten Werten eines demokratischen Rechtsstaates nicht vereinbar ist. Die vorläufige Vollstreckbarkeit tritt ein, sobald der Beschluss über ihre Zuerkennung zugestellt wurde und wirkt bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens weiter. Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtmittel nicht zulässig.

(5) Die Bundesministerin für Justiz wird ermächtigt, für die Klage und den Antrag auf Erlassung eines Unterlassungsauftrags ein Formblatt aufzulegen und im Internet auf der Website der Justiz (www.justiz.gv.at) abrufbar zu halten.“

3. Die Abschnittsbezeichnung „Zweiter Abschnitt“ vor § 555 entfällt.

4. Nach § 618 wird folgender siebenter Teil samt Überschrift eingefügt:

„Siebenter Teil

Inkrafttreten, Schluss- und Übergangsbestimmungen

§ 619. §§ 502, 549 und die Änderungen der Abschnittsbezeichnungen in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/2020, treten mit 1. Jänner 2021 in Kraft. §§ 502 und 549 sind in dieser Fassung auf Klagen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2020 eingebracht werden. § 502 Abs. 5 Z 5 in der Fassung des Bundesgesetzes XX/2020 tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2030 außer Kraft und ist auf Verfahren, in denen die Klage nach dem 31. Dezember 2030 eingebracht wird, nicht mehr anzuwenden.“

Artikel 4

Änderung der Exekutionsordnung

Die Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 791896, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 16/2020, wird wie folgt geändert:

In § 1 Z 2 entfällt die Wortfolge „Mandats- und“ sowie die Wortfolge „sowie im Amtshaftungsverfahren“ und am Ende vor dem Strichpunkt wird die Wendung „, sowie Unterlassungsaufträge nach § 549 ZPO, gegen die nicht fristgerecht Einwendungen erhoben oder denen vorläufige Vollstreckbarkeit zuerkannt wurde“ eingefügt.

Artikel 5

Änderung des Rechtsanwaltstarifgesetzes

Das Rechtsanwaltstarifgesetz (RATG), BGBl. Nr. 189/1969, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 19/2020, wird wie folgt geändert:

1. In § 10 Z 6 wird nach dem Wort „nach“ die Wendung „§ 20 und“ eingefügt.

2. § 26a wird folgender Abs. 3 angefügt:

„(3) § 10 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I. Nr. #/20## tritt mit 1. Jänner 2021 in Kraft.“

Artikel 6

Änderung des E-Commerce-Gesetzes

Das E-Commerce-Gesetz – ECG, BGBl. I Nr. 152/2001, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 34/2015, wird wie folgt geändert:

1. Nach § 18 Abs. 4 wird folgender Abs. 4a eingefügt:

„(4a) Der Anspruch nach § 18 Abs. 4 ist vor dem zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelssachen berufenen Gerichtshof erster Instanz im Verfahren außer Streitsachen geltend zu machen.“

2. Dem § 28 wird folgender Abs. 3 angefügt:

„(3) § 18 Abs. 4a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I. Nr. #/20## tritt mit 1. Jänner 2021 in Kraft und ist auf vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig gewordene Streitigkeiten nicht anzuwenden.“

Artikel 7

Änderung des Gerichtsgebührengesetzes

Das Gerichtsgebührengesetz, BGBl. Nr. 501/1984, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. ##/20##, wird wie folgt geändert:

1. In § 16 Abs. 1 Z 1 wird nach der lit. d folgende lit. e angefügt:

„e) Mandatsverfahren nach § 549 ZPO;“

2. In der Tarifpost 12 lit. c) lautet die Z 1:

Tarifpost

Gegenstand

Maßstab für die Gebührenbemessung

Höhe der Gebühren

 

         „1. Verfahren über einen Auskunftsanspruch nach § 18 Abs. 4a ECG,

 

82 Euro“

3. In der Tarifpost 13 wird in lit. a nach dem Wort „Strafverfahrens“ die Wortfolge „mit Ausnahme von Anträgen nach § 71 Abs. 1 zweiter Satz StPO“ eingefügt.

4. Art. VI wird nach der Z 71 folgende Z 71 angefügt:

      „71. § 16 Abs. 1, die Tarifpost 12 lit. c Z 1 und die Tarifpost 13 lit. a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. #/20## treten mit 1. Jänner 2021 in Kraft. § 31a ist auf die mit diesem Bundesgesetz neu geschaffenen Gebührentatbestände mit der Maßgabe anzuwenden, dass Ausgangsgrundlage für die Neufestsetzung die für März 2017 veröffentlichte endgültige Indexzahl des von der Bundesanstalt Statistik Österreich verlautbarten Verbraucherpreisindex ist.“