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Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

107. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Donnerstag, 20. Mai 2019

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

107. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVII. Gesetzgebungsperiode                   Donnerstag, 20. Mai 2021

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 20. Mai 2021: 10.06 – 21.00 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Durchführung der Europäi­schen Staatsanwaltschaft (EUStA-DG) erlassen und mit dem das Richter- und Staatsan­waltschaftsdienstgesetz, das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Straf­sachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Auslieferungs- und Rechts­hilfegesetz, das Finanzstrafgesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden (Straf­rechtliches EU-Anpassungsgesetz 2021 – StrEU-AG 2021)

2. Punkt: Bericht über den Bericht gemäß § 13 Abs. 1a des Bundesgesetzes über die Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik (Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz – AMPFG) für das Jahr 2020 sowie das erste Quartal 2021

3. Punkt: Bericht über den Antrag 1541/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines „Corona-Beschäftigungsbonus“

4. Punkt: Bericht über den Antrag 1346/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Aktion 40.000

5. Punkt: Bericht über den Antrag 1485/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belako­witsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aktion 100.000 gegen die Corona-Langzeit­arbeitslosigkeit

6. Punkt: Bericht über den Antrag 1506/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der aktiven Arbeitsmarktpolitik und Umset­zung der OECD Empfehlungen „Going for Growth“

7. Punkt: Bericht über den Antrag 1546/A(E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Ho­sek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Frauen am Arbeitsmarkt – Maßnahmenpaket zur Krisenbewältigung

8. Punkt: Bericht über den Antrag 1547/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert wird

9. Punkt: Bericht über den Antrag 1545/A(E) der Abgeordneten Heike Grebien, Kira Grünberg, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schaffung entsprechender One-Stop-Shops für Menschen mit Behinderungen“


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 2

10. Punkt: Bericht über den Antrag 1561/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schuldnerschutzschirm

11. Punkt: Bericht über den Antrag 1404/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Aufschub des Endes der gesetzlichen Corona-Kreditstun­dungen

12. Punkt: Bericht über den Antrag 1491/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Bundesreparaturbonus

13. Punkt: Bericht über den Antrag 1457/A(E) der Abgeordneten Mag. Agnes Sirkka Prammer, Christoph Zarits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines jährli­chen Sportberichts an den Nationalrat

14. Punkt: Bericht über den Antrag 1551/A(E) der Abgeordneten Christoph Zarits, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Maximilian Köllner, MA, Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung der Menschenrechte durch Sport und große Sporter­eignisse

15. Punkt: Bundesgesetz über den Verkehr mit Düngemitteln und sonstigen Düngepro­dukten (Düngemittelgesetz 2021 – DMG 2021)

16. Punkt: Bericht über den Antrag 1380/A der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird

17. Punkt: Bericht über den Antrag 1413/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Dop­pelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kein AMA Gütesiegel für Sojaimporte auf Bundes- wie auf Landesebene

18. Punkt: Bericht über den Antrag 1558/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird

19. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsord­nungsgesetz 1975 geändert wird (1550/A)

20. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch 1974 geändert wird (1568/A)

21. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch 1974 geändert wird (1523/A)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen ........................................................................................................      18

Ordnungsrufe .........................................................................................  78, 87, 162

Geschäftsbehandlung


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 3

Antrag der Einsetzungsminderheit gemäß § 53 Abs. 6 VO-UA iVm § 107 letzter Satz GOG auf nochmalige Verlängerung der für den Ibiza-Untersuchungsaus­schuss geltenden Frist um weitere drei Monate .......................................................      42

Verlangen der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 53 Abs. 6 VO-UA iVm § 2 Abs. 1 VO-UA auf Durchführung einer kurzen Debatte über den Antrag auf nochmalige Verlängerung .......................................................      42

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 GOG ..............................    201

RednerInnen:

Kai Jan Krainer ........................................................................................................    202

Mag. Andreas Hanger .............................................................................................    204

Eva Maria Holzleitner, BSc ....................................................................................    206

Christian Hafenecker, MA ......................................................................................    208

Sigrid Maurer, BA ...................................................................................................    210

Dr. Stephanie Krisper .............................................................................................    212

Ablehnung des Antrages auf nochmalige Verlängerung der für den Ibiza-Untersu­chungsausschuss geltenden Frist ............................................................................    213

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG ..............................................................................................................      43

Unterbrechung der Sitzung .....................................................................................    142

Antrag auf Durchführung einer geheimen Abstimmung – Ablehnung .....  213, 213

Fragestunde (7.)

Bildung, Wissenschaft und Forschung ................................................................      18

Mag. Dr. Rudolf Taschner (79/M); Nurten Yılmaz

Eva Maria Holzleitner, BSc (85/M); Martina Kaufmann, MMSc BA

Hermann Brückl, MA (83/M); MMag. Dr. Agnes Totter, BEd

Mag. Sibylle Hamann (90/M)

Mag. Martina Künsberg Sarre (88/M); Mag. Gerald Hauser

MMMag. Gertraud Salzmann (80/M); Edith Mühlberghuber, Mag. Faika El-Naga­shi, Klaus Köchl

Petra Vorderwinkler (86/M)

Mag. Dr. Martin Graf (84/M); Eva-Maria Himmelbauer, BSc

Mag. Eva Blimlinger (91/M); Ing. Johann Weber

Fiona Fiedler, BEd (89/M)

Nico Marchetti (81/M); Mag. Felix Eypeltauer, Katharina Kucharowits

Katharina Kucharowits (87/M)

Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (82/M); Mag. Martina Künsberg Sarre, Dr. Eli­sabeth Götze


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 4

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ................................................................................................      18

Ausschüsse

Zuweisungen ...............................................................................  42, 192, 197, 201

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (808 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Durchführung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA-DG) erlassen und mit dem das Richter- und Staats­anwaltschaftsdienstgesetz, das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Ausliefe­rungs- und Rechtshilfegesetz, das Finanzstrafgesetz und das Strafgesetzbuch ge­ändert werden (Strafrechtliches EU-Anpassungsgesetz 2021 – StrEU-AG 2021) (859 d.B.) ..................................................................................................................      43

RednerInnen:

Mag. Harald Stefan .................................................................................................      43

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................      44

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................      45

Mag. Michaela Steinacker ......................................................................................      46

Dr. Johannes Margreiter ........................................................................................      47

Bundesministerin Dr. Alma Zadić, LL.M. .............................................................      48

Dr. Harald Troch ......................................................................................................      49

Carina Reiter ............................................................................................................      50

Mag. Christian Ragger ............................................................................................      51

Annahme des Gesetzentwurfes in 859 d.B. .............................................................      52

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Bericht ge­mäß § 13 Abs. 1a des Bundesgesetzes über die Finanzierung der Arbeitsmarktpoli­tik (Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz – AMPFG) für das Jahr 2020 sowie das erste Quartal 2021, vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit (III-304/832 d.B.)        52

RednerInnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................      52

Mag. Michael Hammer ............................................................................................      53

Mag. Gerald Loacker ..............................................................................................      55

Rudolf Silvan ...........................................................................................................      57

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ..............................................................      58

Josef Schellhorn .....................................................................................................      60

Mag. Markus Koza ..................................................................................................      61

Tanja Graf ................................................................................................................      62

Michael Seemayer ...................................................................................................      63

MMMag. Gertraud Salzmann .................................................................................      64

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................      65

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schrittweiser Ausstieg aus der Corona-Kurzarbeit“ – Ab­lehnung ..........................................................................................................  56, 98

Kenntnisnahme des Berichtes III-304 d.B. ...............................................................      98

Gemeinsame Beratung über


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 5

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1541/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Schaffung eines „Corona-Beschäftigungsbonus“ (833 d.B.) ......................      65

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1346/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Aktion 40.000 (834 d.B.) .............................................................................      65

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1485/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aktion 100.000 gegen die Corona-Langzeitarbeitslosigkeit (835 d.B.) ..................................................................................................................      65

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1506/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der aktiven Arbeitsmarktpolitik und Umsetzung der OECD Emp­fehlungen „Going for Growth“ (836 d.B.) ..................................................................      65

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1546/A(E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Frauen am Arbeitsmarkt – Maßnahmenpaket zur Krisenbewälti­gung (837 d.B.) .........................................................................................................      65

RednerInnen:

Josef Muchitsch ......................................................................................................      66

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................      67

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................      68

Mag. Markus Koza ..................................................................................................      70

Mag. Gerald Loacker ..............................................................................................      71

Tanja Graf ................................................................................................................      72

Gabriele Heinisch-Hosek .......................................................................................      73

Bedrana Ribo, MA ...................................................................................................      75

Peter Wurm ..............................................................................................................      76

Bettina Zopf .............................................................................................................      78

Henrike Brandstötter ..............................................................................................      79

Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „13. und 14. Familienbeihilfe für zwei Jahre“ – Ablehnung  74, 99

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 833 d.B hinsichtlich des Antra­ges 1541/A(E) ...........................................................................................................      98

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 833 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Investitionen in die aktive Arbeitsmarktpolitik“ (174/E) .......      98

Kenntnisnahme der vier Ausschussberichte 834, 835, 836 und 837 d.B. ...............      98

8. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1547/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstalten-Ar­beitszeitgesetz geändert wird (838 d.B.) ..................................................................      80

RednerInnen:

Mag. Christian Drobits ...........................................................................................      80

Dr. Josef Smolle ......................................................................................................      84

Mag. Gerhard Kaniak ..............................................................................................      85

Ralph Schallmeiner ................................................................................................      86

Mag. Gerald Loacker ..............................................................................................      87


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 6

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ..............................................................      88

Bundesminister Dr. Wolfgang Mückstein ............................................................      89

Dr. Werner Saxinger, MSc ......................................................................................      89

Mag. Michael Hammer ............................................................................................      90

Entschließungsantrag der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Bekämpfung des Personalmangels im Gesundheitswesen“ – Ab­lehnung ..........................................................................................................  82, 99

Annahme des Gesetzentwurfes in 838 d.B. .............................................................      99

9. Punkt: Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den An­trag 1545/A(E) der Abgeordneten Heike Grebien, Kira Grünberg, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schaffung entsprechender One-Stop-Shops für Menschen mit Behinderungen“ (839 d.B.) .................................................................................      91

RednerInnen:

Heike Grebien ..........................................................................................................      91

Mag. Verena Nussbaum .........................................................................................      92

Mag. Christian Ragger ............................................................................................      93

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................      95

Bundesminister Dr. Wolfgang Mückstein ............................................................      96

Fiona Fiedler, BEd ..................................................................................................      96

Martina Diesner-Wais .............................................................................................      97

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schaffung entsprechender One-Stop-Shops für Men­schen mit Behinderungen“ – Ablehnung .......................................................  94, 99

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 839 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Schaffung entsprechender One-Stop-Shops für Menschen mit Behinderungen“ (175/E) .....................................................................................      99

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 1561/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Schuldnerschutzschirm (818 d.B.) ...................................................    100

11. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 1404/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Aufschub des Endes der gesetzlichen Corona-Kreditstundungen (819 d.B.)      100

RednerInnen:

Mag. Christian Drobits ...........................................................................................    100

Mag. Ulrike Fischer .................................................................................................    101

Peter Wurm ..............................................................................................................    102

Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler ........................................................................    103

Bundesminister Dr. Wolfgang Mückstein ............................................................    104

Mag. Felix Eypeltauer .............................................................................................    104

Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda ............................................................................    105

Petra Wimmer ..........................................................................................................    106

Christian Ries ..........................................................................................................    107

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 818 und 819 d.B. ..........................    116

12. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 1491/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Bundesreparaturbonus (820 d.B.) ....................................................................    108


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 7

RednerInnen:

Klaus Köchl .............................................................................................................    108

Mag. Ulrike Fischer .................................................................................................    109

Peter Wurm ..............................................................................................  110, 115

Peter Weidinger ......................................................................................................    111

Mag. Felix Eypeltauer .............................................................................................    112

Dr. Astrid Rössler ...................................................................................................    113

Andreas Kühberger ................................................................................................    114

MMag. Dr. Agnes Totter, BEd ................................................................................    115

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Reparieren statt Wegwerfen: Österreichweite Förderung von Re­paraturen“ – Ablehnung .............................................................................  111, 116

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 820 d.B. hinsichtlich des Antra­ges 1491/A(E) ..........................................................................................................    116

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 820 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Reparieren statt Wegwerfen: Österreichweite Förderung von Reparaturen“ (176/E) .........................................................................................    116

13. Punkt: Bericht des Sportausschusses über den Antrag 1457/A(E) der Abge­ordneten Mag. Agnes Sirkka Prammer, Christoph Zarits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines jährlichen Sportberichts an den Nationalrat (821 d.B.)         116

RednerInnen:

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................    117

Maximilian Köllner, MA ..........................................................................................    117

Petra Steger .............................................................................................................    119

Christoph Zarits ......................................................................................................    120

Mag. Yannick Shetty ...............................................................................................    122

Karl Schmidhofer ....................................................................................................    123

Vizekanzler Mag. Werner Kogler ...........................................................................    124

Lukas Brandweiner .................................................................................................    127

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 821 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Vorlage eines jährlichen Sportberichts an den Nationalrat“ (177/E) ......................................................................................................................    142

14. Punkt: Bericht des Sportausschusses über den Antrag 1551/A(E) der Abge­ordneten Christoph Zarits, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Maximilian Köllner, MA, Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung der Men­schenrechte durch Sport und große Sportereignisse (822 d.B.) .............................    128

RednerInnen:

Mag. Agnes Sirkka Prammer .................................................................................    128

Nurten Yılmaz ..........................................................................................................    130

Mag. Dr. Martin Graf ...............................................................................................    131

Karl Schmidhofer (tatsächliche Berichtigung) ........................................................    135

Peter Weidinger ......................................................................................................    135

Mag. Yannick Shetty ...............................................................................................    137

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ...........................................................................................    138

Martina Diesner-Wais .............................................................................................    139

Dr. Gudrun Kugler ..................................................................................................    140

Vizekanzler Mag. Werner Kogler ...........................................................................    141


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 8

Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Steger, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Wahrung der Menschenrechte – keine Zwangsimpfung für Sport­ler“ – Ablehnung ........................................................................................  133, 142

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 822 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend „Förderung der Menschenrechte durch Sport und große Sportereignisse“ (178/E) ...........................................................................................    142

15. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Re­gierungsvorlage (796 d.B.): Bundesgesetz über den Verkehr mit Düngemitteln und sonstigen Düngeprodukten (Düngemittelgesetz 2021 – DMG 2021) (815 d.B.) .....    143

RednerInnen:

Klaus Köchl .............................................................................................................    143

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich .............................................................................    144

Walter Rauch ...........................................................................................................    145

Clemens Stammler .................................................................................................    146

Irene Neumann-Hartberger ....................................................................................    146

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................    147

Ing. Manfred Hofinger .............................................................................................    148

Annahme des Gesetzentwurfes in 815 d.B. .............................................................    176

16. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den An­trag 1380/A der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzen­schutzmittelgesetz 2011 geändert wird (816 d.B.) ...................................................    149

RednerInnen:

Johannes Schmuckenschlager .............................................................................    149

Cornelia Ecker .........................................................................................................    151

Walter Rauch ...........................................................................................................    156

Dipl.-Ing. Olga Voglauer .........................................................................................    159

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................    159

Lukas Brandweiner .................................................................................................    160

Cornelia Ecker (tatsächliche Berichtigung) .............................................................    161

Julia Elisabeth Herr ................................................................................................    161

Ing. Johann Weber ..................................................................................................    163

Entschließungsantrag der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Glyphosatkennzeichnung für Lebensmittel“ – Ablehnung .....  157, 176

Annahme des Gesetzentwurfes in 816 d.B. .............................................................    176

17. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den An­trag 1413/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kein AMA Gütesiegel für Sojaimporte auf Bundes- wie auf Landesebene (817 d.B.) ...........................................................................................    164

RednerInnen:

Cornelia Ecker .........................................................................................................    164

Dipl.-Ing. Georg Strasser .......................................................................................    168

Peter Schmiedlechner ............................................................................................    170

Dipl.-Ing. Olga Voglauer .........................................................................................    171

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................    172

Ing. Josef Hechenberger ........................................................................................    174

Franz Leonhard Eßl ................................................................................................    175


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 9

Entschließungsantrag der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „AMA-Gütezeichen nur bei durchgehend gentechnikfreiem Her­stellungsprozess inklusive gentechnikfreier Fütterung“ – Ablehnung ......  165, 177

Entschließungsantrag der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „die Neue Gentechnik muss als Gentechnik behandelt werden, sonst droht gentechnisch veränderte Pflanzenwelt und unkontrolliert Gentechnik am Teller“ – Ablehnung .............................................................................  167, 177

Ablehnung der dem schriftlichen Ausschussbericht 817 d.B. beigedruckten Ent­schließung in Anlage 1 betreffend „Kein AMA Gütesiegel für Sojaimporte auf Bun­des- wie auf Landesebene“ ......................................................................................    176

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 817 d.B. beigedruckten Ent­schließung in Anlage 2 betreffend „Weiterentwicklung des AMA-Gütesiegels“ (179/E) ......................................................................................................................    176

18. Punkt: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 1558/A der Abge­ordneten Gabriel Obernosterer, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderun­gen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird (847 d.B.) ...........................................................................................................    177

RednerInnen:

Gabriel Obernosterer ..............................................................................................    177

Melanie Erasim, MSc ..............................................................................................    178

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................    179

Dr. Elisabeth Götze .................................................................................................    183

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer .................................................................................    184

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................    184

Franz Hörl ................................................................................................................    185

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Hochzeitsfeiern mit Speisen und Getränken ermöglichen“ – Ablehnung .................................................................................................  181, 187

Annahme des Gesetzentwurfes in 847 d.B. .............................................................    187

19. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Mau­rer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ge­schäftsordnungsgesetz 1975 geändert wird (1550/A) .............................................    187

RednerInnen:

Ing. Klaus Lindinger, BSc ......................................................................................    187

Mag. Jörg Leichtfried .............................................................................................    188

Dr. Susanne Fürst ...................................................................................................    189

Mag. Georg Bürstmayr ...........................................................................................    190

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................    191

Zuweisung des Antrages 1550/A an den Geschäftsordnungsausschuss ...............    192

20. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetz­buch 1974 geändert wird (1568/A) ...........................................................................    192

RednerInnen:

Mag. Jörg Leichtfried .............................................................................................    193


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 10

Mag. Johanna Jachs ...............................................................................................    193

Christian Ries ..........................................................................................................    194

David Stögmüller ....................................................................................................    195

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ..........................................................................    196

Zuweisung des Antrages 1568/A an den Justizausschuss ......................................    197

21. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch 1974 ge­ändert wird (1523/A) .................................................................................................    197

RednerInnen:

Mario Lindner ..........................................................................................................    197

Mag. Maria Smodics-Neumann .............................................................................    198

Dr. Ewa Ernst-Dziedzic ...........................................................................................    199

Mag. Yannick Shetty ...............................................................................................    200

Zuweisung des Antrages 1523/A an den Justizausschuss ......................................    201

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1635/A)

August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Arbeitsmarkt­servicegesetz geändert werden (1636/A)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend flächendeckende und niederschwellige Kurse für digitale Kompetenz (1637/A)(E)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beweissicherung bei häusli­cher Gewalt (1638/A)(E)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend die dramatische Unterdotie­rung der Gerichtsmedizin in Österreich (1639/A)(E)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (1640/A)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Familien unterstützen – Wirtschaft stärken: Bessere Qualität und höhere Investitionen in Kinderbetreuung und elementare Bildung! (1641/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ende der Gewalt gegen Frauen! (1642/A)(E)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Recht und Würde intergeschlechtlicher Kinder dürfen nicht weiter verletzt werden (1643/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend aktueller Bericht zur Situation von Frauen in Österreich (Frauenbericht) (1644/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 11

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung einer neuen Familien­arbeitszeit (1645/A)(E)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Neue Gentechnik muss als Gentechnik behandelt werden, sonst droht gentechnisch veränderte Pflanzen­welt und unkontrolliert Gentechnik am Teller (1646/A)(E)

Mag. Michaela Steinacker, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, die Rechtsanwaltsordnung, das 1. COVID-19-Justiz-Begleitge­setz und das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz geändert werden (1647/A)

Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz über Änderungen des Bundes-Verfassungsgesetzes, des COVID-19 Begleitgesetzes Vergabe und des Verwaltungsrechtlichen COVID-19-Begleit­gesetzes sowie das Außerkrafttreten einiger Verfassungsbestimmungen (1648/A)

Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz 2012, das KommAustria-Ge­setz, das Presseförderungsgesetz 2004, das Publizistikförderungsgesetz 1984 und das ORF-Gesetz geändert werden (1649/A)

Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasche Umsetzung der UPR Empfehlungen (1650/A)(E)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verschwinden von Kin­dern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung (1651/A)(E)

Bettina Zopf, Barbara Neßler, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird (1652/A)

Gabriel Obernosterer, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das KMU-Förderungsgesetz und das Garantiegesetz 1977 ge­ändert werden (1653/A)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Neue Gentechnik muss als Gentechnik behandelt werden, sonst droht gentechnisch veränderte Pflanzen­welt und unkontrolliert Gentechnik am Teller (1654/A)(E)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr Information bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln für mehr Entscheidungsfreiheit der KonsumentInnen (1655/A)(E)

Karl Mahrer, Sabine Schatz, Mag. Eva Blimlinger, Dr. Stephanie Krisper, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Aktionsplan gegen Rechtsextremismus (1656/A)(E)

Karl Mahrer, Mag. Georg Bürstmayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, das Niederlassungs- und Auf­enthaltsgesetz, das BFA Verfahrensgesetz und das Asylgesetz 2005 geändert werden (1657/A)

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Mag. Meri Disoski, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird (1658/A)

August Wöginger, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Arbeitsmarkt­servicegesetz geändert werden (1659/A)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 12

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche So­zialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (1660/A)

Mag. Michael Hammer, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Bekämpfung pandemiebedingter Armuts­folgen (COVID-19-Gesetz-Armut) geändert wird (1661/A)

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Suchtmittelgesetz, das Epidemiegesetz 1950 und das COVID-19-Maßnahmengesetz geändert werden (1662/A)

Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz und das Gesundheits- und Ernährungs­sicherheitsgesetz geändert werden (1663/A)

Maria Großbauer, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz und das Bundesge­setz über die Errichtung eines Fonds für eine Überbrückungsfinanzierung für selbstän­dige Künstlerinnen und Künstler geändert werden (1664/A)

Gabriela Schwarz, Bedrana Ribo, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Pflegefondsgesetz und das COVID-19-Zweckzuschussgesetz geändert werden (1665/A)

Dr. Elisabeth Götze, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Prüfung von Maßnahmen zur Erhöhung der Frauenquote in börsenno­tierten Unternehmen“ (1666/A)(E)

Tanja Graf, Alois Stöger, diplômé, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz geändert wird (1667/A)

Rebecca Kirchbaumer, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über eine COVID-19 Förderung für betrieb­liche Testungen (Betriebliches Testungs-Gesetz – BTG) geändert wird (1668/A)

Gabriel Obernosterer, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatz­steuergesetz 1994 und das Alkoholsteuergesetz geändert werden (1669/A)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gendergerechte Medizin (1670/A)(E)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufschub des Endes der gesetzlichen Corona-Kreditstundungen (1671/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aussteuerungssystem des ÖVP-Wirtschaftsbundes gegen Arbeitslosen in Österreich in Zeiten der Corona-Ar­beitsmarktkrise (1672/A)(E)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherheit bei der Berufs­ausübung – Definitivstellung nach 4 Jahren (1673/A)(E)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Pauschalierte Zulagen und Ne­bengebühren müssen Bestandteil des Grundbezuges werden (1674/A)(E)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 13

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ballungsraumzulage für arbeits­intensive Polizeidienststellen (1675/A)(E)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Absicherung für 50+ Bediens­tete im Sicherheitsbereich (1676/A)(E)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der Polizeiausbildung (1677/A)(E)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gendergerechte Medizin (1678/A)(E)

Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend Datensparsamkeit statt Grüner Pass (1679/A)(E)

Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend Generalamnestie bei men­schenrechtswidrigen COVID-19-Strafen (1680/A)(E)

Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines Verbotsge­setzes für den politischen Islam (1681/A)(E)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aktion 100.000 gegen die Corona-Langzeitarbeitslosigkeit (1682/A)(E)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasche Durchführung einer Impfstudie betreffend Schwangere und Kinder (1683/A)(E)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend rasche Durchführung einer Impfstudie betreffend Schwangere und Kinder (1684/A)(E)

Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend dringende Branchenuntersuchung durch die Bundeswettbewerbsbehörde zur Prüfung der Gründe der die Wirtschaft enorm belastenden Preissteigerungen und Kapazitätsengpässe von Roh-, Bau- und Werkstof­fen (1685/A)(E)

Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Härtefallfonds (Härte­fallfondsgesetz) geändert wird (1686/A)

Michael Schnedlitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Generalamnestie bei COVID-19-Strafen (1687/A)(E)

Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Planung künftiger Covid-Impfungen (1688/A)(E)

Maria Großbauer, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Welterbe im Denkmalschutzgesetz (1689/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend E-Mobilität bei Dienstwägen in den Bundesministerien – Umset­zung der Rechnungshofempfehlungen (6630/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 14

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend E-Mobilität bei Dienstwägen in den Bundesministe­rien – Umsetzung der Rechnungshofempfehlungen (6631/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidigung betreffend E-Mobilität bei Dienstwägen in den Bundesministe­rien – Umsetzung der Rechnungshofempfehlungen (6632/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend E-Mobilität bei Dienstwägen in den Bundesministerien – Umsetzung der Rechnungshofempfehlungen (6633/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministe­rin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend
E-Mobilität bei Dienstwägen in den Bundesministerien – Umsetzung der Rechnungshof­empfehlungen (6634/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend E-Mobilität bei Dienstwägen in den Bundesministerien – Umsetzung der Rechnungshofempfehlungen (6635/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend E-Mobilität bei Dienstwägen in den Bundesministerien – Umsetzung der Rechnungshofempfehlungen (6636/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend E-Mobilität bei Dienst­wägen in den Bundesministerien – Umsetzung der Rechnungshofempfehlungen (6637/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend E-Mobilität bei Dienstwägen in den Bundesministerien – Umsetzung der Rechnungshofempfehlungen (6638/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend E-Mobilität bei Dienstwägen in den Bundesministerien – Umsetzung der Rechnungshofempfehlungen (6639/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend E-Mobilität bei Dienstwägen in den Bundesministerien – Umsetzung der Rechnungshofempfehlungen (6640/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend E-Mobilität bei Dienstwägen in den Bundesministerien – Umsetzung der Rechnungshofempfehlungen (6641/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler be­treffend E-Mobilität bei Dienstwägen in den Bundesministerien – Umsetzung der Rech­nungshofempfehlungen (6642/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend E-Mobilität bei Dienstwägen in den Bundesministerien – Umsetzung der Rechnungshofempfehlungen (6643/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend COVID-Prognosen: Excel-Trend­analyseprognosen genauer als BMSGPK-Prognosekonsortium (6644/J)

Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Finanzierung Technische Universität Oberösterreich (6645/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 15

Mag. Felix Eypeltauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Folgeanfrage II Technische Universität Oberös­terreich (6646/J)

Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Fortführung der erfolglosen Plattform „Die Lebens­mittelhelfer“ (6647/J)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend 2-Stunden Zeitguthaben pro Nachtdienst für Pflegepersonal in Pflegeeinrichtungen (6648/J)

Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend 2-Stunden Zeitguthaben pro Nachtdienst für Pflegepersonal in Pflegeeinrich­tungen (6649/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landesverteidi­gung betreffend Homophobie und Transfeindlichkeit im Österreichischen Bundesheer (6650/J)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die Situation im Strafvollzug für transidente Personen! (6651/J)

Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend Comeback-Talk Show statt echter Politik für ArbeitnehmerInnen in Tourismus und Landwirtschaft (6652/J)

Maximilian Lercher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend „Pflege durch Angehörige im Ei­genheim“ (6653/J)

Nurten Yılmaz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Beschwerdestelle bei Misshandlungsvorwürfen gegen PolizeibeamtInnen (6654/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend Auszahlung von Kinderbetreuungsgeld 2020 (6655/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frau­en, Familie, Jugend und Integration betreffend Bezug des Kinderbetreuungsgeldes in Wien 2020 (6656/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend Bezug des Kinderbetreuungsgeldes in Vorarl­berg 2020 (6657/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend Bezug des Kinderbetreuungsgeldes in Ti­rol 2020 (6658/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend Bezug des Kinderbetreuungsgeldes in der Steiermark 2020 (6659/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 16

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend Bezug des Kinderbetreuungsgeldes in Salz­burg 2020 (6660/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend Bezug des Kinderbetreuungsgeldes in Ober­österreich 2020 (6661/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend Bezug des Kinderbetreuungsgeldes in Nie­derösterreich 2020 (6662/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend Bezug des Kinderbetreuungsgeldes in Kärn­ten 2020 (6663/J)

Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration betreffend Bezug des Kinderbetreuungsgeldes im Bur­genland 2020 (6664/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Toxizität der ausgebrachten Pestizide in den USA gefährdet Pflanzen und Insekten (6665/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Land­wirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend Toxizität der ausgebrachten Pestizide in den USA gefährdet Pflanzen und Insekten (6666/J)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Schulabbruch aus Resignation (6667/J)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Lauter Einser – aber kein Platz im Gymna­sium“? (6668/J)

Hermann Brückl, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Krankenstandstage von Schulpersonal infolge von Covid-Impfungen (6669/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend Häftling floh nach Zahnarztbesuch (6670/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend Fußfessel wird ausgeweitet, Reform des Strafvollzugs im Herbst (6671/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betref­fend AMS-Förderungen für Scheinfirmen im Bundesland Steiermark (6672/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betref­fend Arbeitsinspektoratsüberprüfung bei Scheinfirmen im Bundesland Steiermark (6673/J)

Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Pflege: Wir brauchen einen Pakt gegen die Einsamkeit (6674/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Sozia­les, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Vereinbarung zwischen Be­hindertenanwalt und Wiener Linien zu U4-Station (6675/J)

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend AMS-Förderungen für Scheinfirmen im Bundesland Tirol (6676/J)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 17

Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Ar­beitsinspektoratsüberprüfung bei Scheinfirmen im Bundesland Tirol (6677/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend früherer Bundeseinsatztrainer der Polizei initiiert Projekt gegen Gewalt an Frau­en (6678/J)

Rosa Ecker, MBA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend versprochener Maßnahmen gegen Gewalt für besonders gefährdete Frauen (6679/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Entlassung einer Grazer Notärztin aufgrund ihrer Meinung zur CoV-Impfung (6680/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend Projekte „ticket2west“ (6681/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit betreffend AMS Termin nur mit Impfung, Testung oder Genesung? (6682/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für So­ziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend grüner Sozialminister für Vermögens- und Erbschaftssteuern (6683/J)

Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Auch Daten im Befund von Gurgeltests sind nicht fälschungssicher (6684/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend EU-Pläne für einen verwässerten Wein (6685/J)

Peter Schmiedlechner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend EU-Pläne für einen verwässer­ten Wein (6686/J)

Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend brandgefährlich eingestufter Terrorverdächtiger enthaftet (6687/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Megaskandal um PCR-Tests in Tirol und Österreich (6688/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend kein Neubau der Luegbrücke gegen den Willen der Bevölkerung (6689/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen (5851/AB zu 5906/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (5852/AB zu 5925/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (5853/AB zu 5924/J)

des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (5854/AB zu 5920/J)


 


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 18

10.06.16Beginn der Sitzung: 10.06 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures.

10.06.17*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Werte Abgeordnete, ich darf Sie recht herzlich zur 107. Sitzung begrüßen, die ich somit eröffne.

Als verhindert gemeldet sind heute die Abgeordneten Kira Grünberg, Claudia Plakolm, Dr. Christian Stocker, Mag. Karin Greiner, Ing. Norbert Hofer, Ing. Mag. Volker Reifen­berger und Michel Reimon, MBA.

Ich begrüße auch die Damen und Herren der Journalistik – das habe ich vorhin verges­sen – und vor allem die Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen recht herz­lich.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat uns das Bun­deskanzleramt folgende Vertretungsmitteilung gemacht:

Bundesministerin für EU und Verfassung Mag. Karoline Edtstadler wird durch Bun­desministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration MMag. Dr. Susanne Raab ver­treten.

*****

Wie üblich wird die Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr, anschließend von ORF III bis 19.15 Uhr und dann bis zum Ende der Sitzung in der TVthek kommentiert übertragen.

10.07.09Fragestunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Sie wissen, wie die Fragestunde abläuft. Die Fragen werden jeweils von den beiden Rednerpulten vorne gestellt.

Die Redezeit für die Anfrage und die Zusatzfrage ist jeweils mit 1 Minute begrenzt. Die Beantwortung der Anfrage durch Bundesminister Faßmann soll 2 Minuten, jene der Zu­satzfragen jeweils 1 Minute nicht übersteigen.

Bildung, Wissenschaft und Forschung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, ich darf Sie bitten, in die Mit­te zu kommen. Die 1. Anfrage stellt Herr Abgeordneter Taschner. – Bitte.


10.07.45

Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Covid-Pandemie dürfte jetzt wirklich einem Ende entgegengehen, und das ist eine wunderbare Nachricht. In einem Jahr, wenn wir wieder dastehen, wird sich aber, davon bin ich überzeugt, niemand mehr so richtig an Covid zurückerinnern können, es wird einfach vergessen werden.

Man hat gesagt, es wird eine Lost Generation geben. Das ist natürlich ein großer Blöd­sinn, es wird keine Lost Generation geben! Es ist eigentlich sehr gut gelungen, dass wir gut durch die Krise – auch im Unterrichtsbereich – gekommen sind. Was unter


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Umständen aber bleiben wird, und die Gefahr besteht, ist, dass das bei den Kindern psychische Schäden hinterlassen hat und dass Lernrückstände geblieben sind.

Die Frage ist: Was werden Sie, Herr Bundesminister, unternehmen, um diesen psychi­schen Belastungen und diesen Lernrückständen entgegenwirken zu können?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 79/M, hat folgenden Wortlaut:

„Was unternehmen Sie, um durch die Covid-19 Pandemie bedingten Lernrückständen und vermehrten psychischen Belastungen entgegenzuwirken und den Schüler/innen und Schulen noch bessere psychologische Unterstützung anzubieten?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Danke schön, Herr Abgeordneter Taschner. Ich danke Ihnen auch dafür, dass Sie gleich negiert haben, dass man da von einer Lost Generation sprechen soll. Ich mache das ebenso, weil Worte und Bilder Realitäten erzeugen, und wir tun dieser Generation nichts Gutes, wenn wir ihr dauernd vorsagen: Ihr seid verloren, ihr seid eine Coronageneration, ihr seid eine abgehängte Generation!

Ganz im Gegenteil, ich denke, diese Generation hat in dieser unglaublich schwierigen Zeit viel gelernt: Selbstorganisation, was Solidarität bedeutet, was es bedeutet, mit einer fehlenden Zeit- und Sinnstruktur, die uns die Schule vermittelt, umzugehen. Da ist also letztlich viel gelernt worden.

Ich nehme auf der anderen Seite die Studienergebnisse der Kollegen Plener, Pieh, aber auch Spiel sehr ernst und sage, da gibt es Lernrückstände und da gibt es auch psychi­sche Belastungen.

Was wir machen, ist, dass wir auf die Schulpsychologie setzten. Wir haben bundesweit 27 zusätzliche Vollstellen geschaffen, das ist immerhin eine Ausweitung der Schulpsy­chologie um 18 Prozent des derzeitigen Bestandes.

Wir sagen auch der Schulpsychologie, dass man nicht warten möge, bis man gebraucht wird, sondern aktiv an die Schulen herantreten solle, also telefonieren und sagen: Gibt es bei Ihnen Probleme? – Es soll also eine Erhöhung der Präsenz an der Schule, erhöhte Wirksamkeit, aufsuchende Schulpsychologie geben. Wir haben auch eine bundesweite, einheitliche Hotline eingerichtet und installiert, die auch abends und an Samstagen er­reichbar ist.

Für uns ist diese Schulpsychologie ein ganz wichtiges Instrument, um vielleicht nachher die psychischen Belastungen aus der Welt zu schaffen – und ich glaube, auch ein pro­bates Instrument.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Nein.

Dann stellt Frau Abgeordnete Yılmaz die nächste Zusatzfrage. – Bitte.


Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Apropos Lernrückstände und psychische Belastungen: Ich komme auf unser Gespräch in der letzten Sitzung des Bildungsausschusses zurück, in dem ich die Anfrage gestellt habe, was mit den Mika-D-Schülerinnen und -Schülern passiert. Wird es auch für sie eine Erleichterung geben? Sie haben zu meiner Kollegin Hammerschmid gesagt: Wir nehmen


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es mit!, aber was passiert mit jenen, die schon zum zweiten Mal nicht durchkommen? Haben Sie sich etwas – Erleichterungen – für diese Schülerinnen und Schüler überlegt?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Der Mika-D-Test ist ja keine Note, die vergeben wird und entscheidet, ob man aufsteigt oder nicht. Der Mika-D-Test ist ein Leistungsfeststellungstest, der uns eine Rückmeldung gibt – der Schule, aber auch den Schülern selber –, inwieweit Deutschfördermaßnah­men gefruchtet haben. Dahin gehend gibt es kein Durchfallen, sondern es gibt eine Be­wertung mit ausreichend, mangelhaft oder ungenügend. Wir sehen aus dem Mika-D-Test, der jetzt durchgeführt worden ist – er wird aber im Herbst noch einmal durchgeführt werden –, dass in etwa ein Drittel aller, die in Deutschförderklassen waren, diese Deutschförderklassen nach einem Semester verlassen können. Der Mika-D-Test zeigt also, dass das Lernen der deutschen Umgangssprache trotz Covid und Pandemie funk­tioniert hat – nicht bei allen, aber bei vielen, bei einem hohen Prozentsatz.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Gibt es keine Nachfrage?


Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Die zweite Frage habe ich gestellt gehabt: Was passiert mit jenen Kindern, die zum zweiten Mal durchfallen? – Das ist keine Zusatz­frage.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Frau Yılmaz, noch einmal: Sie fallen nicht durch, sondern sie haben beim zweiten Mal – das meinen Sie vielleicht – ein ungenügendes Testresultat erhalten, also einmal im Win­tersemester und einmal im Sommersemester. Was passiert? – Im nächsten Winterse­mester verbleiben sie in der Deutschförderklasse.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Holz­leitner. – Bitte sehr.


10.13.06

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Guten Morgen, Herr Minister! Ganz kurz noch off topic: Heute ist der letzte Tag der ÖH-Wahlen, daher ist, glaube ich, ein Aufruf an alle Studierenden, unbedingt wählen zu gehen, etwas ganz Wesentliches – ich muss das jetzt in Ihre Richtung machen, vom FragestellerInnenpult aus.

Grundsätzlich ist aber zu den Studierenden auch zu sagen, dass die Krise gerade für sie eine extrem belastende Situation war: digitaler Unterricht an den Hochschulen, reduzier­ter Betrieb, der Wegfall von sehr, sehr vielen Studijobs – viele haben zum Beispiel durch geringfügige Beschäftigungen keine finanziellen Hilfen aus der Kurzarbeit bekommen, aber trotzdem Studiengebühren, Endgeräte zahlen müssen. Die ÖH hat dann von sich aus einen Härtefallfonds auf die Beine gestellt und Initiativen gesetzt. Deswegen ist mei­ne Frage:

85/M

„Welche Hilfeleistungen sind von Ihrer Seite für die österreichischen Studierenden zur Bewältigung der Pandemie-bedingten persönlichen und finanziellen Belastungen ge­plant?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Danke schön, Frau Holzleitner – ich unterstütze auch Ihren Appell und Ihren Aufruf, zur Wahl zu gehen. Ich glaube, es ist extrem wichtig, eine durch Wählerstimmen legitimierte studentische Interessengruppierung zu haben. Gestern war ich an der WU und habe gesehen, wie schwach der Zulauf ist. Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass


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wir eine 50-prozentige Wahlbeteiligung haben. Wir sind ganz, ganz weit davon entfernt. Deswegen ist Ihr Appell nur zu unterstreichen.

Was tun wir, was haben wir getan, um die persönlichen und finanziellen Belastungen der Studierenden während dieses Coronajahres – des letzten Sommer- und des letzten Wintersemesters – zu mildern? – Natürlich war es ein schwieriges Semester für die Stu­dierenden, gar keine Frage, auch wenn das Studieren funktioniert hat, aber der Wegfall des studentischen Lebens insgesamt, Freunde nicht mehr zu treffen, auch nicht mehr zu erleben, was Rückhalt heißt - - (Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glo­ckenzeichen.) – Das ziehen Sie mir jetzt aber von der Zeit ab, bitte!

Das alles ist ganz wichtig. Wir haben daher eine wichtige Sache gemacht, die ich noch anbringen möchte, auch wenn Sie mich nicht unmittelbar gefragt haben: Wir haben die psychologische Studierendenberatung massiv ausgebaut, weil sie funktioniert und professionell ist. Dorthin können sich Studierende wenden, wenn sie so etwas wie Zu­kunftssorgen, Zukunftsängste haben. Dafür ist sie da, dafür soll sie auch frequentiert werden.

Hinsichtlich der finanziellen Belastungen möchte ich daran erinnern, dass wir im Som­mersemester die Fristen zur Leistungserbringung und Förderdauer bei der Studienbei­hilfe um ein Semester gestreckt haben – wir haben das Semester sozusagen zu einem neutralen Semester erklärt. Das kostet den österreichischen Steuerzahler grob gesagt 80 Millionen Euro, also durchaus eine gewaltige Summe. Wir erachten das aber dennoch als sinnvoll, damit Studierende in dieser Zeit nicht noch zusätzlichen finanziellen Stress erhalten.

Sie implizieren in Ihrer Frage auch: Was machen Sie für den studentischen Arbeits­markt? – Dazu muss ich Ihnen ganz offen sagen: Da tue ich mir schwer, denn Sie haben offensichtlich einen gewissen Optimismus hinsichtlich meines Kompetenzbereichs, aber da hört mein Kompetenzbereich auf, nämlich dabei, Arbeitsmarktpolitik zu betreiben – wir können den Studenten nur unmittelbar helfen.

Der von Ihnen angesprochene Härtefallfonds ist von meinem Haus aufgestockt worden – ich glaube, um die Hälfte; er ist also nicht nur ein Verdienst der ÖH, sondern auch des Hauses –, um genau in jenen Härtefällen Abhilfe schaffen zu können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Die erste Initiative für diesen Härte­fallfonds ist aber von der ÖH gekommen, und dann erst hat Ihr Haus reagiert. Der erste Schritt war trotzdem von der ÖH, weil die Bundesregierung doch eine Zeit lang irgendwie nicht so auf die Studierenden geschaut hat – um das optimistisch zu sagen. Dann haben Sie nachgezogen, was schon richtig war, aber wie gesagt, der erste Schritt ist von der ÖH gekommen.

Meine Zusatzfrage bezieht sich auf die Studiengebühren, und zwar: Aus welchem Grund werden die Studiengebühren für die von der Pandemie betroffenen Semester – das sind ja mittlerweile schon mehrere – nicht als einfache Hilfeleistung rückerstattet? Ich glaube, es wäre eine sehr niederschwellige und leichte Übung, die Studiengebühren für diese doch sehr schwierigen Semester, die wir jetzt hinter uns haben, rückzuerstatten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Frau Holzleitner, ich will jetzt nicht beginnen, mit Ihnen darüber zu diskutieren, wer den ersten Schritt gesetzt oder wer den ersten Stein geworfen hat. Das ist für mich eigentlich auch uninteressant – Hauptsache, es geschieht in diesem Bereich etwas, und dahin ge­hend sollten wir beide zufrieden sein. (Beifall der Abg. Pfurtscheller.)


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Warum haben Sie die Studiengebühren nicht erlassen? – Das ist eine einfach zu beant­wortende Frage: weil das Studieren funktioniert hat. Wir haben ein Plus von 1,6 Prozent an prüfungsaktiven Studierenden – Studierende konnten also in einem vermehrten Aus­maß, wenn Sie so wollen, die Ernte ihrer Teilnahme am Unterricht einbringen. Wir haben eine Rekordzahl an Absolventen: plus 3,5 Prozent an Graduierten. Dahin gehend haben die Universitäten und die Hochschulen alle ihre Leistungen erbracht, und daher ist es auch legitim, zu sagen: Die, die lange studieren – das gilt ja nur für Langzeitstudierende und Drittstaatenangehörige –, zahlen ihre Studiengebühren. Ich wüsste nicht, warum man für eine erbrachte Leistung nicht auch etwas verlangen darf.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Kauf­mann. – Bitte.


Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Guten Morgen, Herr Minister, auch von meiner Seite! Sie haben schon den ÖH-Härtefallfonds und auch dessen zweigeteilte Finanzierung angesprochen. Das heißt, für die Studierenden ist etwas geschehen, die ÖH hat etwas für ihre Mitglieder gemacht. Jetzt ist meine Nachfrage – die Wahlbeteili­gung ist von Ihnen auch schon angesprochen worden –: Wie beurteilen Sie die Rolle der ÖH, da die Wahlbeteiligung schon vor Corona nicht hoch war und jetzt mit Corona wahr­scheinlich nicht höher sein wird? Wie war die Rolle bisher, und wie werden Sie sie in Zukunft einschätzen?


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Frau Abgeordnete, ich habe das in einem Interview einmal gesagt: Ich glaube, es steht einem Minister nicht gut an, Tipps und Ratschläge für die Politik der Interessenvertre­tungen zu geben. Die ÖH selbst muss sich finden und überlegen, wie sie ein überzeu­gendes Angebot für die Wähler und Wählerinnen machen kann. Das ist, glaube ich, in erster Linie die Verpflichtung der ÖH selbst.

Was wir tun können, das haben wir getan. Wir haben Aufrufe in den sozialen Medien gemacht. Wir haben ein gemeinsames Schreiben der ÖH-Vorsitzführung und des Minis­teriums veranlasst, die Studierenden informiert, versucht, sie zu motivieren. Wir haben die Wahltage vorverlegt, damit sie nicht im Stress der Prüfungstage untergehen, und wir haben eben auch bei der ÖH-Wahl die Briefwahl eingeführt und sie auch propagiert.

Hoffentlich reicht es aus. Wenn nicht, muss man überlegen, wie man weiterhin die Idee einer Interessenvertretung promoten kann. Ich halte es für eine wichtige Sache.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordneter Brückl. – Bitte.


10.20.44

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Schönen guten Morgen, Herr Bundesmi­nister! Herr Bundesminister, Auslöser und Verursacher der größten Probleme, die wir im Bildungsbereich in den vergangenen drei Schulsemestern im Zuge der Coronapandemie hatten, waren die sogenannten Schulschließungen.

Einerseits waren die Eltern überbelastet, überfordert, es waren Lehrer zum Teil über­fordert, andererseits haben Kinder, Schüler massiv unter der Situation gelitten, und zwar erstens aufgrund der mangelnden oder fehlenden Bewegung, der Bewegungsarmut, die vorhanden war, weil es keinen Sportunterricht gab. Es waren zweitens die fehlenden sozialen Kontakte, die massiv auf die Kinder und die Schüler eingewirkt haben, und es war zum Dritten auch der psychisch-gesundheitliche Aspekt. Alleine die Tatsache – wir kennen diese Zahlen –, dass nahezu jeder fünfte Schüler, jeder fünfte Jugendliche im Zuge dieser Coronakrise Suizidgedanken gehegt hat, ist erschreckend.

Herr Bundesminister, daher meine Frage:


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83/M

„Wie werden Sie sicherstellen, dass künftig flächendeckende Schulschließungen verhin­dert werden?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Herr Brückl, ich teile Ihre Einleitung und auch die Intention, die mit Ihrer Fragestellung verbunden ist. Sie wissen ganz genau, dass ich Schulschließungen, aber auch Verände­rungen beim Präsenzunterricht immer nur als eine Ultima Ratio in einem Infektionsge­schehen empfunden habe. Ich glaube, auch das Hohe Haus weiß, dass ich immer für das Offenhalten der Schule eingetreten bin, auch immer auf der Suche nach der Balance zwischen dem Gesundheitsschutz auf der einen Seite, den wir realisieren und wahrneh­men müssen, und dem Recht auf Bildung auf der anderen Seite. Ich glaube, da gibt es keinen Dissens, auch keinen im Hinblick darauf, dass Sie mir das nicht abnehmen.

Was haben wir getan und was können wir tun, um diese flächige Schulschließung zu verhindern? Ich sage Ihnen, das eine ist das Testen. Das systematische Testen hat uns sehr geholfen, die dritte Welle zu durchbrechen. Herr Brückl, es ist kein Zufall, dass nicht nur Staaten, sondern auch unterschiedliche andere gesellschaftliche Bereiche unser Modell der anterio-nasalen Antigentests kopieren und in ihre Systeme einführen.

Ich kann Ihnen weiters sagen, flächige Schulschließungen werden durch das Impfen verhindert werden. Es freut mich, dass die Lehrer und Lehrerinnen eine hohe Impfbe­reitschaft haben und die hohe Impfbereitschaft auch realisieren. Die Zahlen, die manch­mal durch Medien geistern, sind keine realen Zahlen, weil es leider auch keine gute Statistik darüber gibt.

Wir haben auch in Abstimmung damit Hygienekonzepte in der Schule eingeführt. Ich weiß, Herr Brückl, Sie treten immer für die Luftfilteranlagen ein. Ich habe Ihnen auch gesagt, ich stehe dem vollkommen, wenn Sie so wollen, technologieneutral gegenüber. Wenn sie wirken und das belegt werden kann, dann werden wir die einsetzen. Wenn das traditionelle Öffnen eines Fensters mindestens genauso effizient ist, dann würde ich sa­gen, wir machen das. Da laufen unterschiedliche Erprobungsphasen.

Das aber sind die wesentlichen Elemente: Testen, Impfen, Hygiene und weitere flankie­rende baulich-physische Maßnahmen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Bundesminister, jetzt haben Sie das Testen angesprochen, auch die Hygienemaßnahmen. Wir haben in vielen thematischen Bereichen ja durchaus einen ähnlichen Zugang. Es geht ja nicht nur um den Einsatz von Luftfiltern, Sie wissen, wir vertreten ein alternatives Konzept, das das Testen und das Maskentragen im Unterricht unnötig macht.

Jetzt testen wir in der Schule, jetzt dürfen auch 17-jährige SchülerInnen Ninja-Pickerln sammeln. Ich weiß nicht, ob das große Freude bei diesen SchülerInnen hervorruft, aber es wird getestet. Gleichzeitig aber, Herr Bundesminister, verordnen Sie auch noch das Tragen der Maske in der Klasse. Die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme ist nicht nach­vollziehbar. Einerseits wird getestet, die Schüler sind negativ, aber sie müssen trotzdem wieder die Maske im Unterricht tragen. Das ist etwas, was wir ablehnen.

Herr Bundesminister, meine Frage dazu: Wann beenden Sie diesen Maskenzwang für unsere Schüler in den Klassen, oder werden Sie ihn überhaupt beenden?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.



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Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Die Pandemie ist leider eine sehr dynamische Erscheinung unserer Gesellschaft. Ich habe es bemerkenswert gefunden, dass auch manche Epidemiologen und Virologen nicht sagen konnten, warum plötzlich die dritte Welle gebrochen wurde und wir uns Gott sei Dank auf einem exponentiell absteigenden Ast der Infektionszahlen befinden.

Keiner – Herr Brückl, auch nicht Sie und auch nicht ich – kann vorhersagen, was die jetzt vorgenommenen bedeutsamen, signifikanten Öffnungsschritte für das Infektionsgesche­hen bedeuten werden. Dahin gehend sage ich, ein klein wenig Vorsicht ist geboten. Die Pandemie ist noch da, sie ist in der Gesellschaft, die Infektionszahlen der 6- bis 14-Jäh­rigen liegen leider noch über dem Durchschnitt der Bevölkerung. Gehen Sie mit mir und sagen Sie: Ja, ein klein wenig Vorsicht sollten wir walten lassen!

Wenn es geht, sage ich Ihnen, wird es keinen Widerstand – auch nicht im System – geben, die Maske abzulegen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nachfrage: Frau Abgeordnete Totter. – Bitte.


Abgeordnete MMag. Dr. Agnes Totter, BEd (ÖVP): Guten Morgen, Herr Minister! Durch regelmäßige Testungen und Hygienemaßnahmen wird eben sichergestellt, dass eine Schulschließung nur die letzte Maßnahme bleibt. Als Schulleiterin kann ich eines mit Sicherheit rückmelden: dass unsere Schulen mit diesen Tests, aber auch mit Mund-Nasen-Schutz für Lehrerinnen und Lehrer wirklich ausreichend gut ausgestattet sind – vielen Dank auch dafür.

Die Lieferungen kommen immer pünktlich in die Schulen, und diese anterior-nasalen Tests werden auch sehr gut angenommen. Sie geben nicht nur den Schülerinnen und Schülern, sondern auch den Pädagoginnen und Pädagogen und in weiterer Folge auch den Eltern tatsächlich die nötige Sicherheit.

Nun meine Frage, Herr Minister: Welche weiteren Möglichkeiten neben dem Schulbe­such eröffnen sich Kindern, die an den Schultestungen regelmäßig teilnehmen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Danke, Frau Abgeordnete, für Ihre freundliche Einleitung, letztlich auch für Ihre Frage! Die Möglichkeiten, die man jetzt mit den Schultestungen kombinieren kann, sind zahl­reich: gemeinsam Eis essen, in die Tanzschule gehen, das Schwimmbad aufsuchen, Sport betreiben, Basketball spielen – all das wird möglich sein.

Herr Abgeordneter Brückl, weil Sie die Sache mit dem Testpass erwähnt haben: Ja, ich sage, dieser Testpass mit seiner durchaus kindgerechten Gestaltung ist nicht mehr ganz meine Schuhnummer, passt wahrscheinlich altersmäßig auch nicht mehr ganz zu mir selbst, da haben Sie schon recht. Ich muss Ihnen aber sagen, wir haben darüber nach­gedacht, wie wir das organisieren können, und für mich war die schlimmste Vorstellung, dass Hunderte von Schülern vor dem Schulsekretariat stehen und sagen: Heute am Nachmittag habe ich Basketballtraining, ich brauche eine Schulbestätigung!, die dann der Lehrer, der den Test beobachtet hat, ausstellen muss und die dann noch von der Schulsekretärin abgestempelt werden muss. Wahrscheinlich müsste dann noch eine Kopie angefertigt werden, damit alles rechtens ist; diese Kopien müssten dann auch noch archiviert werden.

Wissen Sie, das war für mich alles eine bürokratische Vorstellung, bei der ich gesagt habe: Bitte nicht! – Wir haben daher diesen Ninja-Pass gemacht, den Sie vielleicht als kindisch empfinden, aber ich sage Ihnen, er wird sehr gut angenommen. Das Spieleri­sche in uns selbst, auch beim Sammeln von Rabattmarken, ist überraschend. Sie ken­nen das vielleicht, wenn Sie selbst einkaufen gehen und schauen, wo man was einspa­ren kann. Also der Ninja-Pass wird gut angenommen, er eröffnet zahlreiche Möglichkeiten,


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und wir haben damit, glaube ich, einen Schritt gesetzt, der auch motivierend ist, an diesem Testsystem teilzunehmen.

Ich bedanke mich für die Fragestellung, Frau Abgeordnete Totter, ich glaube, weil sich damit so viele weitere Möglichkeiten eröffnen, wird das auch weiterhin gut funktionieren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Ha­mann. – Bitte.


10.29.18

Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Schönen guten Morgen, lieber Herr Minister! Ich möchte ein bisschen von den aktuellen Coronaproblemen wegkommen, hin zu allgemeinen gesellschaftspolitischen Problemen, die ja in Coronazeiten leider nicht Pause machen.

Das Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist ein großes, eines, das mit den Rol­lenbildern in unserer Gesellschaft viel zu tun hat, und ein Problem, das schon im Ju­gendalter beginnt, weshalb man schon früh mit der Präventionsarbeit ansetzen muss. Meine Frage in Bezug auf das große Gewaltschutzpaket, das wir ja auch auf den Weg gebracht haben, lautet: Was für Aktivitäten wird es in Richtung Förderung von zum Beispiel gendersensibler Mädchen- und Burschenarbeit geben, speziell auch an den Schulen?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 90/M, hat folgenden Wortlaut:

„Planen Sie als Teil des Einsatzes der Bundesregierung gegen Gewalt an Mädchen und Frauen auch im Bereich der Gewaltprävention – Stichwort gendersensible Mädchen- und Bubenarbeit – verstärkte Bemühungen in den Schulen?“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Minister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Danke schön für die Frage – ich halte Gewaltprävention in den Schulen für extrem wich­tig. Da ist die Schule mit Sicherheit der richtige Ort: Je früher man damit anfängt, desto besser. Womit anfangen? – Eben mit Gewaltprävention, mit dem Lernen davon, wie man mit Konflikten umgehen kann – verbal, ausdiskutierend, moderierend oder eben gewalt­tätig –, aber auch, wie man mit ganz spezifischen Buben-, Männerbildern umgehen kann. Gerade diese Gewalt gegen Frauen ist nämlich auch ein Produkt eines spezifi­schen Männer- und Rollenbildes, und betreffend das Durchbrechen von solchen Män­ner- und Rollenbildern kann ich nur sagen: Je früher – betreffend das Lebensalter – man damit anfängt, desto besser.

In meinem Haus gibt es einen Grundsatzerlass – Reflexive Geschlechterpädagogik und Gleichstellung –, und darin sind Sexismus und geschlechterbezogene Gewalt ein be­deutsames Kapitel. Wir schauen auch, dass dieser Grundsatzerlass umgesetzt wird – (in Richtung Abg. Hamann) du weißt es, mit den Unterrichtserlässen ist es immer so eine Sache, weil sich am Ende des Weges keiner zuständig fühlt. Wir bauen sie auch in die Lehrpläne ein und sagen, wo das zu geschehen hat: Geschichte und Sozialkunde, Geo­grafie und Wirtschaftskunde – Rollen und Menschenbilder im geografischen Vergleich –, all das ist möglich.

Wir haben auch eine Handreichung, die sich mit dem Thema Gewalt im Namen der Ehre auseinandersetzt – das ist auch etwas, was wir erleben –, und letztlich muss ich sagen, dass der Ethikunterricht für mich ein ganz, ganz wesentliches Instrument ist, weil Ethik ohne Gewaltprävention im Unterricht nicht vorstellbar ist.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 26

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete Mag. Sibylle Hamann (Grüne): Ja, ich habe eine Zusatzfrage. – Ein an­deres Problem, das uns auch sehr beschäftigt hat, ist politischer Extremismus. Auch diesbezüglich haben wir ein Extremismuspräventionspaket geschnürt, für das es laut Ministerratsvortrag 8 Millionen Euro für Präventionsmaßnahmen gibt, speziell was politi­schen Extremismus betrifft. Wie wird sich das in den Schulen niederschlagen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Auch das, glaube ich, ist ein extrem wichtiges Thema, und die Schule befasst sich damit nicht erst seit dem letztem Jahr, seit dem Terroranschlag in Wien. Wir leben in einer Gesellschaft, die plural, manchmal auch fragmentiert ist. Wir leben in einer Gesellschaft, in der sich Gruppen konstituieren, manchmal auch mit eigenem Werte- und Normensys­tem, und wenn diese aufeinandertreffen, gibt es Gewalt, insbesondere dann, wenn es sich um extremistische Gruppen handelt. Es ist also ein wirklich wichtiges Thema.

Ich bleibe abermals dabei: Ich setze Hoffnungen in den Ethikunterricht – (in Richtung Abg. Hamann) das merkst du. Er muss dieses Thema, wie wir in der Gesellschaft mit unterschiedlichen politischen Meinungen umgehen, auch als eine Causa prima betrach­ten. Wir haben das Fach politische Bildung auch als Unterrichtsprinzip, ein wesentlicher Ort der Auseinandersetzung damit: Wohin führt Extremismus, politischer Extremismus, auch im historischen Vergleich? – Da sieht man ja immer, dass ein politischer Extremis­mus immer zu Gewaltanwendung in der Gesellschaft führt. Umgekehrt muss man auch die Dinge in den Mittelpunkt stellen, die gleichsam die Gegeninstrumente sind, wie Men­schenrechte, Anerkennung von Menschenrechten, Gleichstellung und anderes mehr.

Es gibt also viele Initiativen in den Schulen. Genauso wie bei der Gewaltprävention ist die Frage, wie man mit politischem Extremismus umgeht, für uns, glaube ich, für eine lebendige Demokratie extrem wichtig, und die Schule ist der richtige Ort dafür. (Abg. Hamann: Vielen Dank!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Küns­berg Sarre. – Bitte, Frau Abgeordnete.


10.34.02

Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Herr Minister, wir NEOS haben uns ja das gesamte letzte Jahr über sehr, sehr stark dafür eingesetzt, dass Schulen mit den entsprechenden, der jeweiligen Situation angepassten Maßnahmen offen bleiben beziehungsweise offen sind. Ich habe auch immer wieder Sie positiv erwähnt und dass wir da sehr ähnliche Positionen gehabt haben. Es war für Sie, glaube ich, manchmal auch nicht sehr leicht, sich da innerhalb der Regierung durchzusetzen, aber ich finde es sehr gut, dass Sie diese Maßnahmen beziehungsweise Begleitmaßnahmen eingeführt haben.

Ich glaube aber, dass wir jetzt langsam den Blick wieder darauf fokussieren müssen, dass wir die Schule offen halten, dass wir aber auch wieder zu einer Situation zurück­kommen, dass eben keine Masken notwendig sind und auch die Tests dann irgendwann auslaufen – es sind schon einige Punkte wie das Impfen, auch das Lüften, die Luftquali­tät genannt worden.

Welche Maßnahmen werden Sie jetzt für den Herbst setzen, damit ein sicherer, durch­gängiger Präsenzunterricht gewährleistet ist, eben in einem normalen Betrieb?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 88/M, hat folgenden Wortlaut:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 27

„Welche Maßnahmen setzen Sie und Ihr Ministerium, damit im Herbst der Vollbetrieb an den Schulen – also sicherer, durchgängiger Präsenzunterricht für alle –, bei dem es bspw. auch keine Maskenpflicht mehr in den Klassenräumen braucht, gewährleistet wird?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Danke schön auch für diese Frage. Ich muss abermals betonen: Wir waren eigentlich schulisch, bildungspolitisch erfolgreicher, als es unsere Nachbarstaaten sind. Wenn ich mir beispielsweise Deutschland anschaue und wie man dort mit einer nicht ganz glück­lichen Maßnahme, der Infektionsbremse, umgeht – ab 100 Wechselunterricht, ab 160 Schulschließungen –: Na, dann habe ich einmal für drei Tage lang eine Siebentageinzi­denz von 161, und schon kommt es zu einer Schulschließung. Das ist nicht unbedingt praktikabel, würde ich meinen. Wir haben es besser gemacht. Ich danke auch für die Unterstützung dafür, dass wir es besser machen konnten.

Wir haben auch seit Anfang Februar einen weitgehend kontinuierlichen Schulbetrieb ge­habt. Weil ich in Richtung von Herrn Hauser schaue: Wir übersehen ja manchmal in Wien, dass es in ganz Westösterreich seit Februar einen weitgehend kontinuierlichen Schulbetrieb gab – zwar mit Schichtbetrieb in der Sekundarstufe, aber es war Schule. Also dahin gehend: Danke auch für die Unterstützung, die ich durchaus erfahren habe!

Wie gehen wir im Herbst vor? – Die epidemiologische Situation im Herbst vorhersehen können wir nicht. Es kann alles gut sein, es kann sich aber auch ein ähnlicher Herbst wie im letzten Jahr abspielen. Das ist schwierig vorherzusagen. Was man vorhersagen kann, ist die hohe Durchimpfung bei den Lehrenden, ich hoffe, auch eine Akzeptanz bei den über 17-Jährigen. Wenn der entsprechende Impfstoff vielleicht auch für die über Zwölfjährigen nächste Woche, übernächste Woche anerkannt wird und es dort eine hohe Impfbereitschaft gibt, die auch realisiert werden kann, dann wird sich das, glaube ich, auch bei den Schülern verbessern.

Die einzige Gruppe, die mir Sorge bereitet, sind klarerweise elementarpädagogische Einrichtungen und Volksschulen, denn dort wird hinsichtlich der Impfung bis zum Win­tersemester nichts wirklich Relevantes vorhanden sein. Dort müssen wir überlegen, wie wir es weiter machen. Wir werden in den Sommermonaten sicherlich so etwas wie runde Tische einberufen, zu denen ich neben Kollegen aus der Wissenschaft auch die Bil­dungsvertreter der politischen Parteien einladen darf, um gleichsam Szenarien für den Herbst – gerade für die Gruppe Elementarpädagogik und Volksschule – abgrenzen zu können. Die Instrumente selber sind klar: Testen, Impfen und Hygiene.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Zum Impfen: Wenn die Impfung für die Zwölf- bis 15-Jährigen kommt, sind Sie jetzt in Gesprächen mit dem Gesundheits­minister, dass das auch Schulärzte durchführen werden, um da rasch weiterzukommen, beziehungsweise dass sie an Elga angeschlossen werden?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: El­ga ist ein eigenes Problem, darauf möchte ich jetzt nicht eingehen. Ich bin aber mit dem Gesundheitsministerium, mit Kollegen Mückstein im konstruktiven Gespräch, und wir sind beide der Meinung, das Impfangebot ist sinnvoll, es sollte genützt werden, und es sollte gleichsam niederschwellig erfolgen. Also ob jetzt mobile Impfteams in die Schulen kommen oder manchmal – in großen Schulen – vielleicht eine Impfmöglichkeit eingerich­tet wird, ist letztlich eine Sache der Organisation der Gesundheitsbehörde, aber jede Unterstützung der Gesundheitsbehörde unsererseits ist ihm, Mückstein, aber auch der Behörde sicher.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 28

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Hau­ser. – Bitte.


Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Guten Morgen, Herr Minister! Auf das eben Gesagte replizierend: Also wir als Freiheitliche Partei finden das Impfen von Kindern sehr problematisch. Da muss man wirklich sehr, sehr vorsichtig sein. Das hat jeder sel­ber zu entscheiden, sage ich Ihnen ganz ehrlich.

Unsere Position zur Öffnung der Schulen kennen Sie: Wir waren immer für offene Schu­len, aus mehreren unterschiedlichen Gründen. Jetzt ist es so: Sie haben die Schulen dann mit Testen, mit Maskenpflicht aufgesperrt – so weit, so gut, Herr Minister. Es ist aber so, dass die Masken beziehungsweise auch die Testungen an sich valide, sprich nicht gesundheitsgefährdend, sein müssen. Es gibt das Medizinproduktegesetz, und § 1 des Medizinproduktegesetzes besagt, dass die „Funktionstüchtigkeit, [...] Sicherheit und Qualität [...] von Medizinprodukten“ valide, sprich getestet und für gut befunden, sein muss.

Jetzt wurde das Medizinproduktegesetz allerdings mit § 113a ausgesetzt. Das heißt, wir hatten Testungen und wir hatten FFP2-Masken, die nicht von der Behörde auf ihre Ge­sundheitsgefährdung getestet wurden.

Das wissend, Herr Minister: Werden Sie im Herbst darauf achten, dass nur Masken und Tests, die nicht gesundheitsgefährdend sind, die auch den Empfehlungen des Medizin­produktegesetzes entsprechen, verwendet werden?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Herr Hauser, das Impfen von Kindern ist problematisch. Ich kann das nicht beurteilen. Ich spreche auch nie von einer Impfpflicht, sondern von einem Impfangebot, und ich überlasse es, wenn Sie so wollen, der Rationalität der Erziehungsberechtigten, Ja oder Nein zu sagen – nur um das klarzustellen.

Würde ich meine eigenen Kinder zu Impfungen bringen? – Dazu sage ich Ihnen: Ja, das würde ich machen, weil ich an einen wissenschaftlichen Fortschritt glaube. Ich kann mich selber noch erinnern – Sie vielleicht auch noch –: Polioimpfung. Kinderlähmung war ganz mühsam, und dann hat man sie durch eine Impfung eigentlich weitgehend aus unserem schulischen Bereich herausgebracht. (Abg. Hauser: Dazu hat es abgeschlos­sene Studien gegeben, die es bei Impfungen nicht gibt!)

Ihre eigentliche Frage: Werden Sie im Herbst dafür sorgen, dass Sie gesetzeskonform vorgehen? – Dazu kann ich nur sagen: Selbstverständlich! Ich habe keinerlei Änderun­gen des Medizinproduktegesetzes beschlossen, sondern das war letztlich das Hohe Haus. (Abg. Hauser: Nicht wir!)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Salz­mann. – Bitte.

10.41.32

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Grüß Gott, Herr Minister Faßmann, schön, dass wir uns zu dieser Fragestunde sehen! Als Pädagogin bin ich sehr froh, dass wir trotz der großen Herausforderungen durchaus gut durch dieses Pandemiejahr ge­kommen sind, auch weil Sie so besonnen reagiert haben. Wir sind seit Montag wieder alle im Präsenzunterricht, darüber sind wir sehr froh. Nun haben wir aber – das wissen wir – natürlich auch durch die Covid-Situation verursachte Lerndefizite. Sie haben im Jänner verkündet, es gibt 200 Millionen Euro für Fördermaßnahmen, die einerseits über Überstunden, andererseits über neu angestellte Lehrer, aber auch über Lehramtsstu­denten abgedeckt werden. Das bedeutet 2 Stunden pro Klasse in der Woche, und das ist ein sehr großes Förderpaket.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 29

Wie stellen Sie, Herr Minister, sicher, dass diese 200 Millionen Euro für Fördermaßnah­men zur Beseitigung dieser Lerndefizite auch tatsächlich an den Schulen ankommen?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 80/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie stellen Sie sicher, dass die rund 200 Millionen Euro für Fördermaßnahmen an Schulen zur Beseitigung von COVID-verursachten Lerndefiziten tatsächlich dort ankom­men, wo sie gebraucht werden?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Frau Abgeordnete Gertraud Salzmann, in der Tat ist das ein ordentliches Förderpaket – 200 Millionen Euro! Das sind ja Steuergelder, damit muss man auch gewissenhaft umgehen. Ich glaube aber, es ist richtig, dass wir jetzt in dieser Situation – auch danke für jede Unterstützung – den Schülerinnen und Schülern helfen.

Sie haben auch ganz zu Recht gesagt, das ist ein sehr dezentrales Instrument. 2 Stun­den pro Klasse, das sind bei einer zweizügigen vierklassigen Volksschule immerhin 16 Stunden, daraus kann man schon etwas machen. Wir haben es den Schulen in ihrer Autonomie selbst überlassen, wie sie das tun. Ob sie eine Klasse teilen, ob sie einen zusätzlichen Förderunterricht machen, ob sie einen individualisierten Förderunterricht machen, das bleibt der Schule alles autonom überlassen. Ich halte es auch für sinnvoll, so vorzugehen. Die Verwaltung selber erfolgt über die Bildungsdirektionen, die sind der schulischen Situation schon sehr viel näher, mehr vor Ort, als es der Minoritenplatz ist.

So sorge ich also dafür, dass es auch dort ankommt, wo es benötigt wird, gleichsam über die Kaskade Ministerium, Bildungsdirektion, Schulleitung.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Ich denke, das ist wirklich ganz wichtig und wird ganz sicher helfen.

Ich habe mitunter gehört, dass diese Mittel nicht zur Gänze eingesetzt werden. Können Sie das so bestätigen, beziehungsweise wird das in den Herbst verlängert, wenn man die Mittel jetzt nicht zur Gänze aufbraucht?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Ich muss betonen, dass diese Maßnahme erst seit März 2021 läuft. Wir haben jetzt Ende Mai – noch ist nicht alles verloren, ein Monat ist noch da.

In der Tat ist nicht alles ausgeschöpft, was ausschöpfbar ist, aber es ist ja kein Malheur, würde ich meinen, wenn ein größeres Angebot vorhanden ist, als dann tatsächlich auch genützt wird. Österreichweit liegt die Ausschöpfungsrate etwa bei 65 Prozent, aber das ist eine Momentaufnahme Anfang Mai, das kann sich auch noch ändern.

Ich glaube aber in der Tat, es wird nicht alles ausgeschöpft werden. Warum ist das so? – Lehrer und Lehrerinnen haben viel zu tun, und nicht jeder ist bereit, auch noch Über­stunden zu machen. Wir können auch nicht ununterbrochen Neuanstellungen vorneh­men, Sonderverträge ausgeben, denn auch da gibt es, wenn man so will, einen gewissen Erschöpfungsgrad bei der Bewältigung der Pandemie, und manchmal ist es auch so, dass das halt in Stundenpläne von Schülern nicht wunderbar hineinpasst.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 30

Also der langen Rede kurzer Sinn: Wir schöpfen es nicht zu 100 Prozent aus – macht nichts, einmal mehr zur Verfügung als ausgegeben! Im Wintersemester müssen wir das weiterführen, denn ich glaube, die Lernrückstände werden nicht jetzt im Sommerse­mester beendet sein.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Mühlberghuber. – Bitte.


Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Schönen guten Morgen, Herr Bundesmi­nister! Durch falsches Handeln der Bundesregierung hat Corona viele wunde Stellen im Bildungsbereich aufgezeigt. Es verursachte nicht nur Lerndefizite, sondern auch psychi­sche Probleme und Belastungen. Der Anteil der Schüler, die an Angstzuständen leiden, hat um 220 Prozent zugenommen. Bei Schülern mit Schlafstörungen ist der Anteil sogar um 240 Prozent gestiegen. Ganz dramatisch erhöht hat sich der Anteil der Kinder mit Suizidgedanken, er ist um 54 Prozent gestiegen.

Meine Frage dazu: Welche Maßnahmen setzen Sie und wie viel Geld stellen Sie zur Verfügung, um psychische Probleme von betroffenen Schülern zu beseitigen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Frau Mühlberghuber, dass das nicht richtige Entscheidungen waren, ist Ihre Meinung. Ich bin der Meinung, es waren notwendige Entscheidungen in einer pandemischen Si­tuation, die für Österreich, aber auch für Europa insgesamt eine kritische Situation war. Ich bezweifle aber auch nicht – das habe ich in meinen Vorbemerkungen zur Anfragebe­antwortung auch Herrn Kollegen Brückl gesagt –, dass es zu psychischen Problemen gekommen ist. Ich habe von meiner Seite aus gemeinsam mit den Schul- und Ent­wicklungspsychologen, mit Christiane Spiel auch viel unternommen, um zu eindeutigen Befunden zu kommen.

Was wir tun, ist im Wesentlichen, die Schulpsychologie auszubauen. Das tun wir derzeit, ich habe die Zahlen schon genannt. Wesentlich ist aber nicht nur der Ausbau der Schulpsychologie, sondern die Schulpsychologie muss an die Schulen kommen. Sie darf nicht warten, bis jemand kommt und sagt, er habe möglicherweise suizidale Gedanken, sondern sie muss an die Schulleitungen herantreten und fragen: Gibt es Probleme? Gibt es Auffälligkeiten? Sollen wir kommen, Beratungsgespräche machen? – Die Schulpsy­chologie ist neben den anderen Supportstrukturen ein ganz wesentliches Instrument.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete El-Na­gashi. – Bitte.


Abgeordnete Mag. Faika El-Nagashi (Grüne): Guten Morgen, Herr Minister! Herr Präsi­dent! Meine Frage bezieht sich auf eine spezielle Gruppe von Schülerinnen und Schü­lern, nämlich auf diejenigen, die mit dem kommenden Schuljahr aus dem Status außer­ordentliche SchülerInnen in den Status ordentliche SchülerInnen wechseln – unter ande­rem aus den Deutschförderklassen, aber nicht nur. Welche gezielten Unterstützungs­maßnahmen, welche Fördermaßnahmen sind da vorgesehen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Es ist an sich eine erfreuliche Sache, dass jemand aus dem Status des außerordentlichen Schülers in jenen eines ordentlichen Schülers wechselt – erfreulich, weil offensichtlich entsprechende Qualifikationen erworben wurden. In Ihrer Fragestellung steckt aber ein Problem, dem ich zustimme: Damit sollte das Förderangebot nicht in einer 0/1-Entschei­dung aufhören, sondern es sollte weiter gefördert werden.

Was wir tun, ist, im Rahmen des individualisierten Förderunterrichts den Schülern, den jetzt ordentlichen Schülern, weiterhin Fördermöglichkeiten einzuräumen. Durch eine


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 31

sogenannte unterrichtsbegleitende Sprachstandsbeobachtung kann man das auch ge­zielt machen. Wir haben auch ein Zusatzmodul, ein DAZ-Förderzusatzmodul, entwickelt, und das wird im Herbst im Rahmen des Deutschunterrichts auch eingesetzt. Mittels die­ses Zusatzmoduls kann man genau jene Schülergruppen nochmals ganz spezifisch för­dern.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Köchl. – Bitte.


Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Guten Morgen, Herr Minister! Herr Präsident! Als Lehrlingssprecher meiner Partei möchte ich eine Zusatzfrage stellen: Welchen Anteil von den 200 Millionen Euro bekommen die Berufsschulen für Förderstunden, und können öffentliche Lehrwerkstätten, im Speziellen hinsichtlich der Lehrkörper, da auch berück­sichtigt werden?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Minister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Puh, also da kann ich Ihnen jetzt keine exakte Zahl sagen, wie viel zur Verfügung steht; aber wenn wir nichts zur Verfügung stellen, dann werde ich dafür sorgen, dass wir etwas zur Verfügung stellen, denn ich halte es für sinnvoll, gerade im Bereich der Lehrlings­ausbildung ebenso Lernrückstände zu beseitigen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordnete Vorderwink­ler. – Bitte.


10.50.20

Abgeordnete Petra Vorderwinkler (SPÖ): Guten Morgen, Herr Minister! Herr Präsi­dent! Es wurden ja Milliarden an Coronahilfsgeldern allgemein ausbezahlt, für die Schü­lerinnen und Schüler und Schulen im Vergleich aber relativ wenig.

86/M

„Warum haben Sie bereits jetzt eine gesetzliche Grundlage für Schullockdowns im nächsten Schuljahr in Begutachtung geschickt, anstatt Maßnahmen für den Herbst aus­zuarbeiten, die ebensolche verhindern?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Minister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Sehr verehrte Frau Abgeordnete, der zweite Teil Ihrer Frage ist natürlich eine Unterstel­lung, nämlich dass ich keine Maßnahmen setze. Die Anfrage von Frau Abgeordneter Künsberg Sarre hat mir beispielsweise Gelegenheit gegeben, schon zu skizzieren, wel­che Maßnahmen wir für den Herbst setzen werden oder setzen können, aber ich freue mich auch, Sie vielleicht in einem bildungspolitischen Gespräch im Sommer treffen zu dürfen, damit wir gemeinsam auch Ihre Vorstellungen in die Schule und den schulischen Betrieb im Herbst einbringen können.

Das andere ist: Ich glaube, es ist absolut legitim, jetzt in der Schul-, in der Frühjahrslegis­tik die Möglichkeit – die Möglichkeit! – vorzusehen, entsprechende schulische Lock­downmaßnahmen zu setzen. Täte ich das jetzt nicht, Frau Abgeordnete, und wir stünden möglicherweise – hoffentlich nicht – im Herbst vor einer schwierigen Situation, dann wä­ren Sie wahrscheinlich die Erste, die sagen würde, lieber Herr Bildungsminister, warum haben Sie nicht Vorsorge getroffen und dies schon im Frühjahr eingebracht?!

Das eine schließt also das andere nicht aus. Wir arbeiten an einer virusrobusten Schule für den Herbst, da können Sie sicher sein. (Beifall bei der ÖVP.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 32

Abgeordnete.


Abgeordnete Petra Vorderwinkler (SPÖ): Ich möchte bei den hohen psychischen Be­lastungen der Schülerinnen und Schüler ansetzen, und zwar gibt es ja speziell ausgebil­dete BeratungslehrerInnen, die genau für diesen Bereich zur Verfügung gestellt werden. Es kommt aber immer noch vor, dass diese für Dauersupplierungen wegen Erkrankun­gen und Quarantänebescheiden von Kolleginnen und Kollegen eingesetzt werden.

Meine Frage ist: Warum gibt es noch immer nicht ausreichend Personalreserven, damit diese BeratungslehrerInnen auch wirklich zum Einsatz kommen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Minister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Das ist schon eine sehr spezifische Frage. Sie können sicher sein, ich wäre alles andere als glücklich, wenn Beratungslehrer sozusagen eingesetzt würden, um Krankheitsfälle auszugleichen. Dafür bin ich ganz sicher nicht. Ich würde Sie aber in diesem Fall auch darum bitten, über die Bildungsdirektion konkrete Angaben darüber zu erhalten. Es ist manchmal auch ein Kommunikationsproblem. Es sind entsprechende Lehrerreserven in jeder Bildungsdirektion vorhanden. Wir müssen diese Beratungslehrer nicht für diesen Zweck einsetzen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Graf. – Bitte.


10.53.25

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Minister! Wir haben de facto jetzt schon drei Semester mit einem Lockdown auch im tertiären Bildungssektor zu kämpfen, der Betrieb ist sehr stark auf Fernunterricht beziehungsweise Homeschooling, wie immer man das nennen möchte, umgestellt worden. Das bringt natürlich viele Defizite für die Zukunft mit sich – man könnte jetzt ungezählt viele Beispiele nennen –, sei das jetzt im Sportstudium, in dem man Skikurse nicht abhalten konnte, oder sei das auch im Lehramtsstudium, in dem man Praktika nicht abhalten konnte, Pflichtpraktika und vieles andere mehr, aber auch an den Universitäten und anderen Hochschulen, wo ja das Zusammenkommen auch ein wesentliches Mo­ment im Studium ist.

Wir alle haben studiert und wissen, worauf es ankommt. In diesem Zusammenhang soll­ten wir uns auch vorbereiten, das möglichst hintanzuhalten.

Daher meine Frage:

84/M

„Wie werden Sie sicherstellen, dass die tertiären Bildungseinrichtungen wieder in den vollen Präsenzbetrieb zurückkehren und dieser auch dauerhaft aufrecht erhalten bleibt?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Minister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Danke schön, Herr Graf – in der Diagnose der Situation, glaube ich, wäre es mir viel lieber gewesen, hätten wir einen ganz normalen universitären Betrieb machen können, gar keine Frage. Dass ich etwas „sicherstellen“ kann, nämlich eine gleichsam pandemie­freie gesellschaftliche Situation: Danke für den Optimismus hinsichtlich meiner Kompe­tenzsituation, aber ich kann nicht alles regeln.

Was ich regeln kann, das tue ich mit den Universitäten gemeinsam. Sie wissen, wir ha­ben auch einen Extratopf zur Verfügung gestellt, 21 Millionen Euro für besondere Maß­nahmen zur Prävention von Infektionssituationen an den Universitäten. Die Universitäten haben letztlich aber auch – und da muss man ganz fair sein – die Situation gut ge­meistert. Ich war unlängst an der Musikuniversität. Dort hat man eine Teststraße, dort


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 33

hat man die künstlerische Ausbildung in der Präsenzlehre durchgeführt. Wir haben die Laborlehre, die weiterhin durchgeführt worden ist, die medizinische Ausbildung ist wei­terhin durchgeführt worden. Das, was nicht abgehalten werden konnte, waren die großen Lehrveranstaltungen.

Die Universitäten rüsten sich für das nächste Semester, alle in der Hoffnung, dass man in den normalen Präsenzunterricht zurückkehren kann. Sie haben viel in den Bereich der digitalen Infrastruktur investiert, damit im Falle eines Falles dann eben manche Dinge wieder über Hybrid- oder Distancelearning funktionieren werden, aber gemeinsam kann man, glaube ich, das sicherstellen, was Sie wollen, nämlich Universität soll wieder funk­tionieren.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter.


Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Mangelnder Präsenzunterricht kann in manchen Bereichen aber auch Auswirkungen haben, an die man nicht so schnell denkt. Es gab in der jüngeren Vergangenheit immer wieder Beispiele betreffend Plagiate et cetera; der eine schreibt ab, die andere lässt schreiben oder wie auch immer.

Jetzt ist eine Kreativität dazugekommen, ein bekannter Fall, zwar nicht in Österreich, aber die Spitzenkandidatin der deutschen Grünen betreffend, die ja lediglich eine Dip­lomvorprüfung aufwies und nie wissenschaftliche Arbeit geleistet hat.  Sie haben selbst in Deutschland als Professor gelehrt und kennen das dortige System. In der Rahmenord­nung für die Diplomprüfung in Deutschland, in der der Zweck und die Durchführung der Diplomprüfung definiert werden, steht Folgendes: „Durch die Diplom-Vorprüfung soll der Prüfling nachweisen, dass er das Studium mit Aussicht auf Erfolg fortsetzen kann und dass er die inhaltlichen Grundlagen seines Faches [...] erworben hat.“ – Das soll vor dem Beginn des Grundstudiums abgeschlossen sein.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zeit!


Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (fortsetzend): Nach vier Semestern – bei uns wür­de man sagen, das ist die Steop, die Studieneingangs- und Orientierungsphase – hat sie dann ein LL.M.-Studium, ein Masterstudium in England draufgesetzt, dort aber auch keine Arbeit geschrieben. Dort ist nämlich nur erforderlich, dass man 10 000 Worte, also rund 20 Seiten, am Ende - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zeit, Herr Kollege! Sie müssen bitte zur Frage kommen. Die Zeit ist weit überschritten.


Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Zur Frage: Wie wollen Sie sicherstellen, dass in Österreich nur jemand berechtigt ist, einen akademischen Grad zu führen, der auch alle Voraussetzungen für ein ordnungsgemäß absolviertes Studium erbracht hat?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Minister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Danke für die ausführliche Schilderung des Falls Baerbock. Ich muss dazu sagen, letzt­lich hat die London School of Economics diese Diplomvorprüfung als äquivalent aner­kannt. Das ist aber Sache der LSE gewesen und nicht des österreichischen Hochschul­systems.

Wie können wir das sicherstellen? – Na ja, im Rahmen der Studienprogrammleitungen gibt es immer die Frage: Was kann anerkannt werden? Das würde ja dann analog dazu die Fälle von Personen betreffen, die einen Teil ihres Studiums im Ausland absolviert haben und dann nach Österreich kommen. Das ist mit Einführung der Bolognaarchitektur um vieles leichter geworden, denn ein Bachelor ist ein Bachelor, der wird über das ECTS definiert. Dahin gehend sollte das ein geringeres Problem sein.

Wie kann ich das sicherstellen? – Einfach durch Einhaltung der entsprechenden Rege­lungen, die wir haben, damit das in Österreich so nicht passiert.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 34

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Himmel­bauer.


Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Aus persönlichen Gesprächen weiß ich: Schülerinnen und Schülern, Studierende freuen sich gleichermaßen, wieder in ihre Bildungseinrichtungen zurückzukehren, aber es ist ihnen auch klar, dass es weiter­hin Maßnahmen braucht, um das Infektionsrisiko geringzuhalten.

Im letzten Wissenschaftsausschuss wurde daher ein Gesetz auf den Weg gebracht, durch das die Teilnahme an Prüfungen und Lehrveranstaltungen von der Vorlage eines negativen Covid-19-Tests abhängig gemacht werden kann. Diese Regelung gilt be­kanntlich nur für das Sommersemester. Setzen Sie sich dafür ein, dies im kommenden Semester weiterzuführen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Diese Regelung hat sich als sehr sinnvoll herausgestellt. Die Universitäten waren dank­bar, dass wir diese Regelung in das Gesetz aufgenommen haben, und sind daher auch dem Parlament dankbar, dass dieses sogenannte Freitesten für Prüfungen oder für ganz bestimmte Lehrveranstaltungen beschlossen wurde. Es erscheint sinnvoll, und wir wer­den danach trachten, dies auch noch im kommenden Wintersemester durchzuführen – ich hoffe, dann das letzte Mal.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Blim­linger. – Bitte.


11.00.26

Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Bundesminister! Wir haben noch eine UG-Novelle zur hochschulischen Weiterbildung in Begutachtung, die damit völlig neu geordnet wird, und werden da, wie ich meine, einen Meilenstein der sozialen Durchlässigkeit und Qualitätssicherung setzen. Meine Frage lautet:

91/M

„Wie weit sind die Pläne der Vorhaben im Regierungsprogramm gediehen, eine zeitge­mäße Neufassung der gesetzlichen Grundlage der Erwachsenenbildung“ – Stichwort Kebö – „zu schaffen mit dem Ziel, die Erwachsenenbildung als Teil des Bildungssystems zu sehen?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Ja, das ist ein wirklich wichtiges Kapitel und wichtiges Thema, denn uns allen ist klar, dass Erwachsenenbildung in einer Zeit, in der Qualifikationen sich so stark verändern, wichti­ger geworden ist – wichtiger denn je. Die Problematik ist folgende – ich habe das auch recherchiert –: Das wesentliche Gesetz stammt aus dem Jahr 1973, es lautet Bundes­gesetz über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens aus Bundesmitteln. Das deutet schon an, da gibt es etwas aus Bundesmitteln, da gibt es etwas aus Landesmitteln. Der Gesetzgeber hat sich bei der Bundes-Verfassungsgesetz­novelle von 1962 nicht dazu entschließen können, Erwachsenenbildung irgendeiner der Gebietskörperschaften klar zuzuweisen, und so ist eine sehr heterogene Kompetenzlage übrig geblieben, die nicht wirklich befriedigend ist, gar keine Frage.

Wir haben sie jetzt im hochschulischen Bereich mit der jetzt vorliegenden Gesetzesno­velle dahin gehend geregelt, wie hochschulische Weiterbildung funktionieren soll, auch hinsichtlich der Titel, der Voraussetzungen. Ich halte das für einen richtigen und wich­tigen Schritt der Vereinheitlichung, aber wir müssen auch noch dieses Gesetz über Er­wachsenenbildung und Volksbüchereiwesen von 1973 modifizieren. Wir werden uns im


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 35

Sommer dazu in Verhandlungen mit den Ländern und auch mit den Betroffenen bege­ben, und ich würde mich auch sehr freuen, wenn da entsprechende Sprecher und Spre­cherinnen der politischen Parteien dabei sind.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger (Grüne): Wie schaut es mit dem Ausbau des Ange­bots für lebensbegleitende Erwachsenenbildung – das Budget ist immer relativ gleich – unter Sicherstellung bestehender nationaler Mittel für Bildungsmaßnahmen als Voraus­setzung für die Inanspruchnahme aus? Das ist immer wieder ein wichtiger Bereich von ESF-Fördermitteln.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Die ESF-Fördermittel sind wichtig, weil wir damit natürlich nationale Mittel aufstocken kön­nen. 8 Millionen Euro geben wir für die Kofinanzierung von ESF-Mitteln aus, und derzeit wird die nächste ESF-Förderperiode beraten. Da ist das Arbeitsministerium im Lead, aber wir haben deponiert, dass klarerweise die Frage von Bildungsabschlüssen im zwei­ten Bildungsweg beispielsweise weiterhin ein zentrales Element der Förderfähigkeit sein soll.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Weber. – Bitte.


Abgeordneter Ing. Johann Weber (ÖVP): Einen schönen Vormittag! Herr Bundesmi­nister, Bildung und Ausbildung sind ja grundsätzlich Kennzeichen einer hoch entwickel­ten Gesellschaft. Lernen für das Leben und ein lebenslanges Lernen gehören da einfach unumgänglich dazu. Meine Frage lautet: Was wurde im Bereich der Erwachsenenbil­dung in den letzten Jahren umgesetzt?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Im Wesentlichen das Programm zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses – das ist, glaube ich, ein ganz wichtiges Programm, damit haben wir insgesamt rund 20 000 Per­sonen fördern können. Das ist eine wichtige Maßnahme, gleichsam eine Brückenmaß­nahme zwischen dem schulischen System und der Arbeitsmarktförderung, um Perso­nen, die eben keinen Pflichtschulabschluss haben, zu ermöglichen, diesen nachzuholen. Im Bereich der Erwachsenenbildung ist das, glaube ich, eine der wichtigsten Maßnah­men neben all den anderen Maßnahmen, die ich schon ein bisschen angedeutet habe, nämlich Erwachsenenbildung im hochschulischen Bereich und Erwachsenenbildung im breiteren Bereich, im Rahmen der Institutionen der Erwachsenenbildung.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Fied­ler. – Guten Morgen! Bitte sehr.


11.04.58

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Seit September 2005 ist die Österreichische Gebärdensprache in der Bundesverfassung anerkannte Minderheitensprache. Bilingualer, also zweisprachiger Unterricht in Deutsch und in der Österreichischen Gebärdensprache ist gesetzlich legitimiert, und ÖGS kann als Unterrichtssprache verwendet werden. Trotz der verfassungsmäßigen Anerkennung gibt es aber nach wie vor keinen Lehrplan oder er wird nicht eingesetzt.

2018 hat es die fertig ausgearbeiteten Lehrpläne gegeben, auf eine Nachfrage im Sep­tember 2020 war die Auskunft, dass die Lehrpläne überarbeitet würden. Es ist aber im­mer noch nichts passiert. Es gab im März 2021 eine große Briefaktion des Gehörlosen­bundes, und auch die blieb bislang unbeantwortet. Meine Frage lautet:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 36

89/M

„Warum dauert die Umsetzung so lange und bis wann rechnen Sie verbindlich mit einer Implementierung eines bilingual-bimodalen ÖGS-Lehrplans, um gehörlose Menschen im Rahmen eines chancengleichen Unterrichts auf ihr Leben als mehrsprachige Bürger_in­nen vorzubereiten?“ (Beifall bei Abgeordneten von NEOS und SPÖ.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Warum dauert das alles so lange? – Frau Fiedler, ich habe mich das auch gefragt, als ich mir in der Vorbereitung die Timeline, die Zeitleiste angeschaut habe. In der Tat, 2005 erfolgte die Verfassungsbestimmung auf Druck des Europäischen Parlaments, damit man Hörbeeinträchtigten oder Gehörlosen die Zugänglichkeit zu Recht, bei Gericht bei­spielsweise, oder zur Verwaltung in der Bürokratie erleichtert – 2005.

Es hat dann letztlich elf Jahre gedauert, bis 2016, dass ein Auftrag zur Erarbeitung eines Lehrplanes für Primar- und Sekundarstufe gegeben wurde. Frau Fiedler, das, diese elf Jahre, liegt alles vor unserer Zeit, man müsste jetzt wahrscheinlich detaillierter recher­chieren, warum der erste Schritt bereits elf Jahre gedauert hat.

Der Lehrplan wurde dann Ende 2018 vorgelegt und geprüft. Es hat sich dann gezeigt, dass die Lehrpläne ausschließlich auf die Gebärdensprache abzielen, aber nicht auf das, was auch notwendig wäre, auf lautsprachbegleitende Gebärden für Schüler und Schü­lerinnen, die eben nicht zu 100 Prozent hörbehindert sind. Wir sehen, dass dieser Hör­status eben zu wenig berücksichtigt ist, und der Lehrplan ist auch kein kompetenzorien­tierter Lehrplan. So, die Rückmeldung an die AutorInnen des Lehrplanes erfolgte zu Jah­resanfang 2019, und seitdem, lese ich, gibt es ein gewisses Pingpong und Hin und Her.

Ich verspreche Ihnen, wir machen etwas und wir beenden langsam dieses Pingpong­spiel. Es gibt ja, glaube ich, heute auch einen hoffentlich gemeinsamen Entschließungs­antrag. Ich kann mich dem zu 100 Prozent anschließen, wir müssen die Sache ins Feld bringen, gar keine Frage.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Im März 2021 veröffentlichte das Consul­tingboard für Inklusion und Sonderpädagogik ein Strategie- und Positionspapier, in dem die Handlungsfelder für ein inklusives Bildungssystem grob skizziert wurden. Bis wann ist da mit einer Ausarbeitung konkreter Maßnahmen zu rechnen?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Das geschieht derzeit. Im Rahmen des Nationalen Aktionsplanes für Behinderung gibt es ein entsprechendes Kapitel, das greift dieses Grundsatzpapier auf und enthält dann auch ganz konkrete Maßnahmen mit ganz konkreter zeitlicher Perspektive. (Abg. Fied­ler: Bis wann?) – Ich glaube, im Laufe dieses Sommersemesters muss dieses Kapitel abgegeben sein, dann weiß man, welche Maßnahmen wann starten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Abgeordneter Nico Mar­chetti. – Bitte.


11.08.58

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Herr Bundesminister! Unverschämterweise möchte ich allen Schülerinnen und Schülern bei dieser Gelegenheit viel Erfolg bei der Matura wünschen. Diese Fragestundensituation hat auch ein bisschen etwas von münd­licher Matura.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 37

Meine Frage ist aber eine ganz andere, und zwar geht es um die Unis und konkret um die Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten. Da hätte ich jetzt auch angesichts der Coronasituation und der damit verbundenen Schwierigkeiten die Frage: Welche in­haltlichen Schwerpunkte setzen Sie innerhalb der Leistungsvereinbarungen, die jetzt be­stehen, und auch in den zukünftigen, auch was die zusätzlichen Professuren betrifft?

*****

Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 81/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche inhaltlichen Schwerpunkte werden – auch vor dem Hintergrund der letzten Se­mester unter Pandemie-Maßnahmen – mit Hilfe der durch die Leistungsvereinbarun­gen 2019 bis 2021 und 2022 bis 2024 geschaffenen neuen Professuren gesetzt?“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: An sich ist das ein sehr erfreuliches Kapitel, denn wir haben in der letzten oder jetzt noch gültigen Leistungsvereinbarungsperiode den Universitäten ein sehr schönes Budget zur Verfügung stellen können, und auch in der nächsten Periode werden sie ein sehr schö­nes Budget bekommen.

Die österreichischen Universitäten konnten durchaus durchatmen und zu dem, was in Deutschland üblich ist, ein klein wenig aufholen. Wenn ich mir heute anschaue, wie viel der österreichische Steuerzahler pro Graduiertem ausgibt, dann ist der Unterschied zwi­schen Österreich und Deutschland gar kein großer mehr – früher war es ein großer.

Wir haben natürlich geschaut, dass wir mit den Geldmitteln gezielte Maßnahmen set­zen – nicht mit der Gießkanne, sondern dort, wo es notwendig ist –, neue Professuren widmen und auch finanzieren. Das geschieht im Wesentlichen im Bereich der Mint-Fächer, der digitalen Fächer. Es sind Professuren für Big Data Analytics, Data Science, Green Chemistry und Urban Studies – in meinem eigenen Fachgebiet – entstanden. Ich bitte um Nachsicht, dass das alles in Englisch abläuft, aber das hat sich irgendwie ein­gebürgert.

Das Zweite betrifft Widmungen von Professuren in den stark belasteten Fächern, damit dort die Betreuungsverhältnisse verbessert werden.

Drittens – das ist eine Lehre aus der Pandemie – werden gerade in den medizinischen Bereichen wie Epidemiologie, Virologie und Infektiologie Professuren errichtet und Schwerpunkte gesetzt werden.

Wir haben drei erfolgreiche Jahre hinter uns, und es liegen hoffentlich drei erfolgreiche Jahre vor uns.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Eypeltauer, bitte.


Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Herr Bundesminister, ich gehe auf et­was ein, das Sie schon in Ihrer Antwort an Kollegen Marchetti erwähnt haben, nämlich auf Investitionen in Mint-Professuren.

Damit Innovation und Wertschöpfung in Österreich auch in den nächsten Jahrzehnten, in der Zukunft, funktionieren, werden Wissenschaft und Forschung einen wesentlichen Beitrag leisten müssen. Da wird es nicht nur darum gehen, neue Professuren zu schaf­fen, sondern auch um den Techtransfer, also darum, dass sich die Forschungsleistung auch in Arbeitsplätzen, in Wohlstand, in Innovationen niederschlägt.


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In Oberösterreich soll eine Digital-TU errichtet werden, Standort und Konzept sind noch nicht bekannt. Meine Frage, Herr Minister, ist: Wie lautet Ihre Strategie für den Tech­transfer, damit Forschung vor Ort zu neuen Arbeitsplätzen, zu mehr Wohlstand auch in Zukunft führen kann?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Das ist ein sehr, sehr wichtiger Punkt, gar keine Frage. Es genügt nicht, nur Grundlagen­forschung zu finanzieren und Forschern und Forscherinnen Freiräume einzuräumen, ihre eigenen Ideen zu realisieren, sondern es muss nachher auch der Schritt in Richtung Wirksamkeit erfolgen. Nicht alles, was erforscht wird, ist wirksam, nicht alles, was er­forscht wird, kann auch in konkrete Unternehmungen umgesetzt werden, aber dort, wo es möglich ist, soll dies erfolgen.

Wir reden daher mit den Universitäten im Rahmen der Leistungsvereinbarungsverhand­lungen sehr gezielt über diese Fragestellung. Wir sagen, da gehören Techoffices – Tech­nology Transfer Offices – eingerichtet. Wir haben das WTZ, das Wissenstransferzen­trum, wir haben Inits. Es gibt eine Reihe von Institutionen, die sich darum kümmern. Wir versuchen, dies im Rahmen der Leistungsvereinbarung zu bündeln, zu akzentuieren, weil das, was Sie in Ihrer Frage andeuten, auch mir ein wirkliches Anliegen ist.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Kucha­rowits. – Bitte.


Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Einen schönen guten Morgen, Herr Bun­desminister! Ich möchte gerne bei der ursprünglichen Frage andocken: Sie haben von einem schönen, einem guten Budget und Erfolgen, was die Professuren anbelangt, ge­sprochen.

Ich möchte konkret von Ihnen wissen: Wie viele Professuren – da möchte ich bitte auch gerne eine Aufschlüsselung nach Geschlechtern, also wie viele Frauen und wie viele Männer – wurden beziehungsweise werden in der Zeit von 2019 bis 2024 – bitte geord­net nach den Budgetjahren – tatsächlich geschaffen? Es wäre uns sehr wichtig, diese Zahlen zu bekommen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Ich spüre schon eine gewisse Unruhe – vielleicht weil diese Fragestunde schon zu lange dauert; es ist halt anders als in der Klasse.

In der letzten Leistungsvereinbarungsperiode wurden 360 Professuren neu geschaffen – manchmal ordentliche Professuren, aber nicht immer ordentliche Professuren nach § 98, sondern manchmal auch Laufbahnstellen, die dann zu Professuren führen können, Pro­fessuren im Sinne von 98er-Professuren.

Die Aufschlüsselung nach Geschlechtern müsste ich Ihnen nachreichen, ich habe sie nicht. Wir achten aber natürlich darauf – ganz im Sinne unserer, glaube ich, gemeinsa­men Intention –, mehr Frauen in Spitzenpositionen an den Universitäten zu bringen.

In der nächsten Leistungsvereinbarungsperiode werden es etwa 60 neue Professuren sein, mit einem gewissen Schwerpunkt – den ich vorhin schon angedeutet habe – im medizinischen Bereich, im Mint-Bereich, und möglicherweise die eine oder andere Pro­fessur auch dort, wo die Betreuungsverhältnisse zu verbessern sind.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Hauptfrage stellt Frau Abgeordnete Kucharowits. – Bitte.


11.15.08

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Ich würde gerne zu einem Thema kom­men, das heute auch schon angesprochen wurde: Sie wissen, seit Jänner wurden


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14 Frauen ermordet. Wir müssen alles dafür tun, um Femizide zu stoppen, um Gewalt an Frauen zu stoppen.

Ich möchte mich gleich entschuldigen, wir haben bei der Frage einen Fehler gemacht, was das Datum anbelangt. Die Frage lautet:

87/M

„Warum waren Sie am 12. März“ – 12. Mai muss es lauten –, „im Bundeskanzleramt am Gipfel gegen Gewalt an Frauen nicht anwesend und haben dort keine zusätzlichen Maß­nahmen für Gewaltprävention im Schulbereich präsentiert?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Minister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Jetzt könnte ich sehr verkürzt antworten und sagen: weil ich nicht eingeladen war. Nichtsdestotrotz ist meine Antwort ein wenig präziser: Mir ist Gewaltprävention natürlich extrem wichtig, insbesondere Gewaltprävention in Bezug auf Frauengewalt.

Ich habe vorhin schon über das Problem der Männerbilder, in denen Dominanz, Macht, Aggression – auch Aggression, die nicht stigmatisiert wird – enthalten sind, gesprochen. Mir ist daher auch die Umsetzung einer geschlechterreflexiven Erziehung in der Schule ein wichtiges Anliegen, damit Schüler und Schülerinnen selbst draufkommen: Welchen Rollenbildern bin ich da eigentlich anheimgefallen?

Wir führen in den Schulen auch Teambuildingmaßnahmen durch – wir regen das immer an –, gleich am Anfang, sodass die Gruppe sich als Gruppe konstituiert. Es gibt Fortbil­dungsmaßnahmen zum Thema: Wie geht man mit Gewalt in den Schulen um? Wie gesagt, es gibt eine ganze Reihe von Initiativen in den Schulen, die unsererseits immer unterstützt werden, weil Gewaltprävention so früh wie möglich ansetzen muss.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Vielen Dank für Ihre Antwort – ich möch­te es gerne noch ein bisschen konkreter machen, Sie haben nämlich zuvor, als Kollegin Hamann eine diesbezügliche Frage gestellt hat, vom Grundsatzerlass gesprochen. Es ist natürlich zentral und wichtig, da etwas Übergeordnetes zu haben.

Sie haben aber auch Ethik angesprochen, und Sie wissen, unser Kritikpunkt war – auch gestern in der Debatte zur ersten Lesung des Volksbegehrens –, dass sich dieser Ethik­unterricht auf eine bestimmte Gruppe beschränkt. Wenn das Ihr Ansatz wäre, würden nur bestimmte Menschen, in dem Fall Kinder und Jugendliche, zu Gewaltprävention kommen. Deshalb möchte ich Sie noch einmal fragen: Aufgrund der ganz akuten Situa­tion müssen wir alle etwas gegen Gewalt gegen Frauen machen. Welche konkreten Maßnahmen gibt es, und mit wem – auch externen Experten und Expertinnen – koope­rieren Sie? – Vielen Dank.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Minister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Ich kann Ihnen zwei konkrete Angaben machen. Der Grundsatzerlass wird in die Lehrpläne transferiert – das ist ganz wichtig –, er ist nicht nur ein übergeordnetes Dach, an das man sich halten kann oder nicht, sondern er wird ganz konkret in die Lehrpläne trans­feriert.

Das Zweite ist: Ich habe betreffend Ethik und die Fragen von Gewalt, von Gewaltpräven­tion, vom Umgang miteinander, viele Gespräche geführt, auch mit den Religionsgemein­schaften, die das in ihren Religionsunterricht übernehmen werden. Wir werden so etwas


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wie einen gemeinsamen Überlappungsbereich zwischen dem Religionsunterricht und dem Ethikunterricht haben, damit diese Fragen nicht verloren gehen oder nicht nur von jenen behandelt werden, die in den Ethikunterricht gehen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Niss. – Bitte.


11.19.01

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr ge­schätzter Herr Minister! Wir leben in einer interessanten Zeit: Wir haben die Pandemie hoffentlich bald hinter uns, aber die Herausforderung des Klimawandels noch vor uns. Für beide spielt natürlich die Forschung eine wesentliche Rolle, darauf kann man, glaube ich, nicht oft genug hinweisen. Gleichzeitig spielen Forschung und Innovation auch für den Wirtschaftsstandort eine wesentliche Rolle: Forschungs- und entwicklungsintensive Unternehmen sind nicht nur krisenresilienter – das zeigen alle Studien –, sondern schaf­fen auch mehr Arbeitsplätze. In diesem Zusammenhang interessiert mich Folgendes – Sie sind vorhin schon ein bisschen darauf eingegangen –:

82/M

„Welche Maßnahmen setzen Sie, damit einerseits die Spitzenforschung in Österreich einen großen Schritt nach vorne macht und andererseits die Ergebnisse der Grundla­genforschung zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen beitragen bzw. ihren Weg zu marktfähigen Produkten finden?“


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Also wenn das Jahr 2020 nicht ein Seuchenjahr im wahrsten Sinne des Wortes gewesen wäre, wäre es forschungspolitisch ein unglaublich erfolgreiches Jahr geworden. Dank des Parlamentsbeschlusses haben wir das Forschungsfinanzierungsgesetz beschlos­sen – ein wirklicher Meilenstein in der Ordnung der Forschungsfinanzierung, aber auch der Forschungsträgerorganisationen. Wir haben noch im letzten Jahr die FTI-Strategie mit den drei wesentlichen Zielen verabschiedet: den Standort Österreich zu einem Exzel­lenzstandort auszubauen, Grundlagenforschung und Wirksamkeit zu fördern und letzt­lich auf die Talente zu achten und für Mobilität zu sorgen.

Ganz konkret haben wir auch ein deutlich höheres Budget erlangt. Ich habe mir das noch einmal angeschaut: Die Grundlagenforschung in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hat ein Plus von 61 Millionen Euro bekommen – bei einem Grundbudget von 430 Millionen Euro. Das ist ein ganz bedeutsamer Zuwachs. Damit werden zum Beispiel ein Metabolismuszentrum in Graz – auch interessant – oder ein Zentrum für Antisemitismus in der Gegenwart finanziert. Das Spitzenforschungsinstitut IST Austria, eines der besten Grundlagenforschungsinstitute in Europa – wir können stolz darauf sein –, wird auf 90 Forschungsarbeitsgruppen ausgebaut, und der FWF als zentraler Förderer der Grundlagenforschung wird bis 2024 eine Exzellenzinitiative mit insgesamt 250 Millionen Euro mehr an Fresh Money starten können. Da ist also, glaube ich, viel gelungen. Es war leider ein Seuchenjahr, aber abgesehen davon forschungspolitisch ein prächtiges Jahr.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.


Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Sie haben die Exzellenz­initiative schon angesprochen, die Sie ja auch Ende April vorgestellt haben. Welche Fak­toren sind dabei zentral, um sicherzustellen, dass die Exzellenzinitiative auch tatsächlich zu einem Erfolg wird?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.



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Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Die Exzellenzinitiative ist eine Initiative, die aus drei unterschiedlichen Teilkategorien be­steht: Es sollen Emerging Fields, Austrian Chairs of Excellence und Exzellenzcluster gefördert werden. Exzellenzcluster sind für mich besonders wichtig, weil sich dabei For­schergruppen institutionsübergreifend finden sollen. Diese schreiben entsprechende Proposals und bekommen auch eine entsprechende Absicherung ihrer jeweiligen Hei­matuniversität, ihrer Heiminstitution, die einen 40-prozentigen Zusatzanteil zahlen muss. Es wird ein klares Commitment gegeben. Diese Proposals werden dann bewertet, und die erfolgreichen Proposals werden für zehn Jahre finanziert. Man läuft somit nicht unun­terbrochen den zweijährigen Projekten nach, sondern hat eine wirklich gute Finanzie­rung für die starken Forschungsgruppen. Das ist ein unglaublicher Schritt für Österreich. Da werden wir, glaube ich, noch manche guten Forschungsgruppen feiern können.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Künsberg Sarre.


Abgeordnete Mag. Martina Künsberg Sarre (NEOS): Herr Minister, weil Sie die zu­sätzlichen Gelder in der Forschung erwähnt haben, müsste man, wie ich finde, der guten Ordnung halber auch anmerken, dass die Mittel aus der Nationalstiftung Ende 2020 ausgelaufen sind und die betreffenden Forschungseinrichtungen nach wie vor auf die Einrichtung des Fonds Zukunft Österreich warten. Kollegin Niss hat ja sogar eine Petition der Betroffenen eingebracht.

Die Frage lautet: Wann wird es den geben? Und vor allem – noch wichtiger –: Wann wird das Geld ausgeschüttet?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Danke schön, Frau Abgeordnete, für diese Frage. In der Tat ist die Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung eine ganz wichtige Institution. Wie ich vorhin gerade erwähnt habe, werden wir deshalb zu Recht eine Finanzierung für zehn Jahre haben. Die bekommt diese Forschungsgruppe. Wir haben Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten und mit den außeruniversitären Institutionen jeweils für drei Jahre. Da werden Gelder längerfristig gebucht.

Die Nationalstiftung ist für die Bundesregierung die einzige Möglichkeit, um so etwas wie eine Schwerpunktsetzung im Bereich der Forschung vornehmen zu können. Daher ist sie auch extrem wichtig. Sie ist, wie ich glaube, aus diesem Grund auch zu Recht als Fonds Zukunft Österreich in das Regierungsprogramm aufgenommen worden, weil For­schung bedeutet, die Zukunft zu gestalten.

Ich sage einmal so: Wir sind in einem Verhandlungsprozess. Das Finanzministerium und das Digitalisierungsministerium sind diesbezüglich im Lead – von der Kompetenzlage her ist das so. Wir beraten, wir pushen auch. Ich erachte es für ganz wichtig, dass da eine Regelung in Richtung Fonds Zukunft Österreich zustande kommt, und freue mich über jede Unterstützung in diesem Bereich.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Götze. – Bitte.


Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Herr Minister, meine Frage bezieht sich auch auf den Fonds Zukunft Österreich beziehungsweise auf die Nationalstiftung und darauf, wie diesbezüglich der Stand der Dinge ist. Unsere Unterstützung haben Sie selbstverständlich. Die Frage lautet: Wie geht es weiter, beziehungsweise wie wird die Dotierung sein?


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.



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Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Ich kann noch nicht vorhersagen, wie die Verhandlungen enden werden, aber ich hoffe, sie werden positiv enden, denn – ich will mich jetzt nicht wiederholen – der Fonds Zukunft Österreich wäre ein wirklich wesentliches Element, um forschungspolitische Impulse set­zen zu können – ob das in den Bereichen Klima, Umwelt, Quanten oder auch in all den anderen Bereichen ist, bei denen wir davon überzeugt sind, dass wir in ihnen Akzente setzen sollten. Wie gesagt: Jede Unterstützung, jedes Daumenhalten ist willkommen.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke. Da alle Anfragen zum Aufruf gelangt sind, darf ich die Fragestunde für beendet erklären.

Ich bedanke mich bei Herrn Minister Faßmann für die ausführliche Beantwortung. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.26.15Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegen­stände und deren Zuweisung verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 6630/J bis 6689/J

2. Anfragebeantwortungen: 5851/AB bis 5854/AB

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Gesundheitsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird (861 d.B.)

Ausschuss für innere Angelegenheiten:

Passgesetz-Novelle 2021 (860 d.B.)

Unterrichtsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985, das Schul­zeitgesetz 1985, das Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten und das Bundesgesetz BGBl. Nr. 420/1990 geändert werden (862 d.B.)

*****

Antrag auf nochmalige Verlängerung des Ibiza-Untersuchungsausschusses


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass die Abgeordneten Rendi-Wagner, Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 53 Abs. 6 der Ver­fahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse einen Antrag auf noch­malige Verlängerung des Ibiza-Untersuchungsausschusses um drei Monate eingebracht haben.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 53 Abs. 6 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse gestellte Verlangen vor, eine Debatte über diesen Antrag durchzuführen. Diese findet nach Erledigung der Tagesordnung statt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 43

Die Abstimmung des gegenständlichen Antrages erfolgt gemäß § 53 Abs. 6 der Verfah­rensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse am Ende dieser Sitzung.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punk­te 3 bis 7 sowie 10 und 11 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tages­blockzeit von 7,5 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten erge­ben: ÖVP 146, SPÖ 101, FPÖ 83, Grüne 75 und NEOS 60 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für Abgeordnete, die keinem Klub angehören, für die gesamte Tagesordnung 30 Minuten und je Debatte 5 Mi­nuten.

Wir kommen zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

11.28.121. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (808 d.B.): Bundesge­setz, mit dem ein Bundesgesetz zur Durchführung der Europäischen Staatsan­waltschaft (EUStA-DG) erlassen und mit dem das Richter- und Staatsanwalt­schaftsdienstgesetz, das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, das Finanzstrafgesetz und das Strafgesetzbuch geändert werden (Strafrechtliches EU-Anpassungsgesetz 2021 – StrEU-AG 2021) (859 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum Punkt 1 der Tagesordnung.

Ich darf die Frau Bundesministerin recht herzlich in unserer Mitte begrüßen.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stefan. – Bitte.


11.28.45

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei diesem Tagesordnungs­punkt geht es um die Einführung eines Europäischen Staatsanwaltes. Das heißt: Aus­lagerung der Justiz und der Strafverfolgung an die Europäische Union, an einen Staa­tenbund, der keine eigene Justiz hat, keine eigenen Einnahmen und keine eigenen Straf­tatbestände. Wir entledigen uns damit jeglicher Einflussnahme, jeglicher Kontrolle auf diese Staatsanwaltschaft.

Man muss schon ganz grundsätzlich betrachten, was das bedeutet. Es ist in Wahrheit ein Systembruch, den wir damit begehen, denn die Strafverfolgung durch die Staatsan­waltschaft ist eine typisch staatliche Aufgabe. Sie ist die Aufgabe des Nationalstaates. Wir diskutieren immer wieder darüber, welche Verantwortung es dabei gibt, wo das Inter­pellationsrecht greift und wo letztendlich eine demokratische Kontrolle dahintersteht.


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All das ist ausgehebelt, wenn wir diese Europäische Staatsanwaltschaft einführen. Sie basiert auf einer Verordnung der Europäischen Union, aber man muss gleich dazusa­gen, an dieser Europäischen Staatsanwaltschaft nehmen nicht alle Staaten teil. Das heißt, es war möglich, sich nicht zu beteiligen. Fünf europäische Länder, nämlich Schwe­den, Irland, Dänemark, Polen und Ungarn, nehmen an dieser Europäischen Staatsan­waltschaft aus guten Gründen nicht teil, und zwar mit denselben Argumenten, mit denen auch wir hier dagegenhalten. (Beifall bei der FPÖ.)

Bevor man eine derartige Institution gründet, muss man sich ja überlegen, wozu man das macht, was besser wird und ob der Nationalstaat nicht in Wirklichkeit die Dinge selbst besser regeln kann, ob man der österreichischen Justiz misstraut oder ob die ös­terreichische Justiz dadurch finanziell entlastet wird. Zu all diesen Fragen kann man nur sagen: offenbar nein! Es ist so, dass diese Straftatbestände in Österreich bereits jetzt verfolgt werden müssen. Es ist so, dass wir nicht finanziell entlastet werden, sondern das natürlich auch noch extra zu bezahlen haben.

Es ist auch so, dass es ein ganz klares Prinzip gibt, von dem auch die ÖVP immer so viel spricht: das Subsidiaritätsprinzip. Das heißt, was man im Nationalstaat besser regeln kann, das muss man, das sollte man auch im Nationalstaat regeln. Das heißt, man geht bewusst davon ab, weil man das ideologische Konzept hat, man will den Nationalstaat auflösen und stattdessen einen Bundesstaat kreieren. Das ist wieder ein Schritt in diese Richtung: Man macht einen Europäischen Staatsanwalt, obwohl das Wort Staatsanwalt schon sagt, dass dieser einem Staat zugehörig ist, und will damit in Wirklichkeit das System brechen.

Im Ausschuss ist schon gesagt worden: Wir schreiben Geschichte! – Ja, das sagt ja schon alles, das heißt, man macht es bewusst. Das kann man natürlich gut finden, man kann dazu stehen und kann sagen, man will einen europäischen Bundesstaat, man will die Nationalstaaten auflösen, aber denken Sie nur daran, wie wir dann in einer Krise letztendlich handeln müssen! Da zeigt sich, wie wichtig es ist, dass der Nationalstaat funktioniert. Gerade in der Covid-Krise hat man zum Beispiel gesehen, dass die Europäi­sche Union nicht funktioniert, im Gegenteil, dass man letztendlich darauf angewiesen ist, dass es innerstaatlich funktioniert.

Wofür ist diese Staatsanwaltschaft überhaupt notwendig, wofür wird sie gemacht? – Es geht um Straftaten gegen die finanziellen Interessen der Europäischen Union. Das klingt ja jetzt so ganz nett, aber was bedeutet das? Ist dann nicht in Wirklichkeit jede Min­dereinnahme jedes Staates anzusprechen? Die Europäische Union hat ja selbst keine Einnahmen, sie lebt von den Mitgliedsbeiträgen der Mitgliedstaaten. Wenn jetzt also ein Mitgliedstaat Mindereinnahmen hat, dann ist das indirekt natürlich eine finanzielle Angelegenheit der Europäischen Union. Das heißt, so wie das schwammig formuliert ist und wie wir bereits jetzt die Europäische Union kennen, wird die Kompetenz immer mehr erweitert werden.

Das ist also höchst problematisch, wiederum eine völlige Untergrabung unserer Souve­ränität ohne jede Kontrolle, ohne jede Möglichkeit der Interpellation, insgesamt also eine ganz falsche Entwicklung. Ich kann nur dafür plädieren: Stimmen Sie auch dagegen, machen Sie nicht diesen Schritt in die falsche Richtung! (Beifall bei der FPÖ.)

11.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Prammer. – Bitte.


11.33.33

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 45

Ja, genau das machen wir, wir beschließen heute die Begleitgesetze für die Europäische Staatsanwaltschaft. Ich bin ganz anderer Meinung als mein Vorredner, ich finde, das ist ein wirklich wichtiger, guter und ganz richtiger Schritt, den wir hier gehen.

Es sind sich ja alle – sowohl diejenigen, die europaskeptisch sind, als auch diejenigen, die für eine verstärkte Zusammenarbeit sind – einig, dass eines der größten Probleme, die es gibt, jenes ist, dass Fördermittel und Mittel, die die EU zu vergeben hat, miss­bräuchlich verwendet werden.

Genau dafür soll die Europäische Staatsanwaltschaft zuständig sein. Sie soll eine zen­trale, von der EU eingerichtete, aber unabhängige Behörde sein, die diese Strafverfol­gung koordiniert. Das Wichtige bei dieser Behörde ist genau das, was mein Vorredner angesprochen hat: Sie unterliegt nicht der Kontrolle der Mitgliedstaaten. Im Übrigen ist das etwas ganz Wichtiges für jegliche Staatsanwaltschaft: Sie soll unabhängig sein und nicht kontrolliert werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Kontrolle des Handelns der Staatsanwälte übernehmen die Gerichte. Staatsanwälte sind Ermittlungs- und Anklagebehörden und als solche verfolgen sie Straftaten und brin­gen sie vor ein unabhängiges Gericht, und die unabhängigen Gerichte entscheiden über dieses Handeln. Das ist wichtig und, bitte, ein sehr wesentliches Prinzip, das wir uns immer wieder vor Augen halten sollten.

Unabhängig davon wird die zentrale Europäische Staatsanwaltschaft auch mit öster­reichischen Staatsanwältinnen und Staatsanwälten beschickt. Ein Mitglied ist direkt vor Ort am Sitz in Luxemburg, zwei sitzen in Österreich, und sie handeln natürlich nach staatlichem Strafrecht. Das ist auch ein ganz wichtiger Punkt: Sie handeln nach dem Recht, das hier im Mitgliedstaat gilt.

Etwas Interessantes, was man sich vielleicht anschauen könnte, ist, wie die Europäische Staatsanwaltschaft aufgrund ihrer Besonderheit das Modell für die Weisungsspitze ge­wählt hat. Vielleicht könnten wir das ein bisschen beobachten und mitnehmen. Das könnte etwas sein, wovon man einzelne Anhaltspunkte vielleicht auch zu uns mitnehmen könnte. Dort liegt die Weisungsspitze bei den Kammern. Das ist natürlich der Beson­derheit von europäischen Institutionen geschuldet, aber man kann sich zumindest ein­mal anschauen, wie es funktioniert. Ansonsten ist es, wie gesagt, sehr, sehr wichtig, dass man für die Korruptionsbekämpfung und für die Bekämpfung von Missbrauch von EU-Geldern wirkungsvolle und zentrale Maßnahmen setzen kann, und das machen wir mit der Europäischen Staatsanwaltschaft. (Beifall bei den Grünen.)

11.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Yildirim. – Bitte.


11.37.09

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Werte Ministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Mit 1. Juni 2021 soll die Europäische Staatsanwaltschaft ihre Arbeit aufnehmen. Der Beschluss ist in den Gremien bereits 2017 gefallen. Wir brauchen also heute, und das liegt uns vor, das so­genannte Strafrechtliche EU-Anpassungsgesetz, das sind die innerstaatlichen Rahmen­bedingungen, die wir jetzt nur mehr finalisieren.

Mit der Europäischen Staatsanwaltschaft wird eine unabhängige europäische Strafver­folgungsbehörde mit Sitz in Luxemburg eingerichtet. Ihre Aufgabe wird es sein, Straf­taten gegen den EU-Haushalt wie Förderungsmissbrauch, Korruption, Machtmissbrauch und schweren grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrug zu untersuchen, strafrecht­lich zu würdigen und vor Gericht anzuklagen.

Ich finde das sehr sinnvoll. Ich finde es sehr sinnvoll, dass die EU sich da einer, ich betone es, unabhängigen europäischen Strafverfolgungsbehörde mit entsprechendem


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 46

Spezialwissen bedient. An dieser verstärkten europäischen Zusammenarbeit, das wurde bereits von meinem Vorredner erwähnt, nehmen 22 Mitgliedstaaten teil. Bei Irland, Dä­nemark und Schweden gehen wir davon aus, dass sie sich mit einer Teilnahme noch anschließen werden, bei Polen und Ungarn bin ich recht skeptisch; ich denke, dass diese beiden Länder sich nicht anschließen werden, was sehr bedauerlich ist.

Auch wenn das Projekt jetzt auf Schiene ist, darf ich doch kritisch, Frau Ministerin, an­merken, dass seit der Beschlussfassung bis zur konkreten Umsetzung fast vier Jahre vergangen sind. Das hat sehr lange gedauert. Wie wichtig unabhängige Staatsanwalt­schaften, aber auch sonstige Behörden – ich möchte da beispielsweise auf die österrei­chische Bundeswettbewerbsbehörde verweisen – für die Bekämpfung von Korruption, Machtmissbrauch und sonstigen Rechtsbrüchen sind, beweist sich derzeit in Österreich Tag für Tag.

Missstände, sehr geehrte Damen und Herren, gibt es leider auch auf europäischer Ebe­ne. Nach EU-Schätzungen entstanden uns allen im Jahr 2017 etwa 500 Millionen Euro Schaden. Es gibt aber auch weit höhere Annahmen. Laut einer Studie des Instituts für Weltwirtschaft, in Kiel angesiedelt, könnten der Europäischen Union durch Mehrwert­steuerbetrug vorsichtig geschätzt 30 Milliarden, pessimistisch geschätzt sogar 62 Milliar­den Euro Schaden entstanden sein, Mehrwertsteuer entgangen sein. Da braucht es eine effektive und starke Behörde.

Es geht also um sehr hohe Summen, die dem EU-Haushalt und allen EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern verloren gehen. Deshalb ist es gut und richtig, dass die Europäische Staatsanwaltschaft geschaffen wurde und sie jetzt in Kürze ihre Arbeit aufnehmen wird. Es ist notwendig, dass wir heute diese legistischen Rahmenbedingungen beschließen. Da geht es um dienstrechtliche Umsetzungen, um sozialversicherungsrechtliche Absi­cherung der auf nationaler Ebene tätigen Delegierten Europäischen Staatsanwältinnen – oder einer Staatsanwältin und eines Staatsanwaltes.

Ich wünsche der Europäischen Staatsanwältin, die bereits ernannt wurde, und auch der Delegierten Staatsanwältin und dem Delegierten Staatsanwalt viel Erfolg dabei, den er­heblichen finanziellen Schaden für die Europäische Union – damit auch für Österreich –, den es mutmaßlich gibt, zu minimieren und damit das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger nicht nur in die Europäische Union, sondern auch in die Staatsanwälte und Staatsanwältinnen, die sich täglich bemühen, dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen, zu stärken. Auch auf europäischer Ebene werden diese Staatsanwältinnen und Staats­anwälte dieses Vertrauen brauchen, um sich gegen Korruption und Machtmissbrauch durchsetzen zu können.

Viel Erfolg, meine sehr geehrten Damen und Herren in Luxemburg und auch in Wien, und herzlichen Dank für Ihre Arbeit! (Beifall bei der SPÖ.)

11.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Stein­acker. Das Wort steht bei ihr. – Bitte.


11.42.01

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! Seit der Jahrtausendwende wird die Idee der Europäischen Staatsanwaltschaft verfolgt. Ziel ist, grenzüberschreitend Straftaten zu verfolgen und da auch effizient und wirksam zu sein.

Ich denke, wenn man sich die Zahlen anschaut, dass kriminelle Banden durch die Umge­hung nationaler Vorschriften und EU-Vorschriften jedes Jahr Milliardenbeträge erbeu­ten – 2018 waren das mehr als 1,2 Milliarden Euro –, dann gibt es Handlungsbedarf, dann gibt es die Notwendigkeit, dort hinzuschauen und Regelungen zu finden, die diesen Betrug hintanhalten.


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22 Staaten nehmen teil, es wird eine gute Organisation ins Leben gerufen. Wir haben die EU-Verordnung, die ja grundsätzlich direkt wirksam ist, wir machen jetzt die Begleit­gesetze, damit es auch in der Umsetzung zu keinen Widersprüchen kommt.

Einerseits gibt es die Zentrale der Europäische Staatsanwaltschaft in Luxemburg, wir haben bereits eine Staatsanwältin dort vor Ort – das ist unsere erste Europäische Staats­anwältin, Frau Ingrid Maschl-Clausen, die ja schon in Luxemburg ist und die Umsetzung vorbereitet. Daneben gibt es Delegierte Staatsanwälte und Staatsanwältinnen – es sind mindestens zwei je Mitgliedstaat –, auch diese sind bereits ausgewählt und nominiert.

Ich denke, diese Gliederung ist sehr sinnvoll. Die zentrale Behörde, die unter der Leitung der Generalstaatsanwältin Laura Kövesi in Luxemburg steht, ist für die Ermittlungen, für die Koordination dieser Ermittlungen zuständig, sie beaufsichtigt und sorgt für die Quali­tätssicherung zwischen den teilnehmenden Ländern. Operativ ermitteln die dezentralen Staatsanwälte in den Ländern.

Wie die VorrednerInnen schon gesagt haben, geht es um Tatbestände und Straftatbe­stände, die wir bereits in unsere Rechtsordnung umgesetzt haben, in § 168c Strafgesetz­buch den ausgabenseitigen Betrug und in § 168d die missbräuchliche Verwendung von Mitteln und Vermögenswerten zum Nachteil der Interessen der Europäischen Union.

Kollege Stefan sagt im Diskurs und in den gemeinsamen Diskussionen: Jede Kontrolle ist uns genommen! – Nein, durch die Entsendung von Personen, die uns dort vertreten, ist sie jedenfalls gegeben. Ich denke, die gemeinsame Vorgehensweise gegen europa­weite Korruption, gegen Finanzdelikte ist wichtig, und daher machen wir das. Keiner will die Nationalstaaten auflösen oder abschaffen.

Ich denke, wissenswert ist vielleicht auch, dass die EU-Staatsanwälte die gleichen Be­fugnisse haben wie österreichische Staatsanwälte. Sie sind grundsätzlich weisungsun­abhängig von den nationalen Rechtssystemen, aber sie sind natürlich – so wie das auch in Österreich in Bezug auf Fachaufsichten et cetera notwendig ist –gegenüber der stän­digen Kammer in Luxemburg weisungsgebunden. Bei Zuständigkeitskonflikten entschei­det bei uns ein Dreiersenat, das ist in diesem Zusammenhang auch gut geregelt.

Grenzüberschreitend bei diesen Straftaten schnell zu handeln, erfolgreiche Strafverfol­gung und wirkungsvolle Einziehung von rechtswidrig erlangten Geldern sicherzustellen, muss möglich sein. Es ist Neuland, das wir betreten, im besten gemeinschaftlichen Sinne der EU und natürlich zum Schutz der Vermögenswerte der europäischen Bürgerinnen und Bürger. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

11.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Margreiter. – Bitte.


11.46.02

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Wo immer wir in Europa unterwegs sind, ob auf einer griechischen Urlaubsinsel, bei uns im Tiroler Wipptal oder in Nordschweden, begegnen uns immer wieder Tafeln, auf denen die EU-Flagge abgebildet ist, auf denen man lesen kann, dass Infrastrukturprojekte ge­baut werden, dass die Europäische Union diese mitfinanziert, dass die europäischen Bürgerinnen und Bürger diese zu ihrem Nutzen mitfinanzieren; Infrastrukturprojekte, die also den Bürgerinnen und Bürgern Zukunft und Nutzen bringen.

Nur: Natürlich ist da auch sehr, sehr viel Geld im Spiel, und wo immer viel Geld im Spiel ist, ist natürlich auch die Gefahr missbräuchlicher Verwendung dieser Gelder gegeben. Wenn man die Statistik anschaut, dann sieht man: Allein im Jahr 2018 haben nationale Behörden Betrug zulasten des europäischen Haushaltes in der Höhe von 1,2 Milliarden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 48

Euro gemeldet. Da ist der Mehrwertsteuerbetrug noch gar nicht dabei. Man sieht also, da muss man dagegen steuern.

Bisher gab es Eurojust und das EU-Betrugsbekämpfungsamt, aber das sind relativ zahn­lose Institutionen, die sehr auf den Goodwill und den Mitwirkungswillen der Mitglied­staaten angewiesen sind. Das ändert sich jetzt: Mit der Einführung der Europäischen Staatsanwaltschaft, die mit 1. Juni dieses Jahres operativ werden wird, wofür wir heute die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen, bekommt die Europäische Union, bekom­men die europäischen Bürgerinnen und Bürger ein wirksames Instrument, um diese Be­trugshandlungen bekämpfen zu können, supranational bekämpfen zu können. Das ist etwas Neues und das sollte man – gerade wir in Österreich – eigentlich sehr begrüßen.

Wir in Österreich wissen ja, wir haben die Erfahrung gemacht, wie wichtig es ist, eine unabhängige Strafverfolgungsbehörde zu haben, die nicht auf den Goodwill der Politik angewiesen ist. Eine solche Strafverfolgungsbehörde auf europäischer Ebene bekom­men wir jetzt und das ist sehr zu begrüßen. Wir feiern heute wirklich einen bedeutenden Schritt der europäischen Integration, den wir NEOS sehr freudig mittragen, und ich er­warte und hoffe, dass es breite Zustimmung zu dieser Regierungsvorlage geben wird. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Yildirim.)

11.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Za­dić. – Bitte.


11.48.45

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Sehr geehrte Da­men und Herren Abgeordnete! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich bin sehr froh, dass wir heute über ein Gesetz abstimmen, mit dem wir eine wichtige Institution auf den Weg bringen. Warum ist diese Institution so wichtig? – Sie ist deswegen so wichtig, weil sie vor allem für die Bekämpfung von grenzüberschreitender Korruption und Betrug zu­ständig ist, und zwar dort, wo sich Betrug und Korruption gegen die finanziellen Interes­sen der Europäischen Union richten: bei Straftaten, die das EU-Budget schädigen.

Vieles wurde ja in diesem Zusammenhang schon genannt, vielleicht noch eine Bemer­kung dazu, wie es bis jetzt gehandhabt wurde: Wenn es um grenzüberschreitende Kri­minalität geht, war natürlich die nationale Staatsanwaltschaft zuständig. Wir wissen aber auch, dass die Zuständigkeit der nationalen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte an der österreichischen Grenze endet.

Gerade aber, wenn es um länderübergreifende, grenzüberschreitende Zusammenarbeit geht, wenn es um die Interessen des EU-Budgets geht, ist das sehr zeitaufwendig und auch zeitintensiv. Das hat natürlich die kriminellen Organisationen befördert und be­flügelt, da diese sehr wohl über die österreichischen Grenzen hinweg zusammenarbei­ten. Damit hat man es den Ermittlungsbehörden schwerer gemacht. Die kriminellen Or­ganisationen haben es natürlich auch geschafft, sich den nationalen Ermittlungsbehör­den zu entziehen.

In Zukunft haben wir mit der Europäischen Staatsanwaltschaft eine Behörde, die Krimi­nelle schnell und effektiv über die Grenzen hinweg verfolgen kann und somit auch einen wertvollen Beitrag zur Korruptionsbekämpfung und zur Bekämpfung des grenzüber­schreitenden Betrugs leisten kann.

Meine Damen und Herren! Es geht wirklich um sehr, sehr viel Geld – eine Zahl wurde schon genannt: 1,2 Milliarden Euro – im Zusammenhang von EU-Budget und Förder­missbrauch. Aber ich möchte auch noch eine Sache erwähnen, nämlich den Umsatz­steuerbetrug. Es gibt Schätzungen, die von einem Schaden von ungefähr 50 Milliarden


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 49

Euro ausgehen. Für einen Teil dieser Fälle wird in Zukunft auch die Europäische Staats­anwaltschaft zuständig sein und so auch dazu beitragen, dass die entgangenen Steuer­milliarden zurückgeholt werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Damit die Europäische Staatsanwaltschaft bestmöglich im Sinne aller Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union ihre Arbeit aufnehmen kann, ist sie als unabhängige und vom Nationalstaat weisungsfreie Behörde ausgestattet. An der Spitze dieser Behör­de steht mit Generalstaatsanwältin Laura Kövesi eine sehr engagierte und für die Korrup­tionsbekämpfung auch sehr bekannte Frau. Ich bin sehr froh, dass sie als General­staatsanwältin dieser Behörde vorsteht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich bin mit dem Versprechen in dieses Amt gekommen, dass ich die Korruptionsbekämp­fung stärken werde, und das nicht nur in Österreich, sondern auch auf europäischer Ebene. Die Schaffung der Europäischen Staatsanwaltschaft, die eben grenzüberschrei­tende Korruption bekämpfen soll, ist mir auch deswegen ein besonderes Anliegen, und ich halte sie für ein sehr wichtiges Projekt.

Wir haben da Staatsanwälte und Staatsanwältinnen entsendet, eine Staatsanwältin sitzt in Brüssel und zwei Delegierte Europäische Staatsanwälte sitzen in Österreich. Sie wer­den heute hier im Nationalrat die gesetzlichen Grundlagen dafür schaffen, dass mit diese Staatsanwaltschaft 1. Juni ihren Kampf gegen Korruption aufnehmen kann. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich hoffe daher, dass Sie, geschätzte Abgeordnete aller Parlamentsfraktionen, heute diesem Entwurf eine breite Mehrheit verschaffen. Ihre Zustimmung vorausgesetzt, freue ich mich, dass die Staatsanwaltschaft ihre Arbeit aufnehmen kann. So können wir ge­meinsam ein starkes Zeichen für Europa und ein klares Bekenntnis für die Korruptions­bekämpfung setzen.

Ich möchte mich noch ganz herzlich bei der Ausschussvorsitzenden und auch bei allen Parlamentsfraktionen bedanken, denn es war nur aufgrund dessen, dass kurzfristig ein Ausschusstermin festgesetzt wurde und die Ausschusssitzung diese Woche stattgefun­den hat, möglich, dass die Beschlussfassung des Gesetzes rechtzeitig erfolgt. – Danke nochmals an dieser Stelle. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Troch. – Bitte.


11.53.38

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Her­ren! Es geht hier um den Vollzug einer EU-Verordnung, es geht um den Europäischen Staatsanwalt oder die Europäische Staatsanwältin, es geht tatsächlich um Steuerbetrug, es geht um Mehrwertsteuerhinterziehung, es geht aber auch um die Bildung krimineller Vereinigungen, um Bestechlichkeit. Ich glaube, Österreich als einer der Nettozahler der EU hat besonders großes Interesse, dass im EU-Haushalt, bei den EU-Finanzen korrekt vorgegangen wird.

Die Zentrale der EU-Staatsanwaltschaft wird in Brüssel sein.

Ich möchte hier allerdings auch einen heiklen Punkt ansprechen; es gibt sehr wohl ein paar heikle Punkte. Bis jetzt konnten in Fällen von Betrug, was den EU-Haushalt betrifft, ja nur nationale Behörden Anklage erheben und untersuchen. Die Lage in den einzelnen EU-Ländern – das ist der heikle Punkt, den ich ansprechen will – ist sehr, sehr unter­schiedlich. Es gibt in manchen Ländern eine Verfilzung von Politik und Justiz. Die SPÖ bekennt sich ja ganz klar zu einer Gewaltentrennung der wesentlichen Staatsgewalten. (Beifall bei der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 50

Es soll ja EU-Länder mit seltsamen Zuständen geben: Es gibt da Vorwarnungen bei Hausdurchsuchungen, zum Beispiel bei prominenten Politikern, die Ehefrau schnappt sich den Laptop, packt den Laptop, der ein wichtiges Beweismittel ist, in den Kinderwa­gen und entzieht dieses wichtige Beweismittel somit einer Hausdurchsuchung. Dieses Außerhausschaffen ist ein äußerst seltsamer Zustand. Meiner Meinung nach gibt es hier auch punktuell eine Verfilzung von Justiz und Politik. In diesem Sinne begrüße ich na­türlich die Einführung der EU-Staatsanwaltschaft, denn dann können Hausdurchsu­chungen in verschiedenen EU-Ländern zur gleichen Zeit durchgeführt werden. Alles, was eine unabhängige Justiz stärkt, begrüßt die SPÖ natürlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Die europäische Zusammenarbeit hat sich in verschiedenen Bereichen durchaus be­währt, insbesondere bei der Verfolgung von Kriminalität. Kriminalität ist grenzüber­schreitend und muss grenzüberschreitend bekämpft werden. Europol, Interpol, die sind bekannt, Olaf, das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung, Eurojust, wo auch im straf­rechtlichen Bereich europäische Zusammenarbeit erfolgt, sind sehr begrüßenswert. (Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Der letzte Punkt ist die Wahrheitspflicht: Es ist vorgesehen, dass vor den Organen der Europäischen Staatsanwaltschaft Wahrheitspflicht besteht. Ich glaube, das ist ein wich­tiger Punkt, und auch die österreichische Politik sollte und könnte sich zur Wahrheits­pflicht vor den Behörden bekennen und daran festhalten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Reiter. – Bitte.


11.56.53

Abgeordnete Carina Reiter (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer! Die Europäische Staatsan­waltschaft soll mit 1. Juni die operative Tätigkeit aufnehmen. Diese nun EU-weit tätige Behörde wird gegen grenzübergreifende Großkriminalität zulasten des EU-Haushaltes vorgehen.

Was heißt das also? – Die Europäische Staatsanwaltschaft kann als erste unabhängige und dezentrale Staatsanwaltschaft länderübergreifend gegen Straftäter vorgehen und bei Betrugsdelikten zulasten des EU-Haushaltes für Bestrafung sorgen. Gemeint sind Straftaten wie etwa Betrug und Korruption bei EU-Förderungen oder schwerer grenz­überschreitender Mehrwertsteuerbetrug. Diese Vergehen können untersucht, strafrecht­lich verfolgt und vor Gericht gebracht werden. Kurz gesagt, es geht darum, Steuergeld zu schützen.

Als plakatives Beispiel führt man gerne den Straßenbau an. Irgendwo in einem Mitglied­staat der Europäischen Union beantragt eine Kommune EU-Fördergeld für den Bau einer Straße und erhält dankenswerterweise die Mittel dazu. Was daran nicht so gut ist, ist: Die Straße wird nicht gebaut, aber das Steuergeld ist trotzdem weg.

Ein weiterer großer Punkt: Durch die Umgehung nationaler und europäischer Vorschrif­ten erbeuten organisierte kriminelle Banden Beträge in Milliardenhöhe. 2018 waren es etwa Beträge, die von den  nationalen Behörden gemeldet wurden, auf Kosten des EU-Haushaltes in der Höhe von 1,197 Milliarden Euro.

Die Zuständigkeit nationaler Behörden endet an den Landesgrenzen, und die Mittel zur Bekämpfung von grenzübergreifendem Finanzbetrug sind begrenzt. Durch die Europäi­sche Staatsanwaltschaft kann schnell gehandelt werden und langwierige Verfahren bei der justiziellen Zusammenarbeit fallen weg. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 51

Die Behörde gliedert sich in zwei Ebenen, in die Zentrale in Luxemburg und dezentral in 22 teilnehmenden Mitgliedstaaten. Wir betrachten es prinzipiell als sinnvoll, dass mit dieser Form der Zusammenarbeit die Behörden so aufgestellt sind, dass man einigerma­ßen gleiche Strafverfolgungen bei den vorweg genannten Delikten sicherstellen kann.

Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung, genannt Olaf, wird zudem weiterhin tätig sein, eine enge Abstimmung zwischen Olaf und der Europäischen Staatsanwaltschaft wird es geben. Die Zuständigkeiten wurden unter der Prämisse eines bestmöglichen Schutzes des EU-Haushaltes aufgeteilt. Eine gute länderübergreifende Zusammenarbeit ist in unser aller Interesse. Kriminalität hat viele Facetten und kennt bekannterweise keine Grenzen. Im Endeffekt geht es darum, dass wir das Steuergeld der europäischen Bürgerinnen und Bürger schützen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ragger. – Bitte.


12.00.08

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minis­terin! Herr Minister! Wir möchten trotzdem noch einmal aus Sicht der Freiheitlichen Partei ein paar Feststellungen treffen. Es ist allgemein bekannt, dass, wenn wir eine Verord­nung erlassen, diese direkte Anwendbarkeit hat, aber man muss sich natürlich bei die­sem Gebilde, das die EU uns jetzt aufsetzt, auch vor Augen führen, dass wir das in 27 Mitgliedstaaten umzusetzen haben, und deswegen gibt es diese gesetzliche Ausfor­mung.

Und: Wenn so etwas passiert, dass wir eine Europäische Staatsanwaltschaft schaffen, dann müsste man normalerweise davon ausgehen, dass alle Staaten mitziehen. Wenn aber so namhafte Staaten wie Polen, Ungarn, Irland, Dänemark oder auch Schweden, die selbst die Demokratie sehr hochhalten, davon Abstand nehmen, eine zentrale Euro­päische Staatsanwaltschaft einzurichten, dann sollte man sich schon überlegen, wohin der Weg geht. (Beifall bei der FPÖ.)

Sowohl die SPÖ als auch die ÖVP waren immer, vor allem auch mit ihren Bundesländer­organisationen, sehr stark Verfechter insbesondere des Subsidiaritätsprinzips, und hier drehen wir es auf die gegenteilige Situation um. Die Frage ist ja am Ende des Tages auch: Was ist denn das nächste Prinzip? Gibt es dann eine einheitliche europäische Polizei? Gibt es eine einheitliche europäische Armee? Wohin entwickelt sich diese Dis­kussion dann am Ende des Tages? – Daher lehnen wir diese Europäische Staatsanwalt­schaft ab. (Beifall bei der FPÖ.)

Einerseits haben wir, glaube ich, jetzt nach Covid andere Sorgen, als europaweit 50 Staats­anwälte einzustellen, einen überbordenden Moloch an staatsanwaltlicher Tätigkeit auf­zubauen. Mir ist bis jetzt noch nicht untergekommen, dass wir heute im Fall eines euro­päischen Exekutionsverfahrens oder eines europäischen gesetzlichen Mahnverfahrens nicht in der Lage wären, eine Rechtsdurchsetzung in allen anderen europäischen Staa­ten zu gewährleisten. Man denke an Rom I, man denke an Rom II und auch, im Bereich von Unterhaltsansprüchen, an Rom III – da haben wir alle diese Maßnahmen gesetzt. Warum man deshalb eine zentrale Staatsanwaltschaft für strafrechtliche Verfolgungen ausschließlich für EU- und Europafragen benötigt, das weiß ich nicht und das entzieht sich meiner Kenntnis.

Daher, zusammengefasst: Abschließend darf man auch noch festhalten, dass man bei all diesen Maßnahmen, die Sie da jetzt auch gesetzlich umsetzen, eines vergisst, näm­lich dass auch der Rechtsschutzbeauftragte, nämlich in Österreich, ausgehebelt wird. (Zwischenruf der – den Kopf schüttelnden – Abg. Steinacker.) Daher müssen wir in der


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Zusammenschau und im Wirken dessen, dass diese Staatsanwaltschaft uns überhaupt nicht in das Konzept und schon gar nicht in die nationalstaatliche Souveränität passt, diese ablehnen – und daher müssen Sie leider mit dieser Ablehnung rechnen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.02


12.03.01

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet, wenn nicht noch eine Wortmeldung kommt. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ich frage die Klubobleute, ob wir zur Abstimmung kommen können. – Gut.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 808 der Beilagen.

Ich ersuche die Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Ich komme gleich zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung dafür ist, wird um ein entsprechendes Zeichen gebeten. – Das ist das gleiche Stimmverhalten. Daher ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

12.03.482. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Bericht gemäß § 13 Abs. 1a des Bundesgesetzes über die Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik (Ar­beitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz – AMPFG) für das Jahr 2020 sowie das erste Quartal 2021, vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit (III-304/832 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.


12.04.17

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Fernsehbild­schirmen! Ja, es geht heute um einen Bericht gemäß dem Gesetz über die Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik, und zwar für das Jahr 2020 und das erste Quartal 2021. Konkret geht es um die Finanzierung vor allem der Kurzarbeit.

Jetzt kann man über den Bericht eigentlich nichts Schlechtes sagen. Die Frage ist aller­dings: Wie geht es weiter, vor allem auch mit der Kurzarbeit, Herr Bundesminister? Wir wissen es nicht. – Gut, der Bundesminister hat Wichtigeres zu tun. (Abg. Michael Ham­mer: ... verständlich!) – Ja, das ist für Sie verständlich, ich glaube es schon. Machen Sie dem Minister ruhig die Mauer! Er muss sich ja nicht dafür interessieren, was im Parla­ment diskutiert wird. – Das ist sozusagen der Respekt vor dem Hohen Haus, aber aus Sicht der ÖVP muss es ja keinen geben. (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, meine Damen und Herren, die Frage wird also sein: Wie geht es auf dem österrei­chischen Arbeitsmarkt weiter? Wir haben in diesem Land immer noch weit über 400 000 Arbeitslose und in etwa noch einmal so viele, die sich derzeit immer noch in Kurzarbeit befinden. Das Kurzarbeitsmodell während der Coronazeit hat sich natürlich bewährt, allerdings sehen wir schon seit einiger Zeit, dass es jetzt nach wie vor sehr viele Mitarbeiter in Kurzarbeit in Branchen gibt, die von Corona nicht mehr betroffen sind. Da stelle ich mir jetzt die Frage: Wie wird man mit diesen Menschen, die sozusagen auch nicht wissen, wie ihre berufliche Zukunft aussehen wird, weiter umgehen?


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Auf der anderen Seite muss man auch sagen, dass der Herr Bundesminister selbst im Ausschuss wenig darüber preisgegeben hat, wie lang die Kurzarbeit jetzt noch laufen wird, ob sie verlängert wird und, wenn ja, wie lange sie verlängert wird, wie das aus­schauen wird, welches Modell es geben wird, mit wie viel denn die Bürger, die Arbeit­nehmer rechnen können, wenn sie weiterhin in Kurzarbeit sein müssen.

All das, all diese Antworten sind Sie uns in Wahrheit schuldig geblieben. Noch eines draufgesetzt hat dann aber der Wirtschaftsbund, der nämlich kurz vor der Ausschuss­sitzung sein neues Arbeitslosengeldmodell präsentiert hat, das nichts anderes bedeutet als einen weiteren Sozialabbau.

Man hat mit diesen völlig falschen Maßnahmen, die im Zuge der Coronakrise von dieser schwarz-grünen Bundesregierung gesetzt wurden, Dutzende, Tausende, Abertausende Menschen in die Arbeitslosigkeit getrieben, und jetzt macht man diese Opfer der Krise noch einmal zu Opfern, indem man sagt, die sollen jetzt einfach weniger Arbeitslosen­geld kriegen – wenn es nach der ÖVP geht, nach dem ÖVP-Wirtschaftsbund, der in­nerhalb dieser ÖVP-Fraktion ja nicht wenig maßgeblich ist. Im Ausschuss für Arbeit und Soziales ist die Hälfte der ÖVP-Abgeordneten Mitglied im Wirtschaftsbund, meine Da­men und Herren! Das heißt, das sind genau jene Vertreter, die dieses Modell wollen, ein Modell, gemäß dem das Arbeitslosengeld, das in Österreich ohnehin im europäischen Vergleich relativ gering ist, noch einmal gesenkt werden soll, dessen Laufzeit verkürzt werden soll und dann auch noch eine Abschaffung des Sondernotstands erfolgen soll und, um dem Ganzen noch eines draufzusetzen, die Zuverdienstgrenze auf null gesetzt werden soll. Das heißt, wenn Sie in Arbeitslosigkeit sind, dürfen Sie nicht einmal mehr geringfügig dazuarbeiten – was im Übrigen immer wichtig war, um auch einen Kontakt zum Arbeitsmarkt zu behalten. Das will die ÖVP jetzt auch noch streichen.

Dies ist ein Modell des Sozialabbaus, ein Modell, das die Opfer noch einmal die Krise bezahlen lassen möchte – und das, meine Damen und Herren, das, Herr Bundesminis­ter, wird es mit uns nicht geben! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie, Herr Bundesminister, sind es aber auch schuldig geblieben, auch im Ausschuss, sich davon zu distanzieren. Wir haben einen diesbezüglichen Antrag gestellt – der Herr Bundesminister hat es nicht gemacht. Die ÖVP hat diesen im Ausschuss vertagt, sprich schubladisiert, weil Sie sich auch gar nicht vom Wirtschaftsbund distanzieren möchten.

Wissen Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, wenn man ein bisschen in die Ge­schichte zurückschaut, dann kann man feststellen, dass es in den Dreißigerjahren, kon­kret 1933, so war, dass damals auch die Christlichsoziale Partei die sogenannte Aus­steuerung bei über 200 000 Arbeitslosen vorgenommen hat. Diesen hat man von heute auf morgen das Arbeitslosengeld gestrichen, und man hat dann auch die Armut, die Delogierung, die Kälte, die Obdachlosigkeit, den Hunger in Kauf genommen. All das ha­ben wir schon einmal erlebt. In diese Richtung wollen Sie jetzt wieder gehen, und der Minister ist nicht in der Lage, sich von einem solchen Modell – das Arbeitslosengeld weiter zu reduzieren – zu distanzieren, und das ist schäbig, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

12.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hammer. – Bitte.


12.08.51

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Geschätzte Damen und Herren! Wir diskutieren hier den Bericht, der sich im Wesentlichen mit der Kurzarbeit im Jahr 2020 und im ersten Quartal 2021 beschäftigt, weil die Opposition oder Teile der Opposition diesen Bericht nicht im Ausschuss ender­ledigen wollten. Ich finde es grundsätzlich gut, dass wir über die Kurzarbeit auch hier im


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 54

Plenum diskutieren können, weil die Kurzarbeit, so wie sie in Österreich aufgesetzt war und ist – bei allem Bewusstsein, dass es Veränderungen braucht –, eine absolute Er­folgsgeschichte war und es durch dieses Modell gelungen ist, sehr, sehr viele Menschen, Hunderttausende in Wirklichkeit, in Beschäftigung zu halten und gut durch die Krise, nämlich sowohl was die Beschäftigung betrifft als auch was die private Einkommensabsi­cherung betrifft, zu führen. Dass das so gestaltet werden konnte, war eine Erfolgsge­schichte, und über diese kann man durchaus auch hier im Plenum sprechen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Koza.)

Bevor ich auf die Kurzarbeit und die Veränderungen, die der Herr Minister ja auch schon skizziert hat, noch im Detail eingehe: Frau Kollegin Belakowitsch, es ist immer ein biss­chen mühsam – das war es im Ausschuss auch schon –, wenn uns irgendetwas unter­stellt und dann gesagt wird: Mit uns gibt es das nicht, dieses und jenes, und das ist Sozialabbau! – Es wird in dieser Republik ja noch erlaubt sein, dass sich Organisationen, die sich im unternehmerischen Bereich betätigen, Gedanken darüber machen, wie es uns wieder gelingt, Menschen leichter in den Arbeitsmarkt zu bringen, wieder Beschäf­tigung anzunehmen. Sowohl der Herr Minister als auch unsere Fraktion in meiner Person haben im Ausschuss ganz klar gesagt, dass es im Regierungsprogramm nicht so vor­gesehen ist und diese Vorschläge derzeit auch nicht diskutiert werden. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Sie können dieses Mantra weiter verbreiten, aber es ist, glaube ich, ganz klar – der Minister hat es ja auch gesagt –, dass das derzeit nicht auf der Agen­da steht. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Sie brauchen das nicht immer wieder zu behaupten – aber bei euch ist das ja so. Es werden lauter Dinge künstlich konstruiert, so wie auch gestern beim Auftritt des Bundes­kanzlers im Schweizerhaus, wo Sie Ihre Krakeeler hinschicken, damit sie Bilder produ­zieren, dass jemand gegenteiliger Meinung ist. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Deimek.) Im Übrigen ist dort auf Ihre Initiative hin auch Herr Küssel aufgetreten. Das ist ja auch sehr interessant! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Es ist grundsätzlich so – das wurde eingangs auch schon gesagt –, dass sich der Ar­beitsmarkt noch in einer angespannten Situation befindet, sich aber positiv entwickelt. Die Öffnungsschritte, die gestern gesetzt wurden, werden eine positive Dynamik und viele Menschen wieder zurück in Beschäftigung bringen.

Die Kurzarbeit – das ist unbestritten – war notwendig, und wir brauchen sie auch jetzt noch. Es ist aber die Herausforderung, in der nächsten Zeit zu schauen, wo wir sie noch brauchen. Derzeit sind noch rund 300 000 Menschen in diesem Kurzarbeitsmodell. Wir als Bundesregierung und vor allem der Herr Arbeitsminister haben einen sehr realisti­schen Blick, welche Veränderungen es jetzt bei der Kurzarbeit braucht.

Unser Modell war und ist relativ großzügig. Das kann aber auch zu negativen Effekten auf dem Arbeitsmarkt führen, vor allem jetzt, wenn die Öffnungen kommen. Wir müssen das jetzt konjunkturgerecht weiterentwickeln, da laufen die Gespräche, und es soll im Sommer auch ausgerollt werden. Es geht dabei darum: Wie schaut es mit der Kosten­beteiligung der Unternehmer aus? Wie schaut es mit Mindestarbeitszeiten aus? Wie schaut es mit Weiterbildung aus? Und vor allem – diese Frage ist natürlich zu klären –: Wer und welche Branchen brauchen die Kurzarbeit noch? Wenn das dann vorliegt – die Gespräche laufen auch auf Sozialpartnerebene –, haben sowohl die Arbeitnehmer als auch die Betriebe die entsprechende Planungssicherheit, die wir brauchen.

Ein schrittweiser Ausstieg aus der derzeitigen Form der Kurzarbeit ist sinnvoll, damit die Dynamik am Arbeitsmarkt angekurbelt wird.

Zusammengefasst: Die Kurzarbeit war eine Erfolgsgeschichte. Wir brauchen sie auch jetzt noch. Wir werden ein Modell aufstellen, das der aktuellen Situation gerecht wird, um Menschen in Beschäftigung zu halten. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.13



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 55

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.


12.13.07

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Am Anfang war die Kurzarbeit super, am Anfang war sie notwendig. Sie hat am Beginn der Coronakrise wirklich viele Jobs gerettet. Es sind sich aber alle Experten einig: Je länger die Kurzarbeit anhält, umso größer ist der Anteil der Jobs, die eigentlich nicht mehr mit staatlichem Geld gefördert werden sollten, weil beispielsweise diese Be­triebe strukturell schon kaputt waren und wir Menschen in staatlich geförderten Kurzar­beitsjobs halten, die woanders dringend gebraucht würden.

Wir haben in den letzten Monaten auch sehr viel über die Effekte der Kurzarbeit erfahren. Wir haben zum Beispiel erfahren, dass in der Phase drei nur 1,6 Prozent der Betriebe die Weiterbildungsangebote genutzt haben, die mit der Kurzarbeit verbunden sind. Men­schen sind in Kurzarbeit, sind vielleicht nur zu 30 Prozent beschäftigt und könnten sich daneben weiterqualifizieren. 1,6 Prozent der Betriebe, also fast keiner, nimmt es in An­spruch.

Und die Kurzarbeit ist betrugsanfällig. Sie kann ganz schwer kontrolliert werden. Die Finanzpolizei sagt: Mit den Mitteln, die wir haben, erwischen wir „nur die Dummen“. – Sie können dieses Zitat im „Standard“ nachlesen. Die Kurzarbeit ist ein offenes Tor für jeden, der betrügen will. Wenn Sie einmal schauen, welche Betriebe in Kurzarbeit sind, dann erkennen Sie, dass es bis jetzt natürlich logisch war, dass die Hotellerie und die Gastronomie in Kurzarbeit waren – ja, no na. Wenn Sie aber privat einen Handwerker brauchen und keinen kriegen und dann Handwerksbetriebe in Kurzarbeit finden, frage ich mich, was da läuft. Es waren sogar Steuerberater zu der Zeit in Kurzarbeit, in der die ganzen Betriebe um Kurzarbeit angesucht haben. Das war und ist leider immer noch ein offenes Tor für den Betrug.

Wir haben jetzt auch Betriebe, die in Kurzarbeit sind, die mit Corona gar nichts zu tun haben. Wenn wir in der Zeitung lesen, dass die Firma Magna in Graz in großem Stil in Kurzarbeit geht, weil sie Probleme mit der Lieferkette hat, ist das kein Coronaproblem. Die kann schon in Kurzarbeit gehen, aber warum zu den super begünstigten Konditionen der Coronakurzarbeit?

Wir werfen Steuergeld hinaus und fangen betriebliche Risiken auf, die mit Corona gar nichts zu tun haben. Kollege Hammer hat vorhin gesagt: Ja, wir brauchen einen schritt­weisen Ausstieg aus der Kurzarbeit.

Ich bringe dazu folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

Der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schrittweiser Ausstieg aus der Corona-Kurzarbeit“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit sowie der Bundesmi­nister für Finanzen, wird aufgefordert, ein Modell für einen schrittweisen Ausstieg aus der Corona-Kurzarbeit vorzulegen.“

*****

Ich bin gespannt, ob Sie zustimmen, wenn wir das beantragen, was Sie sagen. – Na­türlich nicht.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 56

Noch zur Frage des degressiven Arbeitslosengeldes: Wie da die Angst bei Kollegen Hammer spürbar ist! Der Minister hat als IHS-Chef ein degressives Arbeitslosengeld ge­fordert. Der Wirtschaftsbund fordert ein degressives Arbeitslosengeld. Das degressive Arbeitslosengeld ist internationaler Standard. In der Europäischen Union gibt es ein ein­ziges Land, das zeitlich unbegrenzt Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung vor­sieht: Das ist Österreich. Jetzt haben Sie nicht die Courage, zu den eigenen Vorschlägen zu stehen? Ich meine, das ist Politik mit Angst vor der Wahrheit. Dass Sie bei der ÖVP mit der Wahrheit ein Problem haben, wissen wir, das hat der Nationalratspräsident ja auch medial kundgetan. Dass Sie dann aber nicht einmal zu den eigenen Vorschlägen stehen, ist schon sehr peinlich. (Beifall bei den NEOS.)

12.16

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Schrittweiser Ausstieg aus der Corona-Kurzarbeit

eingebracht im Zuge der Debatte in der 107. Sitzung des Nationalrats über Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Bericht gemäß § 13 Abs. 1a des Bun­desgesetzes über die Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik (Arbeitsmarktpolitik-Finanzie­rungsgesetz – AMPFG) für das Jahr 2020 sowie das erste Quartal 2021, vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit (III-304 d.B.) – TOP 2

Am Beginn der Coronakrise war die Kurzarbeit sicherlich eine wesentliche Maßnahme zur Abschwächung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Restriktionsmaßnahmen. Sie kann Arbeitsplätze aber nicht nachhaltig sichern1. Kurzarbeit ist eben nur eine Überbrü­ckungshilfe und macht nur als Brücke von einem Ufer zum anderen Sinn, nicht aber als Steg hinaus in den Ozean. Das Modell ist kurzfristig gut und verhindert Massenarbeitslo­sigkeit, führt aber langfristig zu Verwerfungen am Arbeitsmarkt, da Arbeitskräfte in Bran­chen gehalten werden, die nicht wettbewerbsfähig sind2. Daher müssen Alternativen ent­wickelt werden, die auch langfristig sinnvoll sind. Je länger die Kurzarbeit dauert, umso größer ist der Anteil der gestützten Jobs, die strukturell auch schon ohne Coronakrise problematisch und gefährdet waren. Vermehrt melden sich nun auch österreichische Ökonom_innen, wie der Leiter des WIFO-Instituts Prof. Dr. Christoph Badelt, aber auch der AMS Vorstand Johannes Kopf und der Unternehmer und KTM-Chef Stefan Pierer kritisch zur aktuellen Ausgestaltung der Corona Kurzarbeit1, 5. So spricht Badelt davon, dass das Instrument der Kurzarbeit die Gefahr einer Überförderung in sich berge und somit auch den Strukturwandel behindere. Außerdem betont er, dass es nicht möglich sei, alle Arbeitsplätze in den betroffen Branchen zu erhalten6. Kopf fordert unter anderem eine Verschärfung der Zugangsregeln zur Kurzarbeit beziehungsweise ein langsames Auslaufen des Instruments.

Somit ist die Zeit gekommen, einen Ausstieg aus der Kurzarbeit für die Zeit nach dem Lockdown vorzubereiten. Einige Länder haben mit dem Ausstieg aus der Kurzarbeit be­reits begonnen3, beispielsweise müssen in Frankreich Unternehmen einen Teil des Lohns für die ausgefallenen Stunden selbst tragen. In den Niederlanden wurde das be­stehende Kurzarbeitsmodell in der Corona-Krise durch einen vorübergehenden Lohnzu­schuss ersetzt. Arbeitgeber zahlen den Arbeitnehmern weiterhin 100 Prozent ihres üb­lichen Lohns, die Höhe der Förderung hängt aber nicht von der Arbeitszeitreduktion ab (wie in der klassischen Kurzarbeit), sondern ist zur Umsatzreduktion proportional4. Ne­ben den strukturellen Problemen fördert die Kurzarbeit den Fachkräftemangel, da sie Arbeitnehmer_innen in schwächelnden Unternehmen mit beispielsweise 30 Prozent Ar­beitszeit hält, während diese Arbeitnehmer_innen in anderen Unternehmen gebraucht werden. Dies betont auch KTM-Chef Stefan Pierer5:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 57

"Die Kurzarbeit war ein hervorragendes Modell, um kurzfristig die Arbeitsplätze abzusi­chern. Je länger sie jedoch dauert, desto mehr verfestigen sich bestehende Strukturen. Dadurch ist auch das Rekrutieren schwieriger geworden. Wir beschäftigen heute 4.600 Mit­arbeiter und damit 200 Mitarbeiter mehr als vor der Pandemie. Darüber hinaus suchen wir weitere 300 Fachkräfte, und trotz der derzeit hohen Arbeitslosigkeit ist das Rekrutie­ren noch schwieriger geworden."

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit sowie der Bundesmi­nister für Finanzen, wird aufgefordert, ein Modell für einen schrittweisen Ausstieg aus der Corona-Kurzarbeit vorzulegen."

1            https://kurier.at/wirtschaft/corona-kurzarbeit-vier-szenarien-wie-es-ab-april-wei­              tergeht/401189230

2            https://www.diepresse.com/5930100/agenda-austria-kurzarbeit-schrittweise-be­              enden

3            https://read.oecd-ilibrary.org/view/?ref=135_135415-6bardplc5q&title=Job-              retention-schemes-during-the-COVID-19-lockdown-and-beyond

4            https://www.agenda-austria.at/publikationen/der-schrittweise-ausstieg-aus-der-              kurzarbeit/

5            https://kurier.at/wirtschaft/ktm-chef-pierer-will-wieder-mehr-leute-am-arbeits­              platz-sehen/401184664

6            https://www.derstandard.at/story/2000124168167/wifo-chef-badelt-je-mehr-sie-              zusperren-desto-staerker-schrumpft

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Silvan. – Bitte.


12.17.02

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Herr Bundesminister! Ich glaube, alle Fraktionen sind sich einig, dass die Kurzarbeit ein wichtiges Instrument war, mit dem vielen Menschen die Arbeits­losigkeit erspart geblieben ist und mit dem auch sehr viele UnternehmerInnen ihre be­währten Mitarbeiter im Betrieb halten konnten.

Bitte, Herr Minister, seien Sie mir nicht böse, ich meine das nicht zynisch, aber ich bin sehr froh, dass vor allem die Sozialpartner und nicht die Regierung dieses Kurzarbeits­modell ausgearbeitet haben. Ich möchte mir nicht vorstellen, was unter Ministerin Asch­bacher passiert wäre, wenn sie das Kurzarbeitsmodell ausgearbeitet hätte. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei den Sozialpartnern, aber auch bei den Tau­senden Betriebsrätinnen und Betriebsräten bedanken, die tagtäglich mit manchmal sehr komplizierten Arbeitszeitmodellen für den Erhalt der Arbeitsplätze kämpfen, gemeinsam mit den Unternehmerinnen und Unternehmern, die auch ihren Beitrag leisten, und mit den Gewerkschaften.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 58

Wo es viel Licht gibt, gibt es leider auch sehr viel Schatten. Ich denke, es gab zu Beginn dieser Krise und zu Beginn der Kurzarbeit einen Konsens, dass man sagt: Wenn Unter­nehmen Staatshilfen in Anspruch nehmen, wenn Unternehmen Kurzarbeitshilfen in An­spruch nehmen, soll es so sein, dass es nur im äußersten Fall zu Kündigungen kommt und dass in dieser Zeit natürlich keine Gewinne ausgeschüttet werden.

Jetzt gibt es eine Reihe von Unternehmen, für die das offensichtlich nicht gilt oder denen es egal ist, dass fast 1 Million Menschen arbeitslos oder in Kurzarbeit sind und einen beträchtlichen Teil ihres Gehalts nicht bekommen. Es gibt die Firma KTM, die 11 Millio­nen Euro an Kurzarbeitsgeldern bekommen hat und sich gleichzeitig die Vorstandsge­hälter um 30 Prozent erhöht hat. Dann gibt es die Firma Novomatic, bei der fast alle Arbeitnehmer in Kurzarbeit waren, und Herr Graf hat sich 50 Millionen Euro an Dividen­den ausbezahlt. Von der Firma Swarovski und von dem bekannten AUA-Deal rede ich gar nicht.

Jetzt sagen natürlich manche: Es ist rechtlich in Ordnung, denn das ist ja das Ge­schäftsjahr 2019 gewesen, das hat mit 2020 nichts zu tun. – Wir von der SPÖ sagen: Es ist moralisch verwerflich, in einer Zeit wie dieser so viele Dividenden auszubezahlen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir sind auch der Meinung, dass diese Firmen diese Staatsbeihilfen, diese Kurzarbeits­beihilfen zurückzahlen müssen, denn wir alle hier wissen, wer diese Republik finanziert: Es sind zu 80 Prozent die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die diese Republik fi­nanzieren.

Ich möchte auch gleich auf das Arbeitslosengeld und auf die Arbeitsmarktpolitik generell einschwenken. Kollege Muchitsch wird später noch etwas dazu sagen. Wir brauchen wieder mehr Menschen in Beschäftigung, weil wir die Lohnsteuerzahler brauchen. Des­wegen wäre es gescheit, wenn wir heute die Aktion 40 000 beschließen würden. – Dan­ke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Lausch.)

12.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Ko­cher. – Bitte sehr.


12.20.09

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Abgeordneten! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Lage auf dem Arbeitsmarkt hat sich glücklicherweise etwas entspannt. Die ganz aktuellen Daten, die wir bekommen – die noch nicht verifiziert sind, auch was zum Beispiel den gestrigen Öffnungsschritt betrifft –, stimmen aus meiner Sicht optimistisch: Allein gestern haben laut vorläufigen Daten über 8 000 Personen aus der Arbeitslosigkeit heraus wieder eine Beschäftigung aufgenommen. Wir sehen jetzt also eine deutliche Entspannung des Ar­beitsmarkts.

Vielleicht im Vergleich zur Situation im Vorjahr: Die Zahl der Arbeitslosen ist mit 334 000 Personen – ohne Menschen in Schulungen – jetzt bereits niedriger als am Ende des Sommers letzten Jahres. Voriges Jahr war ja großteils ein relativ guter Sommer, was die Saison im Tourismus und in der Gastronomie betroffen hat.

Es gibt also eine klare Entspannung am Arbeitsmarkt, und die wird sich auch in den nächsten Wochen fortsetzen, wenn die Öffnungsschritte in allen Bereichen auch am Ar­beitsmarkt durchschlagen. Das betrifft ja nicht nur die Gastronomie, sondern auch den Tourismus, der langsam beginnt, den Bereich Kunst und Kultur, die Sportbranche, Ver­anstaltungen und so weiter. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir erwarten, dass aufgrund der Öffnungen ungefähr 20 000 Personen aus der Arbeits­losigkeit wieder in Beschäftigung kommen und ungefähr 130 000 Personen aus Kurz­arbeit wieder einer vollen Beschäftigung nachgehen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 59

Die Kurzarbeit ist weiterhin ein sehr wichtiges Instrument. Im Moment sind ungefähr 320 000 Personen in Kurzarbeit vorangemeldet – vorangemeldet deshalb, weil natürlich ein Teil dieser Voranmeldungen nicht abgerechnet wird, die Erwartung liegt bei ungefähr 50 bis 60 Prozent. Die Kurzarbeit war aber ein ganz entscheidendes Kriseninstrument und ist weiter ein Kriseninstrument.

Wir erwarten, dass die Inanspruchnahme zurückgeht: Letzten Sommer, Herbst hatten wir eine Zahl von 120 000 Menschen in Kurzarbeit, das ist auch die Erwartung für diesen Sommer. Die Kurzarbeit ist weiterhin ein ganz wichtiges Kriseninstrument, das uns wahr­scheinlich Hunderttausende, wenn nicht über eine Million Beschäftigungsverhältnisse gerettet hat. Der Höhepunkt der Arbeitslosigkeit letztes Jahr mit 588 000 Personen wäre sicherlich um 300 000, 400 000 Personen überschritten worden, wenn es diese großzü­gige Kurzarbeit nicht gegeben hätte. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es geht nämlich – das war der entscheidende Punkt – auch darum, dass die Kurzarbeit in den Bereichen Dienstleistungen, Tourismus und Gastronomie genutzt wurde. In frü­heren Zeiten war das nicht der Fall, weil dieses Instrument sehr spezifisch für die In­dustrie ausgelegt war. Die Dienstleistungsbranche, besonders der Bereich Tourismus und Gastronomie, ist auch der größte Nutzer der Kurzarbeit – im Moment noch, das heißt, wenn die Öffnungsschritte nachhaltig funktionieren, wird die Kurzarbeit auch von selbst zurückgehen.

Wichtig ist natürlich – einige Redner haben es angesprochen – die Zukunft der Kurzar­beit: Wie geht es weiter? – In einer Aufschwungsphase muss die Kurzarbeit aus meiner Sicht anders gestaltet sein als in einer schweren, akuten Krise. Es gibt natürlich weiterhin Bereiche, die eingeschränkt sind, und die richtige Balance zu finden ist gar nicht so ein­fach. Man hat es in den vorigen Reden gehört: Es gibt natürlich immer noch Wirtschafts­bereiche, die die Kurzarbeit legitimerweise weiter brauchen, weil es massive Einschrän­kungen gibt. Dazu gehören die Nachtgastronomie, die Stadthotellerie, die Eventbranche und der Bereich des Flugverkehrs. Gleichzeitig gibt es in einer wachsenden Wirtschaft Bedarf an Arbeitskräften, und selbst innerhalb der gleichen Branche gibt es natürlich unterschiedliche Interessen. Ein Besitzer, eine Besitzerin eines Stadthotels möchte ak­tuell die Stammbelegschaft behalten, ein Besitzer, eine Besitzerin eines Ferienhotels an einem See hingegen braucht im Moment wahrscheinlich Fachkräfte und würde am liebsten natürlich jene Fachkräfte anstellen, die vielleicht noch in Kurzarbeit sind. Diese Balance zu finden ist die große Aufgabe bei jenen Gesprächen, die wir jetzt mit den Sozialpartnern führen.

Es ist nicht ganz einfach, denn in der Phase fünf der Kurzarbeit, die mit 1. Juli beginnt, muss es Regeln geben, die diesen Aufschwung nicht behindern. Sie müssen verhindern, dass sich zum Beispiel Handwerker, die hohe Auftragsbestände haben, in Kurzarbeit befinden. Gleichzeitig müssen natürlich in jenen Bereichen, bei denen es noch ein biss­chen dauert, bis es zu einer Erholung kommt, die Stammbelegschaft gesichert und die Betriebe weiter unterstützt werden. Das sind Unternehmen, die jetzt ohne jedes Selbst­verschulden zum Handkuss kommen, weil die Pandemie eben zum Beispiel den inter­nationalen Reiseverkehr einschränkt.

Wir werden gemeinsam mit den Sozialpartnern sehr bald eine Lösung vorschlagen, und es wird eine Phase fünf der Kurzarbeit geben, die – ich glaube, das ist wichtig zu sagen – eine Maßnahme zur Absicherung für jene Bereiche beinhalten wird, in denen es vielleicht weiterhin behördliche Schließungen geben muss. Wir wissen nicht, wie lange das noch notwendig sein wird, aber zumindest sollen alle Betriebe wissen: Wenn es behördliche Schließungen gibt, wird es weiter die großzügige Form der Kurzarbeit geben, die es in der Coronazeit gegeben hat – für alle anderen Bereiche wird es eine Anpassung geben.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 60

Es gibt verschiedene Modelle, wie das umgesetzt wird, und ich bitte um ein bisschen Geduld, da ich den Gesprächen mit den Sozialpartnern nicht vorgreifen möchte. Ich glaube, dass wir weiterhin Kurzarbeit brauchen werden: Es hat Kurzarbeit auch vor der Coronakrise gegeben, es wird eine Kurzarbeit nach der Coronakrise geben, und es wird jetzt aller Voraussicht nach eine Übergangsphase geben, bis wir zu dieser permanenten Kurzarbeit post Corona kommen.

Ein letzter Punkt noch zur Arbeitsmarktreform, die öfters angesprochen wurde: Es gibt viele Vorschläge, die auf dem Tisch liegen, und wir werden uns all diese Vorschläge sehr genau anschauen. Im Laufe des zweiten Halbjahres, im Herbst und vielleicht noch etwas länger, werden wir darüber natürlich eine sehr breite Diskussion führen. Ich glaube, eine große Arbeitsmarktreform wäre ein wichtiger Schritt – steht auch im Regierungspro­gramm. Es gibt viele Interessen und es gibt viele Vorschläge, alle werden berücksichtigt und finden dann in einer breiten Diskussion ihren Niederschlag.

Ich hoffe, dass wir es dann schaffen, eine Reform zustande zu bringen, die den Arbeits­markt in Österreich besser gestaltet, effizienter macht und es schafft, Menschen schnel­ler in bessere Arbeitsplätze zu bringen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­geordneten der Grünen.)

12.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schell­horn. – Bitte.


12.26.35

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Ich möchte das unterstreichen, was Sie gesagt haben, speziell dass die Kurzarbeit im Jahr 2020 ein wichtiges Instrument war. Sie war ein ganz wichtiges Instrument für die Unternehmerinnen und Unternehmer, vor allem aber für die Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter im Tourismus.

Jetzt gibt es aber offensichtlich auch ein Mismatch, Herr Minister. Ich habe mir dazu zwei Tabellen angeschaut. Das hier (eine Tafel mit der Aufschrift „Arbeitslosigkeit nach Vor­merkdauer“ und einem Säulendiagramm in die Höhe haltend) ist die Arbeitslosigkeit nach Vormerkdauer: sechs Monate bis unter einem Jahr beziehungsweise ein Jahr und länger. Da steigen die Zahlen im Verlauf der Zeit, vor allem bei jenen, die länger arbeits­los sind.

Erstaunlich ist aber dieses Diagramm (eine Tafel mit der Aufschrift „Beim AMS gemel­dete offene Stellen – Vergleich April-Werte seit 2008“ und einem Liniendiagramm in die Höhe haltend): Da steigen die gemeldeten offenen Stellen! Das Absurde ist, wie Sie richtig gesagt haben: Im Städtetourismus gibt es eine hohe Anzahl an Personen in Kurz­arbeit, gleichzeitig aber in der Ferienhotellerie einen enormen Fachkräftemangel. Diesen Mangel auszugleichen und diese offenen Stellen wieder zu besetzen wird die große Herausforderung sein, damit wir alle da sind, wenn die anderen Freizeit haben und Ur­laub machen.

Um zu verstehen, warum das Problem so potenziert ist, müssen wir uns ansehen, was sich in den letzten 15, 20 Jahren im Tourismus so abgespielt hat. Von den 30 000 Men­schen aus den osteuropäischen Ländern, die jetzt nicht mehr kommen – die die letzten sieben Monaten zu Hause geblieben sind –, haben über 50 Prozent die Branche ge­wechselt oder etwas anderes gefunden.

Dieses Loch aufzufüllen und da Motivationsanreize zu setzen – sodass zum Beispiel ein Sommelier, der in der Stadt auf Kurzarbeit gemeldet ist, dennoch zur Vollzeitarbeit in der Ferienhotellerie animiert werden kann – ist die große Herausforderung. Da gilt es, auch Anreize zu setzen, und da gilt es auch, wie Sie richtig sagen, die Kurzarbeit mit anderen Parametern zu versehen.


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Da prallen im touristischen Bereich zwei unterschiedliche Interessen aufeinander. Die einen sagen: Ich möchte meine Mitarbeiter halten, also halte ich sie in Kurzarbeit. – Wir müssen aber das Problem lösen, denn aktuell lösen wir gar kein Problem, sondern pro­longieren die Situation nur. Ich glaube, es ist besonders wichtig, auch diese offenen Stel­len besetzen zu können: heraus aus der Kurzarbeit, hinein in das Ausgleichen des Fach­kräftemangels. (Beifall bei den NEOS.)

Ganz zum Schluss möchte ich noch eines sagen, weil auch das Handwerk, das Bau­nebengewerbe und diese Bereiche bei der Kurzarbeit genannt werden: Wir haben erst gestern über die Investitionsprämie gesprochen, es herrscht ein regelrechter Bauboom – ich verstehe nicht, wo es auf der österreichischen Landkarte schwarze Flecken gibt, bei denen es keine gute Auftragslage gibt. Ich glaube, da muss man auch ansetzen: dass vor allem Vollzeitstellen attraktiv gestaltet werden und vor allem der Missbrauch – ich betone mit Absicht: der Missbrauch – ausgeschaltet wird.

Das ist ein Thema – es ist nicht nur im Tourismus zu sehen, sondern in allen Gewerken. Überall, wo man hinkommt, merkt man, dass Menschen noch in Kurzarbeit sind. Es war großzügig, aber für 2020 reicht es, sich großzügig zu zeigen. 2021, so ehrlich müssen wir sein, brauchen wir diese Großzügigkeit nicht mehr, und das scheint einfach auch nachzusetzen zu sein. (Beifall bei den NEOS.)

12.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Koza. – Bitte.


12.30.31

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! An dieser Stelle möchte ich die Zahlen noch einmal veranschaulichen: Für die Kurzarbeit wurden bislang insgesamt knapp über 7 Milliarden Euro ausgegeben. – 7 Milliarden Euro, das sind ungefähr 2 Prozent des Bruttosozialproduktes, das heißt der Wirtschaftsleistung des Jahres 2020; 2 Prozent des Bruttosozialproduktes für die Sicherung von Einkommen der ArbeitnehmerInnen und der Privathaushalte.

Die Kurzarbeit ist eine ganz wesentliche Maßnahme, um die Einkommen und die Nach­frage einigermaßen zu stabilisieren und um ein Abrutschen in die Armut zu verhindern. Diese Maßnahme hat insbesondere auch in den Bereichen gewirkt, in denen es einkom­mensschwache Gruppen gab. Wenn man sich anschaut, in welchen Branchen die Kurz­arbeit vor allem zum Einsatz gekommen ist, dann verdeutlicht das auch noch einmal, in welchen Branchen vom letzten Jahr bis in den heurigen März quasi die meisten Aus­fallstunden anfielen. Das war im Handel: fast 80 Millionen Ausfallstunden. Das war im Tourismus, in der Gastronomie: 87 Millionen Ausfallstunden. Das war bei den sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen mit fast 26 Millionen Ausfallstunden, und das war in der Industrie – nicht unbedingt ein Niedriglohnbereich – mit 74 Millionen Ausfallstunden.

Das heißt, die Gelder für die Kurzarbeit sind schon zum großen Teil in die Bereiche gelangt, in die sie auch haben gelangen müssen. Wenn diese Menschen in die Arbeits­losigkeit gefallen wären, wäre es nicht nur schwerer für die Unternehmen gewesen, sie wieder zurückzuholen, sie quasi im Unternehmen zu behalten, sondern es hätte auch tatsächlich einen massiven Einkommensverlust für diese Menschen bedeutet.

Dass die Kurzarbeit inzwischen rückläufig ist, zeigt auch, dass sich die Konjunktur nach der Covid-Krise wieder einigermaßen erholt. Noch einmal zur Erinnerung: Im Mai 2020 hatten wir noch 1,3 Millionen Menschen in Kurzarbeit, heute sind es 320 000, und es ist natürlich zu erwarten, dass diese Tendenz mit den Öffnungsschritten noch weiter anhal­ten wird.

Der Herr Minister hat es bereits erwähnt: Aktuell finden Verhandlungen der Sozialpartner mit der Regierung und mit ExpertInnen über das Nachfolgeprojekt zur Kurzarbeit Phase


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vier statt, weil es natürlich auch weiter Kurzarbeit geben muss. Es gibt nach wie vor Branchen, in denen Betriebe von Maßnahmen der Schließung oder von Maßnahmen der begrenzten Öffnung – bei denen auch noch nicht der volle Beschäftigungseffekt ein­setzt – betroffen sind, aber es muss auch klar gesagt werden: Wir müssen auch teure Mitnahmeeffekte verhindern. Wir müssen auch verhindern, dass über ein großzügiges Kurzarbeitsmodell allzu leicht wirtschaftliche Verluste und das Unternehmensrisiko auf die Allgemeinheit abgewälzt werden, und wir müssen sicherstellen, dass die Gelder für Kurzarbeit dort ankommen, wo sie tatsächlich gebraucht werden.

Noch zum Abschluss, weil der Herr Minister gesagt hat, es braucht ein umfassendes Arbeitsmarktprogramm, um Menschen möglichst rasch wieder in Beschäftigung zu brin­gen und ihnen wieder Perspektiven zu geben: Ja, das ist ein Teil der Arbeitsmarktpolitik. Man weiß, dass vor allem Menschen, die in Arbeitslosigkeit sind, besonders armutsge­fährdet und häufiger von Armut betroffen sind. Der andere, mindestens genauso wichtige Teil ist daher, dass wir auch entsprechende Leistungen aus der Arbeitslosenversiche­rung schaffen und festigen, die tatsächlich nicht nur Perspektive geben, sondern vor allem auch langfristig gegen Armut wirken. Das Ziel heißt nach wie vor: Halbierung von Armut – und nicht: Halbierung von Arbeitslosengeld. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Salzmann.)

12.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Graf. – Bitte.


12.34.45

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Minister! Geschätzte Kol­leginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Ich darf eingangs noch einmal darauf einge­hen, was der Bericht wirklich sagt. Der Bericht sagt eines ganz klar und deutlich: Die Kurzarbeit ist und war wirklich die wohl wichtigste Maßnahme, um die Sicherung von Arbeitsplätzen zu garantieren. Sie war und ist wohl die wichtigste der Maßnahmen, die wir getroffen haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Die Fakten wurden schon genannt: 7,1 Milliarden Euro wurden ausbezahlt. Alleine in meinem Heimatbundesland Salzburg wurden mit einer halben Milliarde Euro Arbeitsplät­ze abgesichert, und es wurden nicht nur große Unternehmen damit unterstützt, sondern es wurden auch sehr viele kleine Unternehmen, zahlreiche Handwerksbetriebe, die Pro­duktion, der Handel und die Gastronomie unterstützt. Es ist eine breit aufgestellte Masse gewesen. Weil eine Zahl nicht genannt worden ist: Es wurden damit 44 Prozent der Ar­beitsplätze von Frauen abgesichert; das ist auch ein Punkt.

Eine weitere Tatsache – diese Zahl wurde heute auch nicht genannt –, die mir sehr wich­tig ist: Am Gipfel der Pandemie wurden über eine Milliarde Arbeitsplätze abgesichert. Diese Zahl kann sich sehen lassen. (Abg. Belakowitsch: ... sind Sie sich sicher, Frau Kollegin?) Ich möchte mich auch bei der Bundesregierung dafür bedanken, dass wir das geschafft haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Der Bericht des Wifo besagt ganz klar, dass durch die schnelle Einführung der Kurzarbeit der Arbeitsmarkt entlastet wurde. Die österreichische Kurzarbeit ist im Vergleich zu an­deren Ländern sehr großzügig, aber sie wurde dafür breiter aufgestellt. Es ist auch klar, dass, wie schon gesagt, Klein- und Großbetriebe sie in Anspruch genommen haben. Man sieht da eigentlich wirklich ganz klar: Diese Maßnahme ist und war die wichtigste Maßnahme.

Ich bin irritiert, dass Kollege Loacker von den NEOS, den ich wirklich auch im Ausschuss immer wieder direkt anspreche, die Meinung vertritt, dass die Kurzarbeit Unternehmen künstlich am Leben erhält oder dass sie für seinen Geschmack nicht zielgerecht einge­setzt ist, und dass Herr Kollege Silvan von der SPÖ mehr Interesse daran hat, Summen von Unternehmen zu nennen als Summen von Arbeitsplätzen. Ich bin ganz irritiert – es


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geht da um die Absicherung von Arbeitsplätzen! Ich möchte das wirklich noch einmal erwähnen: Wir haben über eine Milliarde Arbeitsplätze abgesichert. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Natürlich ist es jetzt mit dem Abklingen der Pandemie auch klar, und da darf ich unseren Bundesminister, der natürlich aufgrund des Abklingens der Pandemie die richtigen Schritte einleiten wird (Abg. Loacker: Welche? Welche?), um mit den Sozialpartnern aus dieser Kurzarbeit rauszukommen, direkt ansprechen: Ich darf mich schon jetzt bei Ihnen bedanken. Unsere Unterstützung haben Sie. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Danke dafür, dass Sie am Gipfel der Pandemie über eine Milliarde Arbeitsplätze abgesichert haben! – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Seemayer. – Bitte. (Ruf: Eine Milliarde Arbeitsplätze?! – Abg. Tanja Graf: Million, Entschuldigung!  – Abg. Taschner: Million, Million!)


12.38.03

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolle­ginnen und Kollegen! Ja, Kollegin Graf, wenn man sich darüber mokiert, dass wir über Zahlen reden, dann muss man aber da auch die richtigen Zahlen sagen: Eine Million Arbeitsplätze haben wir abgesichert, keine Milliarde. (Beifall bei der SPÖ – Zwischenruf des Abg. Wurm.) So groß ist Österreich nicht – aber dass wir die eine Million mit der Kurzarbeit absichern, ist ganz wichtig, keine Frage.

Allerdings war die Kurzarbeit am Anfang kein Selbstläufer – und es waren die Gewerk­schaften, die Hunderten Betrieben nachtelefoniert haben, die gleichzeitig zu Beginn der Krise die erste Maßnahme getroffen haben, nämlich die Anmeldung zur Kündigung beim AMS. (Beifall bei der SPÖ.) Es waren sehr, sehr viele Betriebe. Es waren Betriebe mit weit über 1 000 Beschäftigten, die die ganze Belegschaft zur Kündigung angemeldet haben, und leider auch sehr viele Betriebe aus der Arbeitskräfteüberlassungsbranche, die natürlich oft die Erstbetroffenen sind, weil die Leiharbeitskräfte immer die ersten sind, die aus Unternehmen weggehen.

Ich habe selbst mit einem Betrieb in Oberösterreich telefoniert, der 1 800 Beschäftigte zur Kündigung angemeldet hat, und es war auch notwendig, dass man da nachtelefoniert und die Kurzarbeit klar als Modell anbietet. Das haben wir gemacht, und die Betriebe waren sehr dankbar dafür. Sie haben sich auch ein bisschen darüber mokiert, dass halt das System überlastet war und dass sie die Auskunft weder vom AMS noch von der Wirtschaftskammer gekriegt haben. Da kann ich mir nur denken, dass die halt schon damit beschäftigt waren, ein System zu erfinden, wie man Unterstützungen verteilt. Es war aber notwendig, dass man da ganz klar Aufklärungsarbeit betrieben hat.

Es wird auch in Zukunft Kurzarbeit brauchen, ja, und es wird Kurzarbeit brauchen, die auch längerfristig in die Zukunft planbar ist. Es hat in Österreich immer ein Kurzar­beitsmodell gegeben, das man gebraucht hat, auch wenn es andere Einbußen oder Aus­fälle als die pandemiebedingten gegeben hat. Es gibt Lieferschwierigkeiten, es gibt indi­rekt betroffene Betriebe, die aufgrund von Maßnahmen in anderen Ländern jetzt vor dem Problem stehen, dass zwar Aufträge da wären, sie aber kein Material haben. Auch für diese Betriebe braucht es in Zukunft eine Kurzarbeit. Vor allem braucht es eine Kurzar­beit, die längerfristig planbar ist. Betriebe brauchen, damit sie Personal einstellen, damit sie Personal aufbauen, auch die Sicherheit, dass sie das Personal behalten können, wenn es wieder Schwierigkeiten gibt. Dann bauen sie Personal auf. Ich glaube, diese Sicherheit sollte man ihnen geben. Da muss man ein, zwei oder sogar drei Jahre voraus­schauen können. Ich glaube, ein solches Kurzarbeitsmodell wird es in Zukunft auch brauchen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.40



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 64

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Salzmann. – Bitte.


12.40.52

Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann (ÖVP): Die Kurzarbeit ist ein Erfolgsmo­dell. Herr Minister! Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Zuschauer daheim vor den Fern­sehgeräten! Seit dieser Woche, meine Damen und Herren, geht ein Aufatmen durch die Gesellschaft in Österreich. Die Öffnungen im Tourismus, in der Gastronomie, in den Freizeitbetrieben, auch die Rückkehr in die Schulen, all das lässt die Menschen in Öster­reich aufatmen, und sie haben wieder eine Perspektive. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Aufatmen lassen die Menschen in Österreich auch die vielen wirksamen und zielgerich­teten Maßnahmen, die wir in den letzten Monaten hier beschlossen haben, und eine dieser ganz wichtigen Maßnahmen ist die Coronakurzarbeit, denn sie ist wirklich ein Er­folgsmodell. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Meine Damen und Herren, ich werde Ihnen auch sagen, warum. In der letzten Zeit war ich relativ viel bei mir in Salzburg unterwegs, und ich habe etliche Betriebsbesuche ge­macht, habe mit Unternehmern gesprochen und habe mit Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmern gesprochen. Wisst ihr, was ich höre? – Ich höre von allen Seiten: Die Kurz­arbeit ist wirtschaftlich kräftig und hat uns über diese schwierige Zeit wirklich hinweg­geholfen. – 5,5 Milliarden Euro waren es allein im letzten Jahr, jetzt sind es in Summe gut 7 Milliarden Euro, allein in Salzburg eine halbe Milliarde Euro.

Dazu kommt noch – das hat man mir in den Betrieben auch gesagt – die Investitions­prämie. Allein bei mir im Pinzgau sind das 120 Millionen Euro, die auch kräftig beitragen. Die Unternehmer, das sind diejenigen, die die Mitarbeiter durch diese Kurzarbeit nicht in die Arbeitslosigkeit entlassen müssen, die Mitarbeiter halten können und somit auch das Know-how in den Betrieben halten. Kaum eine Branche hat nicht von dieser Kurzarbeit profitiert. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, meine Damen, konnten in Beschäf­tigung gehalten werden und sind nicht in die Arbeitslosigkeit geglitten. (Abg. Loacker: Sagen Sie nicht, was war, sondern wie es weitergeht!) Das sind in etwa eine Million Menschen, die damit vor der Arbeitslosigkeit gerettet werden konnten.

Die Coronakurzarbeit ist – das kann ich nur wiederum festhalten – wirklich ein Erfolgs­modell. Wenn ich auf die Frauen schaue, meine Damen und Herren: An die 45 Prozent der Kurzarbeitsgelder sind an die Frauen gegangen. Wir wissen, dass die Frauen immer wieder die Ersten sind, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, und wir konnten sie so in Beschäftigung halten, wir konnten sie vor dem Jobverlust und somit auch vor Armut, in die sie geglitten wären, bewahren. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Die Coronakurzarbeit ist ein Erfolgsmodell – das haben wir heute mehrfach gehört –, als Krisenmanagement, aber nicht auf Dauer. Auch das ist heute schon mehrfach angespro­chen worden. Daher werden wir diese Kurzarbeit, die in der Pandemie sehr wertvoll war, in der Phase fünf jetzt auch zurückfahren.

Herr Minister, Sie haben es schon angesprochen: Die Kurzarbeit Neu wird in guter Praxis in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern für die Betriebe, die sie noch brauchen, in­tensiv verhandelt. Jetzt braucht es Dynamik auf dem Arbeitsmarkt, und gerade jetzt – und da schaue ich euch alle an – brauchen wir unseren Zusammenhalt, unsere Zusam­menarbeit mehr denn je, über alle Fraktionen hinweg, für unser Comeback für Öster­reich. Packen wir es an! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 65

12.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte.


12.44.59

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Ich wollte mich als Budgetsprecherin auch noch kurz hier zu Wort melden. Über 7,2 Milliar­den Euro kostet die Kurzarbeit, und ja, sie war natürlich am Anfang ein ganz, ganz wich­tiges und probates Mittel, um viele Unternehmen durch die Krise zu bekommen. Was aber jetzt passiert, meine Damen und Herren, ist einfach absurd, wirklich absurd.

Wenn ich höre, dass Unternehmen, große Industrieunternehmen, denen es sehr, sehr gut geht, die über volle Bücher berichten, die sagen, dass sie eigentlich das beste Jahr gehabt haben, dass sie wirklich viel, viel verdient haben, jetzt ihre Mitarbeiter zu Hun­derten, ja zu Tausenden in Kurzarbeit schicken, weil zum Beispiel Lieferengpässe aus­gerufen werden, dann muss ich mich schon fragen, ob das der richtige Weg ist. Dafür zahlen wir jetzt. Ein Unternehmen hat Lieferengpässe, und deswegen werden sehr viele, bis zu 1 000 Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt.

Meine Damen und Herren, da beißt sich die Katze wirklich in den Schwanz. Das ist ein­fach das, was wir nicht brauchen. Wir brauchen einen vernünftigen Weg nach vorne. Wir müssen jetzt schauen, dass wir die Mitarbeiter aus der Kurzarbeit sofort herausholen und treffsicher arbeiten.

Ganz im Ernst: Wenn ich mir das Budget anschaue – und da möchte ich kurz auf meine Rede von gestern verweisen –, sehe ich: Wir steuern dieses Jahr auf ein 40-Milliarden-Euro-Loch zu. 40 Milliarden Euro, das ist das Defizit, das wir als Republik in diesem Jahr aufweisen werden, und wir geben Milliarden Euro für Kurzarbeit aus, die einfach nicht treffsicher sind. Deswegen meine Bitte und mein Appell an diese Bundesregierung: Ar­beiten Sie mit diesen Hilfen treffsicher! Helfen Sie dort, wo es notwendig ist, aber lassen Sie ansonsten bitte den Markt wieder zu! Schauen wir, dass die Menschen in Arbeit kommen! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

12.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmung an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Arbeit und Soziales.

12.46.543. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1541/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines „Corona-Beschäftigungsbonus“ (833 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1346/A(E) der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ak­tion 40.000 (834 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1485/A(E) der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ak­tion 100.000 gegen die Corona-Langzeitarbeitslosigkeit (835 d.B.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 66

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1506/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der aktiven Arbeitsmarktpolitik und Umsetzung der OECD Empfehlungen „Going for Growth“ (836 d.B.)

7. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1546/A(E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Frauen am Arbeitsmarkt – Maßnahmenpaket zur Krisenbewältigung (837 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten 3 bis 7, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Abgeordneter Muchitsch gelangt zu Wort. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.


12.48.06

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ja – zum vorigen Tagesordnungspunkt –, Kurzarbeit war ein ganz wichtiges Instrument, um Ar­beitslosigkeit zu verhindern. Es würde aber auch wichtige Instrumente und Maßnahmen brauchen, um mehr Beschäftigung auszulösen, um arbeitslose Menschen wieder in Be­schäftigung zu bringen. Genau damit hat sich der Sozialausschuss in der letzten Sitzung befasst, mit Anträgen der Opposition, und leider wurden fünf konkrete Maßnahmen, fünf konkrete Vorschläge der Oppositionsparteien von der ÖVP und den Grünen abgelehnt.

Mehr als 433 000 Menschen sind mit Monatsbeginn arbeitslos gewesen, und ÖVP und Grüne wischen einfach diese Vorschläge der Opposition vom Tisch. (Zwischenruf des Abg. Gödl.) Konkret waren es drei Anträge der SPÖ: Die Aktion 40 000 mit dem klaren Ziel, 40 000 Langzeitbeschäftigungslose im öffentlichen Bereich, bei Hilfsorganisatio­nen, bei gemeinnützigen Einrichtungen in Jobs zu bringen. (Beifall bei der SPÖ.) Genau das war und ist das Ziel. Das wurde von euch abgelehnt.

Ich habe gestern von einer ÖVP-Gemeinde, von Fehring, einen einstimmigen Gemein­deratsbeschluss bekommen: Sie hat die SPÖ-Resolution zur Aktion 40 000 gestern Abend im Gemeinderat einstimmig beschlossen. Danke der Gemeinde Fehring dafür! (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer Antrag der SPÖ, in dem es darum geht, für Frauen, die ganz besonders betroffen sind, ein Maßnahmenpaket zur Krisenbewältigung am Arbeitsmarkt umzuset­zen, wurde von uns eingebracht, von ÖVP und Grünen abgelehnt. Unsere Kollegin, Frau Heinisch-Hosek, wird hierzu noch gesondert Stellung nehmen.

Ein dritter Antrag der SPÖ zu Beschäftigungsmaßnahmen zielte genau auf das ab, was die Grünen immer kritisiert haben: Nicht nur im öffentlichen Bereich brauchen wir Maß­nahmen, auch für die Privatwirtschaft brauchen wir Maßnahmen. Wir haben einen kon­kreten Vorschlag den Coronabeschäftigungsbonus  mit dem Ziel, 60 000 zusätzliche Arbeitsplätze für die Privatwirtschaft zu schaffen, indem die Eingliederungsbeihilfe ange­passt wird, eingebracht. Diese 40 000 zusätzlich Beschäftigten im öffentlichen Bereich bei Hilfsorganisationen, im Rettungswesen, im Gesundheitsbereich, bei der Feuerwehr – wären mit den zusätzlich 60 000 in der Privatwirtschaft 100 000 neue, zusätzliche Ar­beitsplätze gewesen, die wir als Maßnahmenpaket eingebracht haben. (Beifall bei der SPÖ.) Alles wurde von euch, seitens der Regierungsparteien, abgelehnt!


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 67

Jetzt gehen Sie 14 Monate nach Beginn dieser Rekordarbeitslosigkeit der Zweiten Re­publik her, nehmen das eine oder andere aus unseren Anträgen heraus, stoppeln das in eine eigene Aktion hinein, das nennt sich dann Projekt Sprungbrett. Dieses Projekt Sprungbrett verdient diesen Namen nicht, das Projekt Sprungbrett ist ein Schmäh. (Bei­fall bei der SPÖ.) Das ist ein aufgelegter Schmäh, mit dem Sie der Bevölkerung, den Menschen einfach was Falsches vorspielen. (Zwischenruf des Abg. Gödl.)

Ich sage Ihnen jetzt warum: Ihr Ziel ist es, mit Ihrem Projekt Sprungbrett 50 000 Men­schen von der Langzeitbeschäftigungslosigkeit in den nächsten 18 Monaten in einen Job zu bringen, sie zu vermitteln. Das passiert schon alles! Wenn Sie sich das nämlich genau angeschaut hätten, bevor Sie am 7. Mai damit an die Presse gegangen sind weil der Druck der Oppositionsparteien zu groß geworden ist und Sie irgendetwas tun mussten , dann wüssten Sie, dass es das AMS im Jahr 2020, im Jahr der Rekordarbeitslosigkeit der Zweiten Republik, schon alleine ohne Ihr Projekt geschafft hat, 49 702 Menschen von der Langzeitbeschäftigungslosigkeit in Jobs zu bringen. Das passiert schon alles, Sie gehen aber her, machen da einen neuen Namen, setzen einfach ein Federl drauf und versuchen, das als das Überprojekt zu verkaufen.

Ich sage Ihnen: Wenn Sie wirklich eine aktive, eine ehrliche Arbeitsmarktpolitik betreiben wollen, dann formulieren Sie die Ziele anders! Herr Bundesminister, ich habe es Ihnen schon öfters gesagt, unser Ziel muss es sein, die Zahl der Langzeitbeschäftigungslosen von knapp 190 000 Menschen 148 000 arbeitslos, 42 000 in Schulung – zu senken, massiv zu senken, ehrlich zu senken. Dafür braucht es klare Ziele, dafür braucht es zusätzliches Geld und klare Richtlinien, dass wir nicht mit geförderten Arbeitsplätzen und Projekten bestehende Arbeitsplätze gefährden, sondern zusätzliche, neue schaffen.

Herr Bundesminister, ich bitte Sie wirklich, die Sozialpartner in diese weiteren Überle­gungen einzubinden. Bei der Kurzarbeit haben Sie es gemacht, das ist es etwas Ge­scheites geworden. Wenn Sie die Sozialpartner und die Oppositionsparteien nicht ein­binden, dann wird das nichts, dann wird das nichts Gescheites. Dieses Projekt Sprung­brett wird ein Rohrkrepierer! (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend mein Appell, wirklich sehr persönlich und emotionell: Herr Bundesminister, distanzieren Sie sich von den Vorschlägen des Wirtschaftsbundes! Das haben sich diese 100 000 Menschen, die unverschuldet arbeitslos geworden sind, nicht verdient, dass ih­nen ausgerichtet wird (Zwischenruf des Abg. Hörl), das Arbeitslosengeld soll auf 40 Pro­zent gesenkt werden. (Beifall bei der SPÖ.) Distanzieren Sie sich davon! Machen Sie es so wie der Herr Sozialminister, der gesagt hat, das kommt für ihn nicht infrage! Sie kön­nen Nein sagen, Sie dürfen Nein sagen. Diese Reduktion würde das Arbeitslosengeld von 34,60 Euro auf 23,70 Euro pro Tag senken, das wäre weniger als 1 Euro Arbeitslo­sengeld pro Stunde am Tag, das ist eindeutig zu wenig. Damit schaffen wir nur Armut, damit schaffen wir noch mehr Sozialhilfebezieher, und das wollen und das brauchen wir nicht! (Abg. Hörl: Hast den Vorschlag nicht gelesen? Zwischenruf des Abg. Wurm.)

12.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Kirchbaumer. – Bitte.


12.54.34

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Herr Präsident! Werter Herr Bundesminis­ter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher hier bei uns und zu Hause vor den Bildschirmen! Quantität vor Qualität war im letzten Ausschuss für Arbeit und Soziales das Motto der Opposition. Unglaubliche Schlagwörter und Zahlen: 20 000, 40 000, und die FPÖ sagt sogar 100 000: Das ist ja alles gut und recht und alles ganz schön, aber das sind alles Retroanträge und sonst nichts. (Zwischenruf des Abg. Wurm.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 68

Wir, die ÖVP, wollen nachhaltig und langfristig Menschen in Beschäftigung bringen und nicht nur kurzfristige Schlagwörter produzieren. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Wurm: Ha, ha, genau!)

Das wichtigste Instrument war und ist die Kurzarbeit, und wir haben auch weitere Maß­nahmen wie Kombilohnbeihilfe, Eingliederungsbeihilfen, Facharbeiterstipendium und Weiterbildungsgeld gesetzt. Eines, was mich besonders freut, ist der Weiterbildungsbo­nus 50 plus. (Zwischenruf bei der SPÖ.) In meinen Unternehmen stelle ich ausgespro­chen gerne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über 50 an, ich schätze diese sehr und ich brauche sie auch. (Beifall bei der ÖVP.)

Besonders gefruchtet hat die Joboffensive, 100 000 Plätze sind dafür vorgesehen, 78 000 Menschen haben diese in Anspruch genommen. Davon, Frau Kollegin Heinisch-Hosek, sind 42 000 Frauen, das sind 55 Prozent, die das in Anspruch genommen haben. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Sie haben den Antrag gestellt: Wir müssen etwas für Frauen tun! – Ich gebe Ihnen recht, und ich glaube, diese Zahl spricht für sich, dass zu 55 Prozent Frauen davon betroffen sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

19 000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen haben von dem Weiterbildungsbonus profitiert, sie haben 180 Euro zusätzlich zu ihrem Arbeitslosengeld bekommen. Diese Maßnah­men wirken tatsächlich, aber wir müssen auch weiterhin das Augenmerk darauf haben, dass wir Menschen in Beschäftigung bringen. Die Herausforderung wird auch sein, dass wir diese 190 000 Langzeitarbeitslosen in Beschäftigung bringen. Viele Unternehmer suchen händeringend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und bekommen keine. Dass die Aktion Sprungbrett von der SPÖ, vom Kollegen Muchitsch, als Rohrkrepierer betitelt wird, das tut mir echt bis ins Herz hinein weh, denn ich glaube, das wird kein Rohrkre­pierer (Zwischenruf des Abg. Wurm), sondern ein tolles Rohr werden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Disoski und Ribo.)

Der Fachkräftemangel wird uns in Zukunft weiterhin beschäftigen, und ich glaube, da­rauf wie auch auf die Langzeitarbeitslosigkeit müssen wir unser Augenmerk legen. Wir müssen Menschen in Beschäftigung bringen, das muss unser gemeinsames Ziel sein, und nicht die Verbreitung von Schlagwörtern und Zahlen wie Aktion 20 000, Ak­tion 40 000, oder Aktion 100 000. Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abge­ordneten Disoski und Ribo.)

12.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Belako­witsch. – Bitte. (Abg. Wurm: Jetzt kommt eine gute Rede!)


12.57.58

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren, die noch nicht ausgeschaltet haben! Wissen Sie, Frau Kollegin, wenn Sie sich hierherstellen, Überschriften vorlesen und dann beklagen, es sind nur Schlagworte, dann möchte ich schon daran erinnern, dass die Bundesregierung 170 Pressekonferen­zen gemacht hat und eigentlich nur Schlagworte gebracht hat. Da hätten sich die Bürger ein bisschen mehr erwartet, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber worum geht es uns denn eigentlich? Wir haben eine Rekordarbeitslosigkeit in diesem Land, die sich nicht von alleine in Luft auflösen wird. Trotz aller Öffnungsschritte wird es schwierig werden, Leute wieder in Beschäftigung zu bringen. Wir haben auch viele Probleme mit Personen, die jetzt schon sehr lange in Arbeitslosigkeit sind, denn eines ist klar: Je länger eine Arbeitslosenphase andauert, umso schwieriger ist es, wie­der in den Prozess zurückzufinden. Daher haben wir tatsächlich viele Überlegungen an­gestellt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 69

Eines der großen Probleme sehen wir natürlich auch in einem gewissen starren System beim AMS. Es gibt ja Dutzende unterschiedliche arbeitsmarktpolitische Instrumente, die ja auch sehr gut gemeint sind, aber es gibt auch sehr viele Bürger, sehr viele Arbeitslose da draußen, für die es nicht reicht, zu sagen, du kriegst das und du kriegst das und du kriegst das, sondern da muss man halt auch manchmal flexibel sein. Da muss man oftmals auch bestimmte Maßnahmen, die schon bestehen, kombinieren  man muss das Rad ja nicht immer neu erfinden.

Genau darauf zielt unser Antrag ja ab, nämlich, dass man vielleicht bei einem, der jetzt schon länger als ein Jahr in Arbeitslosigkeit ist, zunächst mit einem Arbeitstraining eine Maßnahme, die heute beim AMS schon bekannt ist und manches Mal eingesetzt wird  beginnt und in weiterer Folge auch eine Kombilohnhilfe gibt, dass man also diese ganzen Maßnahmen, die ja bestehen, miteinander individuell kombiniert und nicht jeden einfach nach Schema nullachtfünfzehn behandelt, denn das ist wahrscheinlich das große Pro­blem. So wird es uns gelingen, dass wir die Leute tatsächlich in den Arbeitsprozess zu­rückbringen. Das ist wahrscheinlich das Ziel von uns allen, die Frage ist nur immer: Wie gehen wir den Weg dorthin? (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Die tatsächliche Bündelung von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ist der eine Teil, also dass man eben nicht bei einem verbleibt und sagt, das muss reichen, denn das wird nicht funktionieren.

Wir brauchen einen Ausbau bei den Jungen, denn wir wissen: Am Anfang des Arbeitsle­bens ist es gerade jetzt in der Krise problematisch, einen ordentlichen Lehrplatz zu be­kommen.

Wir haben im letzten Jahr zugestimmt, in überbetriebliche Lehrwerkstätten zu investie­ren, weil es natürlich notwendig war. Ich glaube aber, jetzt sind wir so weit, zu sagen: Es muss unser Ziel sein, sämtliche junge Menschen wieder in den normalen Arbeitsprozess, in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Es kann ja nicht das Ziel sein, dass sie wiederum irgendwo geparkt werden, wo die öffentliche Hand eingreifen muss. Daher brauchen wir dort Initiativen.

Wir haben gesagt, es ist notwendig zu fördern, dass junge Menschen eine betriebliche Lehre machen können. Uns ist dabei aber ganz wichtig, dass man diesbezüglich die Öbag-Betriebe ein bisschen in die Ziehung nimmt, dass man dort einmal schaut: Was ist überhaupt möglich? Wo ist es vielleicht möglich, Lehrstellen zu schaffen? In welchen Unternehmungen ist es möglich, Personen, die über 50 sind, einen Wiedereinstieg zu verschaffen?

All diese Gedanken und all diese Kombinationen sind es, die es, glaube ich, ausmachen. Es gibt nicht die eine Maßnahme, die uns das Problem Arbeitslosigkeit vom Hals schaffen wird. Wir werden es nur dann schaffen, wenn wir uns tatsächlich hinsetzen und gemeinsam Lösungen finden.

Leider muss ich sagen, dass bei der ÖVP keine Gemeinsamkeit gesehen wird. Es wird pauschal abgelehnt. Frau Kollegin Kirchbaumer, Sie haben wieder gesagt: Das sind alles nur Schlagworte. Sie haben auch jetzt wieder bewiesen – ich habe es Ihnen schon im Ausschuss gesagt –, dass Sie den Antrag nicht gelesen haben, sonst könnten Sie nicht sagen, dass es Schlagworte sind. Es sind vielmehr ganz konkrete Vorschläge auf zwei Seiten. Sie können sie gerne kritisieren, wenn Sie sachlich inhaltlich kritisieren. Sie aber als Schlagworte abzutun und nichts dagegenzusetzen, also sozusagen mit leeren Hän­den zu kommen und zu sagen: Die Öffnungsschritte werden uns jetzt weiterbringen!: Ganz ehrlich, liebe Kolleginnen und Kollegen der Österreichischen Volkspartei, das glau­be ich nicht. Es wird kein Automatismus sein. Da werden wir schon ein bisschen nach­helfen müssen. In diesem Sinne bitte ich wirklich, dass man die Oppositionsvorschläge erstens einmal durchliest und dann vielleicht einmal annimmt. (Beifall bei der FPÖ.)

13.02



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 70

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Markus Koza. – Bitte.


13.02.33

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Langzeitbeschäftigungslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit sind – und das ist heute schon mehrfach gesagt worden – die zentrale Herausforderung für die Post-Covid-Zeit, für die nächsten Monate, für die nächsten Jahre.

40 Prozent der aktuell arbeitslosen Menschen sind Langzeitbeschäftigungslose. Es sind Menschen, die schon vor Ausbruch der Coronakrise langzeitarbeitslos waren. Das waren deutlich über 100 000. Es sind Menschen, die jetzt in der Coronakrise in die Langzeitar­beitslosigkeit gerutscht sind, weil sie aus Branchen kommen, die eben nicht so schnell wieder hochfahren konnten. Es sind Menschen, die in der Gastronomie, im Tourismus, im Handel, in wirtschaftsnahen Dienstleistungen, sprich: im Reinigungsgewerbe, im Si­cherheitsbereich, bei der Arbeitskräfteüberlassung gearbeitet haben, denn in diesen Be­reichen ist die Langzeitarbeitslosigkeit besonders gestiegen.

Das sind die Menschen, die derzeit von Langzeitbeschäftigungslosigkeit und Langzeitar­beitslosigkeit betroffen sind und für die tatsächlich dringend etwas gemacht werden muss. Dringend heißt auch, dass dann etwas gemacht wird, wenn es möglich ist, wenn die Zeiten der Lockdowns, des Herunterfahrens der Wirtschaft endlich beendet sind und es wieder eine gewisse ökonomische Erholung am Arbeitsmarkt gibt. Das startet jetzt, das startet mit Sommer – und das ist umso besser – mit der Aktion Sprungbrett. Es ist für mich nicht nachvollziehbar – ich sage es ganz ehrlich –, warum diese Aktion, mit in Wirklichkeit sehr vielen Ideen, die da sind und haargenau da drinnen stehen, infrage gestellt wird.

Dabei geht es nicht darum, welche Ideen von welcher Partei sind, sondern um den Inhalt von Ideen. Es wird überprüft, ob sie arbeitsmarktpolitisch sinnvoll sind und ob sie von ExpertInnen mitgetragen werden. Es geht nicht darum, welche Zahl drübersteht. Wir zeigen, dass wir aus alten Maßnahmen gelernt haben – aus den Schwächen, die es damals gegeben hat, aber auch aus den Stärken, wodurch Jobs geschaffen worden sind. Es wurde überlegt, was bei der Aktion 20 000 gut war und was nicht so gut war, woran sie gescheitert ist, und es wurde darauf gehört, was ArbeitsmarktexpertInnen aus dem Wifo und anderen Bereichen sagen, wie es denn ergänzt werden sollte, damit es für Langzeitarbeitslose besser wird. Genau das tun wir. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der ÖVP.)

Genau das passiert in einer Art und Weise, die wirklich sehr zielsicher, sehr zielgruppen­orientiert ist, indem man wirklich versucht, dort zu unterstützen, wo die Unterstützung Sinn macht. Es macht wenig Sinn, Eingliederungsbeihilfen für Menschen zu finanzieren, die am Arbeitsmarkt ab dem Augenblick, an dem die Unternehmen wieder hochfahren, kein Problem haben werden, einen Job zu finden. Es ist aber wichtig, Eingliederungsbei­hilfen für die Menschen einzusetzen, die es besonders schwer am Arbeitsmarkt haben, weil sie alt sind, weil sie gesundheitlich beeinträchtigt sind, weil sie schon lange arbeits­los und vom Arbeitsmarkt weg sind, denn die brauchen Arbeitstrainings und andere Un­terstützungen. In solchen Fällen machen Beihilfen total Sinn. Es wird viel Geld für neue Jobs in gemeinnützigen Betrieben – das steht ausdrücklich drinnen –, in öffentlichen Be­trieben – auch das steht ausdrücklich drinnen – und in privaten Unternehmen in die Hand genommen. Genau das wurde nach der Aktion 20 000 teilweise als sinnvoller Einsatz empfohlen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das wird von Arbeitstrainings, von Kursen begleitet, um die Menschen, die Betroffenen sukzessive heranzuführen. 50 000 ist ein ehrgeiziges Ziel. Weil gefragt wird: was denn 50 000 schon sind: Es ist sehr ambitioniert. 50 000 Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 71

in Beschäftigung zu bringen, ist ja kein Easy Job und nicht so leicht. (Abg. Wurm: Wo ist euer soziales Herz, ihr Grünen?!)

Überlegen wir uns doch einmal, Aktion 20 000: 3 800 Jobs wurden geschaffen, mühsam aufgestellt. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Ich will das nicht schlechtreden, ich sage nur, es ist nicht leicht. Wenn wir mit dem Programm der Aktion Sprungbrett 50 000, ein paar Tausend, vielleicht aber zehntausend zusätzliche Jobs in vielen Bereichen – Jobs mit Perspektive, mit Einkommen, mit sozialer Sicherheit – schaffen, dann ist uns schon sehr viel gelungen.

Mehr braucht es auf jeden Fall, aber das Bündel, das wir jetzt haben, kann schon etwas und wird auch etwas bringen. Es sind die Coronajoboffensive mit den Ausbildungen und Qualifikationen, die Investitionsprogramme im Bereich des Klimaschutzes, der Bildung und der Pflege und gleichzeitig dieses Schwerpunktprogramm für Langzeitbeschäfti­gungslose.

Da müssen wir einfach alle ordentlich anpacken. Wir werden aus der Krise rauskommen, denn wir müssen aus der Krise rauskommen, auch aus der Beschäftigungskrise. – Dan­ke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.07


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.


13.07.32

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich bitte die geschätzten Zuschauerinnen und Zuschauer, ihre Aufmerk­samkeit darauf zu lenken, dass wir inzwischen von gewerkschaftlicher Seite positive Worte zu Themen wie Eingliederungsbeihilfen hören. Das war nämlich früher nicht so. Früher haben die Linken gegen Eingliederungsbeihilfen geredet – und das Sprungbrett basiert ja im Wesentlichen auf Eingliederungsbeihilfen –, weil sie gesagt haben, das Geld kriegt ja der Unternehmer. Jetzt hat sich das Blatt gewendet. Ich bin sehr froh darü­ber. Kollege Koza hat verlangt, dass man Expertenvorschläge berücksichtigt. Meine Fraktion hat das Institut Economica gebeten, auszurechnen, wie man die Eingliede­rungsbeihilfe ausbauen könnte, um mehr Menschen in Arbeit zu bekommen. Wir haben das Ergebnis schon vor dem Sprungbrett präsentiert. Man könnte im Vergleich zur Kurz­arbeit mit einer bescheidenen Summe von 200 Millionen Euro 50 000 Menschen in Ar­beit bringen, wenn unser Konzept umgesetzt wird.

Bei Ihnen zählt nun etwas anderes: Viel hilft viel. Wir haben es vorhin gehört: Kein Land gibt so viel für die Kurzarbeit aus wie Österreich, und wir haben so und so viele Milliarden Euro ausgegeben. Kollegin Graf hat sogar behauptet, wir hätten mit der Kurzarbeit eine Milliarde Arbeitsplätze geschaffen. Das stimmt nicht ganz. Viel hilft viel. Ich sage Ihnen, viel ist nicht immer das Rezept. Nehmen Sie beispielsweise ein Stück Kuchen: Ein Stück Kuchen ist etwas Feines, aber bei fünf oder sechs Stück Kuchen schmeckt es vielleicht nicht mehr so gut und es tut Ihnen auch nicht mehr so gut. Immer nur eine Menge drauf­zuklotzen, ist also nicht das Rezept.

Es gibt auch noch Dinge, die der Rechnungshof schon öfter ausgeschildert hat und die zu verbessern wären. Dazu zählt, dass die Maßnahmen des AMS immer weniger Men­schen erreichen. Sie sind immer weniger treffsicher, und man müsste einiges überarbei­ten. Diesbezüglich ist zwischenzeitlich leider nichts geschehen. Es ist nichts dahin ge­hend geschehen, wie zielsicher die Fördermaßnahmen sind: Geht es gezielt auf Gering­qualifizierte, geht es mit den Weiterbildungsmaßnahmen branchen-, alters- oder qualifi­kationsspezifisch voran? Dahin gehend ist leider nichts passiert, und es wäre noch eine ganze Menge zu tun.

Und dann zur Frage, wo das Geld hingeht. – In Österreich geht der Löwenanteil, nämlich 63 Prozent der Arbeitsmarktleistungen, für sogenannte passive Leistungen, das sind


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 72

Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, auf. Wir zahlen also laufend Geld. Andere Länder – Dänemark beispielsweise hat den Anteil der passiven Leistungen auf 35 Prozent ge­drückt – arbeiten mehr mit aktiven Leistungen, mit Qualifizierung, mit Eingliederungsbei­hilfen, mit Kombilöhnen und solchen Dingen und kommen auch besser davon und haben einen niedrigeren Anteil an Langzeitarbeitslosen an der Gesamtarbeitslosigkeit.

Man muss sich schon einmal ganz ehrlich die Frage stellen: Warum ist in Österreich der Anteil der Langzeitarbeitslosen an der Gesamtarbeitslosigkeit viel höher als in anderen Ländern? – Das hat auch mit der Struktur der Leistungen aus dem AMS zu tun. (Beifall bei den NEOS.)

13.10


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Tanja Graf. – Bitte.


13.10.54

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Ge­schätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuschauer! Bevor ich starte, noch kurz zu Kol­legen Loacker: Ja, ich habe mich wegen des Wortes „Milliarde“ statt Million in meinem letzten Redebeitrag dann selbst korrigiert (Abg. Wurm: Drei Nullen! Abg. Belako­witsch: Es waren eh nur drei Nullen!), die Zuschauer haben das nicht mehr gehört, und ich habe gesagt: wurden „abgesichert“, und nicht: geschaffen – das nur zur Korrektur.

Bei all den hier vorliegenden Anträgen kann ich eines ganz genau erkennen: Wir haben ein gemeinsames Anliegen, und dieses gemeinsame Anliegen liegt eben darin, Men­schen zu fördern und zu unterstützen, um wieder in Beschäftigung zu kommen. Aller­dings ist halt bei der Thematik des Zugangs, wie wir das schaffen könnten, schon ein wesentlicher Unterschied zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien vorhanden. Die SPÖ springt eben von der Aktion 20 000 auf die Aktion 40 000, die FPÖ, Frau Kolle­gin Belakowitsch – wenn ich Sie direkt ansprechen darf –, springt sogar auf 100 000. Sie möchten die Anträge der SPÖ eindeutig toppen. Und weil Sie es vorhin auch angespro­chen haben: Sie haben gesagt, dass wir Ihre Vorschläge einmal anschauen sollen. Die habe ich mir angeschaut (Abg. Belakowitsch: Ja!), und eines ist ganz klar: Ihre Vor­schläge sind eine Bündelung von bereits bestehenden Arbeitsmarktinstrumenten. Das ist nichts Neues, das ist eine Überschrift, Frau Kollegin. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Ribo. Abg. Belakowitsch: Nicht nur lesen! ... verstehen, was Sie lesen ... sinner­fassend lesen!) Da ist keine Strategie dahinter.

Wenn man sich die Anträge genauer anschaut, dann muss man sagen: Begrenzte Jobs zu schaffen, die nicht nachhaltig sind, das kann nicht unser Zugang sein. Kollege Koza hat es gesagt: Wir schaffen Jobs in jeder Rechtsform. Dann eine Auflistung von Null­achtfünfzehn-Ideen, in Form von Schlagwörtern: Das kann auch nicht der richtige Zu­gang sein. – Noch einmal: Es muss uns ein gemeinsames Anliegen sein – und es ist auch der ÖVP ein Anliegen –, Menschen in Beschäftigung zu bringen. (Abg. Belako­witsch: Ja, macht was! ... noch nichts zusammengebracht!) Das muss unser gemeinsa­mes Anliegen sein, und das können wir nur schaffen, wenn wir eine Gesamtstrategie entwickeln!

Da darf ich mich jetzt schon beim Minister bedanken, der sich dem annehmen wird, und ich darf mich auch bei meinem Kollegen Markus Koza bedanken, der mit mir gemeinsam den Weg für eine Gesamtstrategie ebnet, indem wir eben sagen: Wir möchten Qualifi­zierung, Weiterbildung und Umorientierung in den Bereichen der Zukunftsberufe Elektro­nik, Digitalisierung, Umwelt, Mint und Pflege und Soziales – eine ganze Bündelung.

Wir wollen auch den Frauenschwerpunkt (Abg. Wurm: Die sind nicht die Arbeitslosen!) und ein Gesamtkonzept für die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen forcieren, und zwar in jeder Rechtsform. Dazu darf ich auch noch erwähnen, dass das auch Sinn macht, das so zu machen, weil es die Wirtschaft ist, die die Arbeitsplätze schafft. (Abg. Wurm:


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Ihr habt doch die Wirtschaft zerstört! Tanja, ihr habt die Wirtschaft zerstört ...!) Und es ist auch notwendiger denn je, denn wir haben nicht nur einen Facharbeitermangel, wir haben einen Arbeitsmangel, und daher ist es auch wichtig, dass wir den Fokus auf die Langzeitarbeitslosen, auf die Betreuung legen, um ihnen eben den Weg in die Arbeits­welt zu ermöglichen.

Das liegt mir auch persönlich am Herzen, denn ich bin mit Martin in Kontakt, das ist ein Langzeitarbeitsloser, der leider Gottes auch zu dieser Gruppe zählt, und dem möchte ich eine Perspektive geben. Und das schaffen wir mit diesem Gesamtkonzept. Unser Bundesminister wird wirklich alles daran setzen, dass wir auch diesen Menschen Pers­pektiven geben können. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.14


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek. – Bitte.


13.14.42

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich möchte zu Beginn ein Kompliment an den Verein Sprungbrett aussprechen. Der Ver­ein Sprungbrett ist eine Beratungsstelle für Mädchen und junge Frauen, die seit 1995, also seit 26 Jahren – coronabedingt ist es einmal ausgefallen –, sehr erfolgreich Betrie­be, die Mädchen und junge Frauen in Technik ausbilden und als Lehrlinge anstellen, auszeichnet. – Und Sie, Herr Bundesminister, haben sich nicht nur den Namen einer Beratungsstelle, die schon sehr lange sehr aktiv ist, angeeignet, nein, was Sie uns erzäh­len, ist auch ein alter Hut!

Ich habe hier (Schriftstücke in die Höhe haltend) nur die Aufzeichnungen der letzten zehn Jahre da. Das AMS hat in den letzten zehn Jahren, Jahr für Jahr, jedes Jahr zwi­schen 50 000 und 60 000 langzeitbeschäftigungslose Menschen entweder aus einer Schulung oder direkt aus der Arbeitslosigkeit heraus wieder in Arbeit gebracht. Also er­zählen Sie uns bitte nichts über das Sprungbrett, das es schon gibt, und über das Sprungbrett, das noch nicht einmal budgetiert ist, das soll auch einmal gesagt sein (Bei­fall bei der SPÖ), denn für das Jahr 2021 ist kein Cent dafür im Budget vorgesehen, und die 300 Millionen Euro, die Sie vorsehen, müssen erst ins Budget 2022 hineinverhandelt werden. – Viel Spaß und viel Glück dabei!

Es geht aber um die Frauen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen und sehr geehrter Herr Minister! Früher haben Sie unsere Vorschläge wenigstens vertagt, jetzt beginnen Sie, Vorschläge der Opposition auch knallhart abzulehnen, obwohl ganz viel noch nicht erledigt ist. Da brauche ich nur die Frauenarbeitslosigkeit, die im Vergleich zum letzten Jahr um 40 Prozent gestiegen ist, die Langzeitbeschäftigungslosigkeit von Frauen, die um 90 Prozent gestiegen ist, und die Situation der Frauen mit einem Einpersonenunter­nehmen herzunehmen. Von den 308 000 Einpersonenunternehmen werden 52 Prozent von Frauen geführt. Wenn Frauen aus der Arbeitslosigkeit heraus ein Unternehmen gegründet haben – in der Regel sind sie 45 Jahre oder älter, und es wird ihnen sogar angeboten, das zu tun, sie werden motiviert, ein Unternehmen zu gründen –, dann fallen sie mit der Zeit natürlich aus der Arbeitslose raus, sie fallen aus der Notstandshilfe raus und gleiten direkt in die Sozialhilfe Neu, die, wenn die Vermögenswerte angerechnet werden, bedeutet, dass sie, wenn sie ein ganz kleines Unternehmen haben, alles ver­kaufen müssen und gar nichts mehr haben.

Und diese Frauen, nicht alle, aber viele, haben auch Kinder, und Familien leiden ja be­sonders. Sie haben da ja speziell Familien begünstigt, die ohnehin eher zu den mittel- oder gutverdienenden gehören. Es ist ganz schwierig für alleinerziehende Frauen, Fa­milienleistungen, die andere Familien – wie Ihre klassische Familie, die Sie immer


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hernehmen – bekommen, auch zu bekommen. Daher ist es ganz, ganz wichtig, glaube ich, dass wir in den nächsten zwei Jahren insbesondere Familien besonders unter­stützen.

Ich erlaube mir daher, einen Entschließungsantrag einzubringen, denn gerade Familien brauchen nicht nur Zuwendungen in Bezug auf Kinderbetreuungsleistungen, die noch immer in Österreich fehlen, sondern sie brauchen auch finanzielle Zuwendungen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „13. und 14. Fa­milienbeihilfe für zwei Jahre“.

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration im Bundeskanzleramt, wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage zum Familienlastenausgleichsgesetz 1967 zuzuleiten, worin festgelegt wird, dass ab Juli 2021 pro Halbjahr eine zusätzliche Familienbeihilfe pro Kind ausbezahlt wird. Die Maßnahme ist auf zwei Jahren befristet.“

*****

Genauso wie Sie seit 14 Monaten überlegen, wie man Arbeitslosigkeit bekämpfen kann  viel ist leider, leider noch nicht passiert –, sollten Sie gut überlegen, wie Sie die Familien in den nächsten beiden Jahren unterstützen, und Sie sollten auch diesen An­trag unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.19

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Wimmer, Gabriele Heinisch-Hosek,

Genossinnen und Genossen

betreffend 13. und 14. Familienbeihilfe für zwei Jahre

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1546/A(E) der Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Frauen am Arbeitsmarkt – Maßnahmenpaket zur Krisenbewäl­tigung (837 d.B.)

Die Corona-Pandemie hat viele Familien in finanzielle Notlagen gebracht und Armut ver­festigt. Aktuell sind rund 720.000 Menschen arbeitslos oder zur Kurzarbeit angemeldet. Um sicher einen Weg aus der Krise zu finden, brauchen Eltern und ihre Kinder gerade jetzt mehr Unterstützung und eine spürbare Entlastung. Geld, Zeit und Infrastruktur sind hier die wesentlichen Faktoren, um die Chancen von Eltern und Kindern zu verbessern. Zu dieser Erkenntnis kommt auch der 6. Österreichische Familienbericht 2009 bis 2019 der Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration (III-296 d.B.).

Neben neuen Modellen der Familienzeit, besseren Kinderbetreuungsmöglichkeiten und elementarpädagogischer Bildungschancen braucht es daher auch eine finanzielle Unterstützung. Aus diesem Grund soll bereits ab Juli 2021 pro Halbjahr eine zusätzliche Familienbeihilfe pro Kind ausbezahlt werden (13. und 14. Familienbeihilfe). Auf diese Weise erhalten Familien gerade in der aktuellen besonders prekären Phase der Pande­mie bessere Chancen und Perspektiven. Die Maßnahme ist auf zwei Jahre befristet.


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Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration im Bundeskanzleramt, wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ei­ne Regierungsvorlage zum Familienlastenausgleichsgesetz 1967 zuzuleiten, worin fest­gelegt wird, dass ab Juli 2021 pro Halbjahr eine zusätzliche Familienbeihilfe pro Kind ausbezahlt wird. Die Maßnahme ist auf zwei Jahren befristet.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bedrana Ribo. – Bitte.


13.19.31

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben heute oft das Wort Krise und den Satz: Wir befinden uns in einer Krise!, gehört. – Das stimmt nicht ganz, wir befinden uns in vielen Krisen: in einer Gesundheitskrise, gefolgt von einer Wirtschaftskrise, und natürlich darf man nicht auf die Arbeitskrise vergessen. (Abg. Wurm: Diese Regierung ist eine Krise!)

Die Aufgabe der Politik ist es, die Menschen in diesem Land gut durch die Krise zu brin­gen – und nichts anderes machen wir. Kollege Koza, aber auch Minister Kocher und auch die KollegInnen von der ÖVP haben hier wirklich detailliert aufgezählt, welche Maß­nahmen gesetzt wurden und gesetzt werden. (Abg. Belakowitsch: Wer von der ÖVP? Wirklich, wer? Wer genau hat das aufgezählt? – Abg. Wurm: Wer?) – Kollege Wurm, Sie sind, glaube ich, nach mir dran, dann können Sie Ihre Standpunkte aufzeigen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Können Sie sa­gen, wer ...?) Nicht zu vergessen sind die vielen Unterstützungshilfen in der Wirtschafts­krise.

Ich möchte aber auf eine Krise eingehen, die wir nicht so schnell vergessen werden: die Gesundheitskrise. Was hat uns diese Krise gezeigt? – Sie hat uns gezeigt, dass wir als Gesellschaft, als Personen verletzbar sind. Sie hat uns gezeigt, dass nichts selbstver­ständlich ist. Was sie uns aber auch gezeigt hat – und das dürfen wir nicht vergessen –, ist, dass wir uns auf unser Gesundheitssystem verlassen können, und das ist auch keine Selbstverständlichkeit, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

ÄrztInnen, PflegerInnen, BetreuerInnen, Reinigungsdamen in der Pflege, Rettungssani­täterInnen, Zivildiener – all diese Personen haben ihr Leben riskiert, um andere Leben zu retten. All diese Personen haben bis zur Erschöpfung für uns gearbeitet. Was gab es dafür? – Einen Applaus. (Abg. Belakowitsch: Ja dann macht halt was! Hallo!) Ich habe damals gesagt und sage auch heute, dass ein Applaus allein nicht reicht. (Abg. Bela­kowitsch: ... Frau Kollegin!) Vom Applaus kann man keine Miete zahlen, vom Applaus kann man auch keine Kinder ernähren. Wir haben immer gesagt: Es muss mehr kom­men!, und es wird mehr kommen.

Deswegen freut es mich sehr, dass der Bonus für Gesundheits- und Pflegeperso­nal kommt (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP – Abg. Wurm: Danke!) – ein Bonus in Höhe von 500 Euro, steuer- und abgabenfrei, für Menschen, die an vorderster Front für uns alle gekämpft haben. (Abg. Belakowitsch: Was ist mit


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den Handelsangestellten?) Wir haben heute den Initiativantrag ordnungsgemäß eingebracht, und um das klarzustellen: Der Bonus ist von allen bundesgesetzlichen Ab­gaben befreit. Wenn die Länder sich entscheiden sollten, mehr als 500 Euro auszuzah­len – was mich sehr freuen würde –, wäre das auch abgabenfrei. (Abg. Belakowitsch: Bei den Handelsangestellten? Bei denen bleibt es beim Applaus, oder?)

Bevor jetzt die Schreie: Es ist zu wenig!, kommen: Uns und mir ist durchaus klar, dass diese 500 Euro niemals das abdecken können, was diese Menschen geleistet haben – das kann man mit Geld nicht abdecken, das geht nicht –, aber es ist ein Symbol der Wertschätzung, und es ist eine gute Sache. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Uns ist auch klar, dass es weiterhin mehr braucht – mehr Personal, mehr Arbeitsplätze, bessere Arbeitsbedingungen, bessere Rahmenbedingungen –, das alles wissen wir. Woher wissen wir das? – Weil wir die Menschen in der Pflege gefragt haben. Wir haben sie gefragt: Was braucht ihr, um euren Job gut zu machen? Was braucht ihr, um weiter in eurem Job zu bleiben? Das ist ja auch keine Selbstverständlichkeit nach dieser schwe­ren Pandemie. Wir haben die Ergebnisse auf dem Tisch: Der Bericht der Taskforce Pfle­ge ist fertig. Minister Anschober hat damals diesen großen Prozess und die Pflegereform gestartet, und ich bin wirklich zuversichtlich, dass wir gemeinsam mit unserem Koali­tionspartner und mit dem neuen Gesundheitsminister diese Pflegereform auch zu Ende bringen werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir brauchen die Pflegereform – wir brauchen sie. Warum brauchen wir sie? – Weil die Pflege über Jahre und Jahrzehnte vernachlässigt wurde. Da schaue ich bewusst auch in Richtung SPÖ: Ihr wart da auch in der Verantwortung. Heute regt ihr euch manchmal darüber auf, dass in der Pflege nichts weitergeht, aber ihr habt es in der Pflege so weit kommen lassen. Ihr wart die, die für die Pflege verantwortlich waren. (Beifall bei Abge­ordneten der Grünen. – Abg. Belakowitsch: Kindesweglegung!)

Trotzdem möchte ich mit einem Danke abschließen (Abg. Belakowitsch: Ihr seid schon eineinhalb Jahre in der Regierung!) – ich zähle sie noch einmal auf –: Danke an die Ärz­tInnen, Danke an die PflegerInnen, Danke an die BetreuerInnen, Danke an die Reini­gungsfrauen, Danke an die Zivildiener, Danke auch an die RettungssanitäterInnen – ihr habt diesen Bonus mehr als verdient. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

13.24


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte.


13.24.23

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen von der ÖVP und von den Grünen! Die Aktion Sprungbrett ist wie­der ein Schlagwort dieser Regierung, und das verteidigen Sie dann auch noch. Ich möchte nur darauf hinweisen: Ein Sprungbrett kann auch recht gefährlich sein. Wenn Sie irgendwann einmal im Schwimmbad zugeschaut haben, dann haben Sie gesehen: Das funktioniert nicht immer. So ähnlich ist Ihr Programm. (Abg. Zarits: Springen musst können!)

Warum sitzen oder stehen wir heute hier und diskutieren dieses Thema? – Wir diskutie­ren über die Opfer dieser Bundesregierung, die Opfer Ihrer Coronapolitik. Das sind die Opfer, über die wir heute diskutieren, und das hören Sie halt nicht gerne, aber das muss Ihnen klar sein. Sie haben diese Krise eben nicht gut bewältigt. Sie haben sie weder wirtschaftlich noch am Arbeitsmarkt gut bewältigt. (Ruf bei der ÖVP: Geh, geh!) Es gibt unzählige Beispiele, auch innerhalb der Europäischen Union, wie man es hätte besser machen können – ich erwähne nur Schweden, aber es gibt auch andere Länder ‑, und deshalb, bitte schön, gibt es keinen Grund, sich da selber auf die Schulter zu klopfen, ganz im Gegenteil.


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Eben diese Opfer Ihrer Regierungspolitik sind zurzeit das Problem, und das wird sich auch nicht so schnell lösen. (Zwischenruf der Abg. Ribo.) Der Minister hat selber mitge­teilt, dass er ab 2024 möglicherweise wieder mit einem Normalzustand am Arbeitsmarkt rechnet – das ist doch dramatisch genug.

Wie gesagt, über dieses Thema könnte man stundenlang diskutieren. Es gibt auch – da hat Frau Kollegin Belakowitsch recht – nicht das eine Patentrezept, wie man das jetzt lösen kann, aber es gibt sehr, sehr viele sinnvolle Vorschläge von dieser Regierung – von dieser Opposition an die Regierung. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Heiterkeit und Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Es gibt momentan – wenn ich nur ein paar Beispiele aufzählen darf – auch Dinge, die zukünftige Arbeitsplätze doch massiv gefährden. Man ist als Arbeitnehmer heute durch diese Regierung schon gezwungen, seinem Arbeitgeber seinen Impfstatus bekannt zu geben – und da gibt es keinen Aufschrei, leider Gottes auch keinen der Sozialdemokra­tie. Da würde ich schon einmal sagen – ich habe es schon mehrmals erwähnt –: Bitte bremsen Sie Ihre Vorsitzende einmal in der Unterstützung der Regierungsmaßnahmen ein, denn da sollten Sie auf der Seite der Arbeitnehmer sein! Wir haben es auch gestern gehört: Es gibt bereits Betriebsvereinbarungen, in denen das vorgeschrieben wird. Es sind also alles Maßnahmen, bei denen ich mich wundere, dass wir Freiheitliche da of­fensichtlich beim Schutz der Arbeitnehmer allein überbleiben. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Wirtschaftskammer gibt ja auch selber in ihrem Rundschreiben die Information aus, dass man das als Arbeitgeber durchaus abfragen darf, anders als beim Thema Schwan­gerschaft. Da gibt es viele Dinge, die derzeit am Arbeitsmarkt eben sehr viele, die noch einen Job haben, beunruhigen.

Zum Thema grüner Pass oder Green Certificate, wie wir das heute gehört haben, auch zum Thema Datenschutz möchte ich nur noch einmal sagen: Bei dem, was die Regie­rung – ÖVP und Grüne; ich bin schon gespannt, wo die Sozialdemokratie da stehen wird – vorhat, geht es auch um dieses Impfregister, das nicht nur national, sondern EU-weit mehr oder weniger freigegeben werden soll. Da stehen dann Dinge drinnen, die das Einkommen, die Bildung, die Krankenstände betreffen, ob man Rehaaufenthalte hatte und so weiter. Das heißt, es ist eine Offenlegung von Gesundheitsdaten und sonstiger Daten von Arbeitnehmern – europaweit. Da wundere ich mich schon, wie man so etwas überhaupt noch fortschreiben kann. Das liegt am Tisch, das wird jetzt offensichtlich von der Regierung – die Grünen haben es, glaube ich, intellektuell noch gar nicht verstan­den – einfach durchgepeitscht. (Zwischenruf der Abg. Disoski. – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.)


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich ersuche Sie, sich bitte in der Aus­drucksweise zu mäßigen.


Abgeordneter Peter Wurm (fortsetzend): Ich nehme „durchgepeitscht“ zurück. (Abg. Disoski: Frau Präsidentin!) Da würde ich mich jetzt schon an die Sozialdemokratie wenden, uns auch im Kampf für den Schutz der Arbeitnehmer zu unterstützen.

Was man vielleicht generell noch einmal sagen sollte: Natürlich hat diese Krise, die die ÖVP und die Grünen hier in Österreich verursacht haben, ein geteiltes Österreich hinter­lassen. Die Hälfte der Österreicher hat es finanziell, existenziell nicht wirklich getroffen. Das sind alle, die im öffentlichen, halböffentlichen Bereich tätig sind, auch Pensionisten – da ist monatlich das Geld gekommen –, aber im privatwirtschaftlichen Bereich hat es Hunderttausende Österreicherinnen und Österreicher, vor allem sozial Schwache, ganz massiv getroffen – nicht nur durch Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit, sondern auch durch ganz massive Einkommenseinbußen. Das wird alles ein bisschen ausgeblendet, das diskutiert man nicht gerne.


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Diese Krise hat natürlich auch wie ein Brennglas die Probleme der letzten Jahre und Jahrzehnte noch einmal verstärkt, weil die großen Verlierer eben die sozial Schwachen sind, die teilweise in prekären Verhältnissen arbeiten müssen. Die werden Sie mit diesen Maßnahmen auch langfristig nicht wirklich am Arbeitsmarkt unterbringen können. Auch all die Freiberufler haben im Prinzip eineinhalb Jahre von ihren Reserven und Ersparnis­sen gelebt. Das wird alles ausgeblendet.

Das wird alles ausgeblendet, und da gibt es, wie gesagt, meiner Meinung nach keinen Grund, sich als Regierung auf die Schulter zu klopfen, ganz im Gegenteil.

Abschließend – es gibt auch eine erfreuliche Nachricht, zumindest empfinde ich oder empfinden wir sie so –: Man hat in dieser Krise gesehen, dass die Facharbeiter und jene, die eine Lehre gemacht haben, eigentlich sehr gut durch die Krise gekommen sind. Das heißt, wenn man eine Fachausbildung hat, als Schlosser, Tischler oder was auch immer, dann hat man diese eineinhalb Jahre eigentlich relativ gut überstanden. Die Betriebe, die Gewerbebetriebe laufen sehr gut, wie wir heute auch gehört haben, Gott sei Dank. Das ist für mich das Positive.

Das, was die Grünen immer versprechen und ankündigen, diese Green Jobs, da ist na­türlich nichts passiert, es gibt sie nicht und sie werden auch nicht kommen. Die Green Jobs, von denen Sie sprechen, entstehen alle in China, denn von dort kommen 75 Pro­zent aller alternativen Energiesysteme, von Batterien bis zu Fotovoltaikanlagen und Ähnlichem mehr. Diese Dinge kommen alle aus China. Das heißt, der große Green-Job-Gewinner weltweit ist China, und das haben sie auch dieser Regierung und den Grünen zu verdanken. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.31

13.31.08*****


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Wurm! Für die Formulierung: Sie haben es „intellektuell noch gar nicht verstanden“, erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

*****

Zu Wort gelangt jetzt Frau Abgeordnete Bettina Zopf. – Bitte.


13.31.23

Abgeordnete Bettina Zopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Fernseh­bildschirmen! Tu Gutes und rede darüber! Deshalb möchte ich gleich die Chance nutzen, um auf den Frühstarterbonus hinzuweisen, der mit 1. Jänner 2022 in Kraft tritt. Er ermög­licht allen Anspruchsberechtigten – das sind alle, die zwischen dem 15. und dem 20. Le­bensjahr arbeiten gegangen sind –, 60 Euro mehr Pension pro Monat und bis zu 840 Eu­ro mehr pro Jahr zu bekommen. Daher mein Appell an all jene, die noch in diesem Jahr in Pension gehen können: Lassen Sie Ihre Voraussetzungen prüfen, um möglicherweise diesen großen Fortschritt im Pensionssystem mit einem etwas späteren Pensionsantritt für sich zu nutzen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dieser Bonus hilft dort enorm, wo das Monatseinkommen eher niedrig ist oder es auf­grund von Kindererziehungszeiten oder Arbeitslosigkeit Beitragslücken gibt. Gerade dort greift der Bonus, und das betrifft vor allem Frauen.

Ebenso geht mein Aufruf an alle Betriebsräte, Personalvertreter und Gewerkschaftsver­treter: Bitte macht eure Bediensteten auf den Frühstarterbonus aufmerksam! Auch wenn er nicht von der SPÖ kommt, ist er genauso wie der Familienbonus eine tolle Sache für die Betroffenen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Als christlich-soziale Gewerkschafterin bin ich stolz auf diese Errungenschaft (Abg. Bela­kowitsch: Sie sind christlich-sozial?) und sehe es als unseren Auftrag, dass wir die Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vor der Pension stehen, darüber informieren.

Nun zum heutigen Antrag betreffend „Frauen am Arbeitsmarkt“ von Kollegin Heinisch-Hosek. Sie fordern ein Maßnahmenpaket, damit das eingesetzte Geld zu 50 Prozent Frauen zugutekommt. Ich kann Ihnen sagen, wir tun heute schon viel mehr, als Sie for­dern, und unsere Maßnahmen greifen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Die Beispiele sind schon genannt worden: die Coronajoboffensive: 55 Prozent Frauen; der Bildungsbonus: 19 000 Arbeitsuchende, davon 10 000 Frauen, also 52 Prozent Frauen. Das sind auch mehr als Ihre geforderten 50 Prozent! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.) Wir zeigen gerne mit unserer Umsetzung, wie gelebte Frau­enpolitik funktioniert.

Zu Ihrem gerade eingebrachten Entschließungsantrag, Frau Kollegin Heinisch-Hosek, betreffend 13. und 14. Familienbeihilfe: Ihre vorgeschlagene Maßnahme ist nicht treffsi­cher, typisch SPÖ, das wäre nur Geldverteilen nach dem Gießkannenprinzip. (Zwischen­ruf der Abg. Heinisch-Hosek.) So etwas kann man nur fordern, wenn man keine Verant­wortung tragen muss. Es gibt bereits Maßnahmen, die treffsicher sind, wie zum Beispiel den Familienhärtefonds und den Familienhärteausgleich.

Schließen möchte ich mit folgendem Statement: Nutzen wir doch die Zeit in den zahlrei­chen Ausschüssen für Arbeit und Soziales, um gemeinsam die Arbeitslosigkeit zu be­kämpfen (Abg. Belakowitsch: Im Ausschuss wollen Sie die Arbeitslosigkeit bekämpfen? Wie wollen Sie das machen?), denn nur so können wir Österreich wieder vorwärtsbrin­gen, und nur so haben auch wir Gewerkschafter, egal ob sozialdemokratische, freiheit­liche, die konsequente Interessenvertretung von den Grünen oder wir, die christlich-so­zialen Gewerkschafter (Abg. Belakowitsch: Sie sind ja nicht sozial!), die Möglichkeit, auch in Zukunft Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestens zu vertreten! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)

13.35


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Henrike Brandstötter. – Bitte.


13.35.42

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Mi­nister! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher zu Hause! Laut SPÖ sollen also 50 Pro­zent der AMS-Mittel Frauen zugutekommen, und man sollte meinen, dass man gar nicht darüber sprechen muss, aber ich kann Ihnen sagen, wir müssen darüber sprechen. Wa­rum müssen wir das?

Erstens: Frauen am Arbeitsmarkt müssen gefördert werden, da sind wir uns, glaube ich, einig, aber man darf dabei nicht unsachlich werden. Eine Regelung, nach der AMS-Mittel ausschließlich nach dem Kriterium des Geschlechts vergeben werden sollen, ist genau das: unsachlich.

Es sind nicht 50 Prozent der arbeitslosen Menschen weiblich, und deswegen wäre es auch eine ziemliche Schieflage, wenn 50 Prozent der Mittel eben für Frauen zur Verfü­gung gestellt werden sollen. (Bravoruf bei der ÖVP.) Ich will es natürlich umgekehrt auch nicht haben, wohlgemerkt! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zweitens: Man kann die Aufgabe, Frauen am Arbeitsmarkt zu fördern, nicht dem AMS zuteilen, sich dann abputzen und sagen, man hätte eh alles getan. Das heißt, Förde­rungen reichen nicht, es braucht ein komplettes Umdenken im Bereich der weiblichen Erwerbstätigkeit.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 80

Es wurde wissenschaftlich vielfach bewiesen, dass Teilzeitarbeit sowohl kurzfristige als auch langfristige Nachteile mit sich bringt; kurzfristige, weil es ein geringeres Gehalt gibt, langfristige, weil sie natürlich geringere Aufstiegschancen – Stichwort: nur 5 Prozent weibliche CEOs in Österreich – sowie geringere Pensionen und Altersarmut mit sich bringt.

Was brauchen wir stattdessen? – Wir müssen Frauen von dieser strukturellen Teilzeitar­beit wegbringen. Ideal wäre, wenn die Unternehmen auch weniger Teilzeitarbeit anbie­ten würden, denn: Teilzeitarbeit ist keine Lösung! Teilzeitarbeit ist Teil des Problems! Frauen arbeiten Teilzeit, damit sie noch mehr unbezahlte Carearbeit leisten können, anstatt dass die Carearbeit besser zwischen den Geschlechtern aufgeteilt wird. (Beifall bei den NEOS.)

Um das Problem lösen zu können, brauchen wir aber die nötigen Rahmenbedingungen. Kinderbetreuungsplätze sind der wichtigste Baustein überhaupt, deshalb werde ich auch nicht müde, zu fordern: die Schaffung von qualitätsvollen Kinderbetreuungsplätzen mit Öffnungszeiten von 45 Stunden pro Woche, die Schaffung von mehr Betreuungsplätzen für unter Dreijährige und die Bereitstellung von Karenzmodellen, die eine bessere Auftei­lung zwischen Vätern und Müttern ermöglichen.

Arbeitsmarktmaßnahmen sind gut und richtig, aber ohne die passenden Rahmenbedin­gungen nur halb so viel wert. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Disoski.)

13.38


Präsidentin Doris Bures: Zu diesen Tagesordnungspunkten ist nun niemand mehr zu Wort gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Wird seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmung über diese Tagesordnungspunkte an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Arbeit und Soziales und gehe daher in der Tagesordnung weiter.

13.38.288. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1547/A der Ab­geordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geän­dert wird (838 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Christian Drobits. – Bitte.


13.39.12

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Alle im Saal wissen, was das Gesundheits- und Krankenpflegepersonal – stellvertretend ist der Herr Bundesminister da – in den letzten Jahrzehnten und insbesondere während der Pandemie geleistet hat. Alle, die hier sitzen, haben einmal geklatscht oder Danke gesagt. Die Kollegin Ribo hat heute auch wieder Danke gesagt, aber warum sagen Sie nur Danke oder klatschen Sie, aber schützen diese Gruppen nicht? (Abg. Ribo: Das stimmt nicht!) Warum? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Ribo: Das stimmt nicht!)

Warum schauen Sie nicht, dass diese arbeitenden Menschen, die Sie beklatschen, auch die Möglichkeit haben, so lange wie möglich gesund zu bleiben und eine Pension zu bekommen? (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 81

Warum, liebe ÖVP, Kollegen des ÖAAB, schauen Sie zu, wenn manche Gruppen der im Pflegebereich arbeitenden Menschen unfairerweise nicht die Zeitguthaben erhalten, die ihnen nach dem Nachtschwerarbeitsgesetz zustehen, und vertagen unsere Anträge? Warum?

Ich sage Ihnen offen, die Antwort kenne ich, ich sage sie Ihnen auch: Sie alle spielen auf Zeit, Sie spielen auf Zeit! Die ÖVP spielt auf Zeit, weil sie von einer Umfrage in die nächste geht, und die Grünen spielen auf Zeit, weil sie irgendeinen Bundesminister su­chen, der endlich das Pflegekonzept umsetzt. (Abg. Ribo: Geh bitte!) Das, bitte, sind aber nicht die Signale und Hoffnungen, die die Menschen jetzt brauchen.

Kollegin Ribo, Sie sagen Danke – da bin ich dabei! –, nur wie danken Sie heute mit die­sem Antrag, mit diesem Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, denjenigen Personen, die eigentlich darauf vertraut haben, dass mit 30.6.2021 endlich die 48-Stunden-Arbeitswo­che kommt? Danken Sie ihnen damit, dass Sie sagen: Nun geht’s weiter! Bis 2025 sind 55 Stunden erlaubt, und bis 2028 sind 52 Stunden erlaubt! – Ist das Ihr Dank? (Zwi­schenruf der Abg. Ribo.)

Wir danken nicht so; wir sind auch dagegen. Wir sehen sehr wohl ein, dass die Pandemie gewisse Notwendigkeiten vorsieht, aber nicht, dass es notwendig ist, dass grundsätzlich sieben Jahre lang wiederum Menschen, die in den letzten Jahren schon davon aus­gezehrt wurden, diese Arbeit weiterhin leisten müssen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Kaniak.)

Ich gebe den Regierungsparteien weitere Beispiele: Ich spreche von im Gesundheits- und Pflegebereich arbeitenden Menschen, von Ärzten, Gesundheits- und Krankenpfle­gern, MTT-Personen, Hebammen und so weiter. Diese sind erschöpft – emotional, aber auch körperlich. Nach einer Studie brauchen sie viel mehr Psychotherapie, auch Folgen von Covid sind gegeben, und im Endeffekt gibt man ihnen nur die Antwort: Wir vertagen, wir schauen einmal!

Also das ist nicht die Antwort, die wir geben wollen; wir wollen klare Signale geben! Die letzten Anträge wurden vertagt: Vertagt wurde die Schwerarbeitspensionsregelung, ver­tagt wurde die Nachtstundenschwerarbeitsregelung, heute wiederum gibt es dieses Dankeschön, dass es länger wird und dauert, bis die Arbeitszeit verkürzt wird. Das ist nicht die Antwort! Die brechen weg! (Zwischenruf der Abg. Ribo.)

Ich persönlich kann Ihnen aufgrund einiger Gespräche sagen, dass die Leute bereits kündigen, sie lassen sich versetzen. Das ist nicht die Lösung, wie wir einen Pflegenot­stand verhindern, sondern wie wir grundsätzlich einen Pflegenotstand auch noch produ­zieren. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Kaniak und Ries.)

In dem Sinne: Die Lösung ist, diese Personen, die arbeiten und beklatscht werden, nicht noch weiter körperlich und emotional auszubeuten, die Lösung ist mehr Personal, die Lösung ist bessere Ausbildung und die Lösung ist im Endeffekt die Bekämpfung des Personalmangels im Gesundheitswesen. Darum bringe ich auch einen Entschließungs­antrag meiner Fraktion ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bekämpfung des Per­sonalmangels im Gesundheitswesen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert umgehend ein Maßnahmenbündel bestehend aus Verbesserungen im Bereich der Ausbildung und im Bereich der Arbeitsbedingungen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 82

für das Gesundheitspersonal, insbesondere für Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflege­personal, zu erarbeiten und noch heuer zur Umsetzung zu bringen.“

*****

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister! Bitte hört uns an! Seid auf unserer Seite! Wir schützen die ArbeitnehmerInnen! In diesem Sinne: Danke für die Auf­merksamkeit, und kämpfen wir gemeinsam für diese Gruppe, die das nötig hat! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Kaniak und Ries.)

13.44

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kucher, Mag. Drobits,

Genossinnen und Genossen

betreffend Bekämpfung des Personalmangels im Gesundheitswesen

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1547/A der Abgeordneten Dr. Josef Smolle, Ralph Schallmeiner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstalten-Ar­beitszeitgesetz geändert wird (838 d.B.) TOP 8

An einer von der Ärztekammer Wien in Auftrag gegebenen Umfrage unter Ärztinnen und Ärzte in den Spitälern beteiligten sich 1.765 Personen, was einer Quote von 21,5 Prozent entspricht. Die Ergebnisse sind durchaus dramatisch. Mehr als die Hälfte ist körperlich oder emotional erschöpft. Mehr als ein Viertel der Betroffenen fühle sich zudem oft allein gelassen, 14 Prozent haben bereits oft daran gedacht, an einem Burnout zu leiden.

Als Konsequenz haben offenbar nicht wenige Wiener Spitalsmediziner*innen bereits erwogen, psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. 54 Prozent überlegen dies – wobei es 31 Prozent bereits getan haben. Doch auch eine Veränderung der belas­tenden Situation wird nicht ausgeschlossen. 52 Prozent der Spitalsärzt*innen haben laut der Umfrage bereits überlegt, den Job zu wechseln bzw. zu kündigen, knapp ein Fünftel denkt darüber sogar oft oder sehr oft nach.

Nicht nur Ärztinnen und Ärzte sind am Limit angelangt. Auch das Pflegepersonal, das im letzten Jahr besonders gefordert war, ist erschöpft und ausgelaugt. In Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen oder anderen in der mobilen Pflege fehlt oftmals die Zeit, um Patient*innen angemessen zu betreuen. Das Personal ist überlastet und fühlt sich von der Politik übersehen. Natürlich bringt die Coronakrise das sowieso schon übervolle Glas auch noch zum Überlaufen. Wichtig ist es dem Pflegepersonal aber vor allem, dass sie gehört und nicht mehr ignoriert werden, dass sie einbezogen und nicht ausgegrenzt werden.

Diese Situation muss doch Jedem zu denken geben. Aber nein, die Regierungsfrak­tionen legen noch eine weitere Belastung oben drauf. Die derzeit hohen Arbeitsstunden für das Krankenanstaltenpersonal von bis zu 55 Wochenstunden, die mit 30. Juni 2021 eigentlich Geschichte sein sollten, werden um weitere 4 Jahre verlängert. Danach folgt ein Zeitraum von drei Jahren, in denen bis zu 52 Stunden gearbeitet werden soll.

Das ist nicht nur unmenschlich, es ist vor allem ein komplett falscher Zugang um Ge­sundheitsberufe, die wir so dringend benötigen, attraktiver zu gestalten. Obwohl das Auslaufdatum der Arbeitszeitregelungen in Krankenanstalten den Verantwortlichen be­kannt und bewusst war, wurden keinerlei Maßnahmen getroffen um den Personalmangel


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 83

zu beseitigen. 5 nach 12 kommt die Regierung plötzlich drauf, dass es nicht genug Ärzt*innen oder Pflegepersonal gibt, damit die dringend notwendige Absenkung der Ar­beitszeit umgesetzt werden kann.

Die Pandemie hat auch noch einmal aufgezeigt, dass es sofort Maßnahmen zur Beseiti­gung des bereits bestehenden und weiterhin drohenden Personalmangels im Bereich der Ärzt*innen und des Pflegepersonals braucht und nicht eine weitere 7-jährige Aus­beutung des Krankenhauspersonals.

Ärztemangel – es braucht ein Bündel an Maßnahmen:

•             Zusätzliche Studienplätze, die daran geknüpft werden, nach Abschluss der Aus­              bildung im öffentlichen Gesundheitsbereich und/oder im Sachleistungsbereich für               eine bestimmte Zeit tätig zu sein.

•             Weitere Anreize für Medizinstudent*innen und Ärzt*innen nach der Ausbildung               auch im Land zu bleiben und im öffentlichen Sektor und/oder im Sachleistungs­              bereich tätig zu sein (zB Studienförderung, Förderungen bei Praxisgründung).

•             Erhöhte Praxiserfahrung in der Ausbildung. Dazu gehört u.a. ein verstärkter Fo­              kus auf Praktika.

•             Eine Reduzierung der Belastung von Ärzt*innen in Krankenanstalten durch Dele­              gierung von Tätigkeiten an das Gesundheitspersonal.

•             Digitalisierungsoffensive.

•             Bessere Arbeitsbedingungen: z.B. weniger „Einzelkämpfertum“, weniger belas­              tende Arbeitszeiten und Bereitschaftsdienstregelungen, attraktive Arbeitsinhalte,               Entbürokratisierung, Teilzeitmöglichkeiten und Kinderbetreuungseinrichtungen.

Pflegepersonalmangel – zwei Aufgaben müssen rasch gelöst werden, damit in naher Zukunft ausreichend Menschen in den Pflegeberufen arbeiten wollen:

•             Gut ausgebaute Wege in die Pflege durch attraktive Ausbildungen und

•             attraktive Arbeitsbedingungen, damit die Wege nicht gleich wieder aus den Pfle­              geberufen hinausführen.

Daher braucht es auch für diese Gesundheitsberufe zahlreiche Maßnahmen:

•             Ausbildungsplätze aufstocken.

•             Die derzeit laufenden Schulprojekte (HTL bzw. HBLA für Pflegeberufe – 5-jährige               Ausbildung mit Matura) in den Regelbetrieb übernehmen.

•             Massiver und unbefristeter Ausbau des Fachkräftestipendiums.

•             Pflegestiftungen der Länder massiv aufstocken.

•             Studiengebühren für FH Gesundheitsberufe abschaffen.

•             Existenzsichernde Absicherung: Angesichts konkurrierender Ausbildungsange­              bote, wie etwa die Polizeiausbildung, bei der man im ersten Ausbildungsjahr brut­              to 1.690,- Euro verdient (Stand 2019), muss auch an der finanziellen Schraube               gedreht werden.

•             Attraktive Arbeitsplätze durch bessere Arbeitsbedingungen: Neben ausreichen­              dem Personal, sind faire Bezahlung und langfristig lebbare Arbeitszeitmodelle               zentral um Menschen für diese Berufe zu gewinnen und zu halten (z.B.: Bonus               für schlechte AZ-Lage, 6. Urlaubswoche ab 40. Lebensjahr).

•             Entwicklung und Einführung einer bundesweit einheitlichen, verpflichtenden und               bedarfsorientierten Personalberechnung für den intra- als auch den extramuralen               Bereich des Gesundheitswesens und der Langzeitpflege.


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Nur durch schnelles und konsequentes Handeln kann nachhaltiger Schaden an unserem Gesundheitssystem abgewendet werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert umgehend ein Maßnahmenbündel bestehend aus Verbesserungen im Bereich der Ausbildung und im Bereich der Arbeitsbedingungen für das Gesundheitspersonal, insbesondere für Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflege­personal, zu erarbeiten und noch heuer zur Umsetzung zu bringen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Smolle. – Bitte.


13.44.10

Abgeordneter Dr. Josef Smolle (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für uns alle in Österreich ist es selbstverständlich, dass wir, wenn wir zu irgend­einer Tages- oder Nachtzeit wegen eines Unfalls oder einer akuten Erkrankung ein Spital aufsuchen, sofort kompetente ärztliche Hilfe erhalten. Wie ist das möglich, wie läuft das ab?

Das liegt an den sogenannten Journaldiensten. Unsere Ärztinnen und Ärzte – der heu­tige Antrag bezieht sich im Wesentlichen auf den ärztlichen Dienst – machen einerseits ihre Tätigkeit in einer regulären Tagesarbeitszeit, und dann bleibt ein Teil von ihnen als Dienstmannschaft im Spital und geht in den sogenannten Journaldienst über, der dann bis zum nächsten Tag in der Früh dauert.

Diese Journaldienste sind grundsätzlich so gedacht, dass man darin nicht dauernd tätig ist, aber jederzeit bereit ist, die Arbeit aufzunehmen, wenn ärztliche Arbeit gebraucht wird. Jetzt ist diese Beanspruchung auch durchaus unterschiedlich. Sie hängt von der Fachdisziplin, vom Krankenhausstandort, von der Dienstkategorie und natürlich auch vom Zufall ab – einmal ist sehr viel los, einmal vielleicht etwas weniger –, aber jede Stun­de im Krankenhaus, jede Stunde Anwesenheit zählt als Arbeitszeit, und das ist richtig so.

Seit 2015 gilt in Österreich die EU-Vorgabe, dass die Ärztinnen und Ärzte im Spital für bis zu 48 Stunden in der Woche derartiger Arbeit und Anwesenheit verpflichtet werden können. Das bedeutet jetzt – um sich das vorzustellen –, wenn jemand einen solchen Journaldienst am Montag und am Donnerstag macht, dann ergibt das in Summe 48 Stunden und eigentlich schon die durchschnittliche Wochenarbeitszeit.

Jetzt ermöglicht die EU aber auch, dass Ärztinnen und Ärzte freiwillig ein sogenanntes Opt-out machen können, das bedeutet eine vielleicht doch längere Anwesenheit im Spital. In Österreich sind derzeit bis zu 55 Stunden möglich, aber nur mit einer Betriebs­vereinbarung und der individuellen freiwilligen und jederzeit widerrufbaren Zustimmung der einzelnen Ärztin oder des einzelnen Arztes. Ein Teil unserer Kolleginnen und Kol­legen macht das, ein größerer Teil nimmt das nicht in Anspruch, sondern bleibt bei den 48 Stunden.


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Was wir nun machen, ist, dass wir diese Möglichkeit von bis zu 55 Stunden noch einmal um vier Jahre verlängern; anschließend geht diese maximal mögliche Zeit für weitere drei Jahre auf 52 Stunden zurück. Es ist dabei ganz entscheidend, im Auge zu behalten, dass es um unser solidarisches Gesundheitssystem geht, und wenn wir daran denken, wie wichtig genau dieses ist, dann wird auch klar, dass wir hier einen außerordentlich ausgewogenen Vorschlag vorlegen, denn er ist nicht eindimensional an der einen oder der anderen Interessensseite orientiert, sondern er macht das, was wir gesellschaftlich brauchen, und das ist gut so.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön an meine ärztlichen Berufskolleginnen und Berufskollegen sagen, die durch ihre Flexibilität in der Arbeit die Rund-um-die-Uhr-Versorgung in der Gesundheit für uns alle gewährleisten, und ich möchte in diesen Dank explizit alle Personen, die in den Ge­sundheitsberufen tätig sind, die immer sehr viel leisten, aber in den letzten Monaten besonders viel geleistet haben, sie alle möchte ich in diesen Dank einschließen. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

13.48


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Gerhard Kaniak. – Bitte.


13.48.35

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, das aktuelle Beispiel des Kran­kenanstalten-Arbeitszeitgesetzes ist ein erschreckendes Beispiel für die Reformunwil­ligkeit und Resistenz im österreichischen Gesundheitswesen.

2003 wurde die Arbeitszeitrichtlinie auf europäischer Ebene erlassen. Erst 2014 wurde sie in Österreich umgesetzt, und nun, sechs Jahre später – sechs Jahre, die man sich damals damit erkauft hat, dass man argumentiert hat, dass es eben Zeit benötigt, um die Strukturen anzupassen, die Rahmenbedingungen zu ändern, das Budget entspre­chend zu konsolidieren, die Dienstpläne anzupassen – findet nun was statt? – Keine kurzfristige Verlängerung, die vielleicht tatsächlich der Bewältigung der Covid-Krise und ihren Folgen gilt, sondern nein, eine vierjährige Verlängerung mit einer weiteren dreijäh­rigen Verlängerung auf 52 Wochenstunden für die Ärzte und das medizinische Personal.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist keine Reform, das ist keine Schutz­maßnahme zum Erhalt des österreichischen Gesundheitssystems, sondern das ist schlicht und ergreifend eine Reformverweigerung.

Vor allem wird eines nicht bedacht: Wir sprechen über einen Ärztemangel, wir sprechen über einen Pflegekräftemangel, wir sprechen davon, dass wir in Österreich das Problem haben, dass sehr viele junge, frisch ausgebildete Ärzte gar nicht in Österreich zu prakti­zieren anfangen, weil die Bedingungen in benachbarten Staaten viel attraktiver sind, als sie das in Österreich sind. Und was machen Sie, meine sehr geehrten Damen und Her­ren? – Sie verlängern eine Arbeitszeitüberschreitung, ein Arbeitszeitmodell, das es in dieser Form in anderen Staaten nicht mehr gibt, da es auch eine gewisse Schlechterstel­lung der Arbeitsbedingungen für Ärzte und für Pfleger bedeutet, anstatt eine nachhaltige Reform zu verwirklichen, die auch diese Berufe in Österreich wieder attraktiver macht und den Mangel in diesen Berufen beseitigt.

Die SPÖ, Kollege Drobits, hat einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem sehr vie­le vernünftige Vorschläge stehen, die wir 2017 – noch gemeinsam mit der ÖVP – auch im Regierungsprogramm stehen gehabt haben: eine Aufwertung der Allgemeinmedizin, eine Entbürokratisierung der Tätigkeiten von Ärzten und Pflegern, damit wieder mehr Zeit für die Patienten zur Verfügung steht, Anreizsysteme, dass nach dem Studium der Beruf auch tatsächlich in Österreich ausgeübt wird, und vieles mehr. Die Freiheitliche


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Partei unterstützt diese Reformvorschläge, und ich hoffe, dass auch die ÖVP und die Grünen und auch der neue Gesundheitsminister sich diese Vorschläge genau ansehen werden, diese Reformverweigerung vielleicht noch einmal überdenken und konstruktiv gemeinsam mit den anderen Fraktionen eine Lösung für das österreichische Gesund­heitssystem suchen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

13.51


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ralph Schallmeiner. – Bitte.


13.51.23

Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin­nen und Kollegen! Sehr geehrte Minister! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Sepp Smolle hat schon ganz gut ausgeführt, worum es bei diesem Gesetz wirklich geht, was sozusagen die Rahmenbedingungen sind und wovon wir da wirklich sprechen. Wir sprechen nicht von dem, was Kollege Drobits vorhin dargelegt hat, sondern wir sprechen sehr konkret davon, dass es um eine freiwillige Längerarbeit von Ärztinnen und Ärzten geht.

Es ist mir durchaus bewusst, dass Ärztinnen und Ärzte entsprechend unter Druck ste­hen, dass Ärztinnen und Ärzte auch einen entsprechend harten Job vor allem in den Krankenhäusern machen, aber ohne diese lange Arbeitszeit, ohne diese zum Teil 55 Stunden, gerade in der Peripherie, kommen wir eben immer noch nicht durch. Das muss man einfach anerkennen. Man kann es sich schönreden, man kann so tun, als ob das sozusagen alles ohne Probleme über die Bühne gehen würde, aber wir wissen, auch die Bundesländer haben in den letzten Jahren durchaus geschlafen und haben das eben nicht geschafft. Und das zählt momentan leider Gottes immer noch mehr.

Wir müssen es schaffen, davon wegzukommen. Das gemeinsame Ziel muss es sein, dass wir auf 48 Stunden herunterkommen. Keine Frage, das ist das Ziel, denn nur so wird dieser Beruf weiterhin attraktiv genug bleiben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Zu den Bundesländern muss man vielleicht auch anmerken: Das ist querbeet, also da reden wir jetzt nicht von einer gewissen politischen Farbe, sondern dieses Verschlafen ist sozusagen multicouleur, wenn Sie so möchten. Auch das muss man dazusagen; nicht, dass das jetzt so ausschaut, als ob ich eben sozusagen nur in eine Richtung aus­teilen würde.

Was man vielleicht auch noch dazusagen muss: Das Arbeitszeitmodell mit 48 Stunden ist auch dort nicht optimal umgesetzt worden, wo es umgesetzt worden ist, weil dort im Endeffekt dann dafür eben die Ambulanzstunden verkürzt worden sind. Es gibt nicht wenige Krankenhäuser in diesen Bundesländern, wo die Ambulanzen zum Teil nur fünf Stunden am Tag geöffnet sind, was auch deutlich zu wenig ist, um eine entsprechende Versorgung zu ermöglichen.

Wie schon gesagt, wir haben jetzt hier einen Kompromiss gemacht. Wir belassen es für die nächsten vier Jahre eben noch bei 55 Stunden, machen dann eine Kaskade auf 52 Stunden. Das war uns auch sehr, sehr wichtig, um einfach auch klarzumachen, dass wir runterkommen müssen, dass sich die Bundesländer bewegen müssen. Das ist aus unserer Sicht eben der Kompromiss, der für uns relevant war und dem wir dann zum Schluss auch haben zustimmen können.

Einen letzten Punkt noch: Es gibt in der Ärztekammer, also dort, wo die Interessen der Ärztinnen und Ärzte auch gewahrt werden, eine Anlaufstelle, eine Meldestelle, für den Fall, dass Druck auf einzelne Ärztinnen und Ärzte ausgeübt wird, dass sie dieses Opt-out unterschreiben. Diese Stelle hat meines Wissens im letzten Jahr oder in den letzten Jahren keine entsprechenden Meldungen angezeigt. Das heißt, die Freiwilligkeit scheint


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 87

wirklich zu funktionieren. Sollte es dennoch zur Ausübung von Druck kommen, sind die Ärztinnen und Ärzte natürlich aufgefordert und aufgerufen, sich an diese Meldestelle, an ihre Vertretung, zu wenden, damit man dieser Sache auch nachgehen kann, denn es muss weiterhin eine freiwillige Sache bleiben.

Ein allerletztes Wort noch: Minister Mückstein hat im entsprechenden Ausschuss auch schon zugesagt, dass es auch eine Begleitung, ein sehr genaues Beobachten dieser Situation gibt, dass man schauen möchte, dass die Länder schnellstmöglich von diesen 52 beziehungsweise 55 Stunden wegkommen, dass die Bundesländer, insbesondere als Träger, dementsprechende Rahmenbedingungen schaffen, dass eben dieser Rah­men, den wir hier heute beschließen werden, gar nicht erst ausgereizt werden muss.

In diesem Sinne: Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.55


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.


13.55.20

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Herren Minister! Hohes Haus! Man muss das für die Zuschauer noch einmal in eine Zeitschiene bringen: Die EU-Arbeitszeitrichtlinie gibt es seit dem Jahr 2003 – ist also schon eine Zeit lang her –, und im Jahr 2014 hat Österreich diese Begrenzung der Höchstarbeitszeit auf 48 Stunden pro Woche noch nicht umgesetzt gehabt und ist deswegen von der EU gemaßregelt worden. Rechtzeitig, bevor es eine Klage gegeben hat, hat dann die damals rot-schwarze Regierung 2014 eine Übergangsregelung für diese Richtlinie aus 2003 be­schlossen, und die läuft jetzt aus – total überraschend, wie immer, wie Weihnachten.

Am 30.6. läuft das Ding aus, und jetzt muss man es noch schnell sanieren und das Auslaufen auf 2025 verschieben, weil Österreich 22 Jahre braucht, um sich darauf ein­zustellen, eine EU-Arbeitszeitrichtlinie umzusetzen – 22 Jahre! Bitte, ein Spitalsmana­ger, der das nicht auf die Reihe bekommt, in 22 Jahren seinen Dienstplan so umzuorga­nisieren und das Personal so aufzustellen, dass eine EU-Arbeitszeitrichtlinie eingehalten werden kann, der gehört gefeuert, das gehört nicht noch gesetzlich gestreckt. (Beifall bei den NEOS.) Und Sie machen dem die Mauer, Sie machen den Versagern in den Bun­desländern, die ihre Aufgaben nicht erledigen können, die Mauer.

Dann muss ich mir noch anschauen: Was würden die Grünen sagen, wenn die NEOS bei einer Regierungsbeteiligung eine Arbeitszeit von 55 Stunden pro Woche festschrei­ben würden? – Ihr würdet herauskommen und sagen: Diese neoliberale Ausbeuterba­gage soll sich schleichen! Das würdet ihr sagen.


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich ersuche Sie, sich in Ihrer Ausdrucks­weise zu mäßigen! Vorhin war es „Versager“, und das hat sich jetzt fortgesetzt, also ich bitte, im weiteren Verlauf die Würde des Hauses nicht zu verletzen!


Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (fortsetzend): Frau Präsidentin, mit den „Versa­gern“ waren nicht die anwesenden Abgeordneten gemeint, sondern die Verantwortlichen in den Ländern. (Beifall bei den NEOS.)

13.57.37*****


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich erteile Ihnen dafür einen Ordnungs­ruf. (Abg. Strasser: Würde sei Würde!)

*****


13.57.58

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (fortsetzend): Muss ich auf mich nehmen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 88

Was man auch dazusagen muss: Das Geld fließt ja schon. Als 2014 diese halbherzige Verlängerung der 55-Stunden-Woche bis 2021 beschlossen wurde, haben die Landes­gesetzgeber die Gehälter für das medizinische Personal angehoben. Besonders profi­tiert haben im Übrigen die Primarärzte. – Herr Dr. Saxinger, Sie wissen Bescheid. Je höher man in der Hierarchie war, umso mehr hat man dort abgerahmt. Die Kleinen haben ein bisschen etwas bekommen und die Oberen, die eh schon dick abräumen, haben noch mehr bekommen. Das Geld fließt seit 2014. Und jetzt schiebt man die Anpassung noch einmal bis 2025 hinaus. Also weniger arbeiten und mehr verdienen mit Rücken­deckung der Bundesregierung, das wäre natürlich schön. Jetzt arbeiten sie ein bisschen mehr, aber verdienen noch mehr und bekommen mehr dafür bezahlt, dass man ihnen die Arbeitszeit reduziert hat, was man nicht hat.

Also richtig schön auf Kosten der Steuerzahler alles abgeräumt, nämlich: die Überstun­den bezahlt bekommen und das Ersatzgeld für die Überstunden, die man nicht mehr macht, auch bezahlt bekommen – zweimal abgeräumt! Ich möchte gerne wissen: Was würden die Grünen sagen, wenn die NEOS so eine Arbeitszeitregelung beschließen würden? (Beifall bei den NEOS.)

13.59


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Martin Kocher zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.


13.59.06

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Natürlich sind in solch einer Situation einer Pandemie gerade das Gesundheitswesen und die dort Beschäftigten massiv belastet. Man kann ihnen gegenüber nicht oft genug Dank und Wertschätzung aussprechen, auch wenn das Aussprechen allein die Situation nicht ver­bessert. Ich begrüße daher auch ganz ausdrücklich den Bonus für die Gesundheits- und Pflegeberufe, der letzte Woche angekündigt und beschlossen wurde. Ich glaube, das ist zumindest ein wichtiges Signal für die Beschäftigten in diesem Bereich. (Beifall bei ÖVP, Grünen und NEOS.)

Das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz ist ein Gesetz, das das Parlament seit einiger Zeit beschäftigt – das wurde schon in den vorangegangenen Reden angesprochen –, ich glaube, dass nach langen und sehr intensiven Verhandlungen mit der jetzigen Lö­sung ein guter Kompromiss gefunden wurde. Ich möchte nochmals hervorheben: Die jetzige Lösung sieht natürlich eine Normalarbeitszeit von 48 Stunden vor, so wie das auch überall anders der Fall ist, und eben die Möglichkeit, mit individueller Zustimmung auf Basis einer Betriebsvereinbarung eine Opt-out-Option zu ziehen, die die nächsten vier Jahre bis zu 55 Stunden an Arbeitszeit zulässt, weil es – das ist ganz genau der Punkt – in den Spitälern, gerade in den Spitälern, die in vielen Ländern von den Ländern betrieben werden, noch einen Ärzte- und Ärztinnenmangel gibt. Deshalb braucht es die­se Lösung, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Nach vier Jahren wird diese maximale Arbeitszeit – Opt-out-Regelung – weiter auf 52 Stun­den reduziert. Ich weise auch darauf hin, dass diesen Kompromiss, den es da jetzt gibt, die Länder und auch die Ärztekammer nach langen Verhandlungen grundsätzlich be­grüßt haben. Es ist wichtig zu sagen, dass alle Länder, unabhängig davon, welche politische Partei die Landesregierung stellt, auch gefordert haben, dass es diese Opt-out-Regelung weiter in der einen oder anderen Form geben muss.

In Summe also, glaube ich, ist das ein Kompromiss, der sowohl im Sinne der Beschäf­tigten als auch im Sinne der Arbeitgeberseite ist, insbesondere natürlich da Krankenhäu­ser und Spitäler damit die Versorgungssicherheit im Gesundheitsbereich sicherstellen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.01



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 89

Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Wolfgang Mückstein zu Wort gemeldet. – Bitte Herr Minister.


14.01.53

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
Dr. Wolfgang Mückstein: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Österreicherinnen und Österreicher zu Hause! Ich möchte dazu auch etwas sagen, obwohl es jetzt nicht mein Ressort betrifft, aber es be­trifft mich schon auch emotional, denn wenn diese EU-Arbeitszeitrichtlinie 2003 umge­setzt worden wäre, dann hätte ich mir die 70 und 80 Stunden, die ich teilweise im Turnus gearbeitet habe, erspart. Das war keine lustige Zeit.

Jetzt stehen wir vor der Situation, dass die Richtlinie vor allem in einigen Bundesländern, in kleineren Häusern derzeit nicht umgesetzt worden ist, weil es nicht anders geht. Das heißt, es ist natürlich am Ende ein Kompromiss – das möchte ich hier schon sagen – zwischen der Versorgungswirksamkeit und unserem Versorgungsauftrag und dem Recht von Ärztinnen und Ärzten, an sich EU-konform zu arbeiten. Es gibt ja auch Bun­desländer – das möchte ich hier schon auch sagen –, zum Beispiel Wien, wo es über­haupt keine Opt-out-Lösungen mehr gibt, die Vinzenz-Gruppe etwa hat komplett umge­stellt. Es gibt also schon Beispiele, wo das erreicht worden ist, aber derzeit brauchen wir die ärztliche Arbeitskraft.

Es ist ein Kompromiss, es ist ein Runtergehen auf 52 Stunden in vier Jahren, das heißt, ein klares Signal auch an die Länder, an die Spitalsträger, das in diesem Zeitraum, der, glaube ich, ausreichend bemessen ist, zu ermöglichen. Der nächste Schritt werden dann die 48 Stunden sein, damit wird das eingehalten werden. Es ist also ein Kompromiss – das stimmt –, aber ich glaube, wir brauchen diese vier Jahre jetzt, auch die Träger brau­chen sie. Insofern halte ich das für eine gute Regelung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.03


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Abgeordneter Werner Saxinger zu Wort. – Bitte.


14.03.40

Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Für mich ist das heute ein guter Tag, dafür bin ich nämlich in die Politik gegangen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Geschätzte Damen und Herren! Sie sehen mich heute happy, auch wenn Sie das nicht glauben. Ich bin Politiker, aber auch Spitalsarzt. Ich weiß genau, wo der Schuh drückt. In einem Bereich, in dem ich mich auskenne, möchte ich in der Gesundheit mit­arbeiten. Da ist uns beim Ärztearbeitszeitgesetz etwas Gutes gelungen, wir haben nämlich den Spagat zwischen Wollen, Können, Dürfen und Sollen geschafft. Wir streiten nicht, sondern wir entscheiden und packen an. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich darf Sie kurz ins Jahr 1993 mitnehmen: Es war mein Einstieg ins Spitalsleben. Ich war jung, motiviert, körperlich fit, ich habe den Spagat auch noch körperlich geschafft, ich war vollgepumpt mit Wissen, mit der Lizenz zum Heilen, war spritzig, hoffnungsvoll – das bin ich manchmal jetzt auch noch –, und ich habe rund um die Uhr gearbeitet: 36 Stunden waren normal, mein Rekord waren 54 Stunden, Samstag bis Montag. Ich habe mich als Held gefühlt, es war retrospektiv cool, aber natürlich aus heutiger Sicht völlig absurd.

Ich frage Sie alle: Möchten Sie wirklich von einem Arzt behandelt werden, der 30 Stun­den nonstop arbeitet? Wissen Sie, was Übermüdung bewirkt? Nach 20 Stunden Arbeit ist das in etwa wie 0,5 Promille: Man ist unkonzentriert, unkoordiniert. Übermüdung und Schlafentzug sind Hauptgründe für Kunstfehler, die wir unbedingt vermeiden sollten. Und chronische Müdigkeit bewirkt Depression und Burn-out.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 90

Viele kennen und lieben die Krankenhausserien „Grey’s Anatomy“, „Emergency Room“, in den Achtzigerjahren „Die Schwarzwaldklinik“ – voll von Klischees, manche stimmen, manche nicht, aber allen ist gemein, dass es gestresste Ärzte gibt, die übermüdet sind und sich nur mithilfe von Koffein, Tein oder auch teilweise Liebe am Arbeitsplatz über Wasser halten. Das heißt, 70 Stunden waren bis vor einigen Jahren erlaubt. Das war absurd, aber es wurde reagiert, zwar spät, aber doch. Es war an der Zeit, dies zu ändern.

Wir haben jetzt eine Gesetzesnovelle, womit wir einen Spagat schaffen – das haben wir schon erwähnt –, der nicht wehtut, weil er gelingt. Die 48 Stunden sind weiterhin Stan­dard. Wer will, darf für weitere vier Jahre 55 und dann für weitere drei Jahre 52 Stunden arbeiten, maximal. Das ist meiner Meinung nach eine Win-win-Situation. Ich kenne Hun­derte Ärzte, ich rede jeden Tag mit vielen Ärzten, es gibt eigentlich fast nur Gewinner. Gewinner sind die Patienten, weil die Ärzte nicht übermüdet sind. Gewinner sind auch die Krankenhausträger – das ist sehr pragmatisch –, weil sie sieben Jahre Planungssi­cherheit haben. Gewinner sind aber auch die Ärzte.

Ich erinnere an einen Auszubildenden an meiner Abteilung, der nach einem Dienst noch bei einer Operation assistieren will. Ich erinnere an eine Jungärztin, die heuer mit zwei Kindern nonstop zwei Wochen nach Jesolo fahren will, was aber aufgrund der perso­nellen Situation nicht ginge. Ich erinnere an Oberärzte oder Fachärzte, die auf Fortbil­dung fahren wollen, die lehren und forschen wollen. Also es ist uns hier wirklich ein Spagat gelungen, der guttut, der aus meiner Sicht als Spitalsarzt wirklich gut gelungen ist.

Die ÖVP hat es gemeinsam mit den Grünen und den Ministern geschafft, einen tollen Kompromiss zu finden. Das ist ein eleganter, langwieriger, gelungener politischer Pro­zess. Wir wollen gestalten, für Österreich arbeiten, das tun wir. Dafür sind wir da, das erwartet sich die Bevölkerung auch von uns, und das ist uns auch gelungen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.07


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Hammer. – Bitte.


14.07.16

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren Minister! Geschätzte Damen und Herren! Ich darf mich sehr kurz fassen, nach­dem die beiden Experten, Josef Smolle und der Kollege eben, gerade umfassend ausge­führt haben, was hier gelungen ist.

Ich möchte das schon ein bisschen grundlegender anlegen, auch was die Argumentation der Oppositionsparteien ist. Ich glaube, wir finden hier eine Lösung – das wurde soeben angesprochen –, die einfach auf der einen Seite ein Kompromiss zwischen den Anforde­rungen und Notwendigkeiten und auf der anderen Seite der Arbeitszeit in den Kranken­häusern ist. Wir können nicht so tun, wenn wir diese Novelle nicht beschließen würden, als ob wir das Problem dann nicht hätten, wie manche Oppositionelle hier argumen­tieren.

Ich glaube, es ist auf der Hand liegend – und gerade die Pandemiezeit hat das auch noch verstärkt gezeigt –, dass es diese Notwendigkeit einfach gibt. Es wurde ja sowieso schon des Öfteren gesagt: Es ist eine Vereinbarungssache, die Regelarbeitszeit bleibt ja bei den 48 Stunden und kann im Einvernehmen auf 55 Stunden ausgedehnt werden und in einem weiteren Schritt auf 52 Stunden – natürlich mit dem Ziel, die 48 Stunden einzuhalten.

Ich glaube, es ist wirklich ein Kompromiss, eine Win-win-Situation. Ich bitte darum, dem auch zuzustimmen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz.)

14.08



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 91

Präsidentin Doris Bures: Mir liegt nun zu diesem Tagesordnungspunkt keine Wortmel­dung mehr vor. Daher ist die Debatte geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung verlege ich an das Ende der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Arbeit und Soziales.

14.08.559. Punkt

Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1545/A(E) der Abgeordneten Heike Grebien, Kira Grünberg, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schaffung entsprechender One-Stop-Shops für Menschen mit Behinderungen“ (839 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erste Rednerin: Frau Abgeordnete Heike Grebien. – Bitte.


14.09.31

Abgeordnete Heike Grebien (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte KollegInnen und wertgeschätzte ZuseherInnen zu Hause! Meine heutige Rede beginne ich mit einem Beispiel: Ich möchte Ihnen damit aufzeigen, was unser Antrag, der allparteilich im letzten Sozialausschuss einstimmig beschlossen wurde, was mich sehr freut, einerseits individuell für Menschen bedeutet. Andererseits möchte ich erklären, warum es aus unserer Sicht notwendig ist, da vier große Bereiche zu trennen und vier One-Stop-Shops zu schaffen.

Ich werde Ihnen jetzt anhand eines Beispiels den Ablauf der Finanzierung bei einem Hilfsmittel erklären, und Sie – viele, die sich damit beschäftigen – werden noch viel mehr Beispiele haben. Eine junge Frau im Alter von zwölf Jahren benötigt ein Hilfsmittel. Es handelt sich um ein Sitzschalenfahrgestell, das heißt, das Gerüst des Rollstuhls, bei dem einfach noch keine Sitzschale enthalten ist, die für diese junge Frau speziell angefertigt werden muss, damit sie eine gute Stütze hat und zum Beispiel keine weiteren körper­lichen Haltungsschäden davonträgt.

Der Weg der Eltern sieht folgendermaßen aus – das ist ein reales Beispiel –: Die Eltern erhalten im März einen Kostenvoranschlag in der Höhe von 4 000 Euro. Die ÖGK über­nimmt von diesem Kostenvoranschlag 500 Euro. Die Eltern stellen einen Antrag beim SMS, jedoch müssen beim SMS die verbleibenden Kosten von 3 500 Euro vorausge­zahlt werden und dem SMS muss die Rechnung zukommen gelassen werden. Dann bewilligt das SMS im Mai 1 000 Euro davon. Da noch immer 2 500 Euro selbst getragen werden müssen, stellen die Eltern einen Antrag bei der Bezirkshauptmannschaft für den Landesanteil. Im Juli bewilligt die Bezirkshauptmannschaft eine Förderung von knapp 650 Euro für die Sitzschale.

Die Eltern haben noch immer 1 850 Euro selber zu tragen. Deshalb stellen sie einen Antrag beim Unterstützungsfonds der ÖGK. Im August bewilligt der Unterstützungsfonds der ÖGK eine Förderung von knapp 1 000 Euro. Die Eltern haben dann noch immer 850 Euro, die sie tragen müssen, deshalb stellen sie einen Antrag bei der BVA. Im Sep­tember bewilligt die BVA eine Förderung von knapp 400 Euro. Ich weiß, es wird Ihnen schon langweilig, aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Die Familie zahlt schluss­endlich einen Selbstbehalt von 450 Euro. Die letzte Zahlung aus den zugesagten Förde­rungen erhält die Familie im Jänner des folgenden Jahres.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 92

Zusammengefasst: Der Amtsprozess für eine Sitzschale hat elf Monate gedauert, fünf unterschiedliche Antragstellungen wurden benötigt. Ich glaube, ich brauche Ihnen nicht zu sagen, was für ein enormer Koordinierungs- und Einreichaufwand das für die Betroffe­nen ist – für ein Hilfsmittel. Die Familie zahlt noch immer 450 Euro Selbstbehalt für ein Hilfsmittel, das zusätzlich, möchte ich noch erwähnen, für die junge Frau notwendig ist, um sich selbstständig fortzubewegen, um selbstständig soziale Teilhabe zu gewährleis­ten – das, wozu wir uns, wie ich meine, mit der UN-Behindertenrechtskonvention für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft verpflichtet haben.

Ich könnte Ihnen noch mehr Geschichten erzählen, weil ich ja selbst in der Inklusions­fachassistenz tätig war und weiß, was es da noch für Geschichten gegeben hat. Es ist für mich auch nicht nachvollziehbar, warum Anträge in derart komplexer Sprache erstellt werden, wodurch 95 Prozent der Gesellschaft Schwierigkeiten beim Beantragen haben.

Kollegin Nussbaum hat in der letzten Sitzung des Sozialausschusses völlig richtig ge­sagt, dass es ja nicht nur um Menschen mit Behinderungen per se geht, sondern es geht um alle Menschen, die zu unterschiedlichen Zeiten ihres Lebens in unterschiedlichen Lebensphasen Unterstützung benötigen und sich dann in einem Förderdschungel wie­derfinden und nicht einmal wissen, wo sie überhaupt beantragen sollen. Aus meiner Sicht setzen wir mit diesem Antrag wieder einen Schritt in die richtige Richtung: zur Vereinfachung, um Zugänglichkeiten zu Leistungen für Menschen mit Behinderungen, für alle Menschen in Österreich, die es brauchen, zu erleichtern.

Konkret handelt es sich um eine Vereinfachung der Verwaltungsabläufe, die im Hinter­grund stattfinden. Das Ziel soll sein, dass man als betroffene Person zu einer Stelle geht und mit einem Antrag einen Bescheid bekommt, egal ob dahinter zehn Stellen zum Zusammenziehen sind. Das ist ein richtig, richtig großer Aufwand der Verwaltung, und das heißt, der Antrag fordert wirklich auch die MitarbeiterInnen und Leitungsfunktionen der jeweiligen Stellen auf, sich da wieder zusammenzuraufen und kreative Lösungen zu finden.

Für uns Grüne ist die größte Zielsetzung dabei, dass die One-Stop-Shops für die Men­schen möglichst einfach, wohnortnahe, niederschwellig und vor allem inklusiv ausgestal­tet werden. Ich freue mich, dass wir mit den One-Stop-Shops bei diesem Antrag, vor allem beim genannten Hilfsmittel- und Heilbehelfebedarf, wieder Schwung in die Debatte bekommen, und ich freue mich auch, dass es über die Fraktionen mitgetragen wurde und als wichtig erachtet wird. Auch von Länderseite vernehme ich das. Das ist großartig, und ich hoffe wirklich, dass wir alle miteinander eine entsprechende Lösung für die Be­troffenen finden. Ja, gehen wir es an! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

14.14


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Verena Nussbaum. – Bitte.


14.14.50

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Minister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Meine Vorrednerin hat schon die Praxisbeispiele genannt, um die es heute geht. Wir reden heute über die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle für Menschen mit Behinderungen. Diese sogenannten One-Stop-Shops wurden ja bereits im Nationalen Aktionsplan für Menschen mit Behinde­rungen in der Laufzeit 2012 bis 2020 gefordert, umgesetzt wurden sie aber leider bis heute nicht.

Menschen mit Behinderungen werden hinsichtlich eines inklusiven Lebens und einer gleichberechtigten Teilhabe an unserer Gesellschaft viele Steine in den Weg gelegt. Un­sere Aufgabe vonseiten der Politik ist es jedoch, die notwendige Unterstützung zur


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Verfügung zu stellen, damit auch Menschen mit Behinderungen ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben führen können. Derzeit ist das Sozialministeriumservice eine wichtige Anlaufstelle für die Anliegen von Menschen, die eine Behinderung haben. Trotz­dem, wir haben es gerade gehört, sind die Kompetenzen im Behindertenbereich extrem kompliziert geregelt und zersplittert.

Es wäre nun an der Zeit, dieses System rasch zu überarbeiten und eine zentrale An­laufstelle mit niederschwelligem Zugang einzurichten, die auch – und das ist für uns wirk­lich wesentlich – wohnortnahe zur Verfügung steht. Ursprünglich wurden diese Anlauf­stellen ja für Angehörige von Kindern mit Behinderungen angedacht, doch ich gehe an­gesichts des steigenden Altersdurchschnitts unserer Gesellschaft und der steigenden Zahl von PflegegeldbezieherInnen davon aus, dass für ältere Menschen der Zugang zu einer inklusiven Gesellschaft immer wichtiger wird und auch für sie die One-Stop-Shops extrem notwendig werden, damit auch sie alle notwendigen Hilfsmittel, Heilbehelfe und eventuell persönliche Assistenzen rasch und unbürokratisch erhalten.

Diese Pilotprojekte – es hat ja schon einige zu One-Stop-Shops gegeben – sind leider immer wieder aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen Bund, Ländern und Sozialversi­cherungsträgern im Sand verlaufen. Es wäre daher aus meiner Sicht an der Zeit, die Länder zu verpflichten, solche zentralen Anlaufstellen einzurichten und in Kooperation mit Bund und Sozialversicherungsträgern einen Grundstein für einen niederschwelligen Zugang zu legen.

Wir vonseiten der SPÖ werden diesem Entschließungsantrag zustimmen, ich muss aber schon sagen, ich hätte mich über ein bereits konkretes Konzept, bei dem man notwen­dige Umsetzungsschritte gesehen hätte, gefreut. Wenn die Regierungsparteien wieder einmal einen Entschließungsantrag zur Erarbeitung eines Konzepts an die Regierung stellen, frage ich mich schon, warum das so ist, denn die eigentlich grundlegende Aufga­be der Bundesregierung wäre ja, ein Konzept zu erstellen und uns Gesetzesänderungen vorzulegen, die wir diskutieren und abstimmen können.

In diesem Sinne, Herr Minister: Fangen Sie auch in diesem Bereich zu arbeiten an! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.18


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Ragger. – Bitte.


14.18.16

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Herren Minister! Ich darf betreffend den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kira Grünberg und Heike Grebien vielleicht ergänzen, dass ich diesbezüglich Erfahrungen machen konnte. Ich war fünf Jahre Soziallandesrat, und die Ersten, die vorstellig geworden sind, waren Mütter und Väter, die Kinder mitgebracht haben, die mit einem riesigen Aufwand gepflegt worden sind, die oft Tausende Kilometer gefahren sind und am Ende des Tages an Stellen verzweifelt sind, weil die Bürokratie sie von einer Position zur nächsten ge­schickt hat. Ich glaube, es ist wirklich an der Zeit, dass man diesen Menschen einfach eine Dienstleistung aus einer Hand anbietet und das an einer gewissen Stelle festlegt.

Jetzt kann man darüber streiten, wo man diese zentrale Stelle einrichtet. Wir haben das vor zehn Jahren schon einmal in Kärnten probiert, vor allem im Bereich der Pflege. Wir haben damals die Bezirkshauptmannschaften gewählt und gesagt, wenn man Pflegen­de, pflegende Angehörige hat, wäre es vernünftig, dass alles an einer Stelle zusammen­läuft und diese Serviceleistung dort ausgeführt wird.

Daher glaube ich, dass es wichtig wäre, auch vonseiten des Ministeriums koordinativ bei der Soziallandesrätekonferenz einmal wirklich aktiv über dieses Thema zu sprechen –


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ich weiß natürlich, dass das eine Querschnittsmaterie von Bund und Ländern ist – und da vor allem einen Ansatz zu prägen und zu sagen: Nehmen wir doch irgendein Bun­desland raus – und wir als Kärntner Bundesland bieten uns gerne an –, probieren wir doch, eine Schnittstelle umzusetzen und diesen One-Stop-Shop in der Realität auch ein­mal zu zeigen!

Es geht, glaube ich, auch locker über jede Parteigrenze hinweg, diesen Ansatz zu wah­ren, um für diese Menschen die Leichtigkeit und den Fluss administrativer Abwicklungen sicherzustellen. Es ist nämlich wirklich unzumutbar und es geht auch an die psychische Belastungsgrenze beider Eltern, dass Kinder und Eltern da alleingelassen werden.

Ich kann nur an den Minister appellieren, dass er das wirklich wahrnimmt. Wir wollen das mit einem eigenen Entschließungsantrag, den ich hiermit einbringe, auch noch einmal ein bisschen unterstreichen, indem wir auch eine klare Fristsetzung vornehmen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schaf­fung entsprechender One-Stop-Shops für Menschen mit Behinderungen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird er­sucht, gemeinsam mit den Ländern, den Sozialversicherungs-Trägern und dem Arbeits­marktservice (unter Einbezug des Bundesministeriums für Arbeit) bis zum 31.12.2021

- Schritte zur Umsetzung folgender One-Stop-Shops zu unternehmen:

-- Hilfsmittel und Heilbehelfe

-- Beratung, Begleitung und Betreuung

-- Persönliche Assistenz

- Schritte zur Umsetzung eines One-Stop-Shops an der Schnittstelle Arbeitsmarkt­service, Sozialministeriumservice, Länder sowie Sozialversicherung zu unternehmen.“

*****

Dementsprechend ersuche ich um Ihre Hilfe, Anteilnahme, aber auch um Einbringung Ihrer Kompetenz. Ich glaube, im gemeinsamen Zusammenwirken mit den Ländern wäre das ein guter Ansatz, diesen Menschen etwas Gutes zu tun. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.21

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag, Christian Ragger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

betreffend Schaffung entsprechender One-Stop-Shops für Menschen mit Behinderungen

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 9) über den Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 1545/A(E) der Abgeordneten Heike Grebien, Kira Grün­berg, Kolleginnen und Kollegen betreffend "Schaffung entsprechender One-Stop-Shops für Menschen mit Behinderungen" (839 d.B.) in der 107.Sitzung des Nationalrats am 20.Mai 2021.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 95

Um die Schaffung entsprechender One-Stop-Shops für Menschen mit Behinderung „zeitnah“ zu beginnen und umzusetzen, wird die Entschließung (839 d.B.) um das ent­sprechende Datum 31.12.2021 ergänzt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird er­sucht, gemeinsam mit den Ländern, den Sozialversicherungs-Trägern und dem Arbeits­marktservice (unter Einbezug des Bundesministeriums für Arbeit) bis zum 31.12.2021

- Schritte zur Umsetzung folgender One-Stop-Shops zu unternehmen:

- Hilfsmittel und Heilbehelfe

- Beratung, Begleitung und Betreuung

- Persönliche Assistenz

- Schritte zur Umsetzung eines One-Stop-Shops an der Schnittstelle Arbeitsmarkt­service, Sozialministeriumservice, Länder sowie Sozialversicherung zu unternehmen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Elisabeth Scheucher-Pichler. – Bitte.


14.21.45

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Ich freue mich heute auch über einiges – vorhin hat jemand gesagt, er ist happy über die Arbeitszeiten in den Krankenanstalten, über den steuerfreien 500-Euro-Bonus für das Pflege- und Gesundheitspersonal –, aber ich freue mich besonders über den Antrag, Inklusion als gleichwertiges Miteinander in unserer Gesellschaft und Arbeitswelt selbstverständlich werden zu lassen. – Das ist Ziel dieser Regierung.

Dazu gibt es eine Reihe von Punkten im Regierungsprogramm, die wir der Reihe nach umsetzen. Ich glaube, Herr Kollege Ragger, so weit sind wir da gar nicht auseinander. Ich weiß, wir haben ja auch in Kärnten immer wieder darüber diskutiert, aber auch du hast es damals als Landesrat nicht zuwege gebracht, dieses Konzept umzusetzen. Es ist auch schwer – wir brauchen den Bund, wir brauchen die Länder –, und daher glaube ich auch, dass der Vorschlag, dass man da wirklich zusammenarbeitet, der richtige ist.

Wir haben mit dieser Regierung schon einiges auf Schiene gebracht, unter anderem, dass die dauerhafte Arbeitsunfähigkeit nicht vor dem 25. Lebensjahr festgestellt wird – das ist ganz wichtig. Ein Gesamtkonzept – weil die Kollegin vorhin angesprochen hat, da gibt es einen gemeinsamen Entschließungsantrag – soll bis Ende dieses Jahres ste­hen, da sollen dann ganz konkrete Maßnahmen fixiert werden, mit denen der Zugang von Menschen mit Behinderung zu Bildung, aber auch zum Arbeitsmarkt sichergestellt ist. Ich halte das für sehr, sehr wichtig.

Die Einrichtung der One-Stop-Shops ist eine gute und wichtige Ergänzung. Es wurde ja schon ausgeführt, da gibt es eine Vielzahl an Angeboten, an Förderungen, an Dienstleis­tungen. Die Betroffenen, aber auch die Betreuer der Betroffenen sind sehr oft überfor­dert, und ich glaube, so ein One-Stop-Shop sollte all diese Stellen kontaktieren und


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betreffend Hilfsmittel, Heilbehelfe, Beratung, Begleitung, Betreuung – auch in Bezug auf die persönliche Assistenz – koordinieren. Und wie Kollege Ragger auch schon gemeint hat, soll das auch eine Schnittstelle zwischen dem AMS, dem Sozialministeriumservice, den Ländern und den Sozialversicherungen werden.

Ich glaube, es ist notwendig, dass wir alle Kräfte zusammentun, um Menschen – vor allem auch junge Menschen – mit Behinderung in Arbeitsverhältnisse zu bekommen, auch im Sinne der UN-Konvention. Wie gesagt, ich glaube, wir sind da auf einem sehr, sehr guten Weg.

Ich möchte die Gelegenheit noch nützen, weil ich gerade am Wort bin, um auf eine wei­tere sehr gute Initiative hinzuweisen, und zwar hat Ö3 einmal mehr eine Initiative ge­startet und in den letzten 14 Tagen 142 offene Lehrstellen für junge Menschen mit Be­hinderung ermittelt und eingemeldet. Ich halte das für wirklich großartig, da sieht man, was für ein Potenzial es da gibt. Ich denke, wir werden das über Neba, das Netzwerk Berufliche Assistenz, über das Sozialministeriumservice, über das AMS, aber auch über das Neba-Betriebsservice für Unternehmer, koordinieren. 142 offene Lehrstellen für jun­ge Menschen mit Behinderung – das finde ich wirklich großartig.

Ich möchte an dieser Stelle allen danken, die in diesem Bereich arbeiten: den vielen Vereinen, den Einzelorganisationen – da fällt mir zum Beispiel die Essl Foundation ein ‑, aber auch den vielen Firmen, die wirklich großartig und vorbildhaft arbeiten und Beschäf­tigung von Menschen mit Behinderung möglich machen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Erfahrung ist die, dass gerade Menschen mit Behinderungen eine ganz beson­dere Fähigkeit und ganz besondere Talente haben. Ich glaube, wir sind da auf dem richtigen Weg. Nützen wir das, gehen wir diesen Weg gemeinsam weiter! – Danke auch für die breite Zustimmung zu diesem Antrag. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

14.25


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Mückstein zu Wort gemel­det. – Bitte, Herr Minister.


14.25.44

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Dr. Wolfgang Mückstein: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich ha­be großes Verständnis, die allermeisten Dinge sind hier schon aufgeworfen worden. Ich glaube, dieser Antrag zur Schaffung eines One-Stop-Shops ist ganz wesentlich, das ist ein lang diskutiertes Problem. Es sind nicht nur unterschiedliche Zuständigkeiten zwi­schen Bund und Ländern gegeben, es sind auch unterschiedliche Stellen – Länder, So­zialversicherungsträger, die Ansprechstellen bei uns im Haus – involviert. Die Unterstüt­zungsleistungen sind derzeit zersplittert, es ist kompliziert, es ist unübersichtlich, und das erschwert Menschen mit Behinderung eine erfolgreiche Teilhabe.

Es ist mir daher ein großes Anliegen, dass diese Zuständigkeiten geordnet werden, dass es leichter wird, dass es eine Ansprechstelle gibt. Derzeit werden Synergien und das Know-how evaluiert, und ab Herbst beginnen wir mit den zuständigen Stellen – ÖGK, SMS, Länder – die Abstimmungen; auch die Communitys werden integriert. Ich glaube, dass wir da recht bald eine recht gute Lösung erreichen können. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.27


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Fiona Fiedler zu Wort. – Bitte.


14.27.18

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Werte Mi­nister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! (Die


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Begrüßung auch in Gebärdensprache ausführend:) Liebe gehörlose Menschen! One-Stop-Shop ist ein Begriff, den wir alle schon oft gehört haben. Zum Verständnis für die ZuseherInnen zu Hause: Ein One-Stop-Shop ist eine Anlaufstelle, die meine Anliegen, meine Anträge und meine Möglichkeiten als Mensch mit Behinderung aufnimmt, bear­beitet und an alle notwendigen Stellen weiterleitet, damit mir diese Wege erspart bleiben. Insofern begrüße ich natürlich den Antrag der Kolleginnen Grebien und Grünberg.

Wie aber bereits im Ausschuss angemerkt, sollte dies langfristig nur der erste Schritt sein, sonst würden wir durch diesen Antrag wieder vier neue Stellen schaffen, was natür­lich nicht ganz zielführend wäre. Da vertraue ich auf die Regierungsparteien und stehe für inhaltliche Diskussionen jederzeit zur Verfügung.

Was ich aber sehr wohl anmerken möchte, ist, dass in diesem Antrag etwas sehr We­sentliches fehlt, nämlich die Einbindung von Selbstvertretern und Interessenvertretun­gen. Gerade bei einem so wichtigen Thema muss von Anfang an eine Einbindung erfol­gen. Ich sehe das auch ganz praktisch: Dort liegt die Expertise, nutzen wir sie!

Bei allen Anträgen betreffend Menschen mit Behinderung geht es um das Thema Selbst­bestimmung. Um Selbstbestimmung zu ermöglichen, müssen bürokratische Hürden ab­gebaut werden. Ich weiß es natürlich und bin mir sicher, dass Sie das auch wissen: Österreich ist ein Schlaraffenland für Bürokratienerds. Genau da müssen wir endlich Ab­hilfe schaffen, sonst werden wir unser Ziel, jedem Österreicher und jeder Österreicherin ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, nicht erreichen.

Ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass sich die meisten Menschen erst mit dem Thema Menschen mit Behinderung auseinandersetzen, wenn es sie selbst betrifft. Dabei kann es schlichtweg jeden treffen, in welchem Ausmaß auch immer. Oftmals ist es ein Unfall oder eine Erkrankung, die zu einer Behinderung führen. Da stellt man sich die Frage: Wenn morgen ich es bin, der durch eine plötzliche Netzhautablösung erblindet, wenn morgen ich es bin, die durch einen Autounfall querschnittgelähmt ist, möchte ich mein Leben dann nicht genau so weiterleben wie zuvor? Möchte ich nicht auf einen Kaf­fee gehen, möchte ich nicht ein Theater besuchen und möchte ich nicht meine Amtsge­schäfte alleine regeln können? – Natürlich möchte ich das, das will jeder. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Grebien und Wöginger.)

Weil man aber mit einer Behinderung Unterstützung bei all diesen Dingen braucht, ist es notwendig, dafür Sorge zu tragen, dass alles getan wird, um diese Menschen darin zu fördern, es wieder selbst tun zu können. Man sollte sich nicht erst mit dem Thema In­klusion beschäftigen, wenn es einen selbst betrifft. Arbeiten wir zusammen! Machen wir Sachpolitik! Ich würde sagen, es ist Zeit, weil Inklusion ein Menschenrecht ist. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

14.30


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Martina Diesner-Wais. – Bitte.


14.30.22

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minis­ter! Wir sprechen heute über One-Stop-Shops. Meine Kollegin Grebien hat es schon gesagt: Das Thema Behinderung ist eine Querschnittsmaterie, mit der sich sehr viele befassen. Viele Ämter, viele Länder, der Bund, Gemeinden, aber auch Vereine sind da­für zuständig.

Dabei wird unterschiedlich vorgegangen. Auch zwischen den Bundesländern gibt es gra­vierende Unterschiede: Das eine Bundesland genehmigt etwas, das andere genehmigt es nicht. Das zeigt sich auch bei der persönlichen Assistenz: In einem Bundesland geht es so, in dem anderen anders. Ich denke jedoch, Bürokratie darf keine zusätzliche Barriere sein. Wenn Betroffene oft mit verschiedenen Kostenträgern zu tun haben, von


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einem zum anderen geschickt werden und Anträge mehrmals stellen müssen, so ist das eine unnötige Hürde und verhindert natürlich auch eine schnelle Hilfe. Es diskriminiert die Betroffenen.

In Coronazeiten war das natürlich umso schlimmer: Für viele betroffene Familien ist es sehr kompliziert, die entsprechenden Anträge zu stellen. Das kostet sehr viel Kraft und Mühe und ist oft zermürbend, sodass der eine oder andere aufgibt. Diese Kinder sind dann natürlich auch schlechtergestellt. Daher ist es ganz wichtig, dass es diesbezüglich Erleichterungen für die Betroffenen gibt. Wenn wir eine zentrale Anlaufstelle schaffen, die hier hilft, berät und auch den nötigen Papierkram dahinter regelt, so ist das richtig und gut. Auch im Regierungsabkommen war das bereits ein großes Thema, im Regie­rungsprogramm steht es ebenfalls.

Ich konnte mit Betroffenen eine Runde im Bezirk machen und dort in die Gemeinden, die Bürgerbüros gehen, um nachzusehen, ob diese barrierefrei sind. Da wurde mir erst bewusst, wie viele Hindernisse es gibt, wenn Menschen von einer Stelle zur anderen geschickt werden. Das betrifft auch die Barrieren, die vor Ort sind. Daher finde ich, dass der Entschließungsantrag für einen One-Stop-Shop für Menschen mit Behinderungen, den wir alle gemeinsam stellen, wirklich eine gute Sache ist. Dadurch sollen wirklich niederschwellige, zentrale Servicestellen entstehen – für Hilfsmittel, Heilbehelfe, Bera­tung, Begleitung, Betreuung und natürlich auch für die Planung von persönlicher Assis­tenz, wie schon angeführt wurde.

Herr Sozialminister, ich freue mich, wenn Sie mit den Sozialversicherungsträgern, den Ländern und dem Arbeitsmarktservice die notwendigen Schritte setzen, wie Sie es ja auch schon angeführt haben, da wir dadurch einen wesentlichen Fortschritt für die Teil­habe von Menschen mit Behinderungen am öffentlichen normalen Leben schaffen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.33


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schusswort? – Das ist nicht der Fall.

14.33.56Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 2 bis 9


Präsidentin Doris Bures: Ich frage die Fraktionen, ob wir gleich mit dem Abstimmungs­vorgang fortfahren können? – Dann gehe ich auch so vor.

Wir kommen nun zu den verlegten Abstimmungen über die Berichte des Ausschusses für Arbeit und Soziales. Ich bitte alle Abgeordneten, ihre Sitzplätze einzunehmen.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, den Bericht gemäß § 13 Abs. 1a des Bundesgesetzes über die Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik für das Jahr 2020 sowie das erste Quartal 2021, vorgelegt vom Bundesminister für Arbeit, III-304 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer spricht sich für die Kenntnisnahme aus? – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Schrittweiser Ausstieg aus der Corona-Kurzarbeit“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt. (Unruhe im Saal.) – Ich darf um ein wenig Aufmerksamkeit ersuchen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Bericht 833 der Beila­gen hinsichtlich des Entschließungsantrages zur Kenntnis zu nehmen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 99

Wer ist für diese Kenntnisnahme? – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht in 833 der Bei­lagen angeschlossene Entschließung betreffend „Investitionen in die aktive Arbeits­marktpolitik“.

Wer ist dafür? – Das ist die Mehrheit, angenommen. (174/E)

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Antrag des Ausschusses für Arbeit und So­ziales, seinen Bericht 834 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für die Kenntnisnahme? – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Tagesordnungspunkt 5: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Be­richt 835 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für die Kenntnisnahme? – Das ist die Mehrheit, angenommen.

Tagesordnungspunkt 6: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Be­richt 836 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer stimmt dem zu? – Das ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Ausschusses für Arbeit und Soziales, seinen Be­richt 837 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für die Kenntnisnahme? – Das ist mit Mehrheit zur Kenntnis genommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Petra Wimmer, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „13. und 14. Familienbeihilfe für zwei Jahre“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 838 der Beilagen.

Wer diesem Gesetzentwurf zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Mehr­heit.

Wir kommen somit zur dritten Lesung.

Wer auch in dritter Lesung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Philip Kucher, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Bekämpfung des Personalmangels im Gesundheits­wesen“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist nicht die Mehrheit, der Antrag ist damit abgelehnt.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9, die dem Ausschussbericht 839 der Beila­gen angeschlossene Entschließung betreffend „Schaffung entsprechender One-Stop-Shops für Menschen mit Behinderungen“.

Wer ist dafür? – Das ist einstimmig so angenommen. (175/E)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schaffung entsprechender One-Stop-Shops für Menschen mit Behinderungen“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.


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14.38.3210. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 1561/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schuld­nerschutzschirm (818 d.B.)

11. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 1404/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufschub des Endes der gesetzlichen Corona-Kreditstundungen (819 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gehen in der Tagesordnung weiter und kommen zu den Tagesordnungspunkten 10 und 11, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Erster Redner ist Herr Abgeordneter Christian Drobits. – Bitte.


14.39.15

Abgeordneter Mag. Christian Drobits (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Herr Bundesminister für Ge­sundheit und Konsumentenschutz ist zwar gerade nicht hier, aber ich bedanke mich bei ihm ausdrücklich dafür, dass er uns Konsumentenschützer am 27. Mai zu einem ge­meinsamen Gespräch eingeladen hat. Das zeigt, dass der Konsumentenschutz wichtig ist. Wenn man in den letzten Tagen gehört hat, dass gerade auch im ORF gewisse Kon­sumentenmedienbereiche wie zum Beispiel die Sendung „Konkret“ eingeschränkt wer­den, sieht man, dass man auch gemeinsam dafür kämpfen muss, dass die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher auch medial wahrgenommen werden.

Nun, mit dem heute debattierten Antrag habe ich mir erlaubt, aus einem Fleckerlteppich an Anträgen, die den Banken- und den Inkassobereich betreffen, einen Schuldner­schutzschirm zu schaffen, der eigentlich dazu dient, denjenigen, die bereits vor der Pan­demie in Armut gelebt haben, und auch denjenigen, die jetzt in der Pandemie unver­schuldet von Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit betroffen sind oder teilweise auch durch die Herabsetzung der Arbeitszeit in eine Schuldenfalle getappt sind, zu helfen.

Ich glaube, alle Parteien stimmen darin überein, dass es wichtig ist, jenen zu helfen, die nicht mehr wissen, wie sie die Kreditraten zahlen können und wie sie ihre Existenzen sichern können. Dieser Schuldnerschutzschirm besteht aus zehn Punkten, wobei ver­sucht worden ist, wirklich taxativ alle Bereiche abzudecken, die in den letzten Jahren bereits Beschwerden und Beschwerdefälle gebracht haben.

Der wesentliche Bereich ist sicherlich der, dass die Kreditstundungen ausgelaufen sind und dass nunmehr – Kollege Wurm hat auch einen diesbezüglichen Antrag einge­bracht – sowohl die Kreditraten als auch die Zinsen, Gebühren und Kosten, die während der Stundung angefallen sind, fällig gestellt sind. Viele sind überfordert. Deshalb fordern wir gemeinsam mit allen anderen, dass zukünftig Zinsen, Spesen und Gebühren wäh­rend der Kreditstundungen ausgesetzt werden. Leider sagen mir viele Betroffene, es passiert nicht. Die Banken, egal welche Bank, sagen Nein, sie fordern das ein, es wird sofort fällig gestellt.

Ein weiterer Punkt, der mir wichtig ist: Ich bin der Meinung, dass die Kontoüberziehung in Österreich gesetzlich geregelt, determiniert werden muss. Warum? – Vielleicht unter­scheide ich mich da von den NEOS: Ich denke, der derzeitige Satz von 10,625 Prozent als Durchschnitt für die Kontoüberziehung ist deutlich zu hoch. Wenn man bedenkt, dass


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man für Guthaben momentan 0,01 Prozent bekommt, dann weiß man, dass Handlungs­bedarf besteht. Deshalb haben wir einen Coronasonderzinssatz von 5 Prozent gefordert, der zumindest während der Pandemie und der Aufarbeitung ihrer Folgen zur Anwendung kommen soll.

Ein dritter Punkt, der mir wichtig ist: Momentan fallen leider auch viele Frauen durch das Netz, weil sie als Bürginnen aufgetreten sind und der Konsumentenschutz diese Bür­ginnen leider nicht jenen gleichstellt, die Kredite aufgenommen haben. Da besteht ein­fach Handlungsbedarf, sie müssen geschützt werden, und das müsste man relativ rasch umsetzen. Von unserer Seite besteht der Vorschlag – das ist in der Ausschusssitzung von der ÖVP gekommen –, dass diese unabhängige Ombudsstelle ins Spiel gebracht werden soll – wiederum eine Stelle; man hätte auch Schuldnerberatung oder VKI oder eine Institution reinschreiben können. Ich denke mir, das ist eine Chance. Momentan suchen viele eine Anlaufstelle, sie wissen nicht, wohin, und ich denke, das wäre eine Chance für die Politik, denjenigen, die Hilfe brauchen, jetzt unter die Arme zu greifen. (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Sinne – da der Herr Bundesminister nicht da ist und ich ihm daher nicht dan­ken kann; ich werde es ihm vielleicht dann am 27. Mai sagen – spanne ich auch symbo­lisch diesen Schuldnerschutzschirm auf (einen roten Regenschirm aufspannend) und danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.43


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Ulrike Fischer zu Wort. – Bitte.


14.43.51

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Wir sprechen heute über die Vorlagen, die im Kon­sumentenschutzausschuss am 4.5. besprochen worden sind. Das sind auf der einen Seite die Verlängerung des Kreditmoratoriums und auf der anderen Seite der Schuldner­schutzschirm.

Wir setzen uns alle dafür ein, dass wir in der Pandemie und während der Aufarbeitung der Folgen der Pandemie helfen. Es gab deswegen im Gegensatz zu Deutschland das Kreditmoratorium nicht nur für drei, sondern für zehn Monate. Wir haben uns sehr wohl überlegt, ob wir das Kreditmoratorium verlängern können, aber das sind Verträge mit den Banken, wir haben das auch verfassungsrechtlich prüfen lassen, und wir müssten da rückwirkend eingreifen.

Was ganz wichtig ist: Es gibt eine Stelle beim Sozialministerium, und jene Beschwerden, die beim Sozialministerium eingelangt sind, konnten gütlich mit den Banken geregelt werden; es waren nur einige wenige Beschwerden.

Zum Thema Schuldnerschutzschirm – Kollege Drobits hat es ganz anschaulich mit dem roten Regenschirm gezeigt –: Da denke ich, dass uns das Insolvenzrecht, das in Kürze in Kraft tritt, sehr helfen wird, weil die Entschuldung von Privaten genauso wie von Un­ternehmen nach drei Jahren möglich sein wird. Das ist ein großer, wichtiger Schritt, aber natürlich behalten wir die Sorgen und Ängste der Leute, die durch die Krise in Bedräng­nis geraten sind, im Auge und sind für sie da. Ich denke, wir setzen die richtigen Maßnah­men. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 102

14.45


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Wurm. – Bitte. (Abg. Wurm – auf dem Weg zum Rednerpult, in Richtung Präsidentin –: Ich reiß mich zusammen jetzt!)


14.45.51

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Ja, wir diskutieren und entscheiden heute über zwei Anträge. Einer davon ist ein sehr umfangreicher Antrag der Sozialdemokratie mit zehn Punkten zum Thema Kon­sumentenschutz. Sehr viele davon habe ich persönlich, haben wir Freiheitliche in den letzten Jahren schon eingebracht. Der andere ist ein individuell abgestimmter, von mir eingebrachter Antrag zum Thema Konsumentenschutz. Ich würde mich jetzt sehr wun­dern, wenn die Grünen und die ÖVP heute einem dieser beiden Anträge oder beiden zustimmen würden. Sie werden das nicht machen. Ich prophezeie das jetzt einmal so. Das heißt, es passiert im Konsumentenschutz wieder einmal nichts, obwohl es notwen­diger wäre denn je.

Jetzt haben wir ja einen neuen Konsumentenschutzminister. Der vorhergehende, Kolle­ge Anschober, hat den Konsumentenschutz, auch aufgrund der aktuellen Entwicklung, glaube ich, aus den Augen verloren. Ich bin jetzt nicht allzu optimistisch, dass Kollege Mückstein das in den nächsten Wochen und Monaten anders handhaben wird. Konsu­mentenschutz ist ein schwieriges Thema, war es immer, und es ist für mich unver­ständlich, dass die ÖVP ein Gegner des Konsumentenschutzes ist, denn auch bei der ÖVP gibt es Konsumenten. Die absolute, totale Bankrotterklärung ist es natürlich für die Grünen – die Totalaufgabe. Ich finde aber mittlerweile bei den Grünen überhaupt nichts mehr, was ihrem ursprünglichen Programm entspricht. Im Konsumentenschutz tut es aber doch weh, weil gerade im VKI sehr, sehr viele grüne Sympathisanten sitzen und Konsumentenschutz und Kreislaufwirtschaft zum Beispiel Themen sind, die für die Grü­nen eigentlich immer wichtig gewesen wären – aber gut, das müssen Sie mit sich selber ausmachen.

Summa summarum vielleicht kurz zur Erklärung noch einmal, was jetzt wiederum unse­ren Antrag betrifft: Es hat am Beginn der Coronakrise für Konsumenten, Bürger, aber auch für Kleinunternehmer oder Kleinstunternehmer, wie es genau heißt, bis neun Mitar­beiter die Möglichkeit gegeben, wenn sie quasi von der Coronakrise nachweislich direkt betroffen sind, ihre Kredite stunden zu lassen – eine sinnvolle und gute Maßnahme. Die­se Maßnahme ist am 31. Januar dieses Jahres ausgelaufen. Das heißt, Zehntausende Bürger, aber auch Kleinstunternehmer hängen jetzt in der Luft.

Parallel dazu hat Kollege Anschober das so unsauber formuliert, dass wir jetzt einen anhängigen Gerichtsstreit haben, ob die Zinsen aus dieser Stundungsphase zu zahlen sind oder nicht. Das heißt, nicht einmal das ist für die Betroffenen sicher. Sicher ist aber, dass seit 1. Februar dieser Aufschub erledigt ist. Jetzt kommen sehr, sehr viele in Be­drängnis. Die Banken haben – auch noch einmal zur Erinnerung – dann im Herbst die Möglichkeit, diese Kredite fällig zu stellen. Da wird es sehr, sehr viele persönliche Tragö­dien geben, nicht nur im Privatbereich, sondern auch im Unternehmerbereich. Wir Frei­heitliche setzen uns seit Beginn massiv dafür ein, da zu helfen.

Wir haben versucht, bilateral, in den Ausschüssen diese Verlängerung für von der Co­ronakrise direkt betroffene Bürger und Unternehmer, was ihre Kreditraten betrifft, zu er­reichen. Ich würde mich freuen, wenn heute zumindest die Grünen über ihren Schatten springen könnten und das im Sinne der Bürger unterstützen – und die ÖVP im Sinne der Kleinstunternehmer. Ich bin schon sehr gespannt auf das Abstimmungsverhalten. Die Sozialdemokratie und auch die NEOS, glaube ich, werden das mit unterstützen.

Ich kann nur noch einmal bitten: Unterstützen Sie zumindest den Antrag, der die Stun­dungen betrifft, und selbstverständlich auch gerne den Antrag der Sozialdemokratie in der vollen Breite des Konsumentenschutzes! Wir als Freiheitliche werden das machen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Drobits.)

14.50



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 103

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Elisabeth Scheucher-Pichler. – Bitte.


14.50.21

Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Minis­ter! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beziehe mich auf den Schuldnerschutz­schirmantrag, den Sie ja so schön in Rot präsentiert haben. Er beinhaltet, wie es ja schon ausgeführt wurde, unterschiedlichste Forderungen und Anträge, die alle in einem Antrag zusammengemixt sind. Wir konnten oder können dem in dieser Form nicht zustimmen, denn einige dieser Dinge sind ja bereits in Bearbeitung, einige sind beschlossen. Sie wissen das ganz genau, sehr geehrte Kollegen, Sie wissen das ganz genau! (Abg. Wurm: Frau Kollegin, haben Sie ein Herz! Stimmen Sie mit!)

Ich glaube, es ist aber auch ein grundsätzliches Problem: Wir vonseiten der ÖVP-Frak­tion haben einen anderen Zugang zu dem Thema. Für uns ist jetzt das wichtigste Ziel, die Wirtschaft in Schwung zu bringen, die Menschen in Arbeit zu bringen. Das bringt Wohlstand (Abg. Wurm: Genau!), und das ist die sicherste Möglichkeit, Armut zu verhin­dern, da müssen wir jetzt all unsere Kraft einsetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Einige der Vorschläge, die heute hier schon diskutiert wurden, sind natürlich auch auf­grund der Covid-Situation entstanden. (Abg. Wurm: Also die ÖVP hat ...!) Da ist aber auch sehr viel passiert – ich brauche das jetzt nicht alles zu wiederholen, wir haben das heute Vormittag schon diskutiert –, viele spezielle Hilfspakete für die verschiedenen Be­reiche. Österreich hat – und auch das möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen – insgesamt sehr hohe soziale Standards. Wir liegen da im europäischen Vergleich sehr, sehr gut. (Abg. Wurm: Zur Sache, Frau Kollegin!)

Meine Damen und Herren, noch einmal: Der beste Weg, Verschuldung zu verhindern, ist wirklich, Menschen in Beschäftigung zu bringen. (Abg. Wurm: Aber Sie haben ja ... zu­gesperrt!) Wir brauchen mehr Qualifizierung – auch das wurde heute schon diskutiert –, wir brauchen Umorientierung. Wir müssen alles tun, um die Menschen aus der Langzeit­arbeitslosigkeit zurückzubringen, aber wir werden auch nicht auf jene Menschen verges­sen, die im Moment in schwierigen Situationen sind. Nur: Ein Wiederaufleben von Kredit­stundungen ist für uns nicht die richtige Lösung. Diesen Ansatz sehen wir eher skeptisch, weil ich glaube – noch einmal –, gute Jobs sind die Lösung, um Wohlstand zu bringen und um Armut zu verhindern. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fischer.)

Meine Damen und Herren, bezüglich der anderen Dinge, die heute angesprochen wur­den – die Verzinsungen, die Spesen –: Sie wissen genau, dass der VKI da involviert ist – irgendjemand hat hier auch gesagt: Eine bessere Ombudsstelle als den VKI gibt es gar nicht! –, und auch da wird an konsumentenfreundlichen Lösungen gearbeitet. Auch die Banken tun alles, um ihre Kunden gut durch diese Krise zu bringen, und wo es Probleme gibt, kann man sich auch direkt an das Ministerium wenden.

Zu den Inkassogebühren: Auch da gibt es einen beschlossenen Entschließungsantrag – Sie wissen das, Herr Kollege Wurm! –, der auch eine Evaluierung vorsieht. Das Gleiche gilt für die geforderte Finanzbildung an Schulen. Ich halte es auch für einen sehr wich­tigen Antrag, den Erwerb von Alltagskompetenzen speziell für junge Menschen zu för­dern, damit sie besser mit Geld umgehen lernen.

Wie gesagt: Es braucht viele, viele Maßnahmen, um Menschen, die jetzt von Arbeitslo­sigkeit betroffen sind, in Beschäftigung zu bringen. Die Wirtschaft ist da unser wichtigster Partner, denn die Wirtschaft schafft Arbeitsplätze, und das ist die wichtigste Vorausset­zung, der wichtigste Schutz, um Menschen vor der Armutsfalle zu bewahren. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Fischer.)

14.53



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 104

Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Wolfgang Mückstein zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


14.53.46

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
Dr. Wolfgang Mückstein: Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrtes Hohes Haus! Ich glaube, dass es zweifellos so ist, dass die Covid-Maßnahmen und die damit verknüpften Folgen für eine ganze Reihe von Menschen in Österreich dazu geführt haben, dass es massive finanzielle Probleme gibt, und wir uns daher dringend damit beschäftigen müs­sen. Ich persönlich halte aber nicht viel davon, diese Kreditstundungen jetzt wieder aufle­ben zu lassen.

Ich glaube auch, dass es unverantwortlich wäre, das schon vor der Klärung – das ist heute auch schon angesprochen worden –, ob es da eine Verzinsung gibt, zu machen. Das heißt, da halte ich mich jetzt lieber an die Regelung meines Vorgängers, dass es im Haus bei mir geprüft werden kann. Wir haben auch schon für viele Leute, die sich an uns gewandt haben, Lösungen gefunden. Das gehört zuerst einmal anständig entschieden, bevor wir Leuten raten, wieder in Kreditstundungen zu gehen.

Ich glaube aber, es ist wichtig, für SchuldnerInnenschutzbestimmungen zu sorgen. Zum Beispiel ist es mir ganz wichtig, dass es klare und eindeutige Bestimmungen zum Erhalt des Existenzminimums gibt. Es gilt zu verhindern, dass unpfändbare Beiträge dennoch gepfändet werden – das wäre mir zum Beispiel wichtig.

Die weiteren Vorschläge können wir gerne faktenbasiert und überlegt im Rahmen eines Maßnahmenbündels besprechen. Ich möchte nur schon daran erinnern, dass da auch das Verfassungsrecht einzuhalten ist, vor allem in Bezug auf den Eingriff in die Erwerbs­freiheit. – Danke.

14.55


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Felix Eypeltauer zu Wort. – Bitte.


14.55.42

Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Einerseits will Kollege Wurm jetzt die Coronakreditstundungen open end verlängern, und andererseits bringt Kollege Drobits die Forderungen der Arbeiterkam­mer zum Schuldnerschutz in Form eines roten Schirmes hier ins Parlament. Meine Frak­tion wird beiden Anträgen nicht nähertreten, und ich möchte erklären, warum.

Was die Kreditstundungen betrifft: Die gesetzlichen Kreditstundungen waren zweifelsoh­ne wichtig. Es hat auch sehr gut funktioniert, das muss man sagen, einerseits weil es eben gesetzlich vorgeschrieben war, aber andererseits – und das wissen wir alle – weil es mehr freiwillige Stundungen auf Basis individueller Vereinbarungen zwischen Bank und Kreditnehmer als aufgrund gesetzlicher Vorschriften gegeben hat. Das leuchtet ja auch nur ein, denn grundsätzlich hat ja jeder Kreditgeber ein Interesse daran, seinen Kredit wieder zurückzubekommen und das eben – der individuellen Leistungsfähigkeit Rechnung tragend – dann auch zu vereinbaren. Wer das bis jetzt noch nicht gemacht hat, an den appelliere ich: Gehen Sie zu Ihrer Bank, machen Sie sich das auch aus! Das ist in beider Interesse.

Jetzt pauschal eine weitere Stundung vorzuschreiben ist aus unserer Sicht einfach nicht verhältnismäßig und trägt auch den betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten einer Bank nicht Rechnung. Dazu schon noch eine Anmerkung: Im Antrag der FPÖ wird gefordert, dass das Kreditmoratorium bis zum Ende der Krise verlängert wird. Jetzt frage ich mich: Was ist für Sie das Ende der Krise? Ist das jetzt am Ende des Lockdowns oder ist das, sobald wir Herdenimmunität erreicht haben? – Also das ist einfach sehr pauschal und allgemein, so sollte man aus unserer Sicht nicht arbeiten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 105

Dann zum Schuldnerschutzschirm der Arbeiterkammer: Das ist eine Forderungssalve aus zehn Forderungen, denen meine Fraktion teilweise sehr gerne nahetritt und die wir teilweise auch teilen, teilweise aber auch überhaupt nicht. Allein deshalb ist es schon schwierig, dem zuzustimmen. Zum Beispiel sehen wir überhöhte Inkassogebühren ge­nauso kritisch wie, glaube ich, alle hier im Haus – das wissen Sie. Finanzbildung liegt uns, wie allen hier im Haus, sehr am Herzen, muss uns am Herzen liegen in einem Land, in dem die Aktienquote noch immer im einstelligen Bereich ist und in dem junge Men­schen einfach viel zu wenig Wissen darüber haben, welche Auswirkungen finanzielle Entscheidungen in frühen Jahren später dann haben.

Andererseits aber: Pauschal Überziehungszinsen mit 5 Prozent zu deckeln trägt halt auch wieder nicht der betriebswirtschaftlichen Realität von Kreditinstituten – und das sind einfach auch Unternehmen – Rechnung. Die müssen betriebswirtschaftlich rechnen wie jedes andere Unternehmen, daher auch da ein Nein zu so einer pauschalen Lösung, das muss individuell geregelt werden.

Ich frage mich schon: Was kommt denn dann als Nächstes vonseiten der Sozialdemo­kratie? – Sie könnten ja dann den Antrag von Kollegen Wurm über die Preisdeckelung bei Grundnahrungsmitteln, den ich einmal im Konsumentenschutzausschuss gesehen habe, übernehmen! Das ist also wahrscheinlich nicht der richtige Weg.

Herr Bundesminister, nichtsdestotrotz appelliere ich an Sie, in engem Austausch mit den Instituten zu bleiben, in engem Austausch mit der Schuldnerberatung zu bleiben und die Entwicklung sehr genau im Auge zu behalten. Ich weiß, da ist auch schon einiges im Werden. Unsererseits gibt es immer Unterstützung, wenn es darum geht, Schuldnerin­nen und Schuldner mit Augenmaß und effizient zu schützen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Fischer.)

14.58


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Alexandra Tanda. – Bitte.


14.59.04

Abgeordnete Ing. Mag. (FH) Alexandra Tanda (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Bevor ich zum Thema komme, ist es mir ein großes Anliegen, eine kurze Replik auf die gestrige Aussage von Abgeordnetem Brandstätter zu machen. Lieber Kollege, Sie haben gestern in Ihrer Rede gesagt: „Die Intellektuellen- und Bücherfeindlichkeit dieser rechten Seite erstaunt mich auch immer wieder.“ – An dieser Stelle möchte ich Ihnen nun auch einmal eine Buchempfehlung geben, nämlich „Selbstbetrachtungen“ von Marc Aurel – wärmstens zu empfehlen! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Rössler.)

Nun aber zum Antrag des Abgeordneten Wurm bezüglich Aufschiebung der Kreditstun­dungen: Wer infolge der Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen ist, konnte aufgrund dieser gesetzlich festgelegten Kreditstundung seine Raten um zehn Monate aufschieben. Das ging im Zeitraum Anfang April 2020 bis Jänner 2021. Was be­deutet das? – Das bedeutet, dass auch die Rate von Jänner 2021, die schon fällig ge­wesen wäre, erst im November 2021 fällig ist, wenn sie aus gerechtfertigten Gründen gestundet wurde, weil jemand nicht zahlen konnte.

Damit einhergehend war in dem Gesetz natürlich auch verankert, dass ein Kündigungs­verbot besteht, ebenso auch ein Verbot der Verrechnung von Verzugszinsen und Be­ratungsentgelt. Das heißt, dieser gesetzliche Rahmen hat über einen langen Zeitraum die Möglichkeit geschaffen, die Not, wenn jemand nicht zahlen konnte, zu lindern. (Abg. Wurm: Wer hat das bekommen?)


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Diese Regelung war auch wichtig, um Menschen in Not über die schwierige Zeit zu hel­fen. Stundungen, Herr Kollege Wurm, bedeuten aber nicht, dass Kreditraten erlassen werden, sondern bedeuten nur, dass die Zahlungspflicht während der Krisensituation aufgeschoben wird. Das heißt, die stehen gebliebenen Kreditraten müssen natürlich ir­gendwann bezahlt werden, und genau um dieses Später geht es ja in Ihrem Antrag. Das bringt ja nichts, der Berg, der zu zahlen ist, wird ja immer größer.

Viel mehr als eine Verlängerung der Kreditstundung hilft da, um die Ver- und Überschul­dung zu vermeiden, Beschäftigung. Die sinkenden Arbeitslosenzahlen sind aus diesem Grund besonders zu begrüßen. Durch die Öffnungen werden die Arbeitslosenzahlen auch stetig weiter sinken. (Beifall bei der ÖVP.)

Außerdem werden auch die Banken über die schwierige Zeit hinweghelfen. Ich war selbst elf Jahre in einer Bank beschäftigt und kann sagen: Keine Bank ist daran inter­essiert, ihre Kunden zu verlieren und offene Kreditbeträge nicht einheben zu können. Das heißt, auf bilateralem Weg werden sehr wohl Gespräche stattfinden, und die Banken werden versuchen, mit ihren Kreditnehmern Lösungen zu finden, um den Kredit letzt­endlich tilgen zu können. Wenn gar nichts mehr hilft, so haben wir ja diese Anlaufstelle im Ministerium, die aber offensichtlich, wie Frau Kollegin Fischer schon erwähnt hat, nicht so wahnsinnig stark in Anspruch genommen wird; das sind nur einige wenige Fälle, und da werden auch Lösungen gefunden. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Grundsätzlich ist es meiner Ansicht nach auf jeden Fall wichtig, positiv in die Zukunft zu sehen und nicht immer nur das Negative zu sehen. Ich kenne kaum jemanden, der in Österreich auf der Straße liegen geblieben ist. Wir helfen immer, und die konsequente Standort- und Arbeitsmarktpolitik werden uns als Bevölkerung nicht nur gut, sondern auch sehr gestärkt aus der Krise hervorbringen. Das ist mit vielen kleinen Maßnahmen verbunden. Eine davon wird im nächsten Tagesordnungspunkt behandelt werden, näm­lich der Reparaturbonus, den ich sehr, sehr begrüße, denn er ist für die Nachhaltigkeit wichtig, fördert das Handwerk, schafft Arbeitsplätze, ist rohstoffschonend.

In diesem Sinne werden wir mit Ihrem Antrag nicht mitgehen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Wim­mer. – Bitte.


15.03.11

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Hohes Haus! Der aktuelle Schuldenreport der Schuldner­beratungen zeigt, wie wichtig und dringend die Anträge der SPÖ in den diversen Aus­schüssen sind. So nannten fast 33 Prozent der KlientInnen der Schuldnerberatungen Arbeitslosigkeit oder Einkommensverschlechterung als Grund für ihre Überschuldung. Die von uns geforderte Erhöhung des Arbeitslosengeldes wurde bisher immer abge­lehnt, ist aber längst überfällig, was man erkennt, wenn man sich die finanzielle Situation vieler Familien anschaut, und auch was die Vermeidung von Armut und von Kinderarmut anbelangt.

60 Prozent aller unter 18-Jährigen, die in einem Haushalt leben, in dem eine Person langzeitarbeitslos ist, gelten als armuts- und ausgrenzungsgefährdet. Ich halte daher auch eine Debatte über die Kürzung des Arbeitslosengeldes besonders zum jetzigen Zeitpunkt für zynisch und unangebracht.

Der Schuldenreport zeigt auch, wie wichtig unser Antrag betreffend Schuldnerschutz­schirm ist. Rund 20 Prozent der KlientInnen der Schuldnerberatung nannten beim Erst­gespräch den Umgang mit Geld als Grund für ihre Überschuldung. Immer öfter geraten


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bereits junge Menschen in finanzielle Schwierigkeiten, jeder vierte Klient ist höchstens 30 Jahre alt. Deshalb fordern wir seit Langem mehr Finanzbildung beim Erwerb von All­tagskompetenzen, besonders im Umgang mit Geld.

In diesem Bereich sind die Schuldnerberatungen federführend in Österreich. Die Schuld­nerberatung in Oberösterreich zum Beispiel bietet Finanzworkshops an, die 8 000 Ju­gendliche und Erwachsene im Jahr erreichen. In Wien unterstützt die Arbeiterkammer seit 2020 an ausgesuchten Schulen den Finanzführerschein.

Es mangelt also nicht an Angeboten und Ideen, aber leider zumeist an der Finanzierung dieser. Schuldnerberatung und Schuldnerbildung rechnen sich jedoch. Jeder einzelne Euro, der da investiert wird, schafft soziale, wirtschaftliche Wirkungen im Gegenwert von 5,30 Euro.

Schulden machen krank. Viele persönliche Schicksale, viele Ängste, viele Sorgen, Hoff­nungslosigkeit und Scham sind damit verbunden. Die finanzielle Not führt vielfach zu chronischem Stress, der Körper und Psyche enorm belastet. Je länger die Schuldensi­tuation andauert, desto schlechter wird auch die physische und psychische Gesundheit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der in unserem Antrag geforderte Schuldnerschutz­schirm wäre ein umfassendes Mittel, um die Krisensituation von betroffenen Menschen abzufedern, von der Regelung der Inkassogebühren bis hin zu Kontoüberziehung und Finanzbildung. Es ist schade für die vielen betroffenen Menschen in Österreich, dass unser Antrag heute – so wie auch im Ausschuss – keine Mehrheit finden wird. (Beifall bei der SPÖ.)

15.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Ries. – Bitte.


15.06.11

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Werte Damen und Herren! Aufgrund der Coronakrise, die ja nicht nur eine gesund­heitliche, sondern auch eine soziale und wirtschaftliche Dimension hat, wurde für Privat­kunden und Kleinstunternehmer eben die Möglichkeit geschaffen, diese Kredite bis zu zehn Monate zu stunden. – So weit, so gut.

Es war richtig, das zu tun, und ich habe schon im Ausschuss gesagt, die Banken sind gut beraten, ihre Kunden jetzt dabei zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass über diese Kleinkunden sozusagen ein Rettungsschirm gespannt wird, denn vergessen wir nicht: Auch über die Banken wurde vor einigen Jahren noch ein Rettungsschirm der Steuerzahler gespannt, um den Banken das wirtschaftliche Überleben zu sichern.

Ein Fehler – Kollege Wurm hat es schon gesagt – war, dass nicht klar geregelt wurde, ob Sollzinsen berechnet werden dürfen. Die Banken machen das jetzt, das heißt, wer stundet, erhöht die Kreditsumme.

Unser zweiter Einwand wurde auch schon gesagt: dass die Stundungen mit 31. Jänner ausgelaufen sind, was aber auch zusätzlich bedeutet, dass das Kündigungsverbot mit Ende November 2021 erledigt ist. Das heißt, dann kann es schon ein böses Erwachen geben. Das wissen wir jetzt schon, aber was wir nicht wissen, ist, ob dann die Krise schon beendet sein wird. Mit anderen Worten: Es öffnet sich eine Schere, denn man weiß jetzt noch nicht: Ist man dann noch arbeitslos? Wie läuft für einen als kleinen Unternehmer dann schon das Geschäft? – Das ist jetzt noch mit vielen Unsicherheiten verbunden. Ein Experte der Schuldnerberatung Niederösterreich sagt, das ist jetzt eine Ruhepause vor dem Sturm, und das sollte uns zu denken geben.

2020 waren die Konkurse um 25 Prozent rückläufig, das heißt aber nicht, dass diese Konkurse vom Tisch sind, sondern sie sind nach hinten verlagert worden. Es kann sein,


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dass diese Konkurse 2022 auf uns zukommen werden, und das ist exakt dann, wenn die Stundungen ausgelaufen sind. – Das passt nicht zusammen, meine Damen und Herren.

Schuldnerberater rechnen damit, dass sie 2022 einen Anstieg der Zahl der Klienten um 36 Prozent haben werden – das sind Fachleute, die wissen, wovon sie sprechen. Aus unserer Sicht ist das alarmierend. Wenn wir jetzt nicht gesetzlich reagieren, besteht die Gefahr, dass wir der Liquidator derer werden, die die Krise gerade noch überlebt haben. Das ist gerade so, wie wenn man Schiffbrüchige, die schon im Rettungsboot sitzen, in letzter Minute aus dem Boot wirft.

Wenn Sie das verhindern wollen, werte Abgeordnete der Regierungsparteien – und da­von gehe ich aus –, dann gibt es keinen Grund, unserem Antrag zum Wiederinkrafttreten der Stundungsmöglichkeiten nicht zuzustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet, damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht die Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Konsumentenschutz.

15.09.2412. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 1491/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesrepara­turbonus (820 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zum 12. Tagesordnungspunkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Köchl, der sich schon in Position gebracht hat. – Bitte, Herr Abgeordneter.


15.09.48

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Geschätzter Herr Minister! Bundesreparaturbonus: eine ganz wichtige Initiative! Die Sozialdemokratie wird dem zustimmen. Ziel dieser Aktion ist, das regionale Handwerk zu stärken – und das ist, glaube ich, mit einem solchen Bonus möglich –, Abfälle zu vermeiden, die regionale Wertschöpfung zu steigern, die Nutzungsdauer der einzelnen Geräte zu verlängern und somit einen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten.

Das Ganze wird für Elektro- und Elektronikgeräte gelten, und es ist schon sehr sinnvoll. In einigen Bundesländern ist das ja schon umgesetzt, unter anderem in Kärnten und in Wien, wobei das Ganze dort aber noch viel mehr ausgebaut ist. In Wien war es ein großes Anliegen vor allem der Sozialdemokraten, Fahrräder mit hineinzunehmen, und ich hätte mir eigentlich nicht vorstellen können, dass das in Wien oder in Kärnten ge­klappt hätte, wenn Fahrräder nicht mit dabei wären. Es wundert mich daher eigentlich schon sehr, dass bei dieser Initiative, die ja zu begrüßen ist, die Grünen im Bund sagen, wir machen das ohne Fahrräder, wir machen das nur mit Elektro- und Elektronikge­räten. – Das ist ein erster, richtiger Schritt, aber ich glaube, dass es ganz, ganz wichtig ist, das auszuweiten.

Was mich auch ein bisschen überrascht, ist, dass sich die Wirtschaftskammer da auch nicht durchgesetzt hat, nämlich die Sparte Gewerbe und Handwerk, von deren Seite es hieß, der „Reparaturbonus muss rasch volles Potential entfalten“. Da hat sich General­sekretär Karlheinz Kopf anscheinend doch nicht durchgesetzt. Gerade das wäre aber für


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die Klein- und Mittelbetriebe in Österreich wichtig gewesen, nämlich das noch besser und vor allem in mehreren Bereichen umzusetzen. Das wollte die ÖVP aber anscheinend nicht.

Deshalb glaube ich, dass man da noch einmal nachbessern sollte, dass man noch ein­mal darüber diskutieren sollte, weil es einfach wichtig sein wird, vor allem in ländlichen Regionen, das wirklich umzusetzen, da zu schauen, dass man vielleicht noch bessere Möglichkeiten schafft, in Zukunft das Klima und die Umwelt zu verbessern. Wir von der SPÖ werden auf alle Fälle zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Fischer. – Bitte.


15.12.16

Abgeordnete Mag. Ulrike Fischer (Grüne): Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Sehr geehrte Damen und Herren! Jährlich fallen 83 Tonnen Elektroschrott an, und die Tendenz ist steigend. Wir müssen handeln. Mit einem österreichweiten Reparaturbo­nus gegen Elektroschrott setzen wir, alle gemeinsam, Anreize für nachhaltiges Handeln. Ziel muss es sein, Elektroschrott zu reduzieren und gleichzeitig Umweltschutz zu be­treiben.

Ein paar Daten: Mit 1.1.2022 können wir beginnen, das umzusetzen. Wir wollen 400 000 Re­paraturen fördern, und wir werden dafür 130 Millionen Euro einsetzen.

Der Elektroschrott wird nicht in Österreich gelagert. Der Elektroschrott der Europäischen Union geht nach Ghana. Wer von euch den Film „Welcome to Sodom“ gesehen hat, der weiß, was Elektroschrott mit Boden und Wasser anrichtet. Wir müssen es schaffen, dass in den nächsten Jahren der Kreislauf besser funktioniert, dass auf der einen Seite Re­paraturwerkstätten, deren Anzahl in den letzten Jahren um 50 Prozent zurückgegangen ist, Arbeitsaufträge bekommen, dass es günstiger ist, seine Waschmaschine reparieren zu lassen, als eine neue zu kaufen, dass die Kreislaufwirtschaft funktioniert. Insofern möchte ich mich bei allen Mitgliedern des Konsumentenschutzausschusses dafür be­danken, dass wir in unserer letzten Sitzung am 4.5. diesem Reparaturbonus einstimmig zugestimmt haben. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.) – Na schaut!

Wenn wir es schaffen, die Ressourcen unseres Planeten, die sehr begrenzt sind, zu schonen und die CO2-Emissionen zu begrenzen, wenn wir es schaffen, dass wir wieder­verwenden, dass wir reparieren, anstatt Dinge so schnell wegzuwerfen, dann kann sich das ausgehen – und die EU unterstützt uns dabei. Wir haben auch schon kleine Maß­nahmen gesetzt, was die Mehrwertsteuer betrifft: Reparaturen sind mit 10 Prozent und nicht mit 20 Prozent zu besteuern. Auch das hilft. Wir machen eine Step-by-Step-Politik, weil es wichtig ist und es auf unser aller Handeln ankommt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.) – Danke.

Ich freue mich also auf eine baldige Einführung des Reparaturbonus und darauf, dass wir auch wirksame Maßnahmen zur Beschäftigung setzen. Wenn ihr zum Beispiel noch einen alten Anrufbeantworter, so wie ich, oder auch ein Diktiergerät zu Hause habt, dann könnt ihr das im Reparatur- und Servicezentrum im 14. Bezirk reparieren lassen oder ihr könnt die Dinge auch spenden. Waschmaschinen, die gespendet werden, werden an Leute vermietet, die sich eine neue Maschine nicht leisten können – und auch da müs­sen wir ansetzen.

Reparieren statt wegwerfen – das schont unser Geldbörsl und nützt unserer Umwelt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 110

15.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wurm. – Bitte sehr.


15.16.17

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Um vielleicht der Wahrheit Genüge zu tun, Frau Kollegin Fischer: Wir als Freiheitliche – ich gemeinsam mit Kollegen – haben einen Antrag zum Thema „Reparieren statt Wegwerfen“ eingebracht. Das hat natürlich jetzt vor allem die Grünen, aber auch die ÖVP ein bisschen in Erklärungsnotstand gebracht (Abg. Kühber­ger: Das steht im Regierungsprogramm, Herr Kollege!), und jetzt haben sie sich, basie­rend auf unserem Antrag, da angehängt. Unser Antrag, das muss ich dazusagen – ich habe ihn auch mit –, war sehr konkret, was die Umsetzung, auch die Beträge, die Maß­nahmen betrifft. Wir haben einen Reparaturbonus von 1 000 Euro vorgeschlagen.

Jetzt liegt ein Antrag von den Regierungsparteien mit uns gemeinsam vor, in dem quasi ein Reparaturbonus angekündigt wird, allerdings ohne jegliche konkrete Zahlen und auch ohne jegliche konkrete Terminsetzung.

Da will ich jetzt natürlich der Regierung und speziell den Grünen helfen, hänge mich bei diesem Entschließungsantrag noch einmal an und bringe dazu folgenden Entschlie­ßungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Reparieren statt Wegwerfen: Österreichweite Förderung von Reparaturen“

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden Entschließungsantrag:

„Die Bundesregierung insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie“ – Frau Gewessler – „wird ersucht eine Förderung von Reparaturdienstleistungen für Elektro- und Elektronikgeräte in ganz Ös­terreich bis zum 31.12.2021 zu ermöglichen.“

*****

Das heißt, wenn Sie es mit diesem Antrag „Reparieren statt Wegwerfen“ ernst meinen, dann werden Sie – davon bin ich überzeugt – unserem Antrag mit Terminfestsetzung sicher folgen können.

Dass das Ganze natürlich Sinn macht, darüber sind wir uns, glaube ich, alle einig. Die Umsetzung ist aber, wie gesagt, nicht unbedingt so einfach. Es gibt in allen Bundeslän­dern Ansätze. Vor allem Wien hat da, muss man sagen, ein recht gutes System in Gang gesetzt, das allerdings zeitlich immer sehr befristet ist, nicht über das ganze Jahr läuft, sondern meistens nur über drei Monate, das aber gut angenommen wird. Wir haben – die Frau Kollegin hat es schon gesagt – die Mehrwertsteuer auf Reparaturen bereits auf 10 Prozent gesenkt, was Sinn macht. Summa summarum ist es einfach so, dass man gerade auch jetzt aktuell sieht, dass genau diese Maßnahme nicht nur im Sinne des Umweltschutzgedankens, sondern auch zur Sicherung von Arbeitsplätzen und zur För­derung von Unternehmern im Kleinunternehmerbereich sehr, sehr sinnvoll ist. Deshalb ist das auch unbedingt zu unterstützen und auch ganz massiv zu beschleunigen.

Es gibt ja das alte Thema – Sie kennen es – der Obsoleszenz. Das heißt – es steht ja immer wieder im Raum, der Nachweis ist nicht immer ganz einfach –, dass Waschma­schinen, andere Elektrogeräte meistens so konstruiert und gebaut werden, dass sie ge­nau einen Monat nach Ablauf der Garantiezeit kaputt werden und nicht mehr reparierbar sind. Genau dieser Entwicklung müssen wir entgegenarbeiten, damit auch die Kreislauf­wirtschaft bei uns im Gang bleibt und nicht alles sinnlos weggeschmissen wird, weil es sehr oft kaum eine Möglichkeit gibt, es zu reparieren.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 111

Summa summarum wäre es ganz wichtig, da ganz schnell voranzukommen. Ich sage es bewusst, gerade in Zeiten von Lockdowns: Wir sollten nicht Amazon mit Neubestellun­gen fördern, sondern wir sollten die lokale Wirtschaft und die Kreislaufwirtschaft unter­stützen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.20

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Wurm, Dagmar Belakowitsch, Christian Ries, Peter Schmied­lechner und weiterer Abgeordneter

betreffend Reparieren statt Wegwerfen: Österreichweite Förderung von Reparaturen

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 12) über den Bericht des Ausschusses für Kon­sumentenschutz über den Antrag 1491/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesreparaturbonus (820 d.B.) in der 107.Sitzung des Natio­nalrats am 20.Mai 2021.

Um das Projekt Reparieren statt Wegwerfen: Österreichweite Förderung von Reparatu­ren „zeitnah“ zu beginnen und umzusetzen, wird die Entschließung (820 d.B.) um das entsprechende Datum 31.12.2021 ergänzt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

„Die Bundesregierung insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird ersucht eine Förderung von Re­paraturdienstleistungen für Elektro- und Elektronikgeräte in ganz Österreich bis zum 31.12.2021 zu ermöglichen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Weidinger. – Bitte.


15.20.24

Abgeordneter Peter Weidinger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminis­ter! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Liebe Österreicherinnen, liebe Österreicher und alle Menschen, die in der wunderschönen Alpenrepublik leben! Österreich ist das Land der Berge, aber nicht das Land der Müllberge.

Wer kennt sie nicht, meine Damen und Herren, die Situation, wenn zu Hause einmal die Waschmaschine kaputt ist oder ein Handy den Geist aufgibt: Man holt sich einen Kosten­voranschlag und merkt dann schnell, dass die Neuanschaffung von einer Waschma­schine und die Entsorgung der alten günstiger ist, als wenn man sie reparieren lässt.

Jetzt komme ich zum Thema: In diesem Antrag behandeln wir, dass wir das Reparieren statt dem Wegwerfen von Elektrogeräten in Österreich umsetzen wollen. Wenn wir das nicht machen, meine Damen und Herren, haben wir ein Riesenproblem: Die Müllberge werden immer größer, das Wasser ist verschmutzt, die Energie wird vergeudet, und Rohstoffe, die so selten sind, werden vergeudet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 112

Die Bundesregierung und die Parlamentsmehrheit hat eine klare Vision und einen klaren Plan, meine Damen und Herren: Wir wollen unser Wasser weiter sauber halten, wir wol­len die Energie effizient einsetzen, die Ressourcen gut und sorgfältig verwalten. Damit schützen wir das Klima und die Umwelt, und das ist das beste zukunftsorientierte Hei­matschutzprogramm, das man sich vorstellen kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Mit diesem Beschluss, meine Damen und Herren, starten wir heute einen Prozess, indem wir die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung beauftragen, ein gesamtheitli­ches Konzept vorzulegen. Wesentlich dabei ist für uns selbstverständlich, dass das Re­parieren günstiger wird. Ein erster Schritt ist mit der Senkung der Mehrwertsteuer von 20 auf 10 Prozent für kleine Reparaturen gesetzt. Wir setzen uns dafür ein, dass das weitergeht, dass dieser Weg weiterhin verfolgt wird.

Natürlich muss der Faktor Arbeit entlastet werden, aber bei diesem Prozess setzen wir auch auf die Innovation. Wir wollen ein neues Design. Wir wollen, dass Produkte und Dienstleistungen neu gedacht werden, und wir wollen auch Anreize schaffen, damit wir in der Materialforschung weitere Schritte setzen. Das alles funktioniert nur, wenn wir die Gesellschaft und die gesamte Wirtschaft mobilisieren. Dabei unterscheiden wir uns schon auch von den Mitbewerbern, weil wir der Meinung sind, dass das Wiener Modell noch nicht weit genug geht. Wir wollen, dass vor allem die Wirtschaft und die kleinen Betriebe stark davon profitieren – in ganz Österreich und in allen Regionen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Für wen machen wir das, meine Damen und Herren? – Wir machen das für alle Gene­rationen in Österreich. Ich denke gerade an die jungen Leute. Ich denke, dass es gerade auch wichtig ist, dass sich die Jugend bei diesen Themen beteiligt und, weil wir gemein­sam in einem Boot sitzen, dass sich junge Menschen, junge Persönlichkeiten wie die neue Chefin der Jungen ÖVP Claudia Plakolm einbringen. Wir sitzen alle gemeinsam in einem Boot und haben die Vision, dass wir diese Transformation schaffen, indem wir Botschafterinnen und Botschafter des Wandels werden, dass wir selbst auch Hand an­legen, dass wir nicht kurzsichtig sind, sondern gesamtheitlich denken.

Dadurch attraktivieren wir auch die Lehre. Wenn sich heute ein junges Mädchen dafür entscheidet, Elektrikerin zu lernen, dann entscheidet sie sich auch dafür, einen Beitrag dazu zu leisten, die Umwelt zu schützen. Die Jugend macht sich natürlich Gedanken, warum gerade Klima- und Umweltpolitik in der Welt so ein großes Thema darstellt, ob man selber auch Lebenschancen hat. Viele Jugendliche finden dann zum Beispiel den Weg zu Fridays for Future.

Wir wünschen uns, dass wir diese Ängste und Sorgen ernst nehmen und in Chancen umwandeln. Wir wollen Mut machen, und das machen wir mit diesem Beschluss. Damit schaffen wir ein Comeback für die Elektrogeräte, ein Comeback für die Lehre, für die Arbeitsplätze, für die Kleinunternehmen und die mittelständische Wirtschaft und das Comeback für Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Eypeltauer.


15.24.55

Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Herr Kollege Weidinger, für dieses Pa­thos bei diesem Thema verdienen Sie wirklich meinen Respekt. Ich freue mich auch über den heutigen Antrag, dem meine Fraktion zustimmen wird. Ich möchte aber die Kirche im Dorf lassen. Man muss schon klar sagen, dass das Thema Reparieren statt wegwer­fen nicht nur hier im Haus wohl weitestgehend Konsens ist, sondern dass es auch ein zentraler Punkt in der europäischen und europaweiten Verbraucherpolitik ist und es seit


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 113

1. März 2021 etwa zehn EU-Verordnungen gibt, die dieses Ziel unterstützen, wobei es um Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit von Geräten geht. Diese europäischen Ver­ordnungen basieren ja auch allesamt auf der Ökodesignrichtlinie. Ich möchte nur klar­stellen: Das ist jetzt keine Erfindung der Bundesregierungsfraktionen, sondern das ist ein europaweiter Trend, der natürlich extrem wichtig ist.

Ein weiterer Punkt: Kollege Weidinger, Sie haben davon gesprochen, dass es darum geht, Kleinbetrieben und dem Handwerk zu helfen. Ich möchte schon betonen, dass es die größte Hilfe für die Kleinbetriebe, für das Handwerk, für die regionale Wirtschaft wäre, wenn man bei den Kosten auf Arbeit entlasten würde, wenn man die Lohnnebenkosten reduzieren würde und die Bürokratismusbelastung reduzieren würde. Das würde dann im Umkehrschluss auch zu billigeren Reparaturen oder vielleicht sogar zu günstigeren, aber hochwertigeren Produkten führen. – So viel nur, um wirklich Klarheit herzustellen und das Ganze zu verorten. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

15.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rössler. – Bitte.


15.26.40

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher zu Hau­se vor den Bildschirmen! Das Thema ist ein angenehmes. Es eint uns, dass wir beim Thema Reparieren Fortschritte machen wollen und dass wir vor allem Ressourcen spa­ren und die Produktlebensdauer verlängern wollen. Es dient natürlich auch der Vermei­dung von Abfällen und Schadstoffen in der Umwelt.

Ganz konkret zu den Zahlen: Es sind tatsächlich 240 000 Tonnen Altgeräte, Elektroge­räte und Elektronikgeräte, die 2019 in Verkehr gebracht wurden. Die Menge, um die es hier geht, ist also beachtlich. Inzwischen sind die Sammelquoten für die Verwertung ver­bessert worden: 133 000 Tonnen sind 2019 zur geordneten Entsorgung und Wiederver­wendung oder Aufbereitung zurückgenommen worden.

Es geht um eine geordnete Behandlung. Es ist sehr arbeitsintensiv, vielfach ist händi­sche Demontage notwendig, denn die Geräte enthalten zum Teil mehr als 80 unter­schiedliche Materialien. Es sind sehr komplexe Geräte, daher ist es umso wichtiger, dass sie auch von geeigneten Fachkräften entsprechend zerlegt und einer Aufbereitung zuge­führt werden.

Das kann nur der erste Schritt sein. Der Reparaturbonus ist der erste Schritt in einer wichtigen Kette, die zu einer Ressourceneffizienz und auch einem geringeren Einsatz an Energie und Material führt.

Der zweite Schritt ist das Produktdesign. Aufbauend auf den Erfahrungen des Repara­turbonus müssen wir – Kollege Eypeltauer hat es angesprochen – viel stärker ins Pro­duktdesign, in intelligenteres, effizienteres Design und entsprechende Stoffverwertung kommen.

Der dritte Punkt – ich betone es, weil es auch aus dem Umweltressort bereits ein sehr wichtiges Förderinstrument im Ausmaß von 10 Millionen Euro gibt – sind Forschung und Entwicklung für Kreislaufwirtschaft. Dabei geht es konkret um die Intensivierung der Pro­duktnutzung, um längere Produktnutzung, es geht um besseren Ressourceneinsatz, in­telligenteres Produktdesign, um die Stoffkreisläufe besser und effizienter zu machen und sie zu schließen. Nimmt man alle drei zusammen, ist das ein wichtiger Schritt in Richtung Klimaschutz, in Richtung geringeren Energieverbrauch.

Abschließend zum Antrag der FPÖ: Wir unterscheiden uns in diesem Punkt ja nicht wirklich. Natürlich braucht es aber einen Vorlauf, um diesen Reparaturbonus, der mit 1.1.2022 in Kraft treten soll, auch entsprechend umzusetzen.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 114

Ein wenig widersprüchlich ist Ihr Antrag, denn üblicherweise ist ja alles, was einen Bezug zur EU hat, nicht besonders beliebt. Hier sind es 130 Millionen Euro, die aus dem Wie­deraufbaufonds der EU kommen. Es ist ein wenig widersprüchlich, wenn Sie jetzt sozu­sagen das so ungeliebte Geld noch schneller in Umlauf bringen wollen.

Wir machen diesen Reparaturbonus seriös und solide, und er wird am 1.1.2022 starten. Diesen Antrag werden wir nicht unterstützen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

15.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kühberger. – Bitte.


15.29.53

Abgeordneter Andreas Kühberger (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Österreicherinnen und Ös­terreicher! Mit diesem Tagesordnungspunkt betreffend „Reparieren statt Wegwerfen“ setzen wir hier wieder einen sehr wichtigen Schritt zum Schutz unserer Umwelt und un­serer Ressourcen.

Als Kind der Siebzigerjahre habe ich, wie viele hier im Haus, eine Zeit erlebt, als die Müllentsorgung noch in den Gemeinden und Städten auf Müllplätzen, Schutthalden, Sturzhalden und Ähnlichem stattgefunden hat. Meine Eltern haben mir immer verboten, mich dort aufzuhalten, aber trotzdem haben diese Plätze auf mich eine magische Anzie­hungskraft gehabt. Ich erinnere mich genau, dass ich einmal eine Nachttischlampe mit nach Hause genommen habe, eine Lampe, die ich heimlich zu Hause repariert habe – das Kabel war kaputt –, und vor allem erinnere ich mich, weil ich dabei einen Strom­schlag bekommen habe.

Warum erzähle ich das heute hier? – Weil ich daran erinnern möchte, welche erfolgrei­che Geschichte wir seit damals geschrieben haben: Wir können wirklich stolz darauf sein, wie unsere Müllentsorgung heute funktioniert! Es gibt viel Abfallvermeidung, wir recyceln, das funktioniert, und wir haben in unseren Gemeinden und Städten sehr viele Altstoffsammelzentren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Man muss trotzdem sagen, dass heute auch mehr Müll als früher anfällt, und da bringt es natürlich jetzt etwas, wenn man Dinge repariert. Der beste Abfall ist nämlich eigentlich der, der nicht entsteht, meine Damen und Herren!

Wenn ich heute durch das Altstoffsammelzentrum meiner Heimatgemeinde Mautern gehe und mir dort die Elektrobox anschaue, sehe ich Kühlschränke, Fernseher, Laptops und Handys, die teilweise neuwertig aussehen. Das bricht einem ja fast das Herz, wenn man sich das anschaut. Manche davon haben nur kleine Defekte – kleine Defekte, deren Reparatur aber anscheinend zu teuer ist, und man kauft sich dann gleich neue Produkte. Ein neues Produkt heißt, dass man dafür wieder neue Rohstoffe braucht, und auch Transportwege müssen zurückgelegt werden, denn meistens kommen die ja leider nicht aus Europa.

An dieser Sache kann man natürlich etwas ändern, wenn man die Geräte vermehrt re­pariert. Die Wertschöpfung bleibt dann bei uns im Land, ich brauche in meinem Ort quasi nur ums Eck zum Elektriker zu gehen. Mit dem habe ich kürzlich ein Gespräch geführt, und er hat mir erzählt, dass das Reparieren auch für ihn mehr bringt, denn beim Verkauf verdient er gar nicht so viel.

Meine Damen und Herren, reparieren statt wegwerfen bedeutet, dass wir Arbeitsplätze absichern und auch neue schaffen, indem wir Reparaturnetzwerke aufbauen. Das hat also schon viel Sinn.


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Ich möchte noch einmal zusammenfassen: Es zahlt sich aus, Dinge zu reparieren, an­statt sie wegzuwerfen. Es zahlt sich für die Umwelt aus, es zahlt sich für die Wirtschaft aus, es zahlt sich zukünftig aber auch für die Kundinnen und Kunden aus. Ich bin daher sehr dankbar, dass wir heute gemeinsam mit unserem Koalitionspartner diesen Be­schluss hier fassen. Noch einmal zum Schluss: Der beste Abfall ist der Abfall, der nicht verursacht wird. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Wurm zu Wort gemeldet – Bitte.


15.33.18

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Herr Präsident! Frau Kollegin Rössler hat behauptet, ihre Fraktion könne unserem Antrag, den Reparaturbonus bis 31.12.2021 umzusetzen, nicht zustimmen, denn sie wolle ihn „seriös“ umsetzen.

Unsere Frist bis 31.12.2021 und Ihre geplante Umsetzung mit 1.1.2022 sind für mich dasselbe. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Das ist keine tatsächliche Berichtigung (Heiterkeit des Abg. Wurm), sondern ein politisches Statement. Das wird auf die Redezeit ange­rechnet. (Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Totter. – Bitte.


15.34.11

Abgeordnete MMag. Dr. Agnes Totter, BEd (ÖVP): Was nicht funktioniert, das werfe ich einfach weg – diesen Zugang haben leider viele Menschen, und da gilt es, schon bei den Kindern und Jugendlichen entgegenzusteuern.

Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Schon als Kind habe ich von meinen Eltern gelernt, wie wichtig es ist, auf seine Sachen zu achten, um die Lebens­dauer von Gebrauchsgegenständen möglichst lange aufrechtzuerhalten. Alles, was von Menschen produziert wurde, hat nämlich nicht nur einen materiellen Wert – wir sollten vielmehr alle Produkte und vor allem die Arbeit der Menschen dahinter stärker wertschät­zen!

Heute bin ich selbst Mutter, Lehrerin und auch Direktorin einer Mittelschule, und es freut mich, dass ich Werte wie Nachhaltigkeit und Wertschätzung an die nächste Generation weitergeben kann. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Auch unsere Bundesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, Reparaturen umfassend zu fördern und so das Prinzip Reparieren statt wegwerfen bestmöglich umzusetzen. In ei­nem ersten Schritt wurde bereits eine Mehrwertsteuersenkung auf kleine Reparatur­dienstleistungen beschlossen.

Die Abgeordneten im EU-Unterausschuss haben sich weiters dazu bekannt, dass Öster­reich auf europäischer Ebene für eine Änderung der Mehrwertsteuerrichtlinie eintritt. Mit der neuen Richtlinie sollen auch Steuersenkungen für sogenannte größere Reparaturen möglich werden.

Auf EU-Ebene gibt es zudem zehn Verordnungen, die am 1. März 2021 in Kraft getreten sind, die darauf abzielen, die Reparierbarkeit und die Recyclingfähigkeit von Geräten weiter zu verbessern.

Mit diesem hier vorliegenden Antrag wird die zuständige Bundesministerin ersucht, wei­tere Maßnahmen zu setzen, um Reparaturen anstelle eines Austausches auch wirt­schaftlich attraktiver zu machen. Eine solche Maßnahme zeigt nämlich viele positive


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 116

Effekte: Die Wertschöpfung bleibt in der Region, wir leisten einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz und wir stärken das Bewusstsein für eine ressourcenschonende Wirt­schaft und Gesellschaft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Gerade an diesem letzten Punkt arbeiten auch wir an den Schulen sehr intensiv, um so das Bewusstsein der Kinder für Nachhaltigkeit und Wertschätzung von Produkten zu stärken.

Auch wir Abgeordnete sind aufgefordert, neben der Funktion als Bundesgesetzgebung persönlich einen Beitrag zu leisten, Vorbild zu sein und vor allem Haltung zu zeigen. Das gilt nicht nur in diesem Zusammenhang und in diesem Bereich, sondern generell im Um­gang miteinander und in der politischen Auseinandersetzung. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

15.37.41Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 10 bis 12


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu den verlegten Abstimmun­gen, die ich über jeden Tagesordnungspunkt getrennt vornehme.

Ich darf fragen, ob die Klubs bereit sind. – NEOS? F? (Abg. Hafenecker: FPÖ heißt das!)

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Antrag des Ausschusses für Konsumentenschutz, seinen Bericht 818 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dies tut, möge dies mit einem entsprechenden Zeichen bekräftigen. – Das ist mehr­heitlich angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Antrag des Aus­schusses für Konsumentenschutz, seinen Bericht 819 der Beilagen zur Kenntnis zu neh­men. – Gleiches Stimmverhalten, ebenfalls mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12: Antrag des Ausschusses für Konsumentenschutz, seinen Bericht 820 der Beilagen hinsichtlich des Entschlie­ßungsantrages 1491/A(E) zur Kenntnis zu nehmen. – Das ist wiederum das gleiche Stimmverhalten und somit mehrheitlich angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 820 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Reparieren statt Wegwerfen: Österreich­weite Förderung von Reparaturen“.

Wer das unterstützt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen, danke schön. (176/E)

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Reparieren statt Wegwerfen: Öster­reichweite Förderung von Reparaturen“.

Wer dafür ist, den darf ich um ein entsprechendes Zeichen bitten. – Das ist die Minder­heit, daher abgelehnt.

15.39.2513. Punkt

Bericht des Sportausschusses über den Antrag 1457/A(E) der Abgeordneten Mag. Agnes Sirkka Prammer, Christoph Zarits, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Vorlage eines jährlichen Sportberichts an den Nationalrat (821 d.B.)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 117

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße Herrn Vizekanzler Kogler in unserer Mitte und bedanke mich bei Herrn Mi­nister Mückstein für sein Kommen.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Prammer. – Bitte.


15.39.58

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Mit­glieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es ist circa 14 Jahre her, dass das letzte Mal ein Sportbericht in diesem Haus, also im Plenarsaal des Parlamentsgebäudes, im Plenum diskutiert werden konnte. Das wollen wir ändern. Wir wollen mit diesem Entschließungsantrag den Herrn Sportminister auffordern, dem Parlament wiederum einen Sportbericht vorzulegen.

Was es jetzt gibt, ist ein Bericht der Bundes-Sport GmbH über die Sportförderungen, die von ihr vergeben wurden; da wird aufgelistet, welche Dachverbände und welche Fach­verbände welche Mittel erhalten. Das ist auch gut und richtig so – und das soll natürlich auch ein Bereich in diesem umfassenden Sportbericht werden. Was wir aber hier im Saal diskutieren wollen, ist die gesamte Sportstrategie des Ressorts. Wir möchten einen Überblick darüber präsentiert bekommen, welche Schwerpunktsetzungen das Ressort hat, wie es die Mittel dafür einsetzt, wie es das vergangene Jahr verbracht hat und was es für die Zukunft plant.

Im aktuellen Fall möchten wir auch noch einen Bericht darüber, was an Sportförder­mitteln für die Bewältigung der Krise, die durch die Gesundheitskrise und durch die Co­ronabeschränkungen verursacht wurde, aufgewendet wurde und wie der Sport unter­stützt wurde – auch das soll in dem Bericht einen Platz haben.

Wie gesagt, wir wollen einen umfassenden Bericht, und wir wollen diesen umfassenden sportpolitischen Bericht hier in diesem Haus diskutieren können. Wir wollen eine Gene­raldebatte darüber führen können, und dafür brauchen wir diesen Entschließungsantrag. Es ist nämlich – das möchte ich nur, falls es vielleicht später etwas missverständlich formuliert werden sollte, gleich festhalten – nicht möglich, diesen Bericht aufgrund eines Entschließungsantrages aus einer vorherigen Gesetzgebungsperiode zu erhalten und ihn hier in diesem Haus zu debattieren. Deshalb müssen wir das nun machen – und wir freuen uns schon sehr auf den ausführlichen Bericht, den uns der Herr Sportminister dann vorlegen wird. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Köllner. – Bitte.


15.42.30

Abgeordneter Maximilian Köllner, MA (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Sportminister, zunächst begrüße ich, dass in Österreich endlich wieder mehr Sport möglich ist, das haben wir alle herbeigesehnt. Vielleicht reden Sie dennoch noch einmal mit Ihrem Gesundheitsminister, denn gewisse Passagen in der aktuellen Verordnung sorgen nach wie vor für Verwunderung.

Ich freue mich aber auch, dass nach einer längeren Pause wieder ein Sportbericht er­stellt wird, damit wir alle einen umfassenden Überblick über die Förderungen und Leis­tungsdaten im österreichischen Sport bekommen. Dennoch – die Kollegin hat es zwar anders gesagt – ist der Antrag für mich ein bissel ein parteipolitisches Spielchen von ÖVP und Grünen, weil es bereits einen aufrechten Beschluss zur Vorlage eines jährli­chen Sportberichtes aus dem Jahr 2018 gibt – gut, Hauptsache, er kommt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 118

Ein ähnliches Theater hat es aber gegeben, als wir vor wenigen Wochen einen Antrag eingebracht haben, dass sich die Republik Österreich international dafür einsetzen soll, dass die Menschenrechte der Arbeiterinnen und Arbeiter beim Bau der WM-Stadien in Katar nicht mit Füßen getreten werden. Sie erinnern sich: Seit der Vergabe der Fußball-WM im Jahr 2014 mussten bereits über 6 500 Menschen durch unwürdige Arbeitsbedin­gungen auf den Baustellen der Stadien, Hotels und Verkehrsinfrastruktur ihr Leben las­sen. Wir waren uns einig, dass Sie da nicht einfach wegsehen dürfen.

Was haben Sie aber wieder einmal gemacht, liebe Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und Grünen? – Unseren Antrag dennoch abgelehnt, um nur wenig später einen gemein­samen Mehrparteienantrag zu schreiben, der im Grunde genommen auf unserem ba­siert. Hand aufs Herz: Wäre euch ein Zacken aus der Krone gefallen, wenn ihr einfach unserem Antrag zugestimmt hättet? (Beifall bei der SPÖ.) Mir ist wichtig, dass etwas weitergeht, daher unterstütze ich selbstverständlich – genauso wie ich annehme, dass das die Kollegen von den NEOS tun – diese gemeinsame Initiative, aber dieser Stil hat schon ein bissel etwas von einem Kindergarten.

Herr Sportminister, wir haben im letzten Ausschuss auch länger über den NPO-Fonds gesprochen. Sie dürften eine sehr gut geführte Sportsektion haben, die Ihnen rechtzeitig den Kopf aus der Schlinge gezogen hat. Wir haben seit Beginn dieser Coronapandemie immer wieder darauf hingewiesen, die Sportlerinnen und Sportler in den 15 000 Sport­vereinen nicht im Stich zu lassen. Der Sport hat allerdings als letzter Bereich ein Ret­tungspaket erhalten. Im Gegensatz zu Kanzler Kurz und Finanzminister Blümel zum Bei­spiel haben Sie Ihre Fehler eingestanden und waren sehr selbstkritisch, dass das recht lange gedauert hat – und das rechne ich Ihnen auch hoch an.

Auch die Auszahlung der Hilfen dürfte dann relativ gut funktioniert haben – das ist auch das Feedback, das ich von den Vereinen bekommen habe –, und das ist für die Zukunft der gesellschaftlich so relevanten Vereine sehr, sehr wichtig.

Wenn wir schon beim Thema Vereinshilfsfonds sind: Erlauben Sie mir noch einen Ge­danken, der mir besonders am Herzen liegt. Ich nerve Sie sicher schon ein bisserl damit, aber ich sage es trotzdem: Kanzler Kurz hat im Vorjahr zur Bewältigung der Pandemie selbst gesagt: „Koste es, was es wolle“. – Wir erinnern uns alle daran. Wie wir aus der Wirtschaft wissen, war dieser Ausspruch mehr heiße Luft. (Abg. Zarits: Stimmt ja gar nicht!) Dieses Credo wäre allerdings gut für das Projekt der täglichen Turnstunde. Nun komme ich zu meinem konkreten Vorschlag: Warum nehmen Sie nicht einen allfälligen Rest dieses gut dotierten NPO-Fonds her und investieren dieses Geld sinnvoll in die Zukunft unserer Kinder? Eine Investition in die Zukunft unserer Kinder, eine Investition in die Bewegung unserer Kinder, ist schließlich ein Investment in unsere Gesellschaft. (Beifall bei der SPÖ.)

Tägliche Bewegung macht Kinder nachweislich geistig leistungsfähiger, sie spart Hun­derte Millionen Euro an Gesundheitskosten ein, und Österreich würde sich gewiss auch international als Sportnation mit großen Erfolgen hervortun. Sie wissen aber selbst genau, dass wir mit den 8 Millionen Euro im Jahr für die täglichen Bewegungsprojekte nicht weit hüpfen werden.

Leisten Sie daher bitte bei Ihren Kolleginnen und Kollegen in der Regierung, insbe­sondere beim Gesundheitsminister und beim Bildungsminister, Überzeugungsarbeit! Das ist kein Geld, das einfach aus dem Fenster hinausgeworfen wird – das müssen wir verstehen, das müssen wir auch so sehen –, sondern es ist eine Investition, die sich in einigen Jahren in vielfältiger Form rentieren wird.

Abschließend noch ein Satz, weil es ganz aktuell ist: Ich kann nicht beurteilen, wie es nun letztendlich dazu gekommen ist, aber ich wünsche dem designierten Präsiden­ten des Skiverbandes, Kollegen Karl Schmidhofer von der ÖVP, dennoch alles Gute für seine neue Aufgabe – und vor allem dass er dazu beiträgt, die besten sportlichen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 119

Rahmenbedingungen für große Erfolge der österreichischen Athletinnen und Athleten zu schaffen. (Zwischenruf der Abg. Yılmaz.) Macht bitte etwas daraus! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Steger. – Bitte.


15.47.29

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Vizekanzler, zu Beginn möchte ich gleich einmal sagen, dass es mich freut, Sie einmal wieder hier im Plenum begrüßen zu dürfen! Wie wir alle wissen, hat es ja schon fast Seltenheitswert, dass Sie uns als Sportminister besuchen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nur als Erklärung für die Zuseher zu Hause vor den Bild­schirmen: Herr Vizekanzler Kogler kommt als Sportminister ja nur zu uns ins Plenum, wenn auch Anträge aus dem Sportausschuss auf der Tagesordnung stehen. Da es die Grünen seit der Angelobung (Zwischenruf bei den Grünen) – das heißt, seit ungefähr 17 Monaten – nicht zustande gebracht haben, mehr als zwei Ausschusssitzungen anzu­setzen, ist das leider heute trotz der größten Krise im Sport erst das zweite Mal (Zwi­schenruf des Abg. Stögmüller), dass wir hier über Anträge aus dem Sportausschuss diskutieren können. Ich gratuliere Ihnen, sehr geehrter Herr Vizekanzler, zu dieser Ar­beitsleistung – man könnte auch Arbeitsverweigerung (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Stögmüller) oder, wie ich schon öfters erwähnt habe (Zwischenrufe bei der ÖVP), gewaltige Missachtung des österreichischen Sports dazu sagen, sehr geehrte Damen und Herren!

Diese Missachtung des Parlaments zeigt sich aber nicht nur durch die fehlende Anset­zung von Sitzungen des Sportausschusses, sondern sie geht auch weiter, weil auch heute im Plenum wieder einmal nur zwei Regierungsanträge auf der Tagesordnung ste­hen – denn alle Oppositionsanträge wurden wieder einmal vertagt und damit auch schubladisiert, weil Sie anscheinend die öffentliche Diskussion darüber nicht haben wol­len. Sie wollen anscheinend nicht, dass wir über Ihre Verfehlungen im Sport hier öffent­lich mit Ihnen diskutieren können. Dabei wären darunter zahlreiche hervorragende An­träge von allen Oppositionsparteien gewesen, von den Roten, von den NEOS und von uns, sehr geehrte Damen und Herren. Darunter war zum Beispiel die rasche Öffnung von Sportstätten, was natürlich mit der Öffnungsverordnung nun schon wieder fast obso­let ist. Ich sage fast, weil Sie in Ihrer Öffnungsverordnung anscheinend eines übersehen haben: Bisher konnten zum Beispiel Tennis oder auch Golf ohne jegliche Einschränkun­gen stattfinden. Dank Ihrer Öffnungsverordnung muss man nun plötzlich einen Test, eine Genesung oder Sonstiges vorweisen, damit man nun die Sportstätten benützen kann, Herr Minister. Ich glaube, Sie sollten sich das noch einmal anschauen, weil das in Wahr­heit eine Verschärfung und keine Öffnung ist, sehr geehrter Herr Minister.

Wir haben auch ausreichende Hilfen beantragt. Wir haben zum Beispiel eine steuerliche Absetzbarkeit von Sportsponsoring beantragt, was unglaublich wichtig wäre, weil durch die Krise einfach zahlreiche Sponsoren weggefallen sind, weil einfach wegen fehlender Zuschauer und Übertragungen der Werbewert fehlt.

Sie haben auch einen Antrag von mir abgelehnt, mit dem ich die Fitnesscenter als ge­sundheitsrelevante Einrichtungen einstufen wollte. Darüber wollten Sie nicht einmal im Ausschuss diskutieren. Das haben Sie einfach stillschweigend gleich einmal vertagt. Wir haben auch genügend Bewegung für Kinder und Jugendliche gefordert, bei denen Sie durch mangelnde Bewegungsmöglichkeiten enorme Schäden verursacht haben. Wir haben auch Gesundheit durch Sport- und Präventionsprogramme gefordert – auch das haben Sie einfach vertagt und damit schubladisiert. All diese Anträge sind schubladisiert und wieder nicht auf der Tagesordnung und wahrscheinlich bis zur nächsten Sitzung des Sportausschusses obsolet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 120

Sehr geehrte Damen und Herren, ich kann nur noch einmal den Appell an Sie richten: Überdenken Sie diese Vorgehensweise! Arbeiten Sie auch mit der Opposition zusam­men und lassen Sie auch Anträge zu, sehr geehrte Damen und Herren!

Ich komme aber zum heutigen Antrag. Der zeugt ja auch von Ihrer unglaublichen Arbeits­leistung im Bereich des Sports. Sie fordern einen Sportbericht für das Plenum, und damit sind Sie besonders originell und kopieren einen alten Antrag, den ich bereits 2018 ein­gebracht habe. Ich gratuliere wie gesagt zu dieser Arbeitsleistung, auch wenn der 2018 nicht nur eingebracht, sondern auch beschlossen wurde. (Zwischenrufe der Abgeordne­ten Zarits und Prammer.) – Ja, Frau Kollegin, natürlich ist das eine andere Legislaturpe­riode, aber wie originell ist es in der größten Gesundheits- und Wirtschaftskrise und da­mit auch in der größten Krise für den Sport, einen Sportbericht, der überhaupt nichts mit der Coronakrise zu tun hat, als einzige Initiative auf der Tagesordnung zu haben? Ich halte das ehrlich gesagt für überhaupt keine Arbeitsleistung – ich habe den 2018 schon selber beantragt, und das erste Mal wollte ich sogar schon 2014 eine Überarbeitung des Sportberichtes –, aber wir werden natürlich trotzdem zustimmen, weil wir natürlich für einen Sportbericht und auch für mehr Transparenz sind. Sie können in diesem Sportbe­richt am besten gleich mit einer Aufarbeitung von allem, was Sie dem Sport in diesem letzten Jahr angetan haben, anfangen.

Werte Grüne, abschließend kann ich nur sagen: Ich hoffe, dass Ihnen genug Zeit bleibt, diesen Sportbericht tatsächlich auch in Umsetzung zu bringen, denn wenn man sich all die Korruptionsfälle der ÖVP (He-Rufe bei der ÖVP) und das Haltbarkeitsdatum der Re­gierungen mit Kurz anschaut, ist zu befürchten, dass auch diesmal wieder die Umset­zung scheitern wird. (Beifall bei der FPÖ.)

15.52


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Zarits. – Bitte.


15.52.33

Abgeordneter Christoph Zarits (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Sportminis­ter! Geschätzte Damen und Herren! Gott sei Dank, Petra Steger, bin ich nicht deiner Meinung, weil das ja bedeuten würde, dass wir beide unrecht haben. Der Herr Sportmi­nister hat vor allem in dieser Krise gezeigt, wie viel ihm der Sport wert ist. Wir haben viele Maßnahmen gesetzt, mit dem Ziel, die Vereine und die Sportlerinnen und Sportler zu unterstützen, und die Unterstützung kommt auch an. Das hat sogar Max Köllner zugegeben, also muss es stimmen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Zu Ihrer Kritik, Frau Kollegin Steger, dass der Herr Sportminister sich keine Zeit für den Sport nimmt: Wir haben zwei Budgethearings gehabt, bei denen es um den Sport gegangen ist. (Zwischenruf des Abg. Lausch.) Wir haben zwei Ausschusssitzungen ge­habt (Zwischenruf der Abg. Steger), und der Herr Sportminister hat uns auch zu einer internen Aussprache ins Sportministerium eingeladen. Es waren alle Sportsprecher da, doch Sie waren leider abwesend – das muss man auch einmal dazusagen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir haben im letzten Jahr gemeinsam vieles erreicht. Wir waren natürlich immer in einem Spannungsfeld, was die Gesundheitsprävention und den Wunsch der Sportlerinnen und Sportler nach Bewegung anbelangt. Das ist ein Problem, das wir, glaube ich, gemeinsam mit dem Ministerium sehr, sehr gut gemeistert haben. Ich möchte mich auch bei Ihnen, Herr Sportminister, und bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken. Sie haben wirklich einen tollen Job gemacht. Wir haben auch gemeinsam ein Paket geschnürt: Come back stronger. Da werden derzeit die Maßnahmen ausgearbeitet, um den Sport nach der Krise wieder hochzufahren. Ich habe ein gutes Gefühl bei unserem Sportminis­ter, ein besseres Gefühl als bei Ihrem Sportminister H.-C. Strache.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 121

Sie haben gesagt, 2018 haben Sie schon den Antrag gestellt. Das heißt, Sie haben Ihren Sportminister H.-C. Strache aufgefordert, einen Sportbericht vorzulegen. Er hat es nicht gemacht. (Abg. Steger: Ja, warum? – Weil Sie ... haben!) Daran sieht man, wie wichtig Sie in der FPÖ sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Das Wichtigste ist aber: Gestern war ein sehr, sehr schöner Tag für den österreichischen Sport, für die 15 000 Vereine, für die zwei Millionen Sportlerinnen und Sportler. (Zwi­schenruf der Abg. Steger.) Wir haben es gemeinsam mit den Sportverbänden, gemein­sam mit den Vereinen, gemeinsam mit den 500 000 Ehrenamtlichen, die sich in den Sportvereinen und in den Verbänden engagieren, geschafft, dass wir aufmachen kön­nen, natürlich mit Präventionskonzepten. Da vertraue ich vor allem dem Ministerium, dem Sportminister, den Verbänden, dass sie Präventionskonzepte vorlegen, damit wir auch sicher öffnen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Was ist das Wichtigste in einer Krise? – In einer Krise ist es wichtig, dass man den Ver­einen, dass man den Sportfunktionärinnen und -funktionären Sicherheit gibt. Wir haben ihnen mit dem NPO-Fonds Sicherheit gegeben. (Zwischenruf der Abg. Steger.) Wir ha­ben 700 Millionen Euro für den ehrenamtlichen Bereich aufgestellt, der Herr Sportminis­ter hat es ja im Ausschuss auch erwähnt. Für den Sportligenfonds – das betrifft den Profibetrieb – wurden bereits 25 Millionen Euro ausbezahlt, und in den ehrenamtlichen Sportbereich – ich bin in meiner Heimatgemeinde selbst Sportfunktionär – wurden mitt­lerweile 75 Millionen Euro investiert. Ein herzliches Dankeschön für diese Unterstüt­zung – der Sport braucht sie in dieser schwierigen Zeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das Zweite, was ich mir wünschen würde, ist, dass wir, wenn wir über den Sport diskutie­ren, auch über das Erreichte berichten. Das würde ich mir auch von der Opposition wün­schen. Wir haben dem Sport nicht nur mit dem NPO-Fonds, sondern auch mit dem Sport­budget Sicherheit gegeben. Das Sportbudget ist so hoch wie nie zuvor: 151,5 Millionen Euro. Das ist ein Plus von 10,8 Millionen Euro, um 7,8 Prozent mehr. Damit geben wir den Sportvereinen, den Dachverbänden, den Fachverbänden Sicherheit in dieser schwie­rigen Zeit.

Ich denke, wir tun alles, um den Funktionärinnen und Funktionären und den Sportlerin­nen und Sportlern in dieser herausfordernden Zeit Sicherheit zu geben. Wir haben ge­meinsam vieles geschafft, vor allem im Nachwuchsbereich. Da haben wir bereits am 15. März Öffnungsschritte gemacht. (Abg. Steger: Was haben Sie denn da geschafft?) Das ist gut und richtig so, weil es natürlich vor allem für die Kinder im Nachwuchsbereich wichtig ist, dass sie ihre Freunde treffen, dass sie sich unterhalten können, dass sie mit Regeln umgehen, dass sie innerhalb der Mannschaft den Umgang mit den Mannschafts­kameraden lernen. Ich glaube, im Sport lernt man so viel, und darum ist es wichtig, dass wir gerade auch im Nachwuchsbereich investieren.

Es ist auch gelungen – Herr Sportminister, ein herzliches Dankeschön dafür –, dass die Schultests jetzt auch im Sportbereich Gültigkeit haben, sodass die Kinder nicht zweimal testen gehen müssen. (Zwischenruf der Abg. Steger.) Ich glaube, da ist uns viel gelun­gen.

Wir arbeiten als Volkspartei mit den Grünen gemeinsam mit unserem Minister. Ich glau­be, dem Sport in Österreich geht es gut. Wir haben mit der Bundesregierung, vor allem mit unserem Minister, einen starken Partner für die 15 000 Vereine, für die Dachverbän­de und für die Fachverbände. – Ein herzliches Dankeschön, Herr Sportminister, für Ihre Arbeit. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 122

15.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Yannick Shet­ty. – Bitte.


15.57.48

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vize­kanzler! Ja, Kollege Zarits, du hast jetzt viel gesagt, nur eigentlich nichts zum Tagesord­nungspunkt, nämlich zum Sportbericht, der geplant ist. Ich verstehe aber, dass du dich da zurückgehalten hast, weil dieser Antrag sinnbildlich für die Arbeit dieser Bundesregie­rung ist: groß inszeniert, viel angekündigt, mittelmäßige Ambition in der Zielsetzung und bis zur Beschlussfassung auf dem parlamentarischen Weg kein „Wettbewerb der besten Ideen“, wie es von der ÖVP jetzt immer wieder propagiert wird. Alle konstruktiven und alle sinnvollen Ergänzungsvorschläge der Opposition wurden im Ausschuss abgeschos­sen.

Da das alles unter einem grünen Minister passiert, zeigt das wieder einmal deutlich, wie in so vielen anderen Bereichen: Die Grünen vor dem Eintritt in die Bundesregierung und die Grünen heute haben maximal den Namen gemeinsam. Politikstil, Wertehaltung und Überzeugungen wurden fein säuberlich an der Garderobe zur Macht abgegeben.

Aber wie sagen Sie, Herr Sportminister? – Immer der Reihe nach! – Es geht beim Antrag der Regierungsfraktionen um einen jährlichen Sportbericht, der auch jetzt schon gemäß § 40 Bundes-Sportförderungsgesetz verpflichtend vorgeschrieben wäre, der aber das letzte Mal 2007/2008 vorgelegt wurde. Sie beauftragen sich selber, das zu tun, wozu Sie gesetzlich verpflichtet wären, und verkaufen das als großen Erfolg. Das halte ich wirklich für einen ziemlichen Witz. (Beifall bei den NEOS.)

Weil es in der Sportpolitik kein Klein-Klein bräuchte, sondern substanzielle Veränderun­gen, haben wir auch, was diesen Tagesordnungspunkt betrifft, im Ausschuss einen Ab­änderungsantrag vorgeschlagen, nämlich dass in diesem Sportbericht nicht nur über die Bundessportförderungen berichtet wird, sondern auch über die Sportförderungen auf Gemeinde- und auf Landesebene, nämlich über jene, die in die Transparenzdatenbank eingemeldet werden. Dann könnte man nämlich auch sehen, welche Bundesländer, welche Gemeinden nicht in die Transparenzdatenbank einmelden. Das hätte einen gro­ßen Mehrwert, aber dieser Abänderungsantrag wurde von der ÖVP – was nicht verwun­dert –, aber auch von den Grünen abgelehnt.

Ja, das Ziel sollte sein, die Sportförderung unbürokratischer, transparenter und nieder­schwelliger zu machen und den ganzen Förderdschungel Bundes-, Landes-, Gemein­deebene aufzulösen. Da habe ich das Gefühl, Herr Vizekanzler, dass die Ankündigun­gen, die von Ihrer Seite zu Beginn der Legislaturperiode gemacht wurden, mittlerweile alle irgendwie verlaufen sind, denn da hört man gar nichts mehr. Sie haben ja eigentlich auch angekündigt, dass Anfang des Jahres 2021 eine große Reform der Bundessport­förderung anstehen würde – ich habe sie zumindest nicht mitbekommen.

Wir brauchen endlich einen umfassenden Überblick, eine ambitionierte Strategie, Herr Sportminister, und gerade von Ihnen, von den Grünen, haben wir da mehr erwartet, mehr Mut erwartet. Ich glaube, Sie werden den auch brauchen wenn ich da zum Beispiel an Ihren Abteilungsleiter Dieter Brosz, der ja auch für den Sportbericht zuständig ist, den­ke , wenn die Forderungen aus der Vergangenheit Ihrem Handeln in Regierungsverant­wortung auch nur ansatzweise entsprechen sollen. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Yılmaz.)

16.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schmidho­fer. – Lieber Karl, wir gratulieren dir auch von dieser Seite recht herzlich zu deiner Wahl zum Präsidenten des Skiverbandes. (Zwischenruf der Abg. Steger.) – Bitte. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. Abg. Hafenecker: Da habt ihr euch wie­der was unter den Nagel gerissen!)



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 123

16.01.17

Abgeordneter Karl Schmidhofer (ÖVP): Meine geschätzten Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen im Nationalrat! Herr Vizekanzler und Sportminister! Geschätz­ter Herr Präsident! Liebe Zuseherinnen, Zuhörer zu Hause! Für mich war das eine turbu­lente Woche – gestattet mir, dass ich das nur in ein paar Zeilen erzähle:

Bei einer nächtlichen Sitzung, in der man sich nicht einigen kann, dabei zu sein ist mir nicht unbekannt, das ist ja in diesem Haus auch öfter so. Dann aber knapp vor Mitter­nacht gefragt zu werden, ob man Peter Schröcksnadel als Präsident im Österreichi­schen Skiverband – dem erfolgreichsten der Welt (Abg. Hafenecker: Jetzt bitte keine Gschichtln drucken!), der mit 400 Sportlerinnen und Sportlern, mit Athletinnen und Athle­ten in aller Welt in allen Disziplinen erfolgreich unterwegs ist – nachfolgen und einen Verband mit 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen will (Zwischenruf bei der FPÖ), ja, das war für mich eine große Herausforderung.

Warum? – Weil ich einerseits mein ganzes Leben lang im Ehrenamt gearbeitet habe und mir das alles bekannt war. Ich bin seit 20 Jahren im steirischen Skiverband tätig, ich war selber Vereinsobmann im Lachtal, beim Sportverein, ich bin Tourismusobmann in der Region, die übrigens vor 14 Jahren alles umgeschmissen hat und mit einem Schulden­haufen dagestanden ist, da hat man mich gebeten (Abg. Hafenecker: Halten S’ die Rede im ÖSV!), alle Couleurs – Wolfi Zanger weiß das, der kommt auch aus dem Murtal, Max Lercher und alle, die da zu Hause sind –, mitzuarbeiten. Den Verband haben wir wieder in Schwung gebracht. Es war geplant, dass ich ein Jahr dort bleibe, ich bin jetzt nach 14 Jahren noch immer Vorsitzender, im Herbst wäre es ohnehin ausgelaufen.

Jetzt komme ich dazu: Ich habe Ja gesagt. Wissen Sie – damit das auch klar ist –, was ich dafür eintausche? Ich bin Nationalratsabgeordneter – jeder weiß, was er jeden Monat auf seinem Lohnzettel stehen hat –, ich wechsle in ein Ehrenamt mit null Bezahlung. (Abg. Hafenecker: Mir kommen die Tränen!) Warum? – Nein, mir kommen nicht die Trä­nen. Sie können ruhig sagen, Ihnen kommen die Tränen. – Weil ich ein Vorbild für alle ehrenamtlichen Funktionärinnen und Funktionäre Österreichs sein will. (Beifall bei ÖVP und Grünen. Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Herr Vizekanzler, wir haben in unserem Sportausschuss mehrmals genau über dieses Ehrenamt und genau über diese Aufgaben gesprochen und darüber beraten, was wir diesen Funktionärinnen und Funktionären nicht alles an Auszeichnungen und natürlich Wertschätzungen entgegenbringen. Ich will mit dem Ehrenamt vorangehen, ich meine das ernst, ich werde mein Mandat nach der Sommerpause im September zurücklegen. Das habe ich dort bei der Sitzung schon gesagt, das ist für mich Voraussetzung, um den erfolgreichsten Skiverband der Welt zu führen, um für Österreich einen Beitrag zu leisten, sportlich weiterhin erfolgreich zu bleiben, ja an der Spitze zu bleiben (Zwischen­ruf des Abg. Matznetter) und das Tourismusland Österreich, das ja mit dem Sport eng verbunden ist, natürlich auch mit zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Zum Abschluss: Herr Vizekanzler, das, was über den Sportbericht – der ist ja jetzt das Thema – referiert wurde, kann ich nur unterstreichen. Danke für die Unterstützung (Zwi­schenruf des Abg. Matznetter) – der NPO-Fonds für alle Vereine hat geholfen, der Ös­terreichische Skiverband insbesondere konnte die Sportbewerbe durchziehen, das hat den Sportlerinnen und Sportlern, den Kindern gut getan, sie konnten Skifahren lernen, den Schneesport lernen, sich bewegen.

Ich darf bitten – ich strecke in meiner zukünftigen Funktion wirklich allen die Hand entge­gen –, wirklich parteiübergreifend zusammenzuarbeiten, damit wir das bleiben, was wir jetzt mit dem Österreichischen Skiverband auch sind: der erfolgreichste Sportverband der Welt. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. Abg. Hafenecker: Die Eitelkeit ist ein Wahnsinn!)

16.05



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 124

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Vizekanzler. – Bitte.


16.05.57

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler
Mag. Werner Kogler
: Wir wollen Abgeordnetem Shetty recht geben und einmal damit beginnen, dass wir das jetzt der Reihe nach auflösen. Als Erstes: Gratulation an Abge­ordneten Schmidhofer, an den neuen Präsidenten des ÖSV! (Beifall bei Abgeordneten der Grünen und bei der ÖVP.)

Es dürfte turbulent gewesen sein – Sie sind noch frohen Mutes, das freut uns (Heiterkeit bei Abgeordneten der ÖVP) –, es ist ja auch wichtig genug. Ich sage immer, man kann die Bedeutung des Sports nur unterschätzen, er hat sich ja über die Jahrhunderte und Jahrtausende entwickelt. Wir wissen, wie er weltweit organisiert ist, und tatsächlich ist es so, dass der ÖSV in dem Metier, in dem er nun einmal tätig ist, sicher ein herausra­gender Verband von weltweiter Bedeutung ist, zumindest dort, wo man den Schnee kennt. Das ist nicht so wenig. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich selber habe einen großen Bezug dazu – ich glaube, wir haben schon einmal darüber geplaudert –, weil ich ja sozusagen von Kindes weg, seit es in unserem Haushalt einen Schwarzweißfernseher gegeben hat, vor selbigem gehangen bin und mir alle möglichen Skirennen reingezogen habe. Da war der alpine Skiweltcup noch eher jüngeren Datums, aber es hat ihn schon gegeben, und ich bin bis heute davon fasziniert. Es gehört für mich zu den entspannendsten und spannendsten Tätigkeiten am Samstagvormittag, Ab­fahrt Sonntagvormittag geht sich vielleicht ja noch aus –, diese Skirennen zu verfolgen. Irgendeine Prägung hat das also hinterlassen.

Es ist nicht nur der ÖSV gewesen, ich finde im Skisport eigentlich viele Nationen gut, meine heimlichen Favoriten und Favoritinnen waren immer die Norwegerinnen und Nor­weger, aber der ÖSV war in den letzten Jahrzehnten sicherlich weltweit der erfolgreichs­te Verband. Ich möchte das durchaus einmal mit aller Ernsthaftigkeit aussprechen und etwas hinzufügen: Ich anerkenne auch die erfolgreichen Tätigkeiten und Arbeiten Ihres Vorgängers Peter Schröcksnadel. Ich sage das, da viele vermutet haben, dass wir, Schröcksnadel und ich, nicht so leicht zusammenkommen werden. Die Vermutung hat aber nur ein paar Wochen gedauert. Nach Angelobung der Regierung habe ich mich eineinhalb Stunden mit ihm zusammengesetzt, wie sich so etwas gehört – wir werden uns auch treffen, das haben wir schon vereinbart –, und siehe da, in vielen Bereichen ist eine gescheite Zusammenarbeit zustande gekommen.

Wir haben auch schon darüber gesprochen – oder er hat es referiert, er war ja nicht unbedingt auf mich angewiesen –, welche Veränderungen er eingeleitet hat. Das sollte man auch anerkennen, obwohl man lange nicht immer einer Meinung mit ihm sein muss­te, so wie das auch bei uns manchmal war. Er hat einige Veränderungen eingeleitet, die sich durchaus mit den Schwerpunkten des nunmehrigen Sportministeriums und des Sportministers treffen. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Auch das will ich nicht uner­wähnt lassen, denn das war ja am Anfang gleich einmal ein lustiges Thema: Ein Grüner wird Sportminister, was kommt denn da heraus? – Dieses Thema bleibt ja jetzt nur mehr bei der FPÖ. – Vielen Dank, wir werden die Gelegenheit haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn es jetzt der Reihe nach gehen soll, dann sage ich eines dazu, da es der Hauptteil des Tagesordnungspunktes ist, damit wir nicht nur abschweifen – das ist sonst ein Privi­leg von mir, aber heute haben sich ja auch die Abgeordneten schon in dieser Richtung hervorgetan – und nicht den Tagesordnungspunkt vergessen: Hier habe ich diesen Sport­bericht (den Bericht in die Höhe haltend), der im Übrigen aus den Jahren 2005/2006 ist, Herr Abgeordneter Shetty, und nicht aus den Jahren 2007/2008. Das war der letzte, der vorgelegt wurde.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 125

Ja, mein Gott, es ist jetzt eine Initiative des Nationalrates in Form eines Entschließungs­antrages, der – und wir nehmen das ernst – uns tatsächlich in gewisser Weise bindet. Wir haben am Montag erst gehört, was die Bedeutung des Hohen Hauses gegenüber der Regierung betrifft, und da ich schon im Ausschuss gemerkt habe, wohin die Reise geht und wie die Mehrheitsverhältnisse sind, kann ich Ihnen sagen: Wir haben schon mit einer im Übrigen neu geschaffenen Sportabteilung – weil wir unser Haus umgebaut, ver­schlankt und effizienter gemacht haben – mit den Vorbereitungsarbeiten begonnen, da­mit dieser Sportbericht erstellt wird. Das beginnt schon, und zwar umfassend und nicht nur in Bezug darauf, was die Sportförderung im engeren Sinne, die GmbH, macht. – Wo ist denn Abgeordneter Shetty überhaupt? Ich sehe ihn jetzt nicht. (Ruf bei den NEOS: Ein Fernsehinterview macht er gerade!) – Ja, macht ja nichts, das darf er ja. Es ist ihm zu übermitteln – es wäre nur gut, wenn die Abgeordneten die Gesetze kennen würden. Darauf kann ich jetzt nicht verzichten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Er verweist auf § 40 des einschlägigen Gesetzes. Wenn er sich dort eine Spur vertiefen würde, würde er draufkommen, dass sich diese Passage auf die GmbH bezieht, und die liefern ja auch – Entschuldigung, nur damit das nicht hängenbleibt. Was da gemeint ist, ist viel umfassender, und dazu gibt es eben keine gesetzliche Grundlage. Man muss ja nicht gleich für alles ein Gesetz machen.

Jetzt sind wir genau dort: Der Nationalrat fordert etwas, und wir machen das. – Es hat eben schon begonnen, das kann man mitnehmen. Darum herum sind alle weiteren För­derschwerpunkte aufzulisten, und zwar im Sinne einer Transparenz, was mit dem Geld geschah. Sie kennen ja die Zweiteilung der Sportförderung auf Bundesebene: einerseits was die GmbH macht, andererseits was das Ressort, die Sektion, macht. Auch das kann man ausweisen, auch das ist ein großer Schritt zur Transparenz, denke ich.

Die Schwerpunkte, die zu Recht immer eingefordert werden, und welche neuen dazuge­kommen sind, habe ich oft genug öffentlich benannt. Ich habe überhaupt keine von mei­nem Vorvorgänger, Heinz-Christian Strache, weggeschmissen oder verteufelt. Es muss ja nicht alles verkehrt sein.

Wir haben daraus mehreres übernommen und – das wird Sie jetzt nicht wundern – vier große Schwerpunkte, die wir auch leben, dazugesetzt: Gleichstellung und Frauenförde­rung, Inklusion – vor allem klassischen Behindertensport, aber auch darüber hinaus –, Integration und – was ist das Vierte, die Frau Vorsitzende des Sportausschusses hilft mir? (Ruf: Nachhaltigkeit!) – Nachhaltigkeit. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Dies gilt auch bei Sportereignissen, auf die wir heute noch zu sprechen kommen. Das machen wir auch, und Sie werden es im Bericht 2020/2021 aufgegliedert nachlesen können – wie sich das gehört.

Jetzt zu Abgeordneter Steger, die man in die Reihe hereinnehmen muss: Eh gut! Wenn Sie mich so oft vermissen: Wir können mehr Sportausschusssitzungen machen. Die letzte hat drei oder dreieinhalb Stunden gedauert. Das ist ja kein Problem. Ich komme auch gerne hierher, ich habe eine Einladung in den Nationalrat noch nie ausgeschlagen. Was mir aber bei dieser Gelegenheit auffällt, ist: Sie monieren, dass der vorliegende Antrag mehr oder weniger wortgleich – ich weiß nicht, ob Sie das gemeint haben – be­reits im Jahr 2018 vorgelegen sei. Sie haben selbst hinzugefügt, dass der rein rechtlich – soweit Entschließungsanträge verbindlich sind, was sie für mich schon sind, wir nehmen das ernst – wegen der Unterbrechung oder des Neustarts einer Legislaturperiode nicht mehr gelte. Das macht aber nichts, wir machen es. Ich hätte mir ja eher gedacht: Gut, machen wir es miteinander! Sie haben gerade gehört, wie ich über H.-C. Strache gespro­chen habe. Ich kann es aber auch umgekehrt sagen: Nur, weil es ein Antrag von der FPÖ war, muss er ja noch nicht schlecht gewesen sein, oder? – Wir finden uns also. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Steger: Arbeitsverweigerung!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 126

Mit Abgeordnetem Köllner haben wir uns des Öfteren ausgetauscht – auch wir haben uns immer wieder gefunden.

Es stimmt, bei den Öffnungen werden wir jetzt weiter beobachten. Gestern hat es be­gonnen – das will ich jetzt da nicht mehr hereintragen. Ja, es wird passieren – und das beginnt dieser Tage –, dass wir Vorbereitungen treffen. Das bezieht sich aber vor allem auf das Gesundheitsministerium und wegen des Verfassungsdienstes auf das Bundes­kanzleramt. Sie wissen ja, Verordnungen müssen halten, da haben wir dazugelernt. Das betrifft also nicht nur mich alleine. Es wird schon daran gearbeitet, für alle Lebens-, Sozial- und Wirtschaftsbereiche die nächste Etappe vorzubereiten, wenn es um weitere Lockerungen geht.

Die Prognoserechner sehen uns von den Zahlen her noch weiter unten. Wir werden, das traue ich mich zu sagen, in den nächsten Tagen erleben, dass die Siebentageinzidenz auf unter 50 geht. Das ist nicht so eine große Kunst, Sie brauchen nur die absoluten Zahlen der Tage zusammenzuzählen, durch sieben zu dividieren und zu schauen, wie das mit den 100 000 zusammenpasst. Wenn es aber so ist, dass durch die Öffnungs­schritte – die sicher einen gegenteiligen Effekt haben werden, weil mehr getestet wird und im Hinblick auf die Zahlen statistisch mehr rausgefischt werden – vielleicht wirklich trotz der drei Gs, die wir jetzt eh schon alle auswendig singen können, die Zahlen doch wieder steigen könnten, dann ist das zu beobachten. Unsere Prognose, auch die der Expertinnen und Experten, die das Gesundheitsressort zurate zieht, ist aber, dass es sich ausgehen wird und wir jetzt schon die nächsten Öffnungsschritte vorbereiten kön­nen. Es ist sicherlich zutreffend, dass man Vereinfachungen gerade auch im Sport vor­nehmen kann und soll – keine Frage.

Zum NPO-Fonds möchte ich nicht so viel sagen, andere Kollegen haben ihn schon an­gesprochen. Es ist nicht so, dass die Summe bei 75 Millionen Euro steht, mittlerweile sind wir bei 85 Millionen Euro, und es wird noch weiter nach oben gehen. Wir sind jetzt in der Schlussetappe der Abrechnungen des Vorjahres, aber es kommen erst Anfang Juli die Anträge für das gesamte halbe Jahr 2021 herein, weshalb es noch weiter nach oben gehen wird. Dies gilt im Übrigen auch für den Profiligenfonds. Wie viel Geld dann übrig bleibt, Herr Kollege Köllner, werden wir sehen, aber ich gebe Ihnen recht, wir soll­ten es in einem ähnlichen Sinn weiterverwenden, so etwas übrig bleibt. Es wird aber noch anständig in die Schatulle gegriffen, wobei alle Lebensbereiche gemeint sind – es betrifft ja auch Kultur und Kunst und soziale Anliegen et cetera. Es wird abgerechnet werden, was noch einige Zeit dauern wird. Für die Vereine, die Sie angesprochen haben, ist es gut, denn sie können noch ein halbes Jahr bis Juni heranziehen und Kostenersatz bekommen. Teilweise ist sogar ein Einnahmenausfall inkludiert, da wir das auch immer nachgebessert haben.

Ich sage Ihnen, wir stehen jetzt mit den Profis und vor allem mit den Non-Profits im Sportbereich bei circa 110 Millionen Euro. Wir werden in ein paar Monaten bei 150 ste­hen und möglicherweise ganz am Schluss, wenn alles abgerechnet ist, irgendwo zwi­schen 150 und 200 Millionen Euro. Das ist genau die Zahl, die ich mit dem Präsidenten der Sport Austria, Kollegen Niessl, mit dem ich, wie ich schon öfter betont habe, ein gutes Einvernehmen habe – Sie sehen, das geht über alle Parteigrenzen hinweg, was ich im Sport für wirklich wichtig halte – und den ich gestern zu einem langen und aus­führlichen Gespräch getroffen habe, in einer Prognoserechnung im April/Mai des Vorjah­res für eine lange und schwere Pandemie – so sie kommt, und leider ist es so gekom­men – herausgefunden hatte. Ich will die Vereine jetzt nicht loben, da Sie das dankens­werterweise ohnedies immer selbst machen, doch scheinen sie recht zufrieden damit – auch Respekt an Kollegen Köllner dafür, dass er das anerkennen kann.

Das ist die Zahlenprognose, von der wir ausgehen müssen. Was dann allenfalls übrig bleibt – und auch bei dem Gedanken und den Schlussfolgerungen bin ich bei Ihnen –,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 127

könnte man für verschiedene Dinge verwenden. Das haben Sie selber genannt, da wi­derspreche ich überhaupt nicht. Ich widerspreche nicht, und meine Redezeit ist jetzt, denke ich, auch zu Ende. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Kollege Brandweiner ist der nächste und damit der letzte Redner. – Bitte.


16.19.06

Abgeordneter Lukas Brandweiner (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Sportminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor allem liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Bevor ich zum Sportbericht komme, muss ich meine Verwunderung ausdrücken. Kollegin Steger spricht von Arbeitsverweigerung, davon, dass es zu wenige Ausschusssitzungen gegeben hat, dass der Herr Sportminis­ter zu wenig tut, aber im Ausschuss ist die Fraktion, die am Schluss nur mit einer Person vertreten ist, die FPÖ. Wahrscheinlich interessiert es Sie einfach nicht. (Zwischenruf der Abg. Steger.) Ich weise das also wirklich zurück. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun zur Vorlage eines jährlichen Sportberichtes: Wir sind uns ja grundsätzlich darüber einig – und die Debatte hat es auch gezeigt –, dass es wichtig ist, dass wir regelmäßig über den Sport in Österreich sprechen. Gerade im letzten Jahr ist so vieles passiert. Die Hilfen sind vom Herrn Sportminister angesprochen worden – und ich kann die Worte meines Kollegen Köllner von der SPÖ nur unterstreichen, denn ich habe auch mit vielen Sportvereinen Kontakt gehabt –, die Abwicklung funktioniert perfekt, die Zahlungen lau­fen. Das heißt, da ist wirklich gut gearbeitet worden. Ich möchte den Dank natürlich an den Herrn Sportminister weitergeben, möchte aber quasi im gleichen Atemzug auch un­seren Sportlandesrat in Niederösterreich, Jochen Danninger, nennen, denn ich habe erst kürzlich mit ihm telefoniert, und er hat diese hervorragende Zusammenarbeit hervorge­strichen – von dieser Stelle daher einen Dank an die Heimat dafür, dass die Sportvereine so toll unterstützt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wie in vielen Bereichen ist Geld nicht alles. Gerade unsere Vereine leben nicht vom Geld, sondern von den Funktionärinnen und Funktionären, von den Sportlerinnen und Sportlern. Man könnte meinen, sie haben jetzt ein Jahr lang nichts getan. Das ist aber falsch! Sie haben sich mit Konzepten vorbereitet (Zwischenruf des Abg. Schellhorn), es hat im Jugendbereich enorm viele Anstrengungen gegeben – ich habe das selber er­lebt –, Challenges im Onlinebereich, es ist vorgeturnt worden, weitergeschickt worden, und die Kinder und Jugendlichen haben das nachgemacht; gerade der Volleyballverein in meiner Heimatregion, die Nordmänner, hat das perfekt gemacht, aber auch viele Fuß­ballvereine und andere Sportvereine. Dafür möchte ich an dieser Stelle wirklich Danke sagen.

Ich weiß es von vielen Kollegen: Wir alle stehen in den Startlöchern, damit wir jetzt wie­der mehr Sport machen können. Ich selbst freue mich auf das Training am Samstag bei meinem Verein. Morgen werde ich mich noch einmal testen lassen, denn das ist wichtig. Meine Bitte an die vielen Sportlerinnen und Sportler ist, dass sie sich wirklich an die Sicherheitskonzepte halten. Der Herr Vizekanzler hat es angesprochen: Die Entwicklung läuft super, das heißt, es wird bald Erleichterungen geben, aber schauen wir gerade jetzt am Anfang, dass wir Sicherheit gewährleisten!

Vielleicht noch kurz zum Spitzensportbereich, weil ja Förderungen gerade im Spitzen­sportbereich so wichtig sind und auch der zukünftige ÖSV-Präsident jetzt hier sitzt: Lieber Karl, ich gratuliere dir natürlich (Abg. Schmidhofer nickt) auf der einen Seite – du hast es angesprochen, es ist gar nicht so leicht! Auf der anderen Seite ärgert es mich, wenn es jetzt heißt: Er ist es geworden, weil er ein ÖVPler ist. Das stimmt nicht! (Abg. Schellhorn: Na geh! Zwischenrufe bei der SPÖ.) Er hat im Sportbereich so viel ge­leistet, er ist Präsident des steirischen Landesskiverbandes, und jetzt ist er designierter


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ÖSV-Präsident. Ich gratuliere dir auch zu deinen Medienauftritten. Ich bin überzeugt – und ich gratuliere eigentlich uns allen hier herinnen –, dass der ÖSV mit Karl Schmidho­fer an der Spitze und mit allen anderen an seiner Seite weiterhin erfolgreich bleiben wird, dass wir noch viele gemeinsame Erfolge werden feiern können und dass wir letztlich im Sportbericht auch wieder viel Positives vom ÖSV hören werden. – Dafür wünsche ich dir alles Gute. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Abschließend: Bewegen Sie sich, bewegen Sie sich in den Vereinen, und alles Gute! (Bei­fall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung verlege ich an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Sportausschusses.

16.23.3214. Punkt

Bericht des Sportausschusses über den Antrag 1551/A(E) der Abgeordneten Christoph Zarits, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Maximilian Köllner, MA, Mag. Yan­nick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung der Menschenrechte durch Sport und große Sportereignisse (822 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zum 14. Tagesordnungspunkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Prammer. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.


16.24.07

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Herr Sportminis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die nächste Fußballweltmeisterschaft der Männer wird in Katar stattfinden. Das ist ein Land, in dem es keine Gleichberechtigung gibt, keine Meinungsfreiheit, keine Religionsfreiheit, keine Pressefreiheit gibt, ein Land, in dem Arbeiter und Arbeiterinnen in einem sklavereiähnli­chen Arbeits-„rechts“-verhältnis (mit den Fingern Anführungszeichen andeutend) ausge­beutet werden.

Es ist gut und es ist richtig, dass es jetzt zahlreiche Initiativen gibt, die das aufzeigen und die das anprangern und die versuchen, daran etwas zu ändern. Es wurden durch diese Kampagnen auch bereits einige kleine Erfolge erzielt, sodass zum Beispiel eben dieses ausbeuterische Kafala-System abgeschafft werden soll. Es wurden schon einige Geset­zesänderungen beschlossen, die – man höre und staune! – eine selbstbestimmte Aus­reise oder einen Jobwechsel für ArbeitnehmerInnen ermöglichen und die eine regelmä­ßige Bezahlung garantieren. Also es ist wirklich schlimm, dass man so etwas überhaupt sagen muss. – Zumindest das hat es jetzt gebracht, dort ist das leider eine sehr große Errungenschaft.

Das ist nur ein Beispiel von sehr vielen, wie solche Sportgroßereignisse an Länder ge­hen, die die positiven Wirkungen, die solche Sportgroßereignisse mit sich bringen, ei­gentlich nicht verdienen. Eigentlich müsste es genau umgekehrt sein. Es ist notwendig, dass die Länder zuerst diese menschenrechtlichen Standards herstellen und dann erst die Ereignisse an diese Länder vergeben werden können. Damit, dass diese touristi­schen Mehrwerte, diese Marketingmehrwerte, die man durch die vermehrte Berichter­stattung hat, dieser erhöhte Einsatz durch den Bau von Stadien, durch den Bau von


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Beherbergungsbetrieben, durch die ganze Neugestaltung von Städten und Stadtteilen, durch Investitionen in öffentlichen Verkehr und Straßenausbau, dass das alles einem Land zugutekommt, kann man wirklich einen Anreiz schaffen, aber dafür müssen zuerst die menschenrechtlichen Mindeststandards hergestellt sein.

Es ist wichtig, dass wir uns als Politikerinnen und Politiker dafür einsetzen, dass das erfolgen kann, denn grundsätzlich ist es ja so, dass die Sportverbände, die internatio­nalen Sportverbände selbst bestimmen, in welchen Ländern sie ihre Großereignisse austragen. Wenn aber in einem Land eine Fußballweltmeisterschaft, die Olympischen Spiele oder die Paralympischen Spiele stattfinden, dann ist das für dieses Land wie ge­sagt ein sehr, sehr großer Mehrwert. Es ist wichtig, dass wir als Politik die notwendigen Strukturen schaffen, damit die Sportverbände diese Vergaben nach diesen Kriterien aus­richten.

Die Sportverbände sind in den einzelnen Nationen an die Gesetze ihrer Länder gebun­den, und sie können auch nur innerhalb dieser Kriterien, die die Politik vorgibt, agieren. Aus diesem Grunde ist es sehr, sehr wichtig, dass diese Kriterien für die Sportgroßveran­staltungen international abgestimmt werden. Es bringt nichts, wenn einzelne Länder ih­ren Sportverbänden Kriterien vorgeben, da es ja um Mehrheitsentscheidungen in den internationalen Verbänden geht und dort die nationalen Verbände mit einer starken Stimme, mit einer gestärkten Stimme, mit einer europäischen Stimme sprechen können sollen. Deshalb ist es wichtig, dass wir ihnen Möglichkeiten und Maßgaben zur Hand geben, die im europäischen Umfeld abgestimmt sind.

Der aktuelle Antrag beschäftigt sich genau damit und verlangt genau das. Ich finde es ein bisschen schade, dass es hier eine Art Wettbewerb gibt, wer zuerst auf welche Idee gekommen ist. Lieber Max (in Richtung Abg. Köllner), ja, ihr habt letztes Mal einen Entschließungsantrag eingebracht, vorher hatten aber schon die NEOS einen Antrag eingebracht, und auch wir waren bereits in der Abstimmung für einen Antrag. Das heißt: Was ist denn schlimm daran, wenn wir alle das gleiche Thema bearbeiten, wenn wir alle an den gleichen Interessen arbeiten, wenn wir uns dann zusammentun und das gemein­sam machen? Dieser Wettbewerb: Ich habe zuerst!, Ich habe zuerst!, Nein, ich habe zuerst!, bringt uns hier eigentlich nicht weiter. Tatsache ist: Wir machen das jetzt ge­meinsam. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Im Übrigen, was gemeinsam anbelangt: Wir haben das im Ausschuss einstimmig be­schlossen, ich bin gespannt, ob wir es auch hier einstimmig beschließen – ich hoffe es sehr.

Es ist ja schon ein Abänderungsantrag im Umlauf, dazu möchte ich ganz kurz Stellung nehmen. Dort wird leider das Menschenrechtsthema wieder mit dem Impfthema ver­mischt und vermengt und aus meiner Sicht diesem wirklich guten Antrag etwas an Wert genommen. (Abg. Steger:  ... Abänderungsantrag!) – Bitte? (Abg. Steger: Das ist kein Abänderungsantrag!) – Okay, ihr werdet einen anderen Antrag einbringen.

Ich möchte trotzdem dazu Stellung nehmen, denn: Es war bisher immer so und es wird auch immer so sein, dass bei sportlichen Ereignissen im Ausland die Einreisebestim­mungen der Gastländer einzuhalten sind. Das ist immer so gewesen und wird auch im­mer so sein, weil es anders gar nicht geht. Auch Sportereignisse sind ganz normal im Rahmen der bestehenden Einreiseregulatorien zu sehen. Es war noch nie ein Problem, dass, wenn in gewissen Ländern bestimmte Impfungen vorgesehen waren, diese Be­stimmungen eingehalten werden müssen. Das ist mit Hepatitis so, das ist mit Malaria so – das ist mit allen Impfungen so. Wenn sie für die Reisen vorgeschrieben wurden, müssen diese Bestimmungen eingehalten werden. Es ist auch mit Visabestimmungen so, dass diese eingehalten werden müssen. Es ist kein Zwang, und das ist bitte keine Beschränkung der Menschenrechte. Bringen wir bitte diesen wertvollen Antrag und


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dieses wichtige Thema nicht auf dieses Niveau! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Steger: ... Impfzwang, ... sehr interessant!)

16.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Yılmaz. – Bitte.


16.31.19

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Ja, Kollege Schmidhofer, auch meinerseits alles Gute für Ihre neu­en Herausforderungen! Wenn Sie – und das meine ich jetzt nicht zynisch – die Hälfte der Gschaftln von Herrn Schröcksnadel übernehmen, dann kann ich mir eh nicht vorstel­len, dass Sie als Abgeordneter noch Zeit hätten, sich auch um diese Dinge zu kümmern. Ich hoffe auch, dass Sie in Ihrer Arbeit einen Schwerpunkt setzen beziehungsweise ein Auge darauf haben, dass Missbrauch in unseren Trainingszentren, in unseren Sport­camps, in was auch immer einfach nicht stattfindet (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der Grünen) – dass das für Sie ganz oben auf Ihrer Liste steht. – Danke.

Wir diskutieren über Sportgroßveranstaltungen und Menschenrechte. Frau Kollegin Prammer, es geht gar nicht darum, wer als Erster den Entschließungsantrag initiiert hat. Ja, die NEOS und die Sozialdemokratinnen und -demokraten haben das. Unsere sind aber viel konkreter. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Da steht ganz genau drinnen, was wir uns erwarten, und da hätten Sie – Sie sind Ausschussvorsitzende, was mich sehr freut und was Sie auch sehr gut machen – ja auch sagen können: Hey, Leute, wir machen das jetzt sofort gemeinsam! – Wir haben viel Zeit verloren. Über das, was da jetzt zusam­mengekommen ist, haben wir uns alle so gefreut, dass gleich acht Leute unterschrieben haben. Sie sehen also, die Bereitschaft ist da. Was Menschenrechte, Frauenrechte und Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen betrifft, haben wir, glaube ich, gemeinsam viel mehr zu sagen.

Katar – wie es dort zugeht, wurde ja schon erwähnt: Verletzung von Frauenrechten, Menschenrechten, Sklavenhandel. Man muss sich nur vorstellen, dass sich dort die Ar­beiter vom Baugerüst runterschmeißen, damit ihre Familien wenigstens Versicherungs­geld bekommen. So geht es dort zu. Diese WM ist die WM von bis jetzt 6 500 Toten. Das muss uns immer bewusst sein. Herr Minister, was mir nach wie vor abgeht, ist, dass ich von Ihnen zu diesen Zuständen in Katar – betreffend Menschenrechte, Großveran­staltungen, Sport – offiziell etwas höre. Sie sind ja sonst nicht gschamig, wenn es ums Reden geht (Heiterkeit bei der SPÖ), und ich glaube, Sie haben genug Möglichkeiten, zu formulieren, dass wir das nicht tolerieren können.

Man muss sich vorstellen, dass ein Rasenhersteller aus Dänemark, nachdem er gehört hatte, welche Zustände in Bezug auf die Menschenrechte dort herrschen und wie Men­schen gestorben sind, einfach gesagt hat: Nein, da liefere ich keinen Rasen! –, und der lebt davon. Wenn ihm das so leicht fällt, denke ich, muss es auch für einen Sportminister, das offizielle Österreich, leicht sein, öffentlich zu sagen: Wir wollen das nicht!

Ja, die Sportverbände sind mit irgendwelchen Manschetten und aufgehängten Respekt­taferln sehr schnell zur Stelle, aber im Endeffekt sind sie sehr gern dort unterwegs, wo Menschenrechte nicht eingehalten werden, weil der Widerstand nicht sehr groß ist. Wenn mich nicht alles täuscht, hat sogar Herr Platini gesagt, er arbeitet lieber mit Dikta­toren zusammen, weil es da die wenigsten Brösel gibt.

In diesem Sinne hoffe ich, dass sich unser Österreich – die Skination und Sportnation Österreich – in diese Großveranstaltungen viel, viel lauter einbringen wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.35


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Graf. – Bitte.



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 131

16.36.08

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte vielleicht noch auf den vorigen Tagesordnungspunkt zurückkommen. Ich habe mich da nicht zu Wort gemeldet, weil man das eigentlich auch bei diesem Punkt mitbehandeln kann. Der Herr Präsident ist mir nicht böse (in Richtung Präsident Sobotka), wenn ich noch ein paar Worte sage, denn es hat beim vorigen Punkt ohnehin niemand zur Sache gesprochen. Er wird mir das jetzt hoffentlich nicht vorwerfen.

Weil wir gerade bei Menschenrechten sind: Es ist schon zu beobachten, dass, wenn jemand, der zufälligerweise aus der ÖVP kommt, für ein Präsidentenamt nominiert wird, der gefeiert wird, als ob er schon gewählt worden wäre. Es sagt ja keiner, dass er de­signierter Präsident oder Kandidat ist, sondern er wird schon als Präsident begrüßt, ihm wird schon als Präsident gratuliert (Zwischenruf der Abg. Kugler), dabei ist erst im Juni die Sitzung, in der er gewählt wird. Ich gratuliere ihm einmal zur Nominierung und hoffe, dass er gewählt wird, weil es ja höchst peinlich wäre, wenn es nicht passieren würde, dass er Präsident wird – das wäre dann für alle eine schlimme Sache.

Wenn jemand von der ÖVP für ein Amt designiert ist, bekommt er es in der Regel auch am Ende, und das ist vielleicht etwas – das kann man auch so festhalten – fast Typi­sches, man braucht dazu ja schon fast keine Wahlen mehr. Ich sage jetzt gar nicht, was da im Vorfeld alles passiert ist. Ich gratuliere ihm auch dazu, dass er nach stundenlanger Diskussion über Kandidaten dann zufälligerweise um Mitternacht – sage ich jetzt über­spitzt formuliert – eine Powerpoint-Präsentation für seine Kandidatur mitgehabt hat und am Ende alle ihn vorgeschlagen haben (Beifall bei der FPÖ), ganz maßgeblich sechs Landesverbände; der Wiener Skiverband und der Burgenländische Skiverband waren sicher ganz ausschlaggebend dafür, dass er dann auch nominiert worden ist.

Wie gesagt, Sie sind nominiert. Parteifunktionen schließen einen meiner Meinung nach nicht von anderen Ämtern, die man übernimmt, aus. Wenn Sie das Mandat niederlegen, ist das gut und richtig und auch Ihre Entscheidung – das ist so, das nehmen wir zur Kenntnis. Wir hoffen, dass die Parteipolitik im Sport weniger Platz greift. Der Bereich ist ohnehin überlastet – man braucht sich nur anzuschauen, wie unsere politischen Dach­verbände organisiert sind. Da könnte man einiges zurückfahren, Herr Bundesminister, das wäre eigentlich eine Aufarbeitung für einen Bericht.

Ansonsten verstehe ich nicht, dass man das so abfeiert. Man verliert gar kein Wort da­rüber, dass in Wirklichkeit seit 15 Monaten oder länger organisierter Sport gar nicht statt­findet. Es wird also ein dünner Bericht des Vorjahres, den der Herr Bundesminister vor­legt, denn man muss sich ja einmal auf der Zunge zergehen lassen, dass man in der größten Gesundheitskrise, wie es ja immer beschrieben wird, den organisierten Freiluft­sport verbietet – das muss einem einmal einfallen – und glaubt, dass man damit bei un­serer Jugend vielleicht immunstärkend wirkt oder gesundheitspolitisch etwas ähnlich Gu­tes bewirkt.

Ich halte das für einen falschen Weg. Diese Rechnung, die wir da aufgemacht haben, wird uns in den nächsten Jahren präsentiert werden, wenn es darum geht, wie gesund unsere Jugend ist, die jetzt fast zwei Jahre keinen effektiven Sport betreiben konnte. (Zwischenruf des Abg. Strasser.) Da werden wir hoffentlich nicht böse überrascht wer­den.

Zum Antrag selbst: Wir werden ihm zustimmen, selbstverständlich sind wir – das haben wir auch im Ausschuss schon gesagt – dafür, dass sich der Herr Bundesminister weiter­hin dafür einsetzt, dass den Menschenrechten auch in Sportbelangen zum Durchbruch verholfen wird.


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Zu Katar: Das ist alles tragisch, das stimmt schon, diese Kritik teilen wir auch grund­sätzlich, aber als selbst sportaktiver Mensch sage ich, neben allen menschenrechtlichen Defiziten hat in Katar eine Fußballweltmeisterschaft überhaupt nichts verloren. Das ist nämlich kein Land, das entsprechende Voraussetzungen dafür mitbringt, weder klima­tisch in dieser Zeit, noch waren sie auf das Ganze vorbereitet.

Ich glaube eher, dass das ein großer Korruptionsfall gewesen ist und man ziemlich viele Geschäfte gemacht hat mit sehr, sehr vielen, die dann immer behaupten, ehrenamtlich unterwegs gewesen zu sein. Da muss man ein wenig aufpassen.

Wenn wir den menschenrechtlichen Standard sehr hoch ansetzen würden – ich würde es mir wünschen –, dann könnte außerhalb von Europa und vielleicht noch ein paar an­deren Ländern, und da auch nur in Teilen von Europa, nirgends mehr eine Sportgroßver­anstaltung stattfinden. Wir haben zum Beispiel bei der Ausrichtung der Olympischen Spiele in China nicht so viel Zinnober gemacht. Weil China eine ganz andere Wirtschafts­macht ist, hat sich jeder relativ ruhig verhalten. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Vielleicht sollte man das auch einmal erwähnen, dass man nicht immer nur dann laut ist, wenn es um Länder geht, die sich wenig bis gar nicht wehren können, sondern das muss dann für alle gelten. Kritik muss überall gleichgewichtig ankommen, wenn es eine zu üben gibt.

Neu ist mir, wenn mir vorgeworfen wird, und das war ein bissel untergriffig, nur einer wäre im Ausschuss gewesen – wir waren schon vollzählig dort, ich war ja auch dort! Das können Sie zwar behaupten, aber es stimmt nicht. Ich pfeife auf die tatsächliche Berich­tigung, aber man sieht, wie Sie aufpassen, wenn es um Inhalte geht.

Neu ist mir auch, dass es eine Malariaimpfung gibt, wie die Kollegin gesagt hat. (Zwi­schenruf der Abg. Prammer.) Also wenn Sie die schon haben und die auch in manchen Ländern erzwungen werden kann – ich kenne keine Malariaimpfung, ich glaube, es gibt diese auch noch nicht. Daher war es ein schlechtes Beispiel, Frau Kollegin.

Jetzt komme ich zu unserem Antrag. Wir wollen eine Ergänzung zu dem Gesamtantrag und das weiter gefasst haben, weil es ein aktuelles, akutes Problem gibt. Ein Impfzwang ist eine Angelegenheit der Menschenrechte, sonst würde sich nämlich die Parlamenta­rische Versammlung des Europarates nicht schon seit über einem Jahr damit befassen und auch eine Resolution verfasst haben, dass ein Impfzwang Diskriminierung bedeutet. (Beifall bei der FPÖ.)

Das wollen wir schon hervorheben, ich möchte das nur an dieser Stelle vermerkt haben. Wir sind dezidiert gegen einen Impfzwang, sei er direkt oder auch indirekt. Es ist je­dermanns und jederfrau eigene Sache, sich impfen zu lassen, und es darf auch keinen Einfluss im Sport haben, dass man dadurch direkt oder indirekt ausgeschlossen werden kann. Daher wollten wir eine Ergänzung haben, die niemandem gefallen hat.

Ich bringe daher unseren Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wahrung der Menschenrechte – keine Zwangsimpfung für Sportler“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentli­chen Dienst und Sport werden aufgefordert,

- sich für ein gesetzliches Verbot von Zwangsimpfungen in Österreich im Zusammen­hang mit der Corona-Pandemie und ähnlichen Infektionen insbesondere bei Sportver­anstaltungen einzusetzen;


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- die Initiative Finnlands auf Ebene der Sportministerinnen und -minister zu unterstützen, wonach die Europäische Kommission darauf hinwirken soll, dass Gastgeberstaaten von internationalen Sportgroßveranstaltungen die Menschenrechte einhalten und daher Zwangsimpfungen bei Sportveranstaltungen nicht zulassen;

- sich auch im Rahmen des Europarats für eine Stärkung eines menschenrechtsba­sierten Ansatzes in der (europäischen) Sportpolitik einzusetzen, bei dem Zwangsimpfun­gen keine Chance haben;

- sich des Weiteren auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass Schritte gesetzt werden, damit internationale Sportorganisationen dementsprechende sichtbare Ent­scheidungen treffen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

Das ist in Zeiten wie diesen, glaube ich, ein notwendiger Antrag, um Menschen nicht vom Sport abzuhalten, auch nicht vom Profisport abzuhalten und da nicht Diskriminie­rungen zu schaffen, die wir insgesamt nicht wollen.

Letztlich gebe ich meiner Hoffnung Ausdruck, dass wir im Sportbereich weiterhin gut zusammenarbeiten, noch besser als bisher. Herr Minister, es ist gut und wichtig, dass es informelle Besprechungen der Sportsprecher mit Ihnen gibt, dagegen ist überhaupt nichts zu sagen. Aber wenn es um parlamentarische Belange geht, dann werden Sie als alter Parlamentarier verstehen, dass wir permanent darauf insistieren werden, dass in der Sportpolitik hier im Hohen Haus die Debatten zu führen sind und nicht ausschließlich im Rahmen von informellen Vorabsprachen außerhalb des Hauses stattfinden. Das macht nämlich auch keinen schlanken Fuß. Vor allem ist es überhaupt nicht transparent. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Eine wirre Rede!)

16.46

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Steger, Dr. Martin Graf

und weiterer Abgeordneter

betreffend Wahrung der Menschenrechte – keine Zwangsimpfung für Sportler

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Sportausschusses über den An­trag 1551/A(E) der Abgeordneten Christoph Zarits, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Maxi­milian Köllner, MA, Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung der Menschenrechte durch Sport und große Sportereignisse (822 d.B.) in der 107. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 20 Mai 2021

Es liegt im österreichischen Interesse, gemeinsam mit unseren Partnern in der EU die Menschenrechte durch Sport und große Sportereignisse zu fördern. Sportliche Großer­eignisse können einen positiven Einfluss auf die menschenrechtliche Situation in den Bewerberländern entfalten: So können sie die Arbeitsbedingungen bei der Austragung der Großsportveranstaltungen, aber auch Fragen von gesellschaftlicher Wahrnehmung beeinflussen, und so eine Kultur der Menschenrechte für Gleichberechtigung und ein solidarisches Miteinander fördern.

Menschenrechte sind der FPÖ wichtig, es muss alles getan werden, diese bestmöglich in allen Bereichen zu schützen. Die zentralen Anliegen sind, dass jeder Mensch das


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Recht auf körperliche Unversehrtheit besitzt und dass die Freiheit jeder Person unver­letzlich ist.

Eines der größtes Sportportale des Landes, Laola1.at, schreibt über die die Nummer eins der Tennis-Weltrangliste: „Djokovic hofft, dass es zu keiner verpflichtenden Impfung auf der Tour kommt. Sowohl ATP als auch die Damen-Organisation WTA hatten es ihren Athleten empfohlen, Impf-Angebote anzunehmen. "Ich hoffe nicht, dass es verpflichtend wird, weil ich für die freie Wahl bin", meinte Djokovic bei den Serbien-Open in Belgrad.

Deutschlands Topstar Zverev ist da vom Ansinnen her ähnlich unterwegs. "Und ich finde, jeder sollte es so machen, wie er es für richtig hält", sagte der Weltranglisten-Sechste vor seinem Auftritt beim ATP-Turnier.“

Es ist zu befürchten, dass die Beteiligung an sportlichen Großereignisse in manchen Staaten an eine Impfplicht gekoppelt wird. Dies würde jedoch dem Recht auf die körper­liche Unversehrtheit widersprechen und Sportlern einen enormen Wettbewerbsnachteil einbringen. Einer solchen beruflichen Einschränkung, mit allen daraus resultierenden Nachteilen, lehnen wir strikt ab.  In einigen europäischen Staaten werden Corona-Tes­tungen mit Sanktionen verknüpft, d.h. wer sich nicht testen lassen möchte oder selbst wenn man einen negativen Test vorlegen kann, wird in Zwangsquarantäne geschickt. Wo es verpflichtende Testungen gibt, sind auch verpflichtende Impfungen mittelfristig nicht mehr auszuschließen.

Abgesehen davon, dass Zwangsimpfungen abzulehnen sind, kann es durch Nebenwir­kungen derselben zu Ausfällen von Trainingszeiten oder Wettkämpfen kommen. Eine Impfung fordert das Immunsystem. Ärzte raten Spitzensportlern, in Phasen intensiven Trainings oder während der direkten Wettkampfvorbereitung (ca. 14 Tage vor einem Wettkampf) eine Impfung überhaupt zu vermeiden.

Mit Olympia in Tokio steht im Sommer ein sportliches Großereignis an: Die Impfungen gegen Corona für Österreichs Olympia-Sportler für Tokio haben bereits begonnen. In den Heeres-Gesundheitszentren in Wien, Hörsching bei Linz, Innsbruck und Klagenfurt werden die Vakzine von Johnson & Johnson über die Bundesheer-Infrastruktur verab­reicht. Klarzustellen ist, dass jede Sportlerin und jeder Sportler das Recht auf eine frei­willige Impfung haben soll, die Diskriminierung bei Nicht-Impfung muss unter allen Um­ständen vermieden werden. Insbesondere soll die vom Europarat beschlossenen Anti-Diskriminierung von Ungeimpften unbedingt durchgesetzt und berücksichtigt werden

Die Vergabe von internationalen Sportgroßveranstaltungen erfolgt durch Vertreterinnen und Vertreter der nationalen Sportverbände bzw. verbandsübergreifender Sportorgani­sationen. Die Sensibilisierung und Vernetzung in menschenrechtlichen Fragen ist für die Berücksichtigung von Standards vor und während der Vergabeprozesse von großer Be­deutung.

Bereits im Jahr 2015 wurde vom Sportministerium eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, um die Akteurinnen und Akteure des organisierten Sports in Österreich zu vernetzen und menschenrechtliche Herausforderungen und Potenziale im Sport national wie interna­tional in Angriff zu nehmen, sodass sie auch ihren Einfluss bei Vergabeentscheidungen im Sinne der Einhaltung der Menschenrechte geltend machen können.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentli­chen Dienst und Sport werden aufgefordert,


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•             sich für ein gesetzliches Verbot von Zwangsimpfungen in Österreich im Zusam­              menhang mit der Corona-Pandemie und ähnlichen Infektionen insbesondere bei               Sportveranstaltungen einzusetzen;

•             die Initiative Finnlands auf Ebene der Sportministerinnen und -minister zu unter­              stützen, wonach die Europäische Kommission darauf hinwirken soll, dass Gast­              geberstaaten von internationalen Sportgroßveranstaltungen die Menschenrechte               einhalten und daher Zwangsimpfungen bei Sportveranstaltungen nicht zulassen;

•             sich auch im Rahmen des Europarats für eine Stärkung eines menschenrechts­              basierten Ansatzes in der (europäischen) Sportpolitik einzusetzen, bei dem               Zwangsimpfungen keine Chance haben;

•             sich des Weiteren auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass Schritte ge­              setzt werden, damit internationale Sportorganisationen dementsprechende sicht­              bare Entscheidungen treffen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht. Er ist ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung. – Ich hoffe, das sind Unterschriften. Als Unterschrift ist das schwer erkennbar, aber das ist eine kalli­grafische Sache.

Herr Abgeordneter Schmidhofer hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte.


16.46.48

Abgeordneter Karl Schmidhofer (ÖVP): Geschätzte Damen und Herren! Werte Abge­ordnete! Herr Kollege Fürst von der FPÖ - - (Rufe bei der ÖVP: Graf! Graf! – Abg. Martin Graf: Das ist keine Beleidigung!) Kollege Graf von der FPÖ! – Frau Klubobmannstellver­treterin Fürst, so hätte ich es in Gedanken formuliert gehabt, bitte das in den Klub mit­zunehmen! – Folgende tatsächliche Berichtigung (Abg. Rauch: Sie müssen einmal die Behauptung aufstellen!): Herr Graf hat behauptet, ich hätte eine Powerpoint-Präsenta­tion im Ärmel gehabt und hätte da in unserer nächtlichen Sitzung etwas Derartiges zei­gen können.

Ich berichtige tatsächlich: Ich hatte gar nichts mit! Ich war überrascht. Ich musste meine Frau um Mitternacht anrufen, damit wir abklären, ob ich Ja sagen soll oder nicht. Ich weise das auf das Schärfste zurück. (Abg. Rauch: Herr Präsident! Jetzt wird es peinlich!)

Frau Fürst, ich bitte Sie um etwas, und ich bitte alle anderen auch: Lassen wir dieses Thema jetzt draußen! Ich bin von allen Landesverbänden einstimmig vorgeschlagen, als Präsident zu wirken. (Abg. Steger: Das ist aber keine tatsächliche Berichtigung! – Wei­tere Zwischenrufe bei FPÖ und SPÖ.) Das wird dann beschlossen, da haben Sie recht, ich bin designiert, aber ich bitte Sie alle und Frau Klubobmannstellvertreterin von der FPÖ, Frau Fürst, Sie insbesondere: Lassen wir bitte dieses Thema jetzt draußen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Rauch: Das war die Rücktrittsrede!)

16.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der erste Teil war eine tatsächliche Berichtigung, der zweite Teil nicht und wird auf die Redezeit angerechnet.

Abgeordneter Weidinger ist der nächste Redner. – Bitte.


16.48.37

Abgeordneter Peter Weidinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Vizekanzler und Sportminister! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Liebe Österreicherin­nen, liebe Österreicher! Alle Menschen, die heute dieser Diskussion folgen! Ich glaube,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 136

wir alle sollten uns noch einmal die Ernsthaftigkeit dieses Tagesordnungspunktes in Er­innerung rufen. Es ist positiv und hervorzuheben, dass es einen Grundkonsens gibt, dass wir uns alle für die Förderung der Menschenrechte starkmachen, denn die Men­schenrechte erfordern es, dass wir da eine klare Haltung beziehen.

Ich möchte auch ganz klar feststellen, meine Damen und Herren, dass sich der Herr Vizekanzler im Team der Bundesregierung in den letzten 15 Monaten ganz stark, massiv dafür eingesetzt hat, dass wir diese Pandemie erfolgreich bekämpfen und dass wir dementsprechend jetzt in eine Phase eintreten können, in der es Gott sei Dank wieder Öffnungen gibt und auch das sportlerische Leben wieder richtig erwachen kann. Ein herzliches Dankeschön dafür! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Herr Bundesminister Schallenberg hat es im Menschenrechtsausschuss vor Kurzem so formuliert: 25 Prozent der Staaten auf dieser Welt sind liberale Demokratien, Rechts­staaten, in denen Menschenrechte eine Rolle spielen und die individuelle Freiheit im Mittelpunkt steht. (Abg. Bernhard: ... Österreich!) 25 Prozent, das heißt, wir haben einen Wettbewerb von unterschiedlichen Systemen.

Die Demokratie und der Rechtsstaat haben sich in Österreich als widerstandsfähig er­wiesen, als ein System, das es schafft, die Freiheit des Einzelnen auch gegen eine Pan­demie zu verteidigen, indem man eine Beschränkung und Einschränkungen der Grund­freiheiten auf Zeit vorgenommen hat, um die Gesundheit zu fördern – und das war gut und das war richtig so, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der Grünen.)

Eine besondere Geste dazu gab es gestern Vormittag. Ich bin über den Josefsplatz her­spaziert, und dort waren Musiker, die gespielt haben. Und ich habe es mitbekommen, dass sie auch die „Ode an die Freude“ gespielt haben, also die heimliche Hymne Euro­pas, die uns in Erinnerung rufen sollte, dass die Menschenrechte europäischer Prägung ganz maßgeblich bei uns geformt worden sind, einen Siegeszug um die Welt angetreten haben und wir für sie eintreten müssen. Ich möchte mich bei Frau Abgeordneter Maria Großbauer herzlich dafür bedanken, dass du gestern diesen musikalischen Beitrag or­ganisiert hast, um uns gut einzustimmen und dass wir uns alle gemeinsam auf die Öff­nung freuen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Österreich ist die Nation der Brückenbauer, meine Damen und Herren, und der Herr Vizekanzler ist ein Brückenbauer. Mit diesem Antrag, den wir heute hier gemeinschaftlich beschließen werden, stärken wir auch das Mandat, dass er sich dafür einsetzt, dass in allen Gremien, in allen Tagungen, überall, wo er mit an Bord ist, das Thema der Men­schenrechte und dessen Förderung bei Sportveranstaltungen auch forciert wird.

Es war ein Fehler der Fifa, 2010 bei der Vergabe kein Menschenrechtskonzept einzufor­dern, aber, meine Damen und Herren – man kann es auch nachlesen, und wenn man ordentlich recherchiert, sieht man es –, viele Menschenrechtsorganisationen bewerten es positiv, wie viele Veränderungen in Katar bisher stattgefunden haben. Gerade betref­fend den Bereich der Baustellen hat es Situationen gegeben, die wir uns in Österreich und Europa Gott sei Dank gar nicht vorstellen können. Davon hat sich Katar verab­schiedet, und jetzt gibt es erstmals ein Büro der Internationalen Arbeitsorganisation, die das kontrolliert und auch die Baustellen besichtigt. Das ist ein Novum in den Golfstaaten, und das ist ein wichtiger positiver Schritt. Das ist ein Erfolg, wenn man auf Dialog setzt und nicht auf Boykott.

Meine Damen und Herren! Die Fifa hat auch für die Zukunft eingeführt, dass es Men­schenrechtskonzepte geben muss – das war auch schon bei der letzten Bewerbung so, bei der Marokko dabei war. Die haben es dann nicht bekommen, aber die haben ein Menschenrechtskonzept erstellt. Wir Österreicherinnen und Österreicher sind Export­weltmeister, und zwar nicht nur Exportweltmeister in der Wirtschaft, sondern auch beim


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Transport der Menschenrechte. Das stützen wir, das unterstützen wir, und das ist gut so.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren: Setzen wir weiter auf den Dialog und nicht auf den Boykott! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Shetty. – Bitte.


16.53.20

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vize­kanzler – zum zweiten Mal! Vielleicht eingangs, weil wir letztens darüber diskutiert haben und es auch eine parlamentarische Anfrage dazu gab, wie Sie sich denn bei einer WM in Katar verhalten werden, möchte ich folgende Frage in den Raum stellen. Stellen Sie sich vor, die Weltmeisterschaft ist nicht in Katar, sondern zum Beispiel in Saudi-Arabien, um ein besonders krasses Beispiel zu bringen, und stellen Sie sich weiters vor, wir haben nicht Sie – das ist jetzt nicht geringschätzend gemeint, sondern in die Zukunft betrach­tet –, sondern wir haben zum Beispiel eine weibliche Sportministerin oder wir haben einen schwulen Bundeskanzler oder Außenminister, und stellen Sie sich vor, diese wer­den dann eingeladen. Wie würde sich die Bundesregierung eigentlich da verhalten? Wenn man nämlich zur letztgenannten Kategorie gehört, dann steht dort auf dieses Ver­halten die Todesstrafe.

Menschenrechte und deren universelle Geltung sind eine der größten Errungenschaften der liberalen Demokratie, und durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen haben sie Bedeutung für die gesamte Weltbevölkerung. Die Beach­tung der Menschenrechte muss daher auch im Sport und insbesondere bei Sportgroß­veranstaltungen Berücksichtigung finden.

Die Vergabe von Sportgroßveranstaltungen ist natürlich in einer idealen Welt ein unpoliti­scher Akt, allerdings nutzen autoritäre Regime seit jeher Sportgroßveranstaltungen zur Legitimierung ihres Machtanspruchs. Man muss nur in der Geschichte zurückblicken: Ein besonders krasses Beispiel war 1936, als Nazi-Deutschland die Olympischen Spiele in Deutschland ausgetragen hat, um sich auf der Weltbühne entsprechend zu insze­nieren. Wir dürfen also nicht die Augen verschließen, wenn totalitäre Staaten den Sport missbrauchen, um sich weltöffentlich reinzuwaschen – und zu verneinen, dass das pas­siert, ist naiv.

Es freut mich als Sportsprecher von NEOS daher sehr, dass unsere Initiative, unser ursprünglicher Antrag, den wir vor einigen Monaten eingebracht haben, hier aufgegriffen wurde. Ich möchte mich auch insbesondere bei der Vorsitzenden des Sportausschus­ses, Kollegin Sirkka Prammer, bedanken, dass hier eine gemeinsame Initiative zustande gekommen ist und dass wir uns als österreichisches Parlament dann entsprechend ge­meinsam positionieren.

Konkreter Anlass für diesen Antrag sind Katar, das ist schon angesprochen worden, aber auch China, wo die kommenden Olympischen Winterspiele stattfinden werden. Und während in Katar – das hat Kollege Graf auch schon gesagt – nach massivem Druck von Medien und NGOs Verbesserungen insbesondere bei der Behandlung von Arbeiterinnen und Arbeitern erzielt werden konnten, ist die Lage in China wegen Menschenrechtsver­letzungen wiederholt in den Medien – und dort hat sich genau gar nichts gebessert.

In China geht es um gigantische Internierungslager für die Minderheit der Uiguren und die anhaltende Niederschlagung von Demokratiebewegungen, und es ist am chinesi­schen Regime auch überhaupt nicht zu erkennen, dass da Änderungen geplant sind. Es braucht daher klare Aussagen der Europäischen Union, bei der Vergabe von Sportgroß­veranstaltungen müssen endlich gewisse Mindeststandards eingeführt werden. Länder,


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die ihre Bevölkerung in Lager stecken, Länder, die die Menschenrechte missachten oder jede Form der freien Meinungsäußerung einschränken, dürfen nicht Austragungsstätten für Sportgroßevents sein.

Und selbst wenn die Entscheidung dann oft bei den entsprechenden Sportorganisa­tionen oder nationalen Komitees liegt, so sollten die gewählten Vertreter liberaler Demo­kratien, wie wir hier es sind, vehement und wiederholt auf diese Organisationen, die Entscheidungen treffen, einwirken. Wir wissen ja aus sehr aktuellem Anlass, dass Sport und Politik häufig näher beieinander sind, als es einem recht ist. An dieser Stelle auch von unserer Seite eine herzliche Gratulation an Kollegen Schmidhofer zur Wahl zum ÖSV-Präsidenten. Ich wünsche Ihnen alles Gute! Ich glaube, das werden Sie auch brauchen (Heiterkeit der Abg. Steger), um diesen Skiverband zu modernisieren und da frischen Wind, der ja in den letzten Jahrzehnten doch schmerzlich zu vermissen war, hineinzubringen.

Also, worum geht es? – Durch neue Vergaberichtlinien sollen gewisse Mindeststandards im Prozess um die Suche nach künftigen Gastgeberländern eingehalten werden. Jetzt liegt es an der Bundesregierung, insbesondere an Ihnen, Herr Sportminister, und am Herrn Außenminister, auf eine konsequente und ambitionierte Umsetzung dieser Ziele auf europäischer Ebene hinzuwirken, und wir werden diesbezüglich die internationalen und europäischen Bemühungen von Ihrer Seite sehr genau beobachten. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Salzmann und Schmidhofer.)

16.57


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Ernst-Dzie­dzic. – Bitte.


16.57.53

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Geschätzter Herr Vize­kanzler! Werte Kollegen und Kolleginnen! Man kann es nicht oft genug wiederholen: Es stimmt, Katar tritt Menschenrechte und die Rechte von Arbeitern und Arbeiterinnen mit Füßen. Tausende von ihnen sind gestorben, während sie die Stadien für die Fußballwelt­meisterschaft aufgebaut haben, und deshalb geht das uns alle an. Alle, die vor den Fern­sehgeräten sitzen werden, müssen sich dessen bewusst sein, und das ist der Grund, wieso wir hier heute im österreichischen Parlament auch diese Debatte führen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Brandstätter.)

China – auch das wurde schon gesagt – unterdrückt Minderheiten, wie überhaupt alle, die sich nicht exakt den Verhaltensvorgaben der autokratischen Führung des Landes fügen, und die Welt darf auch das nicht ignorieren, wenn nächstes Jahr dort ein fröhli­ches Spektakel des Sports stattfinden wird.

Die Debatte über Sport und Politik und Menschenrechte erscheint sehr aktuell, ist aber schon sehr alt. Im Kern geht es immer um die Frage, was Sport mit Menschenrechten zu tun hat. Vielleicht werden Sie sich erinnern oder haben einmal darüber gelesen, dass bereits bei den Olympischen Sommerspielen 1936, in der Zeit der Hitler-Diktatur, die Sportler und Sportlerinnen und die Funktionäre in den USA darüber gestritten haben, ob sie überhaupt nach Berlin fahren sollen. Am Ende sind sie gefahren. Sie halfen so auf der einen Seite den Nationalsozialisten, ihren Ruf in der Welt aufzupolieren, aber auf der anderen Seite war es auch nicht uninteressant, zu beobachten, wie das rassistische Na­zi-Regime reagierte, als im eigenen Stadion ein nicht weißer US-Leichtathlet vier Gold­medaillen, und damit mehr als jeder andere, gewonnen hat.

Damit ist klar, Sport, Menschenrechte und Politik sind untrennbar miteinander verwoben.

Die hohe gesellschaftliche Bedeutung des Sports und auch die Vorbildfunktion des Sports müssen wir deshalb auch nützen, um Menschenrechte zu thematisieren. Und ja, wenn wir uns heute fragen: Dürfen Sportler, Sportlerinnen in Staaten, wo die Menschenrechte


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mit Füßen getreten werden, überhaupt um Medaillen kämpfen?, dann können wir mora­lisch und ethisch eigentlich nur antworten: Nein! Sie, die FunktionärInnen, die PolitikerIn­nen aus demokratischen Staaten, sollten nicht gemeinsam mit Autokraten auf Ehrentri­bünen sitzen. Sie sollten nicht in internationalen Verbänden, in Staaten auftreten, die ihre Taschen mit schmutzigem Geld füllen. Aber natürlich geht es auch darum, das Gan­ze im Vorhinein zu diskutieren, und genau darauf zielt der Antrag ab.

Prinzipiell glaube ich aber – und das ist die zweite Seite der Medaille –, dass Sport politi­sche, religiöse und kulturelle Grenzen überwinden kann und in der Praxis diese Frage, Boykott ja oder nein, gar nicht so einfach zu beantworten ist. Wie das Beispiel Katar nämlich gezeigt hat, kann internationaler Druck dazu führen, dass sich etwas ändert. Dort waren es die Mindestlöhne beispielsweise, es war ein Austausch der Sportler, Sportlerinnen mit den Gastarbeitern selbst, und es wird auch bei China nicht anders sein, als dass dieser internationale Druck aufgebaut und unsererseits auch hochgehalten wird.

Das heißt, die Diskussion um das Spannungsfeld zwischen Sport, Politik und Menschen­rechten hat einen Wert, hat einen Mehrwert. Kein Mensch würde heute über die Lage der Arbeiter reden, wenn wir nicht hinschauen würden, wenn es nicht eine internationale Komponente dabei gäbe. Und ja, es ist eine kleine Hoffnung, aber ich gehe davon aus, dass auch der chinesische Staat im Scheinwerferlicht der internationalen Öffentlichkeit in nächster Zeit nicht mehr so ganz ungeniert auf den Rechten der Menschen wird he­rumtrampeln können.

Das ist nicht viel, aber immerhin. Das Wichtigste an der aktuellen Debatte ist tatsächlich wahrscheinlich die Debatte selbst. Sie trägt nämlich dazu bei, dass wir ein bisschen ge­nauer hinschauen und dass wir sichtbar machen, dass Menschenrechte auch im Sport unteilbar sind. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächste Rednerin ist Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte.


17.02.50

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vize­kanzler! Meine Damen und Herren Abgeordneten zum Nationalrat! Liebe Zuseher zu Hause! Als Läuferin und auch Präsidentin des LT Gmünd ist es mir natürlich eine beson­dere Freude, dass wir seit gestern wieder im Breitensport unterwegs sein können – wenn auch mit gewissen Auflagen, aber doch –, dass wir wieder begonnen haben, denn Sport ist gesund, Sport begeistert, Sport übernimmt Vorbildfunktionen und Sport fördert Werte wie Leistungsbereitschaft, Toleranz und Teamgeist.

Gerade die internationalen Sportvereinigungen wie das Internationale Olympische Ko­mitee, IOC, oder der Weltfußballverband, die Fifa, gründen sich auf starke humanitäre Werte. In der Olympischen Charta ist zum Beispiel der Schutz der Menschenrechte fest­geschrieben. Die großen Sportorganisationen sind im Laufe der Jahre durch Sponsor­verträge, Übertragungsrechte zu mächtigen Unternehmen geworden, und manche Idea­le sind da auch verloren gegangen. Oftmals klaffen Anspruch und Wirklichkeit ein biss­chen auseinander, und so hat es in den letzten Jahren bezüglich der Menschenrechts­verletzungen bei Sportgroßereignissen auch Kritik gegeben. Dabei ging es um inhumane Arbeitsbedingungen, um Kinderarbeit und Zwangsumsiedelungen. Dies hat eigentlich mit den Regeln und Werten des Sports nichts zu tun.

Es gibt auch öffentliche Kritik an der Fifa, wenn es um Skandale bei der WM-Vergabe geht; das ist nicht notwendig, denn Sport will kein Leid verursachen, sondern eigentlich nur Freude spenden und Gutes tun.


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Österreich unterstützt die Initiative von Finnland auf Ebene der Sportminister und -mi­nisterinnen, dass die Europäische Kommission Staaten, in denen die Menschenrechte nicht eingehalten werden, als Gastgeberstaaten für internationale Sportgroßveranstal­tungen ablehnen soll. Mit dem nun vorliegenden Antrag, Herr Vizekanzler, wollen wir Sie dabei unterstützen, wenn Sie sich dafür einsetzen. Sport darf nicht Teil eines Problems sein, sondern Sport soll Teil der Lösung sein – für Gleichberechtigung, solidarisches Mit­einander und Teamgeist.

Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, weil ich noch ein bisschen Zeit habe, und meinem Kollegen Schmidhofer recht herzlich zu seiner Nominierung als ÖSV-Präsident zu gratulieren. Ich wünsche ihm alles Gute und dass er für unsere Sportler eine gute Basis für die Zukunft schafft, damit wir auch in Zukunft als Skination Österreich gut da­stehen und viele Erfolge einfahren können. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Kugler. – Bitte.


17.06.04

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Bun­desministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein olympischer Grundgedanke, ein Grundprinzip – und ich zitiere –, dass „durch die Verbindung des Sports mit Kultur und Bildung“ ein „Lebensstil“ geschaffen wird, „der auf der Achtung universell gültiger fundamentaler moralischer Prinzipien aufbaut“. Somit sind wir mitten im Thema: Was hat Sport mit Menschenrechten zu tun? Es geht einerseits um die Frage der Einhaltung von Menschenrechten rund um Megasportevents, aber es geht auch um die Förderung der Menschenrechte durch dieselben.

Wir haben jetzt sehr viel von Katar gehört, über die Arbeitsbedingungen dort, dass es eine Besserung gegeben hat, aber dass noch nicht alles gut ist. Das ist klar. Aber wir haben viel weniger über andere Themen gehört. Meine Kollegin Diesner-Wais zum Bei­spiel hat gerade Zwangsumsiedelungen angesprochen; große Sportveranstaltungen in Brasilien, 2014 und 2016, die Fußball-WM und die Olympischen Sommerspiele: 77 000 Zwangsumsiedelungen.

Aber auch die Themen Menschenhandel und Zwangsprostitution wurden kaum ange­sprochen. Der Deutsche Frauenrat hat rund um die Fußball-WM 2006 davon gespro­chen, dass rund um dieses Sportevent 40 000 Frauen Opfer von Zwangsprostitution ge­worden sind. Und warum? – Auch deswegen, weil die Einreisebestimmungen erleichtert werden und das wirklich kriminelle Organisationen sind, die die Frauen gegen ihren Wil­len in die Länder bringen, um sie auszubeuten. Auch das müssen wir bedenken.

Wenn wir über die Förderung von Menschenrechten sprechen, kommen wir – wie heute auch schon – auf die Wahl des Ortes zu sprechen. Sport verbindet, aber wir wollen keine Diktaturen unterstützen. Wir haben von Katar in Bezug auf die arbeitsrechtlichen Be­stimmungen gesprochen, wir haben von China gehört und die Situation der Uiguren an­gesprochen; ich danke Kollegen Shetty, der das jetzt angesprochen hat. Wir haben dieses Thema im Menschenrechtsausschuss sehr genau behandelt, und ich freue mich, dass mich nach unserer Debatte hier im Plenum ein Mitarbeiter der Parlamentsdirektion angesprochen und gesagt hat: Ich danke euch, dass ihr das aufgegriffen habt. Ich bin selber aus der uigurischen Minderheit, und ich bin so stolz auf mein Parlament, für das ich jetzt arbeiten darf. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Eine Vertreterin der Uiguren hat mit dem Internationalen Olympischen Komitee in Bezug auf die Spiele 2022 in China Kontakt aufgenommen und hat dann gesagt, die Haltung des Komitees sei politische Neutralität, aber wenn es zu Völkermord kommt, so sagt sie, dann helfe die Neutralität nicht viel. Ich glaube, dass wir mit diesem Antrag hier ein wich­tiges Zeichen setzen.


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Schwer verständlich ist für mich, wenn Kollege Köllner sagt, man habe den SPÖ-Antrag nicht ernst genommen, das sei wie im Kindergarten gewesen. – Herr Kollege Köllner, Sie haben auf diesen Antrag im Ausschuss selber verzichtet, damit ein gemeinsamer Antrag eingebracht werden kann. Ich glaube, man muss da nicht mehr darauf he­rumreiten.

Es wundert mich, dass Herr Kollege Graf meint, man kann ja, wenn es um Menschen­rechte geht, auch über den vorangegangenen Tagesordnungspunkt sprechen, und dann seine gesamte Redezeit darauf verwendet, über den ÖSV und Kollegen Schmidhofer zu sprechen, was nicht Thema dieses Tagesordnungspunktes gewesen ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf der Abg. Steger.)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Megasport­events müssen aber auch Sportevents bleiben. Wir wollen sie nicht politisieren. (Heiter­keit des Abg. Bösch.) Mitfiebern, Leistung und Disziplin bewundern, Völkerverbindung, Brückenbauen – all das finden wir in diesen großen Sportevents und das ist wichtig, das soll nicht politisiert werden, aber so, wie es das Olympische Komitee auch in seinen Grundprinzipien sagt: auf Basis der Achtung „universell gültiger fundamentaler morali­scher Prinzipien“. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.10


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Vizekanzler?  – Bitte, kurz. (Heiterkeit bei der ÖVP.)


17.10.50

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler
Mag. Werner Kogler
: Danke schön. (Beifall des Abg. Hörl.)

Sie haben ein paar Punkte aufgeworfen. Ich wollte Ihnen nicht verschweigen, was wir ja schon im Sinne dieser Entschließung tun. Weil der Eindruck entstanden ist, dass sozu­sagen Deklarationen notwendig wären: Ich sage es hier noch einmal, was Katar betrifft, ich habe das ja schon in mehreren Interviews gesagt.

Erstens, einleitend: Schon immer ist es mir als Fußballfreund völlig unverständlich ge­wesen, wieso es überhaupt zu solch einer Vergabe gekommen ist. Das hat jetzt zunächst gar nichts mit der hier wesentlich relevanteren Frage der Menschenrechte zu tun.

Zweitens haben wir uns ja an den internationalen Erhebungen beteiligt, wo der letzte Stand der Schande dort ist, nämlich wie viele Leute dort – Arbeiter, auch Arbeiterinnen, aber in der Regel Arbeiter – zu Tode gekommen sind. Wir äußern uns auch öffentlich dazu.

Was auch in diese Richtung geht, ist, dass Österreich mit dabei war: Die – nicht unsere, zugegeben – finnische Initiative von Beginn des Jahres, genau: am 27. Jänner dieses Jahres, die allgemeinen Deklarationen, die alle in diese Richtung zielen, das noch einmal festzuhalten. Das hat explizit Weißrussland beinhaltet, das zu diesem Zeitpunkt ja noch Austragungsort der Eishockey-WM war. Das war ja dann relativ erfolgreich. Da waren wir schon bei den Lauteren dabei, denke ich.

Ich halte es auch für richtig – Abgeordnete Dziedzic hat es sehr treffend ausgeführt –, gleichwohl man immer diese Abwägungsfragen hat: Womit erreicht man mehr? Der bloße Boykott, wenn schon Entscheidungen gefallen sind, ist es möglicherweise oft gar nicht, aber an Weißrussland war das schon längst vergeben. Und im letzten Moment ist das dann aufgrund der dortigen Zustände und Umständet – Sie kennen sie – noch ein­mal abgezogen worden. Ich denke, das war richtig. (Abg. Bösch: ..., Herr Vizekanzler!)

Grundsätzlich wird es, glaube ich, darum gehen – die Boykottfrage ist ja fast die schwie­rigere, wie man sich da zu verhalten hat; abgesehen davon entscheiden das nicht un­bedingt allein Regierungen, sondern auch die jeweiligen teilnehmenden Verbände –, ob


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man dort noch etwas auf anderem Weg erreicht. Betreffend Katar ist einiges gelungen, ich würde mich dem anschließen. Aber noch wichtiger für die Zukunft wird ja werden – darauf legen wir im Besonderen unser Augenmerk –, wie die Vergaben an sich passie­ren. Da muss man natürlich rechtzeitig dran sein. Da ist das natürlich ein Rüstzeug, was die finnische Initiative betrifft, der sich alle europäischen Sportminister angeschlossen haben.

Auch bei den nächsten Vorsitzländern innerhalb der Union wird dieses Thema immer mehr und mehr Gewicht erhalten. Wir haben uns auch für den nächsten Trilog dann schon mit der französischen Amtskollegin, mit Frau  Roxana Mărăcineanu, genau in die­se Richtung auseinandergesetzt. Es passiert da einiges, aber ja, man muss rechtzeitig dran sein.

Meine Idee ist halt immer – das atmet ja genau und dafür spricht sich dieser Antrag auch aus –, dass da multilateral oft mehr geht als bilateral. Wir werden uns auch nicht scheu­en, unsere Stimmen zu erheben.

Wenn die rhetorische Frage aufgeworfen wird, ob man Saudi-Arabien quasi irgendeine Veranstaltung zugestehen wollen würde, dann wären wir da rechtzeitig vorher dran, denke ich. Ich glaube, gerade einige Fraktionen hier im Haus können ja darauf verwei­sen, dass sie, was saudische und saudinahe Institutionen betrifft, regelmäßig und glaub­würdig entsprechenden öffentlichen Widerstand manifestieren. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

17.14

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Dann frage ich die Fraktionen: Kann ich abstimmen lassen? – Ja. Danke schön, dann sind alle an Bord.


17.14.58Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 13 und 14

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur Abstimmung über Tagesord­nungspunkt 13, die dem Ausschussbericht 821 der Beilagen angeschlossene Ent­schließung betreffend „Vorlage eines jährlichen Sportberichts an den Nationalrat“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig. (177/E)

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 14, die dem Ausschuss­bericht 822 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Förderung der Menschenrechte durch Sport und große Sportereignisse“.

Wer dafür ist, den bitte ich ebenfalls um ein Zeichen. – Auch das ist einstimmig. (178/E)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wahrung der Menschenrechte – keine Zwangsimpfung für Sportler“.

Wer dafür ist, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Ich danke dem Herrn Vizekanzler.

Bevor wir zu Tagesordnungspunkt 15 kommen, brauche ich 2 Minuten Pause.

Ich unterbreche die Sitzung.

*****


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(Die Sitzung wird um 17.16 Uhr unterbrochen und um 17.18 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

17.18.0215. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvor­lage (796 d.B.): Bundesgesetz über den Verkehr mit Düngemitteln und sonstigen Düngeprodukten (Düngemittelgesetz 2021 – DMG 2021) (815 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zu Tagesordnungspunkt 15.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich darf die Frau Bundesministerin recht herzlich bei uns begrüßen.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Köchl. – Bitte.


17.18.31

Abgeordneter Klaus Köchl (SPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Minis­ter! Herr Vizekanzler! Das Düngemittelgesetz hat ein wesentliches Ziel: Es geht am Ende darum, uns alle vor gefährlichen Schadstoffen zu schützen, es geht darum, eine Kenn­zeichnungspflicht einzuführen, und es geht vor allem um Transparenz. Immer wenn es um Transparenz geht, ist die ÖVP nicht so stark vertreten. Das verstehen Sie nicht so, das wollen Sie nicht machen. Sie wollen nicht so eine Nachvollziehbarkeit haben, was diese gefährlichen Dinge betrifft, vor allem im Bereich der Landwirtschaft.

Da sind Sie nicht die, die dafür sorgen, dass betreffend die Zwischenlager etwas pas­siert: Wie schaut das aus? Kann man etwas anderes machen? Was kommt tatsächlich in die Jauche? Was kommt tatsächlich in die Gülle? (Ruf bei der ÖVP: So ein Schwach­sinn!) Was wird dann tatsächlich in der Landwirtschaft verwendet? Was kommt dann tatsächlich raus, wenn wir das im Essen haben?

Meine Einschätzung betreffend diese Gesetzesänderung ist so, dass einfach nicht si­chergestellt ist, was auf die Felder aufgebracht wird. Die Schadstoffe bleiben langfristig gefährlich, und das, glaube ich, kann nicht so sein.

Ihr von der ÖVP wart auch die, die Glysophat (Abg. Schmuckenschlager: Wie heißt das?!) einfach nicht verbieten wollen. Sie wehren sich mit Händen und Füßen, dahin gehend auf Glysophat (Abg. Schmuckenschlager: Wie heißt das?! – Abg. Michael Hammer: Na, einmal probiert er’s noch ...!) zu verzichten, wie es zum Beispiel Kärnten schon längst wollte, und es ist schon Jahre her, als das das letzte Mal hier im Nationalrat beschlossen wurde. Ihr seid die, die einfach die Industrie schützen, für die der Ertrag irrsinnig wichtig ist, und das ist bei dieser Gesetzesänderung halt ganz einfach auch wieder der Fall.

Ihr seid auch nicht eins, vor allem auch nicht eins mit den Grünen. Bei der Ausschuss­sitzung hat, als es um die Einleitung des Begutachtungsverfahrens gegangen ist, das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Techno­logie eine Anfrage an das Landwirtschaftsministerium gestellt. Vielleicht kann die Frau Minister jetzt antworten, denn im Ausschuss hat sie die Antwort nicht geben können. (Abg. Reiter: Sie hat’s eh erklärt! – Abg. Kühberger: Sie hat’s eh erklärt, aber ...!) Die ersatzlose Streichung der Bestimmungen zum Abfallrecht sowie im Anwendungsbereich und auch bei der Regelung zum Inverkehrbringen ist abzulehnen, und ich glaube, die


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Antwort sind Sie schuldig, denn ohne diese Antwort könnte nicht einmal die Partei der Grünen mitstimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Berlakovich. – Bitte.


17.21.20

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Hohes Haus! Es geht beim Düngemittelgesetz um die Neuerlassung eines Gesetzes. Das alte ist von 1994 und wird eben durch dieses neue ersetzt. An sich ist das ein fachlicher Punkt, aber, Herr Kollege Vorredner, zu dem, was Sie hier getan ha­ben: Ich würde mit derartigen Formulierungen aufpassen, denn das, was Sie hier tun, ist ungeheuerlich! Das, was Sie hier tun, ist ungeheuerlich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich meine, sich hierherzustellen und zu behaupten, die ÖVP sei nicht für Transparenz, und in der Gülle und Jauche seien Stoffe, die die Menschen vergiften: Sie machen da eine verdammt knappe Gratwanderung! Passen Sie also auf, was Sie da sagen (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen), denn mit dem, was Sie da tun, bewegen Sie sich hart an der Grenze zum Strafrecht – bei allem Verständnis für Ihre Sorge, aber das geht zu weit, das können Sie nicht machen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Genau im Bereich der Düngemittel ist Österreich Vorreiter, nämlich was die Meldung anlangt. Es gibt eine zuständige Stelle des Bundesamtes für Ernährungssicherheit, das Dünger und Düngerprodukte auflistet. Das wird jetzt noch einmal EU-rechtlich im Bereich der Zulassung, der Inverkehrbringung, der Kennzeichnung, auch der Kontrolle dieser Düngemittel weiterentwickelt. Sie können ja nicht ein Bild zeichnen, als ob da Tohuwa­bohu und Chaos herrschten – das ist nicht der Fall! Gerade das Gegenteil ist der Fall: Es wird da sehr genau aufgelistet und auch transparent dargestellt, denn jetzt wird die Rechtsgrundlage für ein öffentlich zugängliches Register für behördlich zugelassene Düngeprodukte geschaffen.

Darum geht es auch: erstens um das Gemeinwohl, dass Mensch und Umwelt geschützt werden, der Boden und auch der Naturhaushalt geschützt werden. Das Ziel und der Inhalt dieser Novelle sind, dass wir eben in der Kreislaufwirtschaft arbeiten, dass wir Reststoffe aus der Agrar- und aus der Lebensmittelindustrie wiederverwerten, sie viel­leicht als Dünger gewonnen werden, wenn sie geeignet sind, sie wieder in den Natur­kreislauf einzubringen, dass wir Ressourcen schonen, Ressourcen effizient verwenden und eine Überdüngung vermeiden.

Das übergeordnete Ziel ist klar, und es war ja immer unser Anliegen, dass wir in der Landwirtschaft unsere Böden gesund erhalten, dass wir sie über Generationen weiterbe­wirtschaften können. Welcher Landwirt, welche Landwirtin hat Interesse, den eigenen Boden zu schädigen, wenn dann nichts mehr darauf wächst?! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.) Ich meine, das ist ja eine kurzsichtige Debatte! Man ist ehrlich gesagt verblüfft über eine derartige Polemik. Man kann zu Pflanzenschutz und zu Dünger stehen, wie man will, aber ich bitte, nicht mit derartigen Unterstellungen zu arbeiten, weil das absolut unzulässig ist!

Wie gesagt, das Bundesministerium für Landwirtschaft ist die notifizierende Behörde bei Düngemitteln und das Bundesamt für Ernährungssicherheit die notifizierende Stelle, die als zuständige Behörde derartige Genehmigungen ausspricht und regelmäßig kontrol­liert, ob Dünger, der in Verkehr gebracht wird, korrekt ist oder nicht.

Die Düngung ist in der konventionellen Landwirtschaft wichtig, aber auch in der Bioland­wirtschaft wird im Übrigen gedüngt – in der konventionellen mit Mineraldünger und in der


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Biolandwirtschaft mit organischem Dünger. Die Europäische Union ist bei den Dünger­regeln großzügiger als Österreich, Bio Austria ist restriktiver, aber es ist wichtig, dass wir unsere Böden gesund erhalten. Daran hat die Landwirtschaft großes Interesse.

Ich kann Ihnen sagen, dass seit 1995 der Einsatz von Mineraldünger um 34 Prozent gesunken ist, weil wir eben durch ein Umweltprogramm, durch Beratung das Ziel haben, möglichst wenig Dünger einzusetzen, und wenn, ihn effizient einzusetzen. Letztendlich sind das Kosten für den Bauern, für die Bäuerin, wenn sie Dünger kaufen müssen, und wir tun sehr viel dafür, ihn effizient einzusetzen.

Wir versprechen uns auch viel von neuen Technologien: Precisionfarming, also ganz präzise Landwirtschaft, Smartfarming, bei dem man mit neuer Technologie erreicht, dass man nicht ein ganzes Feld düngt, sondern nur punktuell, dort, wo es notwendig ist. Das soll eben auch dazu beitragen, dass Dünger effizient eingesetzt wird.

Ich darf Ihnen abschließend sagen: Im Bereich der Landwirtschaft machen wir als Land­wirtschaftskammern sehr viel in Bezug auf die Beratung für die Bäuerinnen und Bauern: zum Beispiel Düngerberatung, Düngerplanung, Düngeraufzeichnungen, also Dokumen­tationen; Informationen dazu, wie man Boden schützen kann; Lehrgänge Bodenprakti­ker, in denen darüber unterrichtet wird, wie das Bodenleben funktioniert, wie die Boden­fruchtbarkeit ist, wie man bodenschonend bearbeitet; bis hin zu Onlinekursen und auch Düngung im Biolandbau. Das ist ein sehr breiter Strauß.

Wissen Sie, was das eigentliche Problem unserer Gesellschaft ist? – Nicht die Düngung, die sehr stark kontrolliert wird, sondern der Bodenverbrauch. Wir verbauen in Österreich täglich 13 Hektar, 20 Fußballfelder werden täglich in Österreich verbaut. Das ist Fläche, die für die Ernährung verloren geht. Da könnten wir gemeinsam etwas tun, auch Sie von der SPÖ. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Rauch. – Bitte.


17.26.41

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminis­ter! Hohes Haus! Ja, Herr Kollege Berlakovich, diesen Ball die Flächenversiegelung und den Flächenverbrauch betreffend nehme ich gleich auf. In diesem Bereich sind wir schon hintan, sodass wir dementsprechend Maßnahmen gesetzt haben, aber wir sind noch lange nicht dort, wo wir hinwollen.

Der Maßstab muss sein: Flächen recyceln anstatt Flächen zu verbrauchen. Warum? – Weil wir auf der einen Seite die Ernährungssicherheit nicht gewährleisten können und auf der anderen Seite natürlich auch CO2 binden müssen. Wenn wir die Flächen versie­geln, binden wir weniger CO2. Wir binden in diesem Bereich jährlich über das Grünland in Österreich über 650 000 Tonnen CO2, was wesentlich für den Umwelt- und Klima­schutz ist. Das alles müssen wir in unserer Gesamtbilanz berücksichtigen und auch be­trachten.

Zum Düngemittelgesetz generell: Wir stimmen diesem Antrag, diesem Gesetzentwurf heute zu. Der einzige Kritikpunkt von unserer Seite ist, dass mehr auf die Strafen und weniger auf das Beraten gesetzt wird. Da sollte man den Ansatz wählen, dass wir die Landwirte in diesem Bereich mehr und intensiver beraten und weniger strafen. Das auch (in Richtung ÖVP) in Ihre Richtung: Die Kammern, vor allem die Landwirtschaftskammer in Ihrem Bereich, haben die Aufgabe, dass sie die Landwirte entsprechend unterstützen.

Den Flächenverbrauch habe ich schon erwähnt. Wichtig ist in diesem Bereich auch, dass wir den Humusaufbau fördern. Warum den Humusaufbau? – Dieser bindet sehr, sehr viel CO2, ist ein umwelttechnischer Anspruch, der natürlich auch für die Landwirtschaft


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 146

ein wesentlicher Effekt ist, für die Landwirte auch ein Ertragseffekt wäre. Da gibt es in den nächsten Monaten und Jahren natürlich sehr, sehr viel zu tun, Frau Bundesminister.

Ein aktueller Effekt, gerade weil aus der Steiermark kommend: Wir haben in den letzten Wochen und Tagen intensive Frostschäden gehabt. Wir haben in den letzten Tagen auch intensive Hagelschäden gehabt. Da ist es an der Zeit, die Landwirte entsprechend zu unterstützen, auch betreffend Ernährungssicherheit und die Vielfalt, die wir haben, vor allem im Obstbau, im Gemüsebau. (Beifall bei der FPÖ.)

17.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stammler. – Bitte.


17.29.10

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministe­rin! Hohes Haus! Ein neuer Punkt im Düngemittelgesetz ist die Beschränkung der Zulas­sung der einzelnen Produkte auf zehn Jahre. Warum ist diese zeitliche Einschränkung positiv zu bewerten? – Festgelegtes Ziel im Green Deal der Europäischen Union ist die Halbierung der Nährstoffverluste und die Reduktion des Düngemitteleinsatzes um 20 Prozent bei gleichbleibender Bodenfruchtbarkeit. Das heißt, dass man Produkte auch immer wieder neu bewerten muss.

An anderer Stelle haben wir ein drohendes Vertragsverletzungsverfahren aufgrund der NEC-Richtlinie. Das Ammoniakproblem, das sich dabei auftut, werden wir sicher nicht nur am Ende des Güllefasses lösen können. Genau da beginnt sich der Kreis zum ges­tern diskutierten Tierschutzvolksbegehren zu schließen: Veränderte tierfreundliche Hal­tungssysteme bringen auch eine andere Form von Dünger hervor. Festmist und Kom­post haben neben der Nährstoffversorgung die Nebeneffekte von Humusaufbau und Förderung des Bodenlebens, wohingegen man genau weiß, dass Mineraldünger keine Nebeneffekte außer dem der Nährstoffversorgung hat.

Die nationale Umsetzung der nächsten Förderperiode der GAP bietet uns eine hervorra­gende Möglichkeit, Tierwohl und damit eine intakte Umwelt zu fördern. Die Landwirt­schaft muss in der Klimakrise unzweifelhaft Teil der Lösung werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Neumann-Hartberger. – Bitte sehr.


17.31.14

Abgeordnete Irene Neumann-Hartberger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Mi­nisterin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Mit der Neufassung des öster­reichischen Düngemittelgesetzes wird das Ziel verfolgt, einen funktionierenden Markt mit Düngeprodukten sicherzustellen. Es stellt eine Anpassung des bisherigen Düngemittel­rechts an EU-Recht dar und regelt die Vermarktung, die Kennzeichnung und die Kon­trolle, nicht die Ausbringung und nicht die Verwendung – die fallen in die Kompetenz der Länder.

Kriterien wie Ressourceneffizienz, Nachhaltigkeit, Boden- und Umweltschutz werden im Rahmen der Zulassungen berücksichtigt. Es dürfen keine Düngemittel in Verkehr ge­bracht werden, die Schadstoffe enthalten. Ziel ist immer die Erhaltung der Bodenge­sundheit und der Bodenfruchtbarkeit, schlichtweg des gesamten Naturhaushaltes, zur Sicherstellung einer nachhaltigen Ernährungsgrundlage. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Düngemittel sind Stoffe und Gemische, die Pflanzennährstoffe enthalten und dazu be­stimmt sind, mittelbar oder unmittelbar Pflanzen zugeführt zu werden, um deren Wachs­tum zu fördern, deren Qualität zu verbessern oder deren Ertrag zu erhöhen. Das alles


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 147

sind positive Effekte, und man sieht ja auch die breite Zustimmung hier herinnen. Nur eine Partei stellt das immer sehr negativ dar, und es brennt mir in der Seele, weil wir als Bäuerinnen und Bauern nachhaltig und bewusst wirtschaften. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Diese negativ behaftete Düngemitteldiskussion stört mich enorm. Das ist unwahr und wird unnötig negativ dargestellt. Menschen der Gesellschaft, die von der Praxis keine Ahnung haben oder diese nicht kennen, könnten zu folgendem Schluss kommen: Oh, die bösen Bauern verwenden Unmengen an Dünge- und Pflanzenschutzmittel! – Ja, ganz sicher, das gibt es ja überall gratis zum Abholen. Liebe SPÖ, die Kosten für Be­triebsmittel sind enorm hoch, im Gegensatz zu dem, was wir für unsere Produkte erlö­sen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Jede Bäuerin, jeder Bauer muss beinhart kalkulieren: Jedes zu viel ausgebrachte Kilo Dünger würde die Wirtschaftlichkeit nämlich negativ beeinflussen. Bei Dünge- und Pflan­zenschutzmittel ist unser oberstes Gebot noch immer: so wenig wie möglich, so viel wie nötig! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Rössler und Voglauer. – Ruf bei der ÖVP: Bravo!)

Unser Verantwortungsbewusstsein spiegelt sich nämlich in unserem Generationenden­ken. Es geht darum, unseren Kindern und Kindeskindern lebenswerte und bewirtschaf­tungsfähige Betriebe zu übergeben. All das funktioniert aber in einem freien Markt nur dann, wenn die Mehrkosten für aufwendigere Produktion auch abgegolten werden. Wirt­schaftlichkeit und Ökologisierung sind das eine, Nachhaltigkeit ist für uns nicht minder wichtig. Die heimische Land- und Forstwirtschaft ist mit Sicherheit schon jetzt eine der hauptbetroffenen Branchen der Klimaveränderung, und trotzdem sind wir im Hinblick auf die Erreichung der Klimaziele – aus meiner Sicht – mit Sicherheit ein wichtiger Teil der Lösung und ein starker Partner. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Bürstmayr und Voglauer.)

17.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesminister. – Bitte.


17.34.56

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Wir erset­zen heute das bisherige Düngemittelgesetz aus dem Jahr 1994 durch ein neues Dünge­mittelgesetz, und wir erlassen heute auch entsprechende Anpassungen an europarecht­liche Vorgaben. Unser wichtigstes Ziel ist auf jeden Fall der Schutz von Mensch, Tier, Boden und vor allem auch der Umwelt. Wir führen mit dieser Umsetzung auch einen funktionierenden Markt mit Düngemittelprodukten, entsprechend den Vorgaben der Eu­ropäischen Union, weiter.

Des Weiteren – und das ist für uns ein sehr zentraler Punkt, mit dem wir uns intensiver auseinandergesetzt haben – fördern wir mit dem neuen Düngemittelgesetz vor allem auch die Kreislaufwirtschaft und das Recycling.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, da Herr Abgeordneter Köchl behauptet hat, ich hätte auf die Frage der SPÖ im Ausschuss keine Antwort gegeben, kann ich sie nur noch einmal wiederholen. Die Frage lautete nämlich, warum wir die Frage der Alt­lastensanierung nicht im Düngemittelgesetz regeln. Das können wir nicht, weil es dazu eine eigene Gesetzesmaterie gibt. Das war auch bereits im Ausschuss meine Antwort. Ich kann es leider nicht ändern, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen. Es ist aber unwahr, dass ich auf diese Frage im Ausschuss nicht geantwortet hätte. Ich antworte Ihnen hier noch einmal. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 148

Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete, wir sind, was die Umsetzung und Schaf­fung von Konformitätsbewertungsstellen für Düngemittelprodukte betrifft, in Europa ak­tuell Vorreiter. Wir haben uns in den letzten Jahren intensiv damit auseinandergesetzt. Mit der heutigen Umsetzung kommt vor allem auch dem Baes eine weitere wichtige Funktion im Zusammenhang von Kontrolle und Überwachung des Inverkehrbringens von landwirtschaftlichen Betriebsmitteln zu. Das ist sehr positiv, weil es vor allem auch eine unabhängige wissenschaftliche Stelle ist. Außerdem erfolgt mit dem Düngemittelge­setz 2021 die Schaffung einer Rechtsgrundlage für ein der Öffentlichkeit zugängliches Register für behördlich zugelassene Düngeprodukte.

Es ist schon angesprochen worden – ich darf Frau Abgeordneter Neumann-Hartberger wirklich ein großes Dankeschön sagen –: Kein Bereich ist so streng geregelt wie der Betriebsmitteleinsatz in der Landwirtschaft, kein Bereich wird so genau kontrolliert und vor allem eben auch in unterschiedlichsten Materien überwacht. Schauen Sie sich die Wasserqualität in Österreich an: Das hat sehr viel damit zu tun, dass unsere heimischen Bäuerinnen und Bauern genau wissen, was sie der Umwelt, der Natur und auch den Tieren zumuten können und was nicht. Wir können unseren Landwirten in Österreich ein großes Dankeschön dafür sagen, dass sie unsere obersten Naturschützer und Umwelt­schützer sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit der heutigen Umsetzung des Düngemittelgesetzes 2021 schaffen wir einen weiteren Schritt in die richtige Richtung. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hofin­ger. – Bitte.


17.38.13

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte ganz kurz auf meine Vorredner eingehen: Herr Rauch, das eint uns natürlich, der Bodenverbrauch ist ein schwieriges Thema, die Raumordnung ist Ländersache, aber da müssen wir sicher noch weiter vorankommen.

Zu Herrn Kollegen Köchl möchte ich schon noch sagen: Die Bauern und Bäuerinnen hätten es sich schon verdient, dass über sie im Parlament nicht polemisiert, sondern mit Fachwissen gesprochen wird. Das ist mir abgegangen, das war eine etwas weltfremde Rede, Herr Köchl. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Voglauer.)

Liebe Österreicherinnen und Österreicher, vielleicht haben Sie gestern die Chance ge­nützt, ein Glas Bier oder ein Glas Wein zu trinken, oder heute zum Frühstück eine Sem­mel zum Kaffee gegessen. Wenn Sie das gemacht haben, dann haben Sie eines der hochwertigen Produkte unserer Bäuerinnen und Bauern, wie zum Beispiel die Gerste im Bier oder den Weizen im Semmerl, genossen.

Was braucht es eigentlich zur Herstellung so hochwertiger Produkte? – Nicht nur die Bodenbearbeitung, die Saat, die Ernte, es ist auch die Düngung. Egal ob Wirtschaftsdün­ger oder Mineraldünger – er wird bei uns sehr sparsam eingesetzt.

Wir sind beim Thema Düngemittelgesetz 2021: Die Frau Bundesministerin hat es schon ausgeführt, es geht um die Erneuerung des Düngemittelgesetzes 1994, mit dem wir die Zulassung, das Inverkehrbringen, die Kennzeichnung und die Kontrolle von Düngemit­teln neu regeln. Wir werden auch die zwei Behörden einrichten: die notifizierende Behör­de des Bundesministeriums und die notifizierte Stelle des Bundesamtes für Ernährungs­sicherheit. Das sind die zwei Instanzen, die wir einrichten werden.

Die Zielsetzung ist auch schon angesprochen worden. Sie ist ziemlich klar: Wir möchten in Österreich einen Düngemittelmarkt schaffen, damit wir die Importe aus dem Ausland


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reduzieren können. Natürlich geht es auch um die Kreislaufwirtschaft und um die Rest­stoffe, die wir – auch als Dünger – wiederverwerten können. Das ist, glaube ich, ein ganz, ganz wichtiger Bereich bei den Düngemitteln.

Die Düngung hängt natürlich mit dem Boden zusammen. Die Bäuerinnen und Bauern, wir alle, schützen natürlich unsere wichtige Arbeitsgrundlage. Da geht es um schonende Bodenbearbeitung, um sparsamen Einsatz von Düngemitteln und Pflanzenschutzmit­teln, um Fachwissen und Weiterbildung. In vielen Feldbegehungen bilden sich die Bau­ern auch gegenseitig weiter, etwa mit den Kammern. Es geht um Erfahrung und um Fingerspitzengefühl, aber es geht auch um die Ernte und den Lohn. Daher schmerzt es die Bäuerinnen und Bauern, wenn trotz hohem Aufwand die Lebensmittel in unseren Lebensmittelmärkten bei Rabattschlachten so richtig verschleudert werden. Das schmerzt die Bäuerinnen und Bauern. Dagegen wehre ich mich auch vehement und spreche mich dagegen aus. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich rufe alle Konsumentinnen und Konsumenten auf, dass sie noch mehr auf die Re­gionalität schauen, und ich weise alle Verantwortungsträger der Lebensmittelketten da­rauf hin, dass sie mit ihren Entscheidungen Österreich gestalten, aber auch die Selbst­versorgung im Lebensmittelbereich gefährden. Das möchte ich hier schon einmal gesagt haben – das ist nicht unser Weg. Wir müssen schauen, dass wir unsere Lebensgrundla­ge, den Boden, schützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Abschließend möchte ich jedoch noch einmal zum Genuss kommen. Wir – auch seitens der Regierungsfraktionen – sind froh, dass wir gestern die Öffnungsschritte machen konnten. Diese sind bei den Leuten in Österreich natürlich sehr gut angekommen. Ich appelliere an alle Österreicherinnen und Österreicher, die Gastronomie zu besuchen und damit Produkte der österreichischen Landwirtschaft zu genießen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

17.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft.

17.42.5116. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 1380/A der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelge­setz 2011 geändert wird (816 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 16.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schmuckenschlager. Das Wort steht bei ihm. – Bitte.


17.43.20

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei Debatten zum Pflanzenschutz und zu den Wirkstoffen, die für den Pflanzenschutz verwendet werden, geht es oft sehr emotional zu. Das ist auch klar, denn schließlich und endlich geht es dabei um viele gesellschaftliche Ansprüche, die man rund um den Pflanzenschutz in diese Anwen­dungen hineinreklamiert. Oftmals ist die Land- und Forstwirtschaft in Österreich auch


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 150

eine Projektionsfläche für politische Agitation. Auch das findet man sehr oft in diesen Debatten.

Leider Gottes verliert sich dann manchmal die Sachlichkeit, denn wenn wir uns anschau­en, wie die Produktion in Österreich aufgestellt ist, dann zeigt sich, dass wir seit dem EU-Beitritt, seit den 1990er-Jahren, bei mehreren Parametern in einem stabilen Auf­wärtskurs sind. Das heißt einerseits, dass der Aufbau des Humus auf unseren Acker­flächen voranschreitet – diesbezüglich haben wir Zuwächse –, andererseits haben wir Reduktionen bei den Anwendungen der verschiedensten Pflanzenschutzmittel und auch Verbesserungen, was die Frage rund um Nitratbelastungen et cetera betrifft. Das heißt, dass wir mit unseren Agrarumweltprogrammen immer besser angepasst unterwegs sind.

Was wir leider oft vermissen, ist aber die fachliche wissenschaftliche Debatte, wenn sie auf der politischen Ebene stattfindet. Ich gehe da nicht in die Tiefe, indem ich etwa sage, dass jeder ein Agrarexperte oder ein Ingenieur in irgendeiner Form sein muss, was man aber wenigstens verlangen muss, ist doch, dass man, wenn man über einen Wirkstoff wie Glyphosat diskutiert, ihn zumindest aussprechen kann. Nicht einmal das findet hier statt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Diese Sachlichkeit haben sich die Anwender auch verdient. Sie müssen sich in diesem Bereich nicht nur darauf verlassen können, dass keine politische Willkür herrscht, son­dern sogar noch viel stärker auf die wissenschaftlich fundierte Basis. Da haben wir in Europa zwei wesentliche Institutionen: die   Efsa, die europäische Institution für Ernäh­rungssicherheit, und die Echa, die Institution für Chemikalien. Auch dort liegt dieses Thema und wird bewertet. 2022 soll eine neue Bewertung erfolgen, und wir werden sehen, ob es eine Zulassung für Glyphosat geben wird oder nicht. Darauf muss man sich letztendlich verlassen können.

Weshalb muss man sich darauf verlassen können? – Weil wir in der land- und forst­wirtschaftlichen Produktion mit dem Klimawandel konfrontiert sind und alle Werkzeuge, die wir in diesem Werkzeugkoffer haben, auch zur Verfügung haben müssen, um die Produktion zu erhalten. Gerade die derzeitige Witterung zeigt, dass viele mechanische Möglichkeiten nicht zielführend sind, wenn es zu hohe Niederschläge gibt. Das sind also Dinge aus der Praxis, die man da anwenden muss.

Wir sehen es aber auch anhand der Folgewirkungen und Wechselwirkungen, die wir in der Landwirtschaft haben. Zum Beispiel haben die sehr restriktiven Verordnungen beim Rapsanbau zur Folge gehabt, dass momentan relativ wenig Raps in Österreich angebaut wird. Das führt dazu, dass eine der wichtigsten Trachtquellen der Bienen – und heute ist ja auch der Tag der Bienen – verloren geht. Die Imker beklagen das und letztendlich führt das auch zum Verlust des einen oder anderen Volkes. (Abg. Herr: Glyphosat ist für Bienen ...!) Das heißt, Artenvielfalt ist wesentlich, Biodiversität ist wesentlich, wir brau­chen aber auch eine Vielfalt der Produktion, dass diese letztendlich möglich ist.

Geschätzte Damen und Herren, es sollte aber auch bei keiner Agrardebatte darauf ver­gessen werden, darauf hinzuweisen, dass wir auch den Bäuerinnen und Bauern danken dürfen, dass unsere Teller täglich vollgefüllt sind und dass wir gut versorgt sind. Auf der ganzen Welt stirbt nach wie vor alle 10 Sekunden ein Kind unter fünf Jahren an Hunger. Wir haben 700 Millionen Menschen, die an Hunger leiden, und zwei Milliarden Men­schen, die an den Folgewirkungen von Hunger leiden. Wir sollten stolz darauf sein, dass wir eine nachhaltige, kräftige Landwirtschaft in Europa haben. Darum müssen wir auch die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union weiterentwickeln.

Frau Bundesministerin, ich bitte Sie auch, dass wir für den  Green Deal der Europäischen Union eine Folgeabschätzung bekommen, damit man weiß, was das bedeutet. Es kann nicht europäische Überheblichkeit sein, die Produktion in Europa zurückzuschrauben, stattdessen den Import hinaufzuschrauben und die Standards weltweit zu unterminieren.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 151

Wir müssen da mit gutem Beispiel vorangehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

17.47


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ecker. – Bitte.


17.47.50

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Seit 2013 darf ich das Bundesland Salzburg im Hohen Haus vertreten und mindestens genauso lange kämpfe ich für ein Totalverbot von Glyphosat. Leider ist es bis heute nicht passiert, obwohl es zwei aufrechte Parlamentsbeschlüsse gibt, die von den Regierungs­parteien einfach negiert werden.

Was ist so besonders an diesem Glyphosat, dass demokratisch gefasste Beschlüsse dafür gebrochen werden und Parteien ihre DNA verraten? – Eigentlich nichts, Glyphosat ist ein Pflanzengift. Es wird von der Weltgesundheitsorganisation als krebserregend ein­gestuft. Es ist schädlich für Mensch und Tier, daher ist es auch nicht verwunderlich, dass beispielsweise in den USA bereits 125 000 Menschen den Hersteller von Glyphosat verklagt haben. Erst vor wenigen Tagen kam wieder eine Meldung, dass Monsanto er­neut vor einem Berufungsgericht gescheitert ist. Dass es dabei um den Zusammenhang zwischen Krebs und dem Totalherbizid Glyphosat geht, sei nur am Rande erwähnt.

Auch alle anderen Klagen, welche gerichtsanhängig waren, wurden übrigens zugunsten der KlägerInnenseite entschieden. Monsanto hat kein einziges Gerichtsverfahren in der Causa, in der es um Glyphosat ging, gewonnen. – Das in aller Sachlichkeit, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP.

Somit kommen nicht nur Wissenschaftler, sondern es kommt auch die Justiz zu dem Schluss: Mit diesem Produkt stimmt etwas nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Forscher der Johns Hopkins University haben die Nebenwirkungen von Glyphosat ge­nauer unter die Lupe genommen und konnten feststellen, dass das Totalherbizid die Produktion von Melanin in den Körpern von Insekten schwächt. Was heißt das? – Da­durch wird die Immunabwehr der Insekten außer Kraft gesetzt. Nicht nur, weil heute Weltbienentag ist: Glyphosat ist somit auch für das Bienensterben hauptverantwortlich, geschätzte Kolleginnen und Kollegen!

Es geht aber noch viel weiter: Glyphosat ist im Boden, in der Luft, im Wasser, in der Muttermilch, im Bier, in unseren Lebensmitteln – alles durch Studien bewiesen, belegt und auch im Internet nachlesbar. Daher stimme ich auch der grünen Abgeordneten, wer­te KollegInnen von den Grünen, Sarah Wiener zu, die sagt, Rückstände dieses hochgif­tigen Pestizids finden sich im Boden, finden sich im Obst und finden sich im Gemüse wieder. Auch wenn man will, auch wenn man unbedingt möchte, kann man diesem Pro­dukt nicht entkommen. Deshalb brauchen wir ein Totalverbot auf europäischer Ebene. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Glück gibt es Länder, in denen die Regierung um die Gesundheit ihrer Bevölkerung bemüht ist, beispielsweise Luxemburg oder auch Mexiko, die das Pestizid bereits ver­boten haben, die ein Glyphosatverbot geschafft haben. Mexiko hat begründet: Die Ge­sundheit unserer Bevölkerung ist uns wichtig und schützenswert, und wir wollen Glypho­sat einfach nicht haben, weil es zu gefährlich ist.

Jetzt zu Österreich und dem heute vorliegenden Antrag auf ein Mini-Mini-Teilverbot: Grundsätzlich muss ich seitens der Sozialdemokratie festhalten, dass jedes Verbot von Glyphosat zu begrüßen ist und dass wir heute dem Antrag der Regierungsfraktionen auch zustimmen werden. Wenn man sich aber den gegenständlichen Antrag durchliest, sieht man, dass genau jener Bereich ausgenommen wird, in dem das meiste Glyphosat


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 152

ausgebracht wird, und zwar in Tonnen: in der Landwirtschaft. Somit ist dieser Antrag eine Farce. Ich bin wirklich massiv enttäuscht von den Grünen: Es werden heute ihre Werte komplett verraten. Ich weiß nicht: Was ist mit euch los? (Beifall bei der SPÖ.)

2017 und auch 2019 habt ihr mit diesen Plakaten (die genannten Plakate in die Höhe haltend) vor den Wahlen geworben: „Für eine Erde ohne Gift! Aktiv gegen Glyphosat“ oder „Wer braucht schon gesundes Essen?“ (Beifall und Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Und heute missachtet Ihr aktive, aufrechte Parlamentsbeschlüsse! Ich hoffe, die Men­schen, die damals Hoffnung in eure Versprechen gelegt haben, sehen heute zu, wie wir hier debattieren. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Ich wette, jetzt kommt die nächste Rednerin oder der nächste Redner ans Rednerpult und verteufelt die Stellungnahme der EU und die Stellungnahme von Tschechien bezüg­lich des eingereichten Notifizierungsantrags, dass wir kein nationales Totalverbot aus­sprechen können. Diese Behauptung ist eine Unwahrheit. Das stimmt nicht, das ist eine Lüge. Ich darf hier auf die Einschätzung der Parlamentsdirektion hinweisen: Die EU so­wie Tschechien haben lediglich Stellungnahmen abgegeben, die kein nationales Glypho­satverbot verhindern können. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir als Sozialdemokratie werden nicht lockerlassen. Für uns steht die Gesundheit der Menschen in diesem Land an höchster Stelle.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen zu 816 der Beilagen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzestext samt Titel und Eingang wird wie folgt geändert:

Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011, BGBl. I Nr. 10/2011, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 93/2020, wird wie folgt geändert:

1. § 17 Abs. 5 entfällt.

2. § 18 Abs. 10 lautet:

„(10) Das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat ist im Sinne des Vorsorgeprinzips verboten.“

*****

Glyphosat ist jenes Pflanzengift, das mit Sicherheit am meisten untersucht wird. Wir können darauf warten, bis die nächste Nebenwirkung dieses Stoffes ans Tageslicht kommt. Jene, die heute das Totalverbot blockieren, sind verantwortlich für die Gesund­heit beziehungsweise für die resultierenden Gesundheitsschäden von morgen. Überlegt euch das, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

17.54

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Gesamtändernder Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. iur. Jörg Leichtfried, Cornelia Ecker, Julia Elisabeth Herr,

Kolleginnen und Kollegen


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 153

zum Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 1380/A der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 ge­ändert wird (816 d.B.), TOP 16

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzestext samt Titel und Eingang wird wie folgt geändert:

Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011, BGBl. I Nr. 10/2011, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 93/2020, wird wie folgt geändert:

1. § 17 Abs. 5 entfällt.

2. § 18 Abs. 10 lautet:

„(10) Das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat ist im Sinne des Vorsorgeprinzips verboten.“

Begründung

Die Bewertungen der Internationalen Krebsforschungsagentur (IARC) der WHO zu Gly­phosat sind nach wie vor aufrecht und müssen somit Leitlinie jeder wissenschaftlich fun­dierten Politik- und Maßnahmengestaltung in der Europäischen Union sein.

Diese lauten in den wesentlichen Punkten zusammengefasst (wörtlich übersetzt):

1.          Es gibt nur begrenzte Beweise für Krebserregung von Glyphosat beim Men­              schen. Eine positive Assoziation wurde für das Non-Hodgkins-Lymphom beob­              achtet.

2.          Es gibt genügend Beweise für die Krebserregung von Glyphosat an Versuchs­              tieren.

3.          Glyphosat ist wahrscheinlich krebserregend für den Menschen (Gruppe 2A)

4.          Es gibt starke Belege dafür, dass die Exposition gegenüber Glyphosat und For­              mulierungen auf Glyphosatbasis gentoxisch ist, basierend auf Studien an Men­              schen in vitro und Studien an Versuchstieren.

(IARC 2015: Monographs on the Evaluation of Carcinogenic Risks to Humans- Volume 112. https://monographs.iarc.fr/wp-content/uploads/2018/06/mono112-10.pdf )

Diese gültigen Bewertungen der IARC haben deshalb Vorrang für die Europäische Uni­on, weil sich diese in ihren Verträgen der Vorsorge für die menschliche Gesundheit und der Umwelt verschrieben hat. „Das Vorsorgeprinzip wird in Artikel 191 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ausführlich erklärt. Das Vorsorgeprin­zip verfolgt den Ansatz der Risikovermeidung, die besagt, dass eine Politik oder Maß­nahme nicht durchgeführt werden darf, wenn sie der Allgemeinheit oder der Umwelt Schaden zufügen kann und weiterhin kein wissenschaftlicher Konsens zu diesem The­ma besteht. Sobald weitere wissenschaftliche Informationen verfügbar werden, sollte die Lage erneut überprüft werden.“ (Zitat aus Eur-Lex: https://eur-lex.europa.eu/summary/
glossary/precautionary_principle.html?locale=de )

Hinzuweisen gilt es auch, dass insbesondere der Regelungsrahmen der EU für chemi­sche Stoffe (Verordnung (EG) Nr. 1907/2006) auf dem Vorsorgeprinzip beruht und dass dessen Anwendung bereits im allgemeinen Lebensmittelrecht (Verordnung (EG) Nr. 178/2002) verankert ist.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 154

Dem wird auch ad hoc von vielen europäischen Ländern Rechnung getragen. So soll nach Mitteilung des französischen Amtes für Gesundheitsschutz in Ernährung, Umwelt und Arbeit (ANSES) für die EU-Wiederzulassung von Glyphosat die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) auch die wesentlichen wissenschaftlichen Daten lie­fern. (Agra Europe AgE (2020): IARC soll Daten für Wiederzulassung von Glyphosat liefern; Kopie auf TOP AGRAR vom 12.05.2020; https://www.topagrar.com/acker/news/
iarc-soll-daten-fuer-wiederzulassung-von-glyphosat-liefern-12059673.html )

Im Mai 2020 wurde der vorgelegte Gesetzestext bei der Europäischen Kommission noti­fiziert, welche nur Bemerkungen (Mitteilung) übermittelte. Tschechien übermittelte eine begründete Stellungnahme, weshalb eine Beschlussfassung des Verbots des Inverkehr­bringens von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat im Sinne des Vorsorge­prinzips seit November 2020 möglich ist.

Im Herbst 2020 wurde durch eine Umfrage der NGO Greenpeace festgestellt, dass 90% der Österreicherinnen und Österreicher Glyphosat ablehnen.

Die im Zusammenhang mit dem den Wirkstoff Glyphosat enthaltenden Pestizid „Round­up“ stehenden Gerichtsverfahren in den USA müssen ebenfalls in die Entscheidungen einer vorsorgenden Politik einfließenden. So wurde im letzten Jahr durch ein Berufungs­gericht geurteilt, dass es als erwiesen anzusehen ist, dass das im Pestizid "Roundup" enthaltene Glyphosat das Non-Hodgkin-Lymphom des Klägers verursacht hat, der Schuldspruch des Geschworenengerichts wurde also bestätigt. Der Hersteller Bayer hat im März 2021 mitgeteilt, er werde keine Überprüfung beim Obersten Gerichtshof der USA beantragen, womit der Chemiekonzern das Urteil akzeptiert.

Zehntausende weitere KlägerInnen in den USA führen ihre Krebserkrankung auf das glyphosat-hältige Pestizid „Round up“ von Bayer zurück. Der Hersteller des Pestizids strebt bzw. strebte milliardenschwere Vergleiche an.

Der Wirkstoff Glyphosat stellt ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit der öster­reichischen Bevölkerung dar.

In Abwägung der in der EU geltenden Schutzgüter der „Gesundheit“ gegenüber „freier Warenverkehr“ ist klar die Gesundheit der österreichischen Bevölkerung über das Inter­esse des freien Warenverkehrs zu stellen und damit ein Verbot des Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat zu beschließen. Der Eingriff in das Schutzgut „freier Warenverkehr“ wird als gerechtfertigt angesehen.

In diesem Zusammenhang gibt es auch eine nach Wiederzulassung von Glyphosat ver­öffentlichte wissenschaftliche Erkenntnis von Zhang et al. (2019), in der anhand einer aktuellen Meta-Analyse humaner epidemiologischer Studien in Übereinstimmung mit den Erkenntnissen aus Tierversuchen und mechanistischen Studien festgestellt wird, dass die Ergebnisse „auf einen überzeugenden Zusammenhang zwischen der Exposi­tion gegenüber Glyphosat basierenden Herbiziden (GBHs) und einem erhöhten Risiko für Non-Hodgkin-Lymphom hindeuten“. Auch das gilt es in diesem Kontext zu berück­sichtigen.

(Zitat: Zhang L, Rana I, Shaffer RM, Taioli E, Sheppard L (2019): Exposure to Glypho­sate-Based Herbicides and Risk for Non-Hodgkin Lymphoma: A Meta-Analysis and Supporting Evidence, Mutation Research/Reviews in Mutation Research. Volume 781, July–September 2019, Pages 186-206. doi: 10.1016/j.mrrev.2019.02.001. Epub 2019 Feb 10.

https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1383574218300887?via%3Dihub )

Ein Verbot des Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glypho­sat in Österreich ist auch als ein wesentlicher Beitrag zu werten, um „den Einsatz und das Risiko chemischer Pestizid deutlich zu verringern“, wie es im „Green Deal“ der EU wörtlich festgehalten ist.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 155

(Zitat: EU-Kommission (2019): MITTEILUNG DER KOMMISSION - Der europäische Grüne Deal; COM(2019) 640 final; https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/
HTML/?uri=CELEX:52019DC0640&from=DE )

Österreich hat eine Vorreiterrolle innerhalb der Europäischen Union in Bezug auf biolo­gische Produktionsweise von Lebensmitteln. Es existiert ein breiter gesellschaftlicher Konsens, diese besonders zu unterstützen und zu fördern, so dass stetig immer mehr landwirtschaftliche Betriebe auf diese Produktionsweise umsteigen und immer größere Flächen des landwirtschaftlich genutzten Bodens in Österreich ohne chemisch-syntheti­sche Pestiziden, deshalb auch ohne Pestizide, die den Wirkstoff Glyphosat enthalten, bewirtschaftet werden.

Auf Grund dieser im Vergleich zu anderen europäischen Mitgliedsstaaten eindeutigen Beförderung der biologischen Produktionsweise konnte wiederum eine steigende Zahl biologisch produzierender Betriebe sowie eine Steigerung der biologisch bewirtschafte­ten Fläche erreicht werden. Der aktuelle „Grüne Bericht 2020“ der Bundesregierung weist dazu aus, dass bereits 22,1% der Betriebe biologisch produzieren und diese damit bereits 26,1% der landwirtschaftlich genutzten Flächen 2019 bewirtschafteten. Siehe da­zu auch: Die Zukunft der Bio-Landwirtschaft, bmlrt.gv.at

In diesem Zusammenhang ist verstärkt auf die durch die Luftströmungen bestehende Abdrift von Pestiziden auf andere Flächen hinzuweisen. Dies wird auch dadurch verur­sacht, dass sich der Stoff im Bodenstaub einlagert.

Eine Studie von der Autorengruppe TIEM - Integrierte Umweltüberwachung GbR (2019) zu „Biomonitoring der Pestizid-Belastung der Luft mittels Luftgüte-Rindenmonitoring und Multi-Analytik auf >500 Wirkstoffe inklusive Glyphosat 2014-2018“ zur Überprüfung der Verbreitung von Ackergiften durch die Luft, beauftragt vom „Bündnis für eine enkel­taugliche Landwirtschaft“ liefert Ergebnisse, die ein erster Beleg dafür sind, „dass Gly­phosat über den Luftweg auch unter mitteleuropäischen Verhältnissen prinzipiell abseits der Felder transportiert wird“. Dies beantwortet die Frage, wie es dazu kommen kann, dass Produkte aus Bio-Landbau Belastungen von Glyphosat aufweisen können. Mittels eines Luftgüte-Rindenmonitorings wurde die Rinde von Bäumen an 47 Standorten deutschlandweit auf Pestizidrückstände untersucht: auch in Schutzgebieten, Bio-Anbau­regionen und Innenstädten. Die Studie wies insgesamt 107 verschiedene Pestizide nach, zwei davon waren Ackergifte (DDT und Lindan), die seit Jahrzehnten nicht mehr eingesetzt werden. Brisantes Ergebnis ist auch, dass an über der Hälfte aller untersuch­ten Standorte Glyphosat nachgewiesen werden konnte. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass „eine Verbreitung über die Luft als ein möglicher Expositionspfad von Gly­phosat im Hinblick auf eine allgemeine Belastung nicht plausibel ausgeschlossen wer­den kann.“

(Zitat: Hofmann, F.; Schlechtriemen, U.; Kruse-Plaß, M.; Wosniok, W. (2019): Biomonito­ring der Pestizid-Belastung der Luft mittels Luftgüte-Rindenmonitoring und Multi-Analytik auf >500 Wirkstoffe inklusive Glyphosat 2014-2018. Hg. v. TIEM Integrierte Umweltüber­wachung GbR (2018);.http://enkeltauglich.bio/wp-content/uploads/2019/02/V02_BEL_
19_Abstract_BioFach.pdf )

Das Bekenntnis Österreichs, die Bioproduktion landesweit weiter zu fördern muss ge­schützt werden, der positive Trend ist gefährdet, wenn der Wirkstoff Glyphosat in Pes­tiziden weiterhin so umfangreich in den Handel gelangen darf und damit auch Verwen­dung finden kann.

Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, dass, auch wenn die Tatsache der deutlichen Abnah­me der sog. „Nichtzielpopulationen“ (z.B. Insekten, Vögel, Wirbeltiere) und damit die Be­drohung der biologischen Vielfalt kein rein besonderes nationales Merkmal Österreichs darstellt, es trotzdem rasches staatliches Handeln erfordert.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 156

Das seit den letzten Jahrzehnten stattfindende massive Insektensterben, das seit den 80er Jahren zu einem Verlust von mindestens 75% der Insektenmasse geführt hat, ins­besonders auch das Sterben der für die Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung wichtigen Bestäuberinsekten, wie Bienen und Hummeln, muss zu politischen Entschei­dungen führen. So haben Motta et al. (2018) nachgewiesen, dass „die Exposition von Bienen gegenüber Glyphosat ihre nützlichen Darmmikrobiota stören kann, was sich möglicherweise auf die Bienengesundheit und ihre Wirksamkeit als Bestäuber auswirkt“. Auch das ist eine neue wissenschaftliche Erkenntnis, die nicht in die bisherigen Bewer­tungen der Europäischen Behörden Eingang gefunden hat, gleichzeitig aber enorme Auswirkungen auf die Agrar- und andere Ökosysteme haben kann.

(Zitat: Motta Erick V. S., Raymann Kasie, Mora Nancy A. (2018): Glyphosate perturbs the gut microbiota of honey bees. PNAS October 9, 2018 115 (41) 10305-10310; first published September 24, 2018. https://doi.org/10.1073/pnas.1803880115 )

Der massive Einsatz von unspezifisch wirksamen Insektiziden und Pflanzenschutz-Mit­teln, wie z.B. von glyphosat-hältigen Herbiziden, hat generell ein großes Gefährdungs­potenzial für Bienen, Schmetterlinge und für andere Insekten.

Das deutsche Umweltbundesamt hat z.B. mit mehreren Partnern Risikobewertungen zu Glyphosat durchgeführt und stuft das Mittel auch für die Artenvielfalt hochgradig schä­digend ein. Da von jeder Pflanzenart mehr oder weniger viele Insektenarten abhängig sind und von diesen über die Nahrungsketten wiederum andere Tiere (insbesondere Vögel, Zugvögel), besteht die Gefahr der generellen Artenverarmung in der Feldland­schaft. Der massive Einsatz und die breitbandige Abtötung führen im gesamten ökologi­schen Kreislauf zur Dezimierung der Artenvielfalt. Schmetterlinge, Bienen, andere In­sekten oder auch Feldvögel sind durch einen massiven Verlust von Nahrungshabi­taten stark betroffen (siehe auch: Umweltbundesamt (2016): 5-Punkte-Programm für einen nachhaltigen Pflanzenschutz. Deutsches Umweltbundamt; ISSN 2363-29X; https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/377/publikationen/uba-po­sitionspapier_5-punkte-programm_nachhaltigkeit_pflanzenschutz_web.pdf).

Die Kombination aus massiven Rückgängen bei den Pflanzen- und Tierbeständen – nicht nur Insekten, sondern (teilweise dadurch bedingt) auch die wildlebenden Wirbeltie­re verschwinden (Österreich hat in den letzten 30 Jahren rund 70 Prozent seiner Wir­beltierbestände eingebüßt, https://www.diepresse.com/5533069/rund-70-prozent-der-wirbeltiere-in-osterreich-verschwunden) – und dem durch die zunehmende Klimaerhit­zung erhöhten Anpassungsdruck auf die heimische Fauna und Flora erfordert auch hinsichtlich der Artenvielfalt und der Bewahrung der Ökosysteme sofortige Maßnahmen im Sinn des Vorsorgeprinzips.

Gerade Österreich als Berggebiet weist ein sehr diverses Spektrum an sensiblen na­türlichen und kulturbedingten Ökosystemen auf, das zusammen mit den wertvollen Na­turressourcen allgemein einen erhöhten Schutzbedarf in Zeiten des beschleunigten Kli­mawandels erfordert.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Rauch. – Bitte.


17.54.57

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminis­ter! Hohes Haus! Frau Kollegin Ecker, Sie haben ein Plakat vergessen: „Wen würde der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 157

Anstand wählen?“ – Heute sicher nicht mehr die Grünen! Ich glaube, angesichts dessen, wie sich die Grünen hier in diesem Haus verhalten, ist das der wesentliche Punkt an diesem Tag und in der letzten Zeit. (Beifall des Abg. Kickl.)

Es wäre wichtig gewesen, dieses Plakat noch hier hinzustellen, vor allem darum, weil es ja einen aufrechten Beschluss dieses Hauses für das Totalverbot von Glyphosat gibt, aber es wird durch einen technischen Trick vonseiten der Regierungspartei ÖVP ganz geschickt versucht, dieses Totalverbot und auch dieses Haus zu torpedieren.

Kommen wir aber zu etwas Positivem: Heute ist der Weltbienentag. Da geht es darum, die Bienen zu schützen. Man weiß, ohne Bienen gibt es keine Bestäubung der Blüten, daher braucht man die Bienen. Warum erwähne ich die Bienen? – Weil Glyphosat sehr, sehr schädlich für Bienen ist. Daher werden wir diesen Teilerfolg, diesen Antrag, den Sie eingebracht haben, unterstützen.

Ich komme gleich zu meinem Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Walter Rauch, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „Glyphosatkennzeichnung für Lebensmittel“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Kennzeichnung glyphosathaltiger Lebens­mittel zu entwickeln und diese einzuführen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

In dem Bereich ist es wichtig, die Menschen auch darauf hinzuweisen, dass es Glypho­satrückstände in Lebensmitteln gibt, die auch dementsprechend gekennzeichnet werden müssen. Diese Rückstände können im menschlichen Körper auch nachgewiesen wer­den.

Das Wichtigste dabei ist natürlich, dass es für die Menschen, für die Konsumenten auch ersichtlich ist, dass es diese Glyphosatkennzeichnung bei den Lebensmitteln gibt, dass das Einkaufsverhalten dadurch gesteuert wird, dass den Menschen, den Konsumenten gezeigt wird, dass man hinsichtlich des Kaufverhaltens vom Kauf von Glyphosatpro­dukten entsprechend Abstand nehmen kann und dass vor allem für die Bürger und vor allem auch für die Lebensmittelproduzenten Transparenz vorhanden ist. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

In dem Sinne: Es ist ein erster Schritt, nicht der letzte, es wird auch in diesem Bereich Mehrheiten abseits der ÖVP geben, wenn es auch das letzte Mal ein technischer Trick war, aber am Glyphosatverbot werden Sie nicht mehr vorbeikommen. (Beifall der FPÖ.)

17.57

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Walter Rauch

und weiterer Abgeordneter

betreffend Glyphosatkennzeichnung für Lebensmittel


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 158

eingebracht im Zuge der Debatte in der 107. Sitzung des Nationalrats am 20. Mai 2021 über den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 1380/A der Abgeordneten Dipl.-Ing. Georg Strasser, Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird (816 d.B.) - TOP 16

Glyphosat, der Wirkstoff von Roundup und einigen anderen Unkrautvernichtungsmitteln, ist weltweit das am häufigsten eingesetzte Herbizid. Es wurde wissenschaftlich bewie­sen, dass sich Rückstände vom Glyphosat nicht nur in Lebensmitteln, sondern auch im Körper von Menschen nachweisen lassen. Da im März 2015 die Agentur für Krebsfor­schung (IARG) erklärt hat, dass Glyphosat wahrscheinlich krebserregend ist1, ist es sinn­voll, Lebensmittel, die unter Einsatz von Glyphosat produziert wurden, als solche zu kennzeichnen.

Das im Juli 2019 vom Nationalrat beschlossene Verbot des Unkrautvernichters Glypho­sat wurde von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein nicht kundgemacht und wird somit nicht in Kraft treten. Grund dafür ist ein Formalfehler: Das Gesetz hätte der EU im Voraus zur Notifizierung übermittelt werden müssen, was aber nicht geschehen ist. Nunmehr be­schließen die Regierungsparteien ein Teilverbot, Ende 2022 endet jedoch ohnehin die aktuelle Zulassung von Glyphosat auf EU-Ebene. Da sich die türkis-grüne Bundesregie­rung nicht auf ein konsequentes Totalverbot einigen konnte, braucht es nunmehr zumin­dest Transparenz für die Österreicherinnen und Österreicher.

Eine konsumentenfreundliche und rasch umsetzbare Lösung ist eine Glyphosat-Kenn­zeichnung von Lebensmitteln. Eine solche Kennzeichnung ermöglicht unseren heimi­schen Konsumenten, wenn sie es wollen, glyphosatfreie Lebensmittel zu kaufen. Bei einer Glyphosat-Kennzeichnung werden alle Lebensmittel, die mit Glyphosateinsatz pro­duziert wurden als solche gekennzeichnet. Die Kennzeichnung soll einfach und gut er­sichtlich auf der Verpackung erfolgen und alle Lebensmittel umfassen, wenn bei der Pro­duktion in irgendeinem Stadium Glyphosat zum Einsatz kam.

Noch nie war die Auswahl an Produkten aus den verschiedensten Ländern so umfang­reich wie heute. An unserem Markt befinden sich Lebensmittel aus allen Regionen der Welt, jede Region hat einen anderen Zugang zu der Glyphosat-Problematik und damit wird das Herbizid auch im unterschiedlichen Ausmaß in der Lebensmittelproduktion ver­wendet. Im Vergleich mit Amerika ist in Österreich der Glyphosat-Einsatz relativ niedrig. „Eine in vielen Ländern übliche Methode ist in Österreich nicht zulässig: die Sikkation oder Reifespritzung. Dabei werden Nutzpflanzen kurz vor der Ernte mit Glyphosat be­handelt. Das Absterben der Pflanzen erleichtert die Ernte, zudem erhalten die Früchte dadurch eine Art finalen Energieschub, quasi durch das letzte Aufbäumen der Pflanze.“2 Die Kennzeichnung auf der Verpackung soll die Konsumenten dabei unterstützten, jene Lebensmittel auszuwählen, die seinen individuellen Bedürfnissen und Wünschen ent­sprechen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Kennzeichnung glyphosathaltiger Lebens­mitteln zu entwickeln und diese einzuführen.“

Quellen:

1            https://www.iarc.fr/wp-content/uploads/2018/07/MonographVolume112-1.pdf


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 159

2            https://www.profil.at/wissenschaft/akte-glyphosat-hysterie-unkrautvernichter-              11173918?fbclid=IwAR1FsEEu0YQpO955d7qjX8mJ5saHe8LV8SbYVJe4OGF              wy499kOn9TGFiXFM

*****


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Olga Voglauer. – Bitte.


17.58.01

Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Frau Präsidentin! Spoštovana Visoka Hiša! Sehr geehrtes Hohes Haus! Worum geht es heute? – Heute geht es darum, dass wir ein Teilverbot von Glyphosat beschließen. Das ist Fakt. Das ist nichts Neues, denn möglich wäre das eigentlich auch schon vor 2017 gewesen, liebe Kollegin Ecker, und ihr habt das nicht getan. (Beifall bei den Grünen.)

Also macht es einen Unterschied, ob ÖVP und Grüne gemeinsam koalieren (Zwischen­ruf der Abg. Cornelia Ecker), weil wir eine Gesprächsbasis haben, wir können die Dinge miteinander abhandeln. Wir haben genau das getan, was uns die europäische Rahmen­gesetzgebung ermöglicht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben Glyphosat überall verboten außer in der wirklich landwirtschaftlichen Anwen­dung, und dort haben wir auch einen wesentlichen Schritt gesetzt: Wir haben nämlich die Vorerntebehandlung, die Behandlung dann, wenn noch Glyphosatrückstände in Le­bensmitteln bleiben, in Österreich mit dem heutigen Beschluss auch verboten. Das habt ihr von der Sozialdemokratie nie zustande gebracht! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Cornelia Ecker.)

Und dann gehen wir gleich weiter – Cornelia Ecker hat heute auch davon gesprochen ‑: Es liegt am Europäischen Parlament, an der Europäischen Kommission, zu sagen, wie es mit Glyphosat weitergeht. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Cornelia Ecker.) 2022 ist die Deadline, und das schaue ich mir an, wie die Sozialdemokratie im Europaparla­ment stimmen wird. Letztens habt ihr es nicht zusammengebracht, dass ihr dagegen wart.

Und dann noch etwas: Da habt ihr so einen schönen Antrag. Das wäre den Grünen in Opposition nie passiert. Was ist unser Anliegen? – Eine Kooperation mit den NGOs, die Stimme für die Zivilgesellschaft zu sein. Ihr könntet das heute sein. Wenn ihr aber die letzten Wochen und Monate zugehört hättet, dann hättet ihr da nicht reingeschrieben „Inverkehrbringung“. Genau die Inverkehrbringung ist es nämlich, die wir national nicht mehr einschränken können, als wir es heute tun.

Dann möchte ich noch daran erinnern (Abg. Herr: ... Skandal!): Es gibt ein Wien, es gibt ein Kärnten und es gibt ein Burgenland. Ich schaue es mir an, ob ihr es in den nächsten zwei Jahren schafft, die Ausbringung dort zu verbieten. Das ist nämlich in eurer Hand. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.00


Präsidentin Doris Bures: Bevor ich jetzt Frau Abgeordneter Karin Doppelbauer das Wort erteile, möchte ich noch nachholen, dass Herr Abgeordneter Rauch einen Ent­schließungsantrag eingebracht hat.

Ich halte fest, dass das ordnungsgemäß der Fall war, daher steht er mit in Verhandlung.

Frau Abgeordnete, Sie sind am Wort. – Bitte.


18.00.32

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Frau Bundesminister! Wir haben es schon gehört – die Diskussion wird schon wieder ein


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 160

bisschen emotional –, wir beschließen heute das EU-konforme Verbot von Glyphosat. Warum ist das wichtig? – Weil eben das, was heute passiert, das ist, was EU-rechtlich im Augenblick möglich ist. Das finden wir NEOS gut, deswegen unterstützen wir diesen Antrag auch.

Was mir aber in dieser emotionalen und sehr populistisch geführten Debatte vonseiten der SPÖ wirklich immer wieder auffällt und was mich, ehrlich gesagt, ein bisschen ärgert, ist die Kurzsichtigkeit, weil es uns allen eigentlich um etwas anderes geht – also zumin­dest mir geht es um etwas anderes, wenn ich über Glyphosat rede. Es geht darum, dass wir ein Riesenproblem mit der Biodiversität in diesem Land haben. Das ist eigentlich das, worüber wir hier diskutieren sollten.

Es gibt sehr viele Studien, die das gravierende Ausmaß des Artensterbens belegen. Wir haben seit 1990 75 Prozent der Insekten in Mitteleuropa eingebüßt. Darüber sollten wir eigentlich reden.

Es gibt zwei Gründe dafür: Der eine Grund ist der Flächenfraß, das Zubetonieren von Flächen, von landwirtschaftlichen Flächen, von Lebensräumen. Im anderen Bereich – ja, ganz richtig! – geht’s um die chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel. Da müsste man einfach viel umfassender arbeiten. Wir bringen seit eineinhalb Jahren Anträge zu diesem Thema ein, in denen wir eigentlich fordern, dass wir 50 Prozent dieser chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel reduzieren. Uns geht es nicht um das Herausschie­ßen von einzelnen Produkten, sondern um eine gesamte Produktion, um wirklich die Biodiversität zu verbessern und in unserem Land wieder mehr Arten zu haben, die hier wieder Lebensraum finden, in dem sie sich ausbreiten können.

Noch einmal: Es geht aus meiner Sicht um zwei Punkte, was gemacht gehört. Wir müs­sen wirklich schauen, dass wir zu einer drastischen Reduktion von chemisch-syntheti­schen Pflanzenschutzmitteln kommen. Da braucht es etwas Weiteres, da braucht es Forschung, Weiterentwicklung und vor allem Kommerzialisierung von Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz – ganz, ganz wichtig! Zweitens müssen wir aufhören, die freien Flächen zuzubetonieren. Dann wäre diesem Land wirklich geholfen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

18.02


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lukas Brandweiner. – Bitte.


18.03.03

Abgeordneter Lukas Brandweiner (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundes­ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Jetzt bin ich zwar keine acht Jahre im Landwirtschaftsausschuss wie Kollegin Ecker, aber ich glaube, ich habe als ÖAABler schon mehr Kontakt zur Land­wirten gehabt als sie. Das Bild, das sie zeichnet, dass die Landwirte tonnenweise Gly­phosat ausbringen und böse sind, weise ich deutlich zurück. Ich empfehle da, wirklich einmal Kontakt zu den Landwirtinnen und Landwirten zu suchen und das Bild zu ändern. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir beschließen heute eine praxisnahe, gute Regelung. Das Pflanzenschutzmittelgesetz soll klar regeln, in welchen Bereichen Glyphosat verboten werden soll. Das sind drei wesentliche Bereiche: Der eine sind sensible öffentliche Flächen – da rede ich von Kin­dergärten, Plätzen vor Schulen oder auch Spielplätze –, zum Zweiten im Privatbereich, das heißt in Hausgärten, und drittens im wirtschaftlichen Sektor, wenn es keinen Sach­kundenachweis gibt. Oder anders formuliert: In Zukunft dürfen nur mehr die Expertinnen und Experten, die Landwirtinnen und Landwirte, die Gärtnerinnen und Gärtner, die eine Schulung gemacht und einen Sachkundenachweis haben, dieses Mittel verwenden, ganz unter dem Motto: So wenig wie notwendig, aber so viel es halt braucht.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 161

Ich darf als Niederösterreicher schon auch auf den kommunalen Bereich hinweisen: Es braucht ja – und das muss man auch dazusagen – nicht immer eine gesetzliche Rege­lung, damit man etwas Gutes tun kann. In Niederösterreich ist mit der Bewegung Natur im Garten wirklich etwas sehr Gutes gelungen, das übrigens in vielen anderen Bun­desländern, sogar in anderen Ländern kopiert wird. Das heißt, man darf gute Dinge auch kopieren.

Natur im Garten betreibt Gärten ohne Pestizide, ohne chemisch-synthetische Dünger und ohne Torf. Mittlerweile wurden fast 18 000 Hausgärten als Natur-im-Garten-Garten zertifiziert, 439 Gemeinden in Niederösterreich bewirtschaften die allgemeinen Flächen bereits ökologisch und fast 300 halten sich an alle Natur-im-Garten-Regeln, haben sogar im Gemeinderat beschlossen, dass sie Natur-im-Garten-Gemeinden sind. Das heißt, da wird schon tolle Arbeit geleistet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es macht mich besonders stolz, weil wir das in meiner Heimatgemeinde Groß Gerungs natürlich schon gemacht haben. Wir sind eine Natur-im-Garten-Gemeinde. Was ist das Ziel der Sache? – Wir sollen ja auch Vorbilder für die Bevölkerung sein, darum geht es.

Ich darf noch einmal erwähnen, weil es mich wirklich ärgert: Schauen wir, dass wir unse­ren Expertinnen und Experten vertrauen, und seien wir selbst Vorbilder, ganz im Sinne der Bewegung Natur im Garten! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

18.06


Präsidentin Doris Bures: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeord­nete Cornelia Ecker zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.06.19

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Frau Präsidentin! Abgeordnete Olga Voglauer hat in ihrer Rede behauptet, dass die sozialdemokratischen Abgeordneten im EU-Parlament gegen das Verbot von Glyphosat gestimmt hätten. Das ist unrichtig, das ist nicht wahr! Es gab vom 23. bis 26. Oktober diese Abstimmungen. Da haben alle österreichischen Sozialdemokraten dafür gestimmt. (Abg. Voglauer: ... die österreichischen!)

Zu Abgeordnetem Brandweiner: Er hat in seiner Rede behauptet, ich hätte keinen Kon­takt zu Bauern, ich kenne mich da nicht aus. Ich bin auf einem Bauernhof aufgewach­sen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

18.07


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Julia Herr. – Bitte.


18.07.12

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Frau Präsidentin! Wertes Hohes Haus! Liebe Zuschauer und liebe Zuschauerinnen zu Hause! Vor meinem Einzug in dieses Haus hätte ich mir zumindest nicht vorgestellt, dass so etwas, was heute – jetzt gleich – hier passiert, tatsächlich passieren kann oder dass so etwas möglich ist.

Worum geht es? – Nicht einer, sondern zwei aufrechte Beschlüsse, die wir hier in diesem Haus getroffen haben, werden von dieser Bundesregierung ganz einfach ignoriert. Zwei­mal hat der österreichische Nationalrat beschlossen, dass das Pestizid Glyphosat in Ös­terreich verboten werden soll. (Ruf bei der ÖVP: Die Kommission ...!) Das waren klare, mit Mehrheit getroffene Beschlüsse. Und warum? – Auch das ist ganz klar: Weil das Pestizid Glyphosat höchstwahrscheinlich bei Menschen krebserregend wirkt. Das ist von der WHO, der Weltgesundheitsorganisation, bestätigt.

Dieses höchstwahrscheinlich krebserregende Gift ist aber das meistverwendete Pestizid in der Landwirtschaft, und durch das Spritzen in der Landwirtschaft nehmen wir das Gly­phosat dann über die Lebensmittel in unseren Körper auf. Das führt zu der Situation,


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 162

dass drei von zehn Österreichern beziehungsweise Österreicherinnen mittlerweile Gly­phosat im Urin haben. Selbst in der Muttermilch wurde Glyphosat nachgewiesen. Vor diesem Glyphosat, vor diesem Pflanzengift können wir uns nicht anders schützen, als das Verbot zu fordern. Das ist auch dringend notwendig! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: ... Blamage!)

Aufgrund dieser Situation wehren sich auch immer mehr und mehr Menschen gegen Glyphosat und wollen, dass in Österreich der Verbrauch eingestellt wird.

Zweimal wurde es beschlossen! Nachdem es hier in diesen Reihen vergessen wurde, erwähne ich es noch einmal: Zum ersten Mal wurde das Glyphosatverbot am 2. Juli 2019 mit den Stimmen von SPÖ, von FPÖ, von NEOS und damals noch Liste Pilz beschlos­sen. Dann hat sich die von Kanzler Kurz geführte schwarz-blaue Bundesregierung in der Luft zerrissen, der Ibizaskandal ist passiert, und es kam in dieser Gesetzgebungsperio­de – in dieser Gesetzgebungsperiode! – nochmals zu einem aufrechten Beschluss: am 11. Dezember 2019, und zwar mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ, NEOS und nun auch den Grünen – falls ihr vergessen habt, dass ihr noch in dieser Periode mitgestimmt habt! (Beifall bei der SPÖ.)

Dieser zweite Antrag war glasklar! Was er gefordert hat, war glasklar: Er hat die Regierung aufgefordert, das Glyphosatverbot einzuleiten.

Aber was ist passiert? (Abg. Strasser: Die SPÖ hat diesen Antrag nicht ...!) – Die Regie­rung hat gesagt: Parlamentsbeschluss hin oder her!, und hat es ganz einfach ignoriert. (Abg. Strasser: Die SPÖ hat diesen Antrag nicht nach Brüssel geschickt!)

Und an dieser Stelle zitiere ich ein Video, das ich damals zu dieser Zeit gemacht habe, weil der Titel doch sehr gut passt, nämlich: „Wie die ÖVP“ am Beispiel Glyphosat „das Parlament verarscht!“, um es in dieser Deutlichkeit auch ... (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, ich ersuche Sie, das zurückzunehmen, andernfalls erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Ruf bei der ÖVP: Die ist ja immer so, Frau Präsidentin!)


Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (fortsetzend): Ich habe aus dem Video zitiert und nicht selbst die Aussage getätigt.


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, wir haben auch die Regelung, dass wir es nicht zitieren! Da gibt es auch klare Beschlüsse aus der Präsidiale, die alle Fraktionen mittragen.


Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (fortsetzend): Dann muss man manchmal die Dinge aber trotzdem so beim Namen nennen (Ruf bei der ÖVP: Ordnungsruf!), und dann werde ich diesen Ordnungsruf in Kauf nehmen, denn um das noch einmal auf den Punkt zu bringen (Öh-Rufe bei der ÖVP): Unerhört ist, dass Parlamentsbeschlüsse in diesem Haus ignoriert werden! Unerhört ist, dass, wenn hier Mehrheiten glasklare Aussagen treffen, Sie sie ganz einfach nicht ... (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

18.10.58*****


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, jede Emotion ist in diesem Haus bei allen Fraktionen und bei vielen Debatten schon vorgekommen. Für den Ausdruck „verarscht“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf, weil das die Würde des Hauses verletzt, auch wenn man es zitiert. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

*****


18.11.22


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 163

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (fortsetzend): Und trotzdem werde ich diesen letzten Punkt noch machen, denn woran es liegt (neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP), das sind nicht rechtliche Fragen, wenn das jetzt hier oftmals ins Feld geführt wurde, nämlich dass es aufgrund von juristischen Fragen nicht möglich ist, das Glyphosatverbot zu be­schließen. Sie wissen ganz genau, dass es in Luxemburg bereits der Fall war. Dort hat man einfach Produkten, die Glyphosat enthalten haben, die Zulassung entzogen. Das könnte Ministerin Köstinger sofort machen. Dazu brauchen wir hier nicht einmal einen Gesetzesbeschluss, das wäre sofort möglich.

Die Grünen haben noch vor wenigen Monaten eine Presseaussendung verschickt, in der klar drinstand: Luxemburg ist das Ziel. – Ist es das jetzt nicht mehr so? Wir könnten in Österreich ein womöglich krebserregendes Pflanzengift schon lange verbieten. Wir tun es nicht aufgrund eines politischen Willens, der nichts mehr mit der rechtlichen Situation zu tun hat. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

18.12


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Johann Weber. – Bitte.


18.12.27

Abgeordneter Ing. Johann Weber (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Vor allem geschätzte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Wir diskutieren heute hier dieses Teilverbot, was den Glyphosat­einsatz betrifft, schon etwas emotional. Letztendlich ist das Ganze wieder ein politischer und kein fachlicher Kompromiss, der heute hier umgesetzt wird.

Im Großen und Ganzen gibt es das, was wir heute hier beschließen, bereits in Kärnten, und zwar seit dem 1.1.2020. Auch dort war es in erster Linie ein politischer und kein fachlicher Kompromiss.

Worum geht es nun? – Wir haben es von Vorredner Brandweiner auch schon gehört: Eine Vielzahl von Pflanzenschutzmitteln wird in Zukunft von nicht Sachkundigen im pri­vaten Haus- und Gartenbereich nicht mehr einsetzbar sein. Das ist grundsätzlich gut so.

Für den Einsatz von Glyphosat wird der angesprochene Sachkundenachweis notwendig sein – den gibt es bei uns in Kärnten auch schon, und dafür, dass man ihn bekommt, braucht man eine entsprechende Ausbildung, diese muss man nachweisen. Diese er­folgt bei uns in den landwirtschaftlichen Fachschulen schon seit Jahren. Dort werden die jungen Bauern entsprechend ausgebildet und erhalten diesen Sachkundenachweis schon im Rahmen ihrer Ausbildung, ebenso in der Meisterausbildung.

Darüber hinaus gibt es aber auch noch eine Vielzahl von entsprechenden Sachkunde­kursen, in denen man dieses Zertifikat, diesen Sachkundenachweis erwerben kann, da­mit man in Zukunft überhaupt noch ein Glyphosatprodukt im Handel bekommen kann. Das ist auch ein wichtiger Punkt, und das ist, finde ich, grundsätzlich gut so.

Aber eines muss man auch noch sagen: Diese einmalige Ausbildung ist kein Freifahrt­schein für die Ewigkeit. Das gilt sechs Jahre. Nach sechs Jahren muss man um eine Verlängerung ansuchen, und damit man diese Verlängerung bekommt, muss man wie­der nachweisen, dass man sich upgedatet hat, eine Weiterbildungsveranstaltung im Ausmaß von fünf Stunden besucht hat, und erst dann bekommt man das. Und auch das ist, finde ich, grundsätzlich gut. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir alle wissen, dass das ein sehr sensibler Bereich ist, und da ist es eben auch sehr wichtig und richtig, dass man immer am neuesten Wissensstand ist, und damit wird das auch erreicht. Wir wissen aber auch, dass grundsätzlich die Dosis das Gift macht, und daran sieht man ja auch wieder, wie wichtig es ist, dass man das ordnungsgemäß, richtig einsetzt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 164

Und was wir heute auch schon gehört haben: Es ist wirklich nicht mehr leicht, in der Landwirtschaft zu produzieren. Jeder Bauer überlegt sich sehr gut, wann er was und wie einsetzt, da die Kalkulation in der Landwirtschaft schon sehr, sehr knapp geworden ist. Da muss man sich wirklich zehnmal überlegen, was man noch einsetzt, um bei der Ernte, am Ende des Jahres überhaupt auf ein positives Wirtschaftsergebnis zu kommen.

Die Landwirtschaft ist wirklich nicht mehr leicht zu handeln, und mich stört, dass heute hier der Eindruck entsteht, es passiert fast ein bisschen eine Art Landwirtschaftsbashing hier im Haus. Das finde ich schade. Das hat die Landwirtschaft in Österreich nicht ver­dient! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Mit dem vorliegenden Gesetz kommt es aber zum Verbot des Glyphosateinsatzes bei öffentlich zugänglichen Sportstätten, Schwimmbädern, Kinderbetreuungseinrichtungen, in Parkanlagen sowie eben in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen. Das finde ich sehr gut, das ist okay. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

18.16


Präsidentin Doris Bures: In dieser Debatte ist nun niemand mehr zu Wort gemeldet. Damit schließe ich sie auch.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wie vereinbart verlege ich die Abstimmung an den Schluss der Verhandlungen der Vor­lagen des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft.

18.16.4117. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 1413/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Kein AMA Gütesiegel für Sojaimporte auf Bundes- wie auf Landesebene (817 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Cornelia Ecker. – Bitte.


18.17.13

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Jeder Antrag, der zum Ziel hat, gentechnisch veränderte Produkte von Öster­reich fernzuhalten, ist aus Sicht der Sozialdemokratie unterstützenswert. Daher werden wir auch diesem Entschließungsantrag zustimmen, doch empfinde ich die Initiative als zu wenig weitreichend. Damit das AMA-Gütesiegel endlich ein Qualitätssiegel wird und keine Marketingmaßnahme bleibt, muss gesetzlich festgelegt sein, dass das AMA-Gü­tesiegel nur bei völlig gentechnikfreiem Herstellungsprozess – natürlich inklusive gen­technikfreier Futtermittel – verwendet werden darf.

Daher stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „AMA-Gütezei­chen nur bei durchgehend gentechnikfreiem Herstellungsprozess inklusive gentechnik­freier Fütterung“

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 165

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Änderung des AMA-Gesetzes zur Beschlussfassung vorzulegen, womit klargestellt wird, dass das AMA-Gütezeichen nur bei vollkommen gentechnikfreiem Herstellungsprozess inklusive gentechnikfreier Fütterung, verwendet werden darf.“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf europäischer Ebene wird gerade die GAP, die Gemeinsame Agrarpolitik, verhandelt, und es wird intensiv über die neue Gentechnik debattiert. Es ist Fakt, dass die EU-Kommission unsere hohen Standards aufweichen und die Gentechnik innerhalb der Mitgliedstaaten etablieren möchte. Diese Entwicklung sehen wir als brandgefährlich an.

Wir müssen daher alles tun, um jegliche Initiative in diese Richtung einzudämmen und zu verhindern. Die Menschen wollen keine Gentechnik auf ihren Tellern, sie wollen hoch­wertige, gesunde, regionale Lebensmittel, und das ist mit Gentechnik einfach nicht ver­einbar.

Um die Wichtigkeit zu unterstreichen und die Position der Parlamentsparteien für die Bevölkerung einfach sichtbar zu machen, stelle ich einen weiteren Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Cornelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Neue Gen­technik muss als Gentechnik behandelt werden, sonst droht gentechnisch veränderte Pflanzenwelt und unkontrolliert Gentechnik am Teller“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz und die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, werden aufgefordert, auf europäischer Ebene klar die Position einzunehmen, dass alle Arten gentechnisch veränderter Organismen, egal ob sie durch alte oder neue Gentechnik hergestellt werden, entsprechend dem Urteil des EuGH vom 25. Juli 2018 unter die strengen Regeln für Zulassung, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung fallen.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

18.20

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Cornelia Ecker,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend AMA-Gütezeichen nur bei durchgehend gentechnikfreiem Herstellungspro­zess inklusive gentechnikfreier Fütterung

eingebracht zu TOP 17 Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 1413/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Kein AMA Gütesiegel für Sojaimporte auf Bundes- wie auf Landesebe­ne (817 d.B.)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 166

Gentechnikfreiheit ist der österreichischen Bevölkerung ein hohes Anliegen. Das AMA-Gütezeichen soll ein besonders hohes Qualitätsniveau eines Produktes ausloben. Die­ses Ziel wird jedoch nicht erreicht, wenn im Herstellungsprozess eines Produktes, kon­kret auch dadurch, dass im Zuge der Fütterung von Nutztieren keine gentechnikfreien Futtermittel verwendet werden, Gentechnik zum Einsatz kommt.

Die Forderung für den flächendeckenden Einsatz von gentechnikfreien Futtermitteln in Österreich deckt sich mit dem starken Wunsch in der österreichischen Bevölkerung nach umfassender Gentechnikfreiheit von Lebensmitteln. Diese Thematik hat auf Grund des Urteils des Europäischen Gerichtshofes, dass die sogenannten „Neuen Züchtungstech­niken“ ebenfalls Gentechnik darstellen, zusätzlich an Gewicht gewonnen. Es ist auch deshalb besonders aktuell, da auf europäischer Ebene auf Druck der Saatgutindustrie ein Prozess gestartet wurde, der im Worst Case Szenario damit enden könnte, dass für gewisse Neue Gentechniken ein schwächerer Regelungsrahmen und damit die Gefahr der Vermischung mit anderen Pflanzen kommen könnte.

60 Prozent des in Österreich konsumierten Fleisches ist Schweinefleisch. Wer derzeit konventionell hergestelltes Schweinefleisch kauft, muss in der Regel davon ausgehen, dass das Tier mit gentechnisch verändertem Soja gefüttert wurde.

Das AMA-Gütesiegel wird besonders stark als für Konsumenten und Konsumentinnen verlässliches Qualitätssiegel für Lebensmittel beworben. Produkte mit diesem Siegel müssen jedoch derzeit nicht den Standard erfüllen, dass Fleisch von Tieren verwendet wurde, die ohne gentechnisch veränderte Futtermittel gefüttert wurden.

Ein Greenpeace-Test zeigte bereits 2018, dass auch Schweinefleisch mit dem rotweiß­roten AMA-Gütezeichen mit gentechnisch verändertem Soja produziert wird. Die Um­weltschutzorganisation ließ gängiges Schweine-Futtermittel, darunter für Mastschweine und für Ferkel, vom Umweltbundesamt testen. Rund 90 Prozent des Sojas waren gen­technisch verändert (https://bit.ly/2A3VWXr). Es konnten in den zwei Proben des Markt­führers „Garant-Tiernahrung Gesellschaft m.b.H.“ drei verschiedene gentechnisch ver­änderte Soja-Pflanzen nachgewiesen werden. Zwei stammten vom Agrarkonzern Mon­santo und eine von der Bayer AG., jetzt zum US-Konzern Monsanto gehörend. Bei Schweinefleisch ist nur Bio-Schweinefleisch sowie Schweinefleisch mit dem grün-wei­ßen „Ohne Gentechnik“-Siegel garantiert gentechnikfrei. Dabei handelt es sich derzeit jedoch um Nischenprodukte. Bio-Schweinefleisch hat einen Marktanteil von zwei Pro­zent, konventionelles gentechnikfreies Schweinefleisch von etwa zehn Prozent.

Bio-Fleisch oder Fleisch von Schweinen, die nicht mit Gentechnik-Soja aus Übersee ge­füttert wurden, stellt somit die Ausnahme dar. Dies ergab neuerlich ein Anfang Novem­ber 2019 durchgeführter Marktcheck der Umweltschutzorganisation Greenpeace in neun Supermarktketten: Das handelsübliche Schweinefleisch in österreichischen Supermärk­ten ist lediglich in einem von zehn Fällen gentechnikfrei.

Positivbeispiel sind die österreichische Milchwirtschaft sowie die österreichischen Eier­produzenten, die im Jahr 2010 komplett auf gentechnikfreie Fütterung umgestellt haben. Die heimischen Hühnerfleischproduzenten füttern seit dem Jahr 2012 gentechnikfrei.

Es ist hoch an der Zeit, dass echte Anstrengungen unternommen werden, dass Fleisch in Österreich in absehbarer Zeit von Tieren stammt, die gentechnikfreie Futtermittel er­halten haben. Sowohl die neue Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, deren Regelungen derzeit verhandelt werden, mit einer Fördermaßnahme orientiert an diesem Ziel, als auch die österreichische Gesetzgebung mit Änderungen im AMA-Gesetz kön­nen dies vorantreiben.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 167

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Änderung des AMA-Gesetzes zur Beschlussfassung vorzulegen, womit klargestellt wird, dass das AMA-Gütezeichen nur bei vollkommen gentechnikfreiem Herstellungsprozess inklusive gentechnikfreier Fütterung, verwendet werden darf.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Cornelia Ecker,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend die Neue Gentechnik muss als Gentechnik behandelt werden, sonst droht gentechnisch veränderte Pflanzenwelt und unkontrolliert Gentechnik am Teller

eingebracht zu TOP 17 Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 1413/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Kein AMA Gütesiegel für Sojaimporte auf Bundes- wie auf Landesebe­ne (817 d.B.)

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 25. Juli 2018 eindeutig festgestellt, dass alle Arten gentechnisch veränderter Organismen unter die strengen EU-Regeln für Zulassung, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung fallen, sofern gentechnische Verfah­ren eingesetzt wurden, die hauptsächlich seit dem Erlass der EU-Richtlinie 2001 entwi­ckelt wurden. Das betrifft auch neue gentechnische Verfahren wie die so genannte „Gen­schere“ (CRISPR). Mit dieser neuen Technologie können bestehende Gene modifiziert werden, ohne dass neue Gene hinzugefügt werden.

Die Europäische Kommission hat am 29. April 2021 eine Studie zu neuen Gentechnik­verfahren vorgestellt. Bereits vor Veröffentlichung haben NGOs davor gewarnt, dass die stark lobbyierende Saatgutindustrie vor allem monetäres Interesse daran hat, abge­schwächte Regelungen für Neue Gentechniken zu erreichen, um dadurch hohe Gewinne abzuschöpfen.

Aus Sicht der EU-Kommission hat Neue Gentechnik das Potenzial, zu einer nachhaltige­ren Lebensmittelproduktion beizutragen, den Einsatz von Pestiziden zu verringern und die Ziele des Green Deal und der „Vom Hof auf den Tisch“- Strategie zu erreichen. Die EU-Kommission kommt zu dem Schluss, dass die derzeitige Gentechnik-Gesetzgebung veraltet ist.

Geplant ist nun ein breit angelegter Konsultationsprozess, um die Gestaltung eines neu­en Rechtsrahmens für diese biotechnologischen Verfahren zu erörtern. In einem ersten Schritt ist geplant, den Rechtsrahmen für die Anwendung bei Pflanzen zu öffnen, in weiterer Folge auch Anwendung bei Tieren und Mikroorganismen.

Sollten jedoch mit neuen Techniken gentechnisch veränderte Pflanzen etc. zukünftig nicht mehr unter die strenge EU-Regulierung fallen, werden gentechnisch veränderte Pflanzen ungekennzeichnet und ohne Risikoprüfung in Lebensmitteln landen. Es wird zu einer nicht absehbaren Vermischung nichtgentechnisch veränderter und gentech­nisch veränderter Pflanzen kommen.

Da diese Neuen Gentechniken sogenannte „on-“, aber auch „off-Target“-Ergebnisse zur Folge haben können, also nicht beabsichtigte Veränderungen in den Organismen, muss


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 168

jedenfalls eine strenge Risikoabschätzung erfolgen. Dazu kommt, dass im Hinblick auf diese Risikoabschätzung derzeit noch viel zu wenig geforscht wird. Hier liegt auch der wesentliche Unterschied zu den konventionellen Züchtungen, die also keineswegs als „gleichwertig“ anzusehen sind.

Eine Aufweichung der jetzigen Gesetzgebung beeinträchtigt das Recht auf Informa­tionen und Wahlfreiheit der KonsumentInnen und könnte ungeahnte Folgen für die Zu­kunft unserer Lebensmittel, Landwirtschaft und die Umwelt haben, insbesondere auch für die Bioproduktion und gentechnikfreie Lebensmittelherstellung. Auch das Ziel des Green Deals, den Anteil der Bioproduktion bis 2030 auf 25 Prozent zu steigern ist ernst­haft gefährdet.

Die Menschen haben ein Recht darauf, selbst zu entscheiden, ob sie mit Gentechnik hergestellte Lebensmittel kaufen wollen oder nicht. Daher ist eine entsprechende Kenn­zeichnung erforderlich. Biologische und gentechnikfreie Lebensmittelherstellung könn­ten die Erwartungen der KonsumentInnen nach einer gentechnikfreien Lebensmittelpro­duktion möglicherweise nicht mehr erfüllen, was das Vertrauen in diese Produkte gefähr­det.

Die klare Kennzeichnungspflicht bietet Wahlfreiheit und Transparenz für Konsumentin­nen und Konsumenten, VerarbeiterInnen und ProduzentInnen.

Es ist immer die Frage zu stellen, welche gesundheitlichen Risiken genmanipulierte Pflanzen tragen, egal ob es sich um alte oder neue Gentechnik handelt, mit der die Ver­änderungen durch den Menschen vorgenommen wurden.

Strenge Zulassungsverfahren, als auch eine Risikoüberprüfung sowie die Kennzeich­nung sind die Grundlagen für Transparenz, Rückverfolgbarkeit und Wahlfreiheit.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesonders der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz und die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, werden aufgefordert, auf europäischer Ebene klar die Position einzunehmen, dass alle Arten gentechnisch veränderter Organismen, egal ob sie durch alte oder neue Gentechnik hergestellt werden, entsprechend dem Urteil des EuGH vom 25. Juli 2018 unter die strengen Regeln für Zulassung, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung fallen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Beide Entschließungsanträge sind ordnungsgemäß einge­bracht und stehen daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Georg Strasser. – Bitte.


18.20.30

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Das Jahr 2020 wird ein entscheiden­des Jahr für die Lebensmittelproduktion in Österreich werden, und ich darf den Ethiker von der Vetmed in Wien Christian Dürnberger zitieren: Es braucht einen neuen Vertrag zwischen Bäuerinnen und Bauern und Konsumentinnen und Konsumenten, wie Lebens­mittel in Österreich erzeugt werden.

Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Meine Damen und Herren! Wir Österreicherinnen und Österreicher lieben ja be­kanntlich unser Schnitzel, und man könnte jetzt trefflich darüber streiten: Kalb, Schwein,


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Pute, Huhn, Soja?, aber das ist nicht mein Punkt, sondern – ich möchte Ihnen sagen, was mir hinsichtlich der Ernährung der österreichischen Bevölkerung wichtig ist – mir ist wichtig, dass sich die Damen und Herren frei entscheiden und bewusst entscheiden, was sie täglich essen. Dazu ist es notwendig, dass wir Transparenz schaffen. Darum ist es wichtig, das Projekt der Herkunftskennzeichnung mit aller Konsequenz voranzutrei­ben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ein großes Dankeschön für das Engagement unserer Bundesministerin Elisabeth Kös­tinger! Ein großes Dankeschön für das Engagement des neuen Bundesministers Mück­stein!

Zweitens: Information ist mir wichtig, und da sind die Wissenschaft und die Kommunika­tion gefordert, damit sich letztendlich – und ich wiederhole es noch einmal – Menschen frei und bewusst für ein Lebensmittel entscheiden können.

Und: Es ist mir wichtig, zu erwähnen, dass es gut ist, wenn man zum Lebensmittel eine persönliche Bindung hat, wenn man die Bäuerin und den Bauern ums Eck kennt und einfach Vertrauen in die Region und in die Produktionsweise hat. Wenn diese Vorausset­zungen erfüllt sind, dann wird die Ernährung der Person guttun und dann wird sich dieser Mensch gesund ernähren.

Was ist mir noch wichtig? – Es wird Sie nicht wundern: Als österreichischer Bauer ist es mir wichtig, dass die Österreicherinnen und Österreicher Produkte aus Österreich konsu­mieren. Da gibt es ein Vehikel, damit die Information gut hinüberkommt und damit auch die Qualität gesichert wird, das ist das AMA-Gütesiegel.

Dieses AMA-Gütesiegel wollen wir jetzt weiterentwickeln. Wir wollen im Laufe des Jah­res über die Haltungsformen und über die Fütterung von Tieren reden, und wir haben, wenn wir jetzt speziell von den Schweinen reden, das Ziel, dass, wenn es um die Ei­weißversorgung geht, in Österreich weniger Regenwald- und Brandrodungssoja einge­setzt wird und mehr europäische und österreichische Eiweißquellen erschlossen wer­den, ganz im Sinne der österreichischen und der europäischen Eiweißstrategie. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Lassen Sie mich jetzt einen Blick auf den österreichischen Schweinemarkt werfen: In Österreich werden fünf Millionen Schweine geschlachtet, davon 50 000 Bioschweine und 70 000 Tierwohl-plus- und GVO-frei gefütterte Schweine.

Das wäre doch was, wenn wir diese 120 000 Schweine auf den gesamten Markt aus­rollen: 500 000, eine Million, 1,5 Millionen oder vielleicht sogar mehr. – Ich kann behaup­ten: Der Tisch ist gedeckt! Der Konsument, die Konsumentin kann sich das bereits aus­suchen, und ich lade Sie ein: Genießen Sie ein Schnitzel vom österreichischen Pre­miumschwein! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Als bäuerlicher Vertreter habe ich natürlich auch einige Bedingungen, die erfüllt werden müssen, damit so eine Transformation gelingen kann:

Erstens: Die Bäuerinnen und Bauern dürfen nicht auf den Kosten sitzen bleiben. Das hat auch das gestern in Diskussion gelangte Tierschutzvolksbegehren festgestellt.

Zweitens: Wir brauchen Fairness entlang der Wertschöpfungskette, damit sich die Kos­ten und auch die Erfolge fair zwischen den Partnern und Partnerinnen in der Lebensmit­telversorgungskette verteilen.

Und wir brauchen politisches Engagement. Auch an diesem Punkt ein ganz großes Dankeschön! Erste Schritte sind gemacht: Der Tierwohlpakt – 120 Millionen Euro mehr werden in Österreich pro Jahr in tierwohlgerechte Stallungen investiert. Geschätzte Frau Bundesministerin Elli Köstinger, herzlichen Dank für diese Initiative! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)


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Ich komme zum Schluss: Das Jahr 2020 wird ein entscheidendes Jahr für die Lebens­mittelproduktion in Österreich werden. Dürnberger spricht von einem neuen Pakt, den es zwischen den Konsumentinnen und Konsumenten und den Bäuerinnen und Bauern braucht, damit wir uns ausmachen, wie Lebensmittel in Österreich produziert werden sollen; aber – Zusatz, und da bin ich jetzt wieder bei Elli Köstinger – wir müssen auch darüber reden, was das Fleisch und das Lebensmittel kosten darf und kosten muss.

Ich stelle fest: Die Stakeholder sind bereit, der Tisch ist gedeckt. Gehen wir es gemein­sam an! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.25


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Schmiedlech­ner. – Bitte.


18.25.50

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Frau Präsident! Frau Minister! Sehr ge­ehrte Zuseher und Zuseherinnen! Wir diskutieren heute eine Änderung für das AMA-Gütesiegel, für AMA-Gütesiegelprodukte. Diese AMA-Gütesiegelprodukte werden von den Konsumenten als besonders gut angesehen. Das AMA-Gütesiegel steht in den Augen der Konsumenten für Österreich, so wird es auch in der Werbung dargestellt.

Das in der österreichischen Bevölkerung bekannteste Gütesiegel steht laut Eigendefini­tion für nachvollziehbare Herkunft des Produktes und für den Mehrwert für die Bauern. – Der Mehrwert für die Bauern ist leider vergessen worden und ist oft nicht zu erkennen.

Schauen wir uns das Siegel also einmal an (der Redner platziert eine Tafel, auf der ein AMA-Gütesiegel mit der Aufschrift „Geprüfte Qualität“, „AMA Gütesiegel“, „Austria“ ab­gebildet ist, auf dem Rednerpult): das AMA-Gütesiegel, rot-weiß-rot, auf dem Österreich draufsteht – hier durch die Farben, und die Bezeichnung „Austria“ unterstreicht das noch. Damit soll festgelegt werden, dass es aus Österreich kommt: Wo Österreich draufsteht, muss Österreich drinnen sein.

Der AMA-Tätigkeitsbericht zeigt auf, dass nur etwa ein Drittel der in Österreich ge­schlachteten Schweine aus AMA-Gütesiegelbetrieben stammt. Fleisch aus nicht AMA-zertifizierten Betrieben unterliegt zwar ebenfalls einer Herkunftskennzeichnungspflicht, doch in den verarbeitenden Betrieben verliert sich dann oft die Spur bei der Kennzeich­nung. Die große Lücke entsteht durch das unverpackte Fleisch und die Lieferungen der verarbeitenden Betriebe. Nach wie vor unterliegen diese keiner Kennzeichnungspflicht.

Daher brauchen wir einen Lückenschluss. Natürlich stimmen wir daher diesem ersten Antrag für ein Gensojaverbot in AMA-Gütesiegelprodukten zu und unterstützen diesen.

Das AMA-Gütesiegel besteht aber nicht nur aus diesem Zeichen, sondern es gibt noch sehr viele andere, und das darf ich jetzt darlegen (der Redner stellt eine Tafel mit Ab­bildungen zahlreicher Gütesiegel auf das Rednerpult): Es gibt ein AMA-Gütesiegel aus der EU, dann gibt es ein AMA-Gütesiegel Alpenland, ein AMA-Gütesiegel Bayern, ein AMA-Gütesiegel für alle möglichen anderen Länder, und es gibt sogar ein AMA-Gü­tesiegel für Zierpflanzen, ein AMA-Gütesiegel für Gastronomie. – Das gibt es alles bei der AMA.

Man könnte auch vermuten, dass da bewusst der ganze Apparat aufgeblasen wird, um Versorgungsposten für ÖVP-Parteimitglieder zu schaffen und zu erhalten. (Beifall bei der FPÖ.)

Neben den AMA-Gütesiegeln gibt es auch noch Hunderte andere Gütesiegel – und da soll sich dann der Konsument noch auskennen.

Eine Reform, eine Rundumreform und -erneuerung des AMA-Gütesiegels wäre längst überfällig. Es braucht nur ein, aber ein eindeutiges Siegel, und das wäre dieses. (Der


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 171

Redner stellt erneut die von ihm zu Beginn gezeigte Tafel mit der Abbildung eines AMA-Gütesiegels auf das Rednerpult.)

Wo Österreich draufsteht, muss Österreich drinnen sein, und das ohne Ausnahme. Die­se Leistung muss bezahlt werden, und die Ware darf nicht zu Dumpingpreisen von den Lebensmittelketten verscherbelt werden.

Also – es ist längst überfällig –: AMA-Gütesiegeldschungel abschaffen, Preisdumping­verbot für AMA-Produkte sicherstellen, Herkunft der AMA-Produkte klar definieren. AMA-Gütesiegelprodukte müssen zu 100 Prozent österreichische Herkunft – ohne Wenn und Aber – garantieren. (Beifall bei der FPÖ.)

18.29


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Olga Voglauer. – Bitte.


18.30.04

Abgeordnete Dipl.-Ing. Olga Voglauer (Grüne): Frau Präsidentin! Spoštovana Visoka Hiša! Hohes Haus! Heute ist schon ein besonderer Tag. Ich möchte mit meiner eigenen Biografie beginnen: Ich selbst bin auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen, der immer schon biologisch bewirtschaftet wurde, aber lange Zeit nicht zertifiziert war. Erst 2003 hat sich mein Vater dazu entschieden, den Hof als Biolandwirtschaft zertifi­zieren zu lassen. Er hat nämlich Angst bekommen, dass, wenn er es nicht macht, viel­leicht die Tochter den Hof nicht übernimmt. (Heiterkeit bei den Grünen.) Ich hätte ihn wahrscheinlich schon übernommen – aber ich hätte ihn dann halt zertifizieren lassen.

Worum es mir geht: Wenn man so aufwächst wie ich, oder auch auf einem Grünlandbe­trieb oder Rinderbetrieb, kann man sich die Realität von Betrieben, die Schweinezucht, Schweinemast betreiben, nicht wirklich vorstellen. Ich habe mir das im letzten Jahr im­mer wieder genauer angeschaut und dabei eines bemerkt, dass da nämlich zwei Reali­täten herrschen. Es gibt die eine Realität, die für die Produzentinnen und Produzenten gilt – und eine Realität, die für die Konsumentinnen und Konsumenten gilt, wie auch ich eine bin. Ich kaufe nämlich prinzipiell Biofleisch ein, und das direkt ab Hof.

Wie bringt man also als Politikerin zwei Welten zusammen, von denen man weiß, dass da so ein Gap besteht? – Das geht nicht von heute auf morgen, das ist auch mir als Grüner bewusst – klar ist aber, dass wir jetzt erste Weichen zu stellen haben. Ja, dieser Antrag legt das erste Mal fest, dass es unser Ziel ist, aus gentechnisch veränderten Futtermitteln auszusteigen, und das ist ein Meilenstein. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Dieser Antrag legt auch fest, dass wir die Tierwohlkriterien beim AMA-Gütesiegel weiter­entwickeln werden, das ist ebenfalls ein Meilenstein. (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.)

Was bedeutet das? – Das bedeutet, wir kommen weg von dem Umstand, dass Öster­reich nach wie vor gentechnisch verändertes Soja importiert, das auf Flächen angebaut wird, auf denen früher Regenwälder standen. Wir kommen weg von dem Umstand, dass wir damit die CO2-Emissionen anheizen.

Wir kommen davon weg, dass wir jährlich 500 000 Tonnen Soja aus Übersee impor­tieren. Das wird nicht von heute auf morgen gehen, und ja, ich bin überzeugt: Die Kol­leginnen und Kollegen von den Oppositionsparteien werden dafür sorgen, dass wir hier gemeinsam mit der ÖVP weiter an den nötigen Stellschrauben drehen. Das werden wir auch weiterhin tun, denn die Branche braucht das.

Jetzt komme ich zurück zu diesen zwei divergierenden Welten. (Abg. Rauch: ÖVP und Grüne?) Wir haben die Aufgabe, Betriebe mitzunehmen, Optionen aufzuzeigen und den Weg sichtbar zu machen, wir müssen auch anständig fördern und unterstützen, damit richtig investiert wird. Worauf wird es nämlich ankommen, nicht nur jetzt in der Postco­ronazeit? – Prinzipiell wird es in der Landwirtschaft darauf ankommen, Investitionen zu


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ermöglichen, die eine nachhaltige Landwirtschaft sichern. Das geht nur, wenn die Liqui­dität der Betriebe nicht so erschöpft ist, wie es derzeit der Fall ist.

Wir müssen sinnvoll in die Zukunft investieren, und dafür sind wir Grüne immer zu haben. (Zwischenruf des Abg. Rauch. – Abg. Schnedlitz: Wer ist denn zuständig?!)

Wir möchten den Familien in der Landwirtschaft ein Einkommen sichern und dafür sor­gen, dass in Österreich Schweinefleisch von Tieren verkauft wird, die in Österreich gebo­ren und gemästet wurden, die hier gelebt haben und geschlachtet wurden, und deren Haltung die Bezeichnung Tierwohl verdient.

Wenn wir dort hinkommen, werden wir einen riesigen Meilenstein erledigt haben – das hier ist der erste Schritt, und ich freue mich, dass wir ihn gemeinsam gesetzt haben. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Schmiedlechner.)

18.33


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Karin Doppelbauer. – Bitte. (Abg. Rauch: Die Kollegin Doppelbauer wird das jetzt aufklären!)


18.33.58

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Frau Bundesminister! Ich möchte auch zu Beginn kurz auf meine Lebensgeschichte ein­gehen: Ich bin auf so einem Schweinemastbetrieb groß geworden, meine Eltern haben so einen Betrieb geführt, und ich kenne das sehr, sehr gut. Ich habe, im Unterschied zur Kollegin Voglauer, den Betrieb sofort in einen Biobauernhof umgewandelt und auch zer­tifizieren lassen, als ich ihn übernommen habe. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

Heute ist es mir eine besondere Freude, hier am Rednerpult zu stehen und über meinen Antrag zu sprechen. Es ist nämlich bis jetzt noch nicht so klar herausgekommen, wo­rüber wir heute diskutieren – nämlich über meinen Antrag, der eben jetzt im Plenum Thema ist. Ich habe diesen Antrag eingebracht, weil mir einfach sehr, sehr wichtig ist, dass das AMA-Gütesiegel – das ja immer so dargestellt wird, als ob es das Beste, Tollste und Größte wäre – weiterentwickelt wird und wirklich einen Mehrwert bringt.

Ich will ein AMA-Gütesiegel ohne Soja aus Brasilien, das steht in meinem Antrag. Das ist ja auch deswegen so interessant, weil mein Antrag im Ausschuss eigentlich einstim­mig beschlossen wurde. Kollege Eßl hat dann zwar gesagt, er hätte doch nicht aufge­zeigt – aber ich habe ihn ehrlich gesagt schon aufzeigen sehen. (Beifall bei den NEOS.)

Im Ausschuss wurde über meinen Antrag abgestimmt, dann aber, sehr schade: ÖVP und Grüne haben laut eigenen Aussagen meinem Antrag im Ausschuss irrtümlich zuge­stimmt – da sei ein Fehler passiert, oh je!

Die Regierungsparteien haben daraufhin flugs einen eigenen Antrag eingebracht, den sie schon fertig hatten – der aber wirklich nicht weit genug geht. Das ist eine Weiterent­wicklung, die einfach nur halbseiden ist, mit der wieder nichts geschehen wird, deswegen kann man diesem Antrag der Regierungsfraktionen auch nicht zustimmen.

Was aber geschehen ist: Der Wirbel in der Landwirtschaftsszene letzte Woche war wirklich großartig, zumindest aus meiner Sicht. Da ist in dieses Thema einmal richtig Bewegung reingekommen.

Lassen Sie mich aber vielleicht kurz erklären, was die ÖVP-Agrarier an diesem Antrag, dem ja offenbar irrtümlich zugestimmt wurde, so furchtbar erschreckt hat! Sie alle kennen das AMA-Gütesiegel, es wird mit vielen Millionen Euro jährlich beworben: Viele Millionen für Werbung im Stil der Fünfzigerjahre, heile Welt, wunderschöne Bauernhöfe, „[...] wenn ich aufs AMA-Gütesiegel schau“. Eine heile Welt wird da suggeriert, mit glücklichen Tie­ren und mit sanft im Winde wogenden Feldern, die wir so schön präsentiert bekommen.


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Die Realität sieht aber anders aus – ich habe es schon gesagt, ich bin auf so einem Betrieb groß geworden und kenne mich da wirklich relativ gut aus –: 140, 150 Euro sind der Betrag, den so eine fertig gemästete Sau heute kostet. Das ist das, was der Landwirt kriegt, wenn er sie zum Metzger bringt.

Ein Schweinderl kostet – das wissen die Praktiker hier im Saal genau – um die 40 Euro. Das Tier muss aufgezogen werden, es muss gepflegt werden, es muss gefüttert werden, bis es dann seinem Schicksal zugeht. Dafür kriegt man dann als Bauer 140, 150 Euro – und ein Schweinsschnitzel kostet im Supermarkt weniger als Katzenfutter, das sind die unterschiedlichen Realitäten, meine Damen und Herren!

Darüber spricht die AMA aber nicht, darüber spricht keiner in der Werbung – und auch nicht unsere Frau Landwirtschaftsminister. Sie beklagt sich zwar immer, dass alles so wenig koste, aber letztendlich weigert sie sich beharrlich, das System zu ändern.

Fakt ist, dass Österreich im Jahr circa 500 000 Tonnen Soja importiert. Das ist Soja, das jenen Tieren als Futter gegeben wird, die dann das rot-weiß-rote AMA-Gütesiegel be­kommen. Die Konsumenten wissen natürlich nicht, was das genau heißt: Die wissen nicht, dass in diesen Produkten gentechnisch verändertes Soja enthalten ist. Die Bauern wissen es, die Politiker wissen es, und der Handel weiß es natürlich auch – geschehen tut aber nichts.

Was aber wollen wir NEOS? – Wir NEOS wollen den Konsumenten zeigen: Hey, so ein­fach ist das nicht – wenn du Fleisch mit AMA-Gütesiegel kaufst, steht da drauf, dass dieses Tier mit Soja aus Südamerika gefüttert worden ist! Was heißt das? – Dass das Soja gentechnisch verändert ist, ist der erste Punkt. Der zweite Punkt ist, dass dieses Soja so angebaut wurde, dass da Spritzmittel verwendet worden sind, die in Europa gar nicht mehr zugelassen sind.

Der dritte Punkt – und das ist für mich persönlich eigentlich der schlimmste – ist, dass illegal Regenwald brandgerodet wurde, um eben dieses Futter für das so hungrige Euro­pa, das gefüttert werden will, anzubauen.

Wir wollen erreichen, dass regional produzierte Produkte, mit Soja aus Europa, eine höhere Wertschätzung erfahren, weil kein Regenwald dafür abgeholzt werden muss. Das ist das, was die Konsumenten verstehen müssen, das ist die Transparenz, die in dieses System hineingehört.

Wir wollen aber auch den Bauern dazu verhelfen, mehr Einkommen zu generieren, ohne an diesen elenden Fördertöpfen zu hängen. Wenn der Konsument nämlich versteht, dass es einen höheren Wert gibt, wird er auch bereit sein – so wie bei den Eiern –, einen höheren Preis zu zahlen.

Wir wollen auch, dass diese elende rückwärtsgerichtete Landwirtschaftspolitik in Öster­reich endlich aufgebrochen wird. Ständig wird suggeriert, dass alles so großartig und so toll wäre, und das stimmt einfach nicht! Es braucht Bewegung, es braucht Transparenz, es braucht eine Weiterentwicklung dieses landwirtschaftlichen Systems, denn sonst gibt es in 20, 30, 40 Jahren in Österreich keine Landwirtschaft mehr.

Ja, meine Damen und Herren, ich glaube, dass das, was im Landwirtschaftsausschuss geschehen ist, eigentlich ein bisschen ein Freud‘scher Lapsus war. Ich glaube nämlich, dass die Praktiker hier im Saal schon wissen, dass sich das System weiterentwickeln muss, dass etwas Neues hergehört. Ich denke doch, dass es notwendig wäre, Unterstüt­zung für meinen Antrag zu bekommen, der so klar, so einfach und so leicht einfach ver­ständlich ist.

Mir kommt auch vor, wenn ich hier mit den Kollegen rede, wenn ich mit der Wirtschaft rede, wenn ich mit dem Handel rede, wenn ich mit vielen Landwirten darüber rede, dann


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wollen die das eigentlich auch – aber auf der Bremse, meine Damen und Herren, steht unsere Frau Landwirtschaftsministerin, die ist offenbar dagegen!

Ich sage wirklich: Sie müssen sich da endlich bewegen. Ihre Kollegen in Deutschland machen das schon, Baden-Württemberg hat so etwas schon umgesetzt, die Bayern wer­den es auch machen. Einen Wettbewerbsvorteil, der eigentlich auf der Hand gelegen wäre – für unsere Landwirte, für unsere Bauern –, wird es nun nicht geben, weil Sie, Frau Landwirtschaftsministerin, da auf der Bremse stehen. (Ruf bei der ÖVP: Frau Kol­legin ...!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, ich bin mir relativ sicher, dass ich die Frau Landwirtschaftsministerin heute mit meiner Brandrede nicht überzeugen kann, aber vielleicht passiert Ihnen ja bei der Abstimmung noch einmal ein Irrtum (Zwischenruf bei der ÖVP) und Sie tun etwas wirklich Gutes: Sie treffen eine mutige Entscheidung, Sie helfen den Konsumentinnen und Konsumenten und letztendlich auch den Bäuerinnen und Bauern in diesem Land. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

18.40


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Josef Hechenberger. – Bitte.


18.40.59

Abgeordneter Ing. Josef Hechenberger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuse­herinnen und Zuseher! Momentan werden uns wenige Bauern zuschauen, speziell jene nicht, die Vieh halten, weil die momentan im Stall sein werden, beim Füttern und Versor­gen der Tiere, weil uns als Bauern das Tierwohl sehr wichtig ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ich darf zu Beginn einen Rechnungshofbericht zum Thema AMA-Gütesiegel zitieren, der den Gütesiegeldschungel generell kritisiert, aber dem AMA-Gütesiegel ein sehr gutes Zeugnis ausstellt: Es ist gesetzlich geregelt, es wird kontrolliert – ich denke, das ist ent­scheidend –, 94 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten kennen das Gütesiegel und acht von zehn Konsumentinnen und Konsumenten vertrauen ihm. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Vorredner haben zum Teil immer wieder diskutiert – ich will neben vielen bäuerli­chen Produkten einmal explizit die Milch hervorheben. Wir produzieren in Österreich zu 100 Prozent gentechnikfreie Milch – die Milch meiner Kühe liefere ich der Tirol Milch –, darüber hinaus haben wir uns dazu verpflichtet, nur europäische Eiweißfuttermittel zu verwenden. Ich denke, es ist auch einmal wichtig, im Sinne der Bauern klar zu erwähnen, was da geleistet wird.

Wenn wir nun aber das Thema Eiweiß weiterverfolgen, dann müssen wir auch darüber nachdenken, wie wir dieses Delta an Eiweiß decken. Es braucht eine Eiweißstrategie, und darüber hinaus, denke ich, braucht es auch Anreize zur Produktion. Wir als Landwirt­schaft sind gerne bereit, uns weiterzuentwickeln, aber wir sind nicht bereit dazu, wenn einzig und allein die Bauernfamilien die Kosten, die Mühen und die Sorgen tragen müs­sen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Eines irritiert mich am Antrag der Kollegin Doppelbauer von den NEOS sehr: Einerseits will man das AMA-Gütesiegel strenger machen, will die Kosten auf die Bauern ummün­zen (Zwischenruf des Abg. Loacker), und gleichzeitig sind die NEOS die, die für Merco­sur sind, das es österreichischen Bauernfamilien erschwert, Lebensmittel zu produzie­ren, und gleichzeitig den Konsumenten mehr oder weniger Tür und Tor öffnet, dass Bil­liglebensmittel aus der ganzen Welt (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer) nach Europa kommen. Ich muss wirklich sagen, das verstehe ich überhaupt nicht. Das ist der Unter­schied (Abg. Doppelbauer: Das ist absurd! Das ist völlig absurd ...!) zwischen den


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Regierungsparteien und den NEOS: Wir wollen auch den Bauern Chancen und Mög­lichkeiten für die Zukunft geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grü­nen. – Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.)

Heute wurde ja schon sehr oft über den Tag der Bienen diskutiert. Ich danke den Imkerin­nen und Imkern und den Bauernfamilien, die die Grundlage schaffen, ganz herzlich, weil ich davon überzeugt bin, dass es gemeinsam besser geht. Aus dem Grund werden wir auch gemeinsam die Qualität weiterentwickeln und hoffen, dass die österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten zu den österreichischen Lebensmitteln greifen. – In diesem Sinne herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.44


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Franz Eßl. – Bitte.


18.44.39

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ausgangs­punkt unserer Diskussion ist der Antrag von Frau Kollegin Doppelbauer, die gemeint hat: „Kein AMA Gütesiegel für Sojaimporte auf Bundes- wie auf Landesebene“.

Eigentlich entbehrt diese Wortfolge schon jeder Grundlage, denn es gibt sie ohnehin nicht (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer): Es gibt erstens kein AMA-Gütesiegel für So­jaimporte, und zweitens gibt es auch kein AMA-Gütesiegel, das irgendwo auf Landes­ebene vergeben wird – also war dieser Antrag auf alle Fälle klar abzulehnen. (Zwischen­rufe der Abgeordneten Doppelbauer und Hoyos-Trauttmansdorff.)

Und wenn Sie mich zustimmen gesehen haben, dann haben Sie Halluzinationen! Es ist ganz klar und deutlich, dass Kollege Sieber und ich diesem Antrag nicht zugestimmt haben. (Zwischenruf des Abg. Loacker.) Aber offensichtlich ist das so bei den NEOS – wie auch in anderen Ausschüssen –, dass sie irgendetwas sehen, was eigentlich in Wirk­lichkeit nicht stattgefunden hat. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe der Abge­ordneten Doppelbauer und Hoyos-Trauttmansdorff.) Ich möchte ganz deutlich fest­stellen, dass Kollege Sieber und ich diesem Antrag nicht zugestimmt haben.

Nichtsdestotrotz (Abg. Loacker: ... die Parlamentsmitarbeiter haben das ... kontrolliert! ... Par­lamentsmitarbeiter!) wollen wir natürlich auch eine Weiterentwicklung des AMA-Gütesie­gels. Wir und auch die Konsumenten wollen eine Kennzeichnung von Lebensmitteln, und das AMA-Gütesiegel ist ein geeignetes Mittel dazu.

Wie soll es aber nun weiterentwickelt werden? Andere Parteien wollen, dass keine Ver­gabe des AMA-Gütesiegels stattfindet, wenn nicht zusätzlich zu den derzeit gültigen Kri­terien noch weitere, höhere Standards erfüllt werden. Wir denken an ein Modulsystem, ein zusätzliches Kriterium. Deshalb ist auch unser Entschließungsantrag eingebracht worden, ein §-27-Antrag von Kollegen Strasser und Kollegin Voglauer, der in die richtige Richtung geht: Wir wollen gemeinsam mit den Produzenten Kriterien entwickeln, wie man das AMA-Gütesiegel weiterentwickeln möchte. Es ist klar, dass zusätzliche Kriterien auch Mehrkosten oder einen Mehraufwand verursachen, es gibt aber dann auch für den Konsumenten einen Mehrwert, und es muss auch für die Bäuerinnen und für die Bauern letztendlich einen Mehrerlös geben, ansonsten wird es nicht dauerhaft sein können.

Das Ziel ist folglich eine Weiterentwicklung im Einklang mit den Entwicklungen am Markt, und im besten Fall erreichen wir eine Win-win-win-Situation, bei der der Produzent ge­winnt, der Handel miteingebunden ist und letztendlich auch der Konsument Gewinner ist. Alle gemeinsam können wir natürlich Gewinner sein, wenn der Konsument heimische Produkte kauft. Das AMA-Gütesiegel ist ein geeignetes Siegel, um darauf hinzuweisen, dass diese Qualität aus Österreich kommt und dass der Konsument heimische Ware kaufen kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.48



Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 176

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das scheint nicht der Fall zu sein.

Ich frage die Fraktionen: Können wir abstimmen? – Gut, dann gehe ich nun auch so vor.


18.48.28Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 15 bis 17

Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zu den verlegten Abstimmungen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 15: Entwurf betreffend Düngemittelgesetz 2021 samt Titel und Eingang in 796 der Beilagen.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die in dritter Lesung ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit Mehrheit ange­nommen.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 16: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 geändert wird, in 816 der Beilagen.

Hiezu liegt ein gesamtändernder Abänderungsantrag der Abgeordneten Leichtfried, Kol­leginnen und Kollegen vor.

Ich werde zunächst über den erwähnten gesamtändernden Abänderungsantrag und dann über den Gesetzentwurf in der Fassung des Ausschussberichtes abstimmen lassen.

Wir stimmen über den gesamtändernden Abänderungsantrag der Abgeordneten Leicht­fried, Kolleginnen und Kollegen ab.

Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Ge­setzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Wal­ter Rauch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Glyphosatkennzeichnung für Lebens­mittel“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 17.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 817 der Beila­gen angeschlossene Entschließung in der Anlage 1 betreffend „Kein AMA Gütesiegel für Sojaimporte auf Bundes- wie auf Landesebene“.

Wer dem seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 817 der Beilagen ange­schlossene Entschließung in der Anlage 2 betreffend „Weiterentwicklung des AMA-Gü­tesiegels“.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 177

Wer stimmt dem zu? – Das ist mit Mehrheit so angenommen. (179/E)

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Cor­nelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „AMA-Gütezeichen nur bei durchge­hend gentechnikfreiem Herstellungsprozess inklusive gentechnikfreier Fütterung“.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Min­derheit, abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Cor­nelia Ecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die Neue Gentechnik muss als Gen­technik behandelt werden, sonst droht gentechnisch veränderte Pflanzenwelt und un­kontrolliert Gentechnik am Teller“.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist die Minderheit. (Bravoruf bei der SPÖ.)

18.51.4518. Punkt

Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 1558/A der Abgeordneten Gab­riel Obernosterer, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von klei­nen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird (847 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir zum 18. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gabriel Obernosterer. – Bitte.


18.52.17

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Gerade beim letzten Punkt haben wir über das AMA-Gütesiegel, über die Landwirtschaft diskutiert. Wir kommen jetzt wieder zum Tourismus. Ich glaube, als Österreicher ist uns etwas sicherlich hundertprozentig bewusst: dass bei uns ein funktio­nierender Tourismus nie stattfinden könnte, wenn wir nicht diesen starken und guten Partner in der Landwirtschaft hätten. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Zusammenarbeit zwischen Tourismus und Landwirtschaft hat noch viel Potenzial, und deshalb, glaube ich, ist es wirklich gut und klug gewesen, dass wir Tourismus und Landwirtschaft in einem Ministerium zusammengeführt haben. Man hat das in den letz­ten zwei Jahren auch schon gemerkt.

Die Wertschöpfung im Tourismus ist hoffentlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch uns allen klar. Das haben wir jetzt, in dieser Krise, gesehen. Circa 15 Prozent des BIPs werden im Tourismus erwirtschaftet, circa 60 Milliarden Euro Umsatz; jeder sechste Ar­beitsplatz findet sich dort. Wir haben aber auch gesehen, was sich in den Landregionen abgespielt hat, als eigentlich den ganzen Winter über keine Touristen da waren, und deshalb ist es uns, glaube ich, jetzt noch mehr bewusst, dass wir noch besser zusam­menarbeiten und in diesem Bereich auch die heimische Wertschöpfung weiterbringen müssen.

Es geht jetzt noch um eine kleine Abänderung, und zwar hat die Bundesregierung ein breites Förderungspaket für den Tourismus auf den Tisch gebracht, das auch entspre­chend angenommen wurde. Die Mittel wurden im Vergleich zu anderen Staaten, wo sie noch nicht so fließen, rasch ausgezahlt. Ich denke an Umsatzersatz, Fixkostenzuschuss, Kurzarbeit, auch die Mehrwertsteuersenkung sollte man nicht vergessen. Sie kommt


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natürlich im Winter nicht zu tragen, aber im Sommer, wenn der Tourismus hoffentlich wieder gut läuft, sodass der Gewinn wieder steigt, wird sich das bei den Betrieben aus­wirken.

Warum haben wir dieses Förderungsgesetz, diesen Schutzschirm für Veranstaltungen und Kongresse, jetzt noch einmal geändert? Er ist auf 10 Millionen Euro aufgestockt worden. Warum ist das so wichtig? – Wir haben ja gestern hier auch gesagt: Auf den letzten Metern sollen wir unsere Betriebe nicht alleinlassen. Wir wissen, dass viele Kon­gresse geplant sind, dass viele Großveranstaltungen geplant sind. Viele sind noch unsi­cher, ob sie diese überhaupt fix planen können, weil sie nicht wissen: Ist die Pandemie berechenbar oder nicht berechenbar? (Abg. Kickl – auf die Regierungsbank weisend –: Besiegt!)

Frau Bundesministerin! Ich danke Ihnen dafür, natürlich auch der Frau Wirtschaftsmi­nister, dem Finanzminister und dem ganzen Regierungsteam. Man hat das jetzt auf 10 Millionen Euro aufgestockt, damit sie planen können – wir sind der einzige Staat, der das macht – und damit es dann auch stattfindet.

Nur bei dem, was praktisch nicht mehr zu stornieren ist, kommt dieser Schutzschirm zum Tragen. Alles, was stornierbar ist, ist nicht zu zahlen, aber gewisse Fixkosten sind zu zahlen. Ich danke dafür. Ich glaube, es tut gerade dem Städtetourismus ganz, ganz gut, dass der Seminar- und Kongressbereich und die Großveranstaltungen, wofür Österreich ja wirklich bekannt gewesen ist, wieder voll anlaufen können.

Ich sage es zum Abschluss, weil wir schon so oft über den Tourismus geredet haben: Ich habe heute direkt eine Freude, weil wir diesen Punkt, glaube ich, einstimmig be­schließen werden. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

18.56


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Melanie Erasim. – Bitte.


18.56.09

Abgeordnete Melanie Erasim, MSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Alle Maßnahmen, die die prekäre Lage des Tourismus und vor allem der Beschäftigten im Tourismus erleichtern, sind begrüßenswert. Uns als sozialdemokratischer Fraktion ist es wichtig, dass dieses KMU-Förderungsgesetz in seiner Ausgestaltung so angelegt ist, dass diese treffsicher und zeitnah ankommen.

Wir werden dem vorliegenden Antrag unsere Zustimmung erteilen, weil es wichtig ist, dass wir vor allem im Städtetourismus rasch Maßnahmen setzen, die helfen und die schlimmsten Auswirkungen der Coronakrise abfedern. Österreich ist ja eines der Länder, die am härtesten von den Ausfällen – vor allem im Kongresstourismus – betroffen sind. Deshalb kommt dieser Antrag eher zu spät als zu früh, denn viele passende Anträge seitens der Oppositionsparteien, Frau Ministerin, sind schon vor Monaten auf dem Tisch gelegen. Sie haben alle abgelehnt, und jetzt kommt das böse Erwachen, dass die eine oder andere Maßnahme vielleicht doch zu spät kommt.

Gerade in Ihren Zuständigkeitsbereichen würde ich mir eines wünschen, Frau Ministerin, und zwar mehr bodenständige Aktivitäten und weniger Aktionismus. Die Beschäftigten in der Gastronomie und in der Hotellerie haben nichts von Ihren aufwendigen und teuer inszenierten Comebackshows. Ich habe übrigens an beiden teilgenommen und bin aus dem Staunen nicht herausgekommen, wie selbstgefällig man in einer PR-Blase leben kann: Man spricht über Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ohne dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Wort kommen, man denkt nur an Inszenierung, bindet nicht einmal den Koalitionspartner ein und rückt sich selbst wieder einmal in den Vordergrund.


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Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen nach sieben Monaten Totallockdown eine Perspektive und vor allem genug Geld, um für ihren Lebensunterhalt aufkommen zu können.

Es ist schön, dass Sie sich gestern gefreut haben, mit dem Kanzler und dem Vizekanzler eine gute Stelze zu essen, aber ich frage mich, Frau Ministerin: Haben Sie die Gelegen­heit genützt, um mit den Kellnerinnen und Kellnern zu sprechen, mit dem Küchenperso­nal, mit dem Putzpersonal, die bei den Maßnahmen wirklich viel zu wenig bedacht wur­den? (Beifall bei der SPÖ.) – Ich fürchte: Nein. Sonst würden wir über ganz andere Ge­setzesvorschläge reden, die den Betroffenen wirklich ihre Existenzsorgen nehmen wür­den.

Ich habe gestern keinen Ausflug in ein Lokal gemacht, weil ich so wie die Kolleginnen und Kollegen hier gesessen bin, aber ich habe mit Gastronomen gesprochen, mir ihre Ängste und Sorgen angehört, so wie ich das auch in den letzten Wochen, seit ich Touris­mussprecherin bin, getan habe. Eines ist immer wieder gekommen: Viele überlegen, ob sie weiterhin in der Gastronomie oder in der Hotellerie arbeiten wollen oder ob sie sich nach anderen Branchen umsehen. Viele haben das leider auch schon getan: Die Anzahl der Beschäftigten hat sich gegenüber dem Vorkrisenniveau halbiert.

Ich sage Ihnen, warum: weil die Regierung für den Tourismusbereich, für diese Branche kein sinnvolles Kurzarbeitskonzept ermöglicht hat  es gab Vorschläge, die Zeit zu nut­zen, um in Aus- und Weiterbildungen zu investieren –, und jetzt kommt das große Erwa­chen.

Frau Ministerin, bitte setzen Sie endlich Maßnahmen, die bei denen ankommen, die die Unterstützung jetzt dringend brauchen! Erhöhen Sie die Wiedereingliederungshilfen, schaffen Sie krisensichere Arbeitsmarktinstrumente für die Beschäftigten in der Gastro­nomie und Hotellerie! Binden Sie bitte endlich die Sozialpartner und die Gewerkschaften ein, um auch zu wissen, was die Beschäftigten wirklich brauchen! (Beifall bei der SPÖ.)

Setzen Sie bitte einen Comebackplan um, der seinen Namen auch verdient hat! In der Problemanalyse, Frau Ministerin, sind wir uns auf vielen Ebenen und in vielen Punkten einig, aber als Ministerin reicht es nicht nur, richtig zu analysieren. Sie müssen endlich ins Handeln kommen, im Interesse aller Betroffenen und des Tourismus, der, wie schon so oft erwähnt, für Österreichs Volkswirtschaft immens bedeutend ist. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.01


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Gerald Hau­ser. – Bitte.


19.01.21

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuerst noch ein Wort zur Landwirtschaft: Die Zusammenführung von Tourismus und Landwirtschaft haben wir unter Schwarz-Blau gemacht. Ich denke, das war ein wichtiger Schritt, weil der Tourismus die Landwirtschaft benötigt und umgekehrt die Landwirtschaft natürlich einen funktionierenden Tourismus.

Unsere Unterstützung hat immer dem Tourismus und auch der Landwirtschaft und spe­ziell der sehr schwierig gewordenen Berglandwirtschaft gegolten. Ich möchte mich bei allen Bäuerinnen und Bauern für ihr engagiertes Arbeiten, auch zur Erhaltung der Natur, Umwelt und Landschaft, recht herzlich bedanken. Das ist die Voraussetzung für einen funktionierenden Tourismus, das kann man nicht oft genug betonen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Obernosterer.)

Kollege Obernosterer, toll wäre natürlich, wenn Sie nicht nur diesen Antrag, dem wir heute zustimmen, unterstützen würden, sondern vielleicht auch den Antrag unterstützen


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könnten, den ich jetzt gleich einbringen werde. Das Wichtigste ist ja, dass man Unterneh­mern in schwierigen Zeiten selbstverständlich mit Unterstützungen hilft, aber die beste Maßnahme ist, Unternehmer arbeiten zu lassen. Unternehmer sind Unternehmer und nicht Unterlasser, deswegen ist das Entscheidende, die Beschränkungen, die Fußfes­seln, die Unternehmer derzeit noch haben, endlich zu lockern, die Unternehmer arbeiten zu lassen, damit sie tatsächlich auch Einnahmen erwirtschaften können, damit nicht nur die Arbeitsplätze gesichert sind, sondern auch Rentabilität entsteht, damit man die Be­triebe auch weiterbringt.

Wenn ich mir jetzt heute und hier ein paar Gustostückerl heraushole, wie diese Eröffnung erfolgt ist, bitte ich – da schaue ich in Richtung ÖVP –, wirklich einmal darüber nachzu­denken, ob das vernünftige Geschichten waren. Die Öffnung gestern ist nämlich mit ma­ximal angezogener Handbremse erfolgt. Ich bedauere das. Ich bin heute durch die In­nenstadt von Wien gegangen, hätte mir wirklich von Herzen gewünscht, dass mehr Ti­sche besetzt gewesen wären. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Fakt ist, dass jeder zweite Tisch aufgrund der Abstandsregeln weg ist und die Tische trotzdem nur zur Hälfte voll sind, das heißt, 25 Prozent der Plätze sind belegt. (Zwischenruf des Abg. Obernoste­rer.) Man muss einen Betrieb doch wirtschaftlich führen! Lasst doch die Unternehmer endlich ihre Betriebe wirtschaftlich führen! Das ist doch überhaupt die Grundvorausset­zung, damit man arbeiten kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Einige Gustostückerl, die in dieser Verordnung (ein Schriftstück in die Höhe haltend) zu den Öffnungsschritten für Hochzeiten publiziert wurden, möchte ich zitieren, bitte aufpas­sen: „Hochzeitsfeiern in gewohntem Ausmaß sind derzeit nicht möglich. Es dürfen maxi­mal 50 Personen teilnehmen. Der Mindestabstand von 2 Metern zu Personen, die nicht im selben Haushalt leben, ist einzuhalten und eine FFP2-Maske zu tragen.“

Und jetzt kommt’s, das Folgende steht wirklich da drinnen, ich schaue wieder in Richtung ÖVP, in Richtung des Wirtschaftsbundes: Wem kann so etwas einfallen?! – Also mir würde im schlimmsten Traum nicht einfallen, so einen Satz, wie er jetzt daherkommt, zu formulieren. Geschätzte Damen und Herren, hören Sie sich bitte diesen Satz an, ich zitiere: „Es dürfen jedoch keine Speisen und keine Getränke verabreicht werden.“ – Bit­te?! – „Es dürfen keine Speisen und Getränke verabreicht werden.“ – Ja wem fällt denn so etwas ein, bitte? Das ist doch unglaublich! (Beifall bei der FPÖ.)

So etwas als Wirtschaftspartei, als Partei, die vorgibt, die Interessen der Unternehmerin­nen und Unternehmer zu vertreten, festzuschreiben: Bitte wo ist denn da Kammerpräsi­dent Mahrer? Wie kann er so etwas mittragen? Das ist doch maximaler Verrat an Unter­nehmern, so etwas kann es doch überhaupt nicht geben. Deswegen bringen wir als Frei­heitliche Partei heute einen Entschließungsantrag ein, jetzt habt ihr die Chance, diesen Murks wirklich zu sanieren.

Ich darf den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Hauser, Erwin Angerer und weiterer Mandatare betreffend „Hochzeitsfeiern mit Speisen und Getränken ermögli­chen“ einbringen. – No na net! Was denn sonst, bitte? (Beifall bei der FPÖ.) Ich meine, wollt ihr wirklich haben, dass die Feiern zu Hause ohne Abstand stattfinden? Ist das besser? Die Eventbranche zahlt drauf, die Musiker haben keinen Job, die Floristen ha­ben wenig Beschäftigung: Ja wem fällt denn so etwas ein?

Zum Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Hoch­zeitsfeiern mit Speisen und Getränken ermöglichen“

Der Nationalrat wolle beschließen:


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„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sicherzustellen, dass auch im Interesse der Veranstaltungs- und Eventbranche sowie der Gastronomie Hochzeiten und sonstige Fei­ern inklusive der Verabreichung von Speisen und Getränken unter Einhaltung der ent­sprechenden Sicherheitskonzepte so rasch wie möglich wieder stattfinden dürfen.“

*****

Also, Kollege Obernosterer, heute und hier habt ihr die Chance, dieser Initiative zuzu­stimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich darf noch ein Gustostückerl bringen, auch wenn die Lampe schon leuchtet 1 Minu­te, sagt mir Kollege Angerer , das wurde mir heute so mitgeteilt: Zoobesuche sind bitte Veranstaltungen im Freien, und ein Unternehmer sperrt nicht auf, er sagt: Ich kann nicht. Ich zitiere aus diesem Schreiben (ein Schriftstück in die Höhe haltend), das er mir ge­schickt hat: „Aufgrund einer neuen Verordnung der Bundesregierung, welche nunmehr auch für Zoos und Tierparks im Freien die 3G-Regel“ also getestet, geimpft oder gene­sen –„ vorschreibt, habe ich mich dafür entschlossen den Zoo vorübergehend zu schlie­ßen.“ Und mit welchem Argument? Er sagt: „Es ist meinen Informationen nach kein einzi­ger Fall bekannt wo sich jemand in einem Zoo angesteckt hätte. Bekanntlich verflüchti­gen Aerosole an der frischen Luft“.

Das heißt, und damit bringe ich das auf den Punkt, ein gesunder Mensch darf einen Zoo nicht mehr betreten, er muss entweder geimpft, getestet oder genesen sein. Ja bitte gar schön: Lasst doch die gesunden Leute in den Zoo hinein! Das ist eine Veranstaltung, die im Freien stattfindet – wem fällt denn so etwas wieder ein? (Beifall bei der FPÖ.)

Um Gottes Willen, Gott behüte, machen wir Politik mit Vernunft, befreien wir Unterneh­mer von den Fesseln und betreiben wir nicht scheinheilige Politik!  Ich danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.08

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser, Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

betreffend Hochzeitsfeiern mit Speisen und Getränken ermöglichen

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 18: Bericht des Budgetausschusses über den Antrag 1558/A der Abgeordneten Gabriel Obernosterer, Dr. Elisabeth Götze, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über beson­dere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) ge­ändert wird (847 d.B.) in der 107. Sitzung des Nationalrates am 20. Mai 2021

Mit der ab 19. Mai 2021 geltenden sogenannten COVID-19 Öffnungsverordnung sind weiterhin massive Restriktionen und Einschränkungen für den privaten Lebensbereich der Menschen verbunden.

In diesem Zusammenhang sind insbesondere Hochzeiten oder andere Feiern zu nen­nen, die im Leben eines jeden Einzelnen einen ganz besonderen und herausragenden Stellenwert einnehmen.

Die diesbezüglichen Regelungen sind an Zynismus kaum zu überbieten. So dürfen stan­desamtliche Trauungen zwar stattfinden, eine theoretische Hochzeitsfeier mit bis zu 50 Personen könnte bei der Bezirksverwaltungsbehörde angezeigt werden, die Konsu­mation von Speisen und Getränken ist aber untersagt.


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Bei Zusammenkünften über 50 Personen ist eine Bewilligung seitens der Bezirksverwal­tungsbehörde einzuholen, betreffend die Konsumation von Speisen und Getränken sind die für die Gastronomie geltenden Bestimmungen anzuwenden, was eine übliche Bewir­tung von Hochzeitsgästen ausschließt.

Somit dürfen indoor maximal vier Erwachsene an einem Tisch Platz nehmen, was ge­rade für das Brautpaar und die Trauzeugen ausreichen würde.

Neben den immensen persönlichen unwiederbringlichen Nachteilen, die das Verbot ei­ner Hochzeitsfeier für die Betroffenen mit sich bringt, entsteht ein enormer wirtschaftli­cher Schaden insbesondere für die Veranstaltungs- und Eventbranche sowie die Gastro­nomie, für die die Ausrichtung von Hochzeiten und anderen Feiern oft einen Großteil des Jahresumsatzes ausmacht.

Durch das Hochzeitsverbot bis zumindest Anfang Juli entgehen der Veranstaltungs-branche drei von sechs Hauptsaisonmonaten.

Trotz ausgearbeiteter Sicherheitskonzepte mit entsprechenden Auflagen, die unter an­derem auch Bundesministerin Köstinger sowie Landeshauptmann Stelzer übergeben und von diesen als Voraussetzung zu einem sicheren Feiern erkannt wurden, wie Bran­chenvertreter berichten, bleibt diese Branche aber weiterhin gezwungen, darauf zu war­ten, endlich wieder tätig werden zu dürfen.

Dazu kommt, dass diese absurde Regelung den ungewünschten Nebeneffekt nach sich zieht, dass sich entsprechende Feiern in den privaten Bereich verlagern.

Es fehlt weiterhin an jeglicher Planungsmöglichkeit, Hochzeitstermine werden verscho­ben oder abgesagt.

Gastronomen verstehen nicht, warum Veranstaltungen wie Fußballspiele stattfinden dürfen und Hochzeiten nicht. Bei Hochzeiten habe man eine geschlossene Runde und die Gäste können alle getestet werden, trotzdem gebe es keine Sicherheit durch die Regierung, so ein Gastronom.

Der diesem Antrag zugrundeliegende Antrag 1558/A der Abgeordneten Gabriel Ober­nosterer, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über besondere Förderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Förderungsgesetz) geändert wird, in der Fassung des Berichts des Budgetausschusses (847 d.B.), wird wie folgt begründet: „Zur Belebung der Tourismus- und Freizeitwirtschaft sowie des kulturellen Angebots der durch COVID-19 Krisensitua­tion zum Erliegen gekommenen Planung und Durchführung von Veranstaltungen und Kongressen wird im Hinblick auf die Übernahme von Haftungen zugunsten von Veran­staltungen und Kongressen der Bundesminister für Finanzen ermächtigt, für die ÖHT Verpflichtungen gemäß § 7 Abs. 1 im Einzelfall bis zu einem Obligo von 10 Millionen Euro an Kapital zuzüglich Zinsen und Kosten zu übernehmen.“ Neben dieser notwendi­gen Maßnahme sind aber auch Schritte zu setzen, die es für die betroffenen Branchen im Bereich der Veranstaltungen, Kongresse und Events wieder möglich machen, selbst Aufträge anzunehmen und wieder die Arbeit aufzunehmen.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachste­henden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sicherzustellen, dass auch im Interesse der Veranstaltungs- und Eventbranche sowie der Gastronomie Hochzeiten und sonstige


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Feiern inklusive der Verabreichung von Speisen und Getränken unter Einhaltung der entsprechenden Sicherheitskonzepte so rasch wie möglich wieder stattfinden dürfen.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Den Ausdruck scheinheilig verwenden wir sonst eher nicht im weiteren Redeverlauf.

Ich stelle fest, dass Sie, Herr Abgeordneter, den Entschließungsantrag ordnungsgemäß eingebracht haben und dass er daher auch mit in Verhandlung steht.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Götze. – Bitte.


19.08.20

Abgeordnete Dr. Elisabeth Götze (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Wertes Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Planung in Unsicherheit ist eine große Herausforderung, insbesondere für die Veranstaltungsbranche. Ein Kon­gress, ein Seminar, Festspiele, ein Konzert verlangen Vorlaufzeiten von vielen Monaten, oft ein Jahr oder sogar mehr. Das wissend haben wir bereits im Herbst den Veranstalter­schutzschirm aufgespannt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Schutzschirm bedeutet Planungssicherheit: Als Veranstalter, als Veranstalterin kann man ein Festival planen, sollte man weniger Besucher haben oder sollte das Festival vielleicht doch nicht stattfinden können, bleibt man nicht auf den Kosten sitzen, da der Schutzschirm wirkt. Das heißt, diese Kosten werden übernommen, und damit geben wir der Branche, die für uns so wichtig ist, die ganz entscheidende Planungssicherheit.

Was wären wir kulturell, sozial, aber auch volkswirtschaftlich ohne all diese Veranstaltun­gen? – Reden wir einmal von den Zahlen: Es geht um 18 Milliarden Euro, die diese Bran­che an Wertschöpfung erwirtschaftet.

Dazu zählen Sportveranstaltungen, Kulturveranstaltungen und Messen, aber auch viele angeschlossene oder davon abhängige Branchen. Der Städtetourismus ist zum Beispiel ganz stark von Kulturveranstaltungen, aber auch von Messen abhängig. Die Hotellerie und Technikdienstleister haben sehr gelitten. All denen geben wir jetzt die Möglichkeit, aufzusperren.

Der Veranstaltungsschutzschirm ist schon seit 1. März aufgespannt und läuft bis Ende kommenden Jahres; in diesem Zeitraum gilt er jedenfalls. Bisheriges Volumen waren 2 Millionen Euro, und es hat sich herausgestellt, dass das für große Veranstaltungen wie die Salzburger Festspiele – diese haben letztes Jahr trotzdem stattgefunden –, die Fest­spiele in Mörbisch oder in Bregenz nicht ausreichend ist. Daher spannen wir ihn jetzt noch größer auf. Wir stocken ihn auf 10 Millionen Euro auf. Das ist der Schutzschirm, der mit dieser Summe abgedeckt wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Trotzdem werden die 300 Millionen Euro, die wir dafür vorgesehen haben, ausreichend sein, wir brauchen also keine höhere Dotierung.

Auch kleine Veranstaltungen können stattfinden, Minimum sind 15 000 Euro, wobei Ver­anstaltungsserien auch gemeinsam eingereicht werden können und eine einzelne Ver­anstaltung weit darunterliegen kann. Insofern bin ich zuversichtlich, dass wir heuer schon und auch im nächsten Jahr wieder Veranstaltungen haben werden. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


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19.11


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Karin Doppelbau­er. – Bitte.


19.11.57

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Frau Bundesminister! Wir haben gerade gehört, worum es geht. Die ÖHT soll jetzt er­mächtigt werden, auch Haftungen für Veranstaltungen von bis zu 10 Millionen Euro über­nehmen zu dürfen. Wir finden das eine gute Lösung. Wir wissen alle, wie wichtig die Veranstaltungen für dieses Land sind. Wir wissen, wie sehr vor allem die Städte von diesen Veranstaltungen abhängen und auch davon zehren. Deswegen ist es wichtig, umzusetzen, dass es für Großveranstaltungen, für die es einfach immer noch Risiken gibt, die Möglichkeit gibt, Haftungen in Anspruch zu nehmen, um diese so wichtigen Im­pulse jetzt wieder möglichst schnell auf den Markt zu bringen.

Als Budgetsprecherin habe ich mir natürlich auch angeschaut, wie es mit dem Gesamt­haftungsrahmen aussieht. Meine Vorrednerin hat schon gesagt, er ist gut, 300 Millionen Euro sind gesetzlich normiert, es geht nicht darüber – da sehen wir keine Gefahr. Wir hätten uns eine wirkungsorientierte Folgeabschätzung gewünscht, wie das eigentlich so üblich ist. Gut, das ist nicht gekommen, aber ich denke, in diesem Fall werden wir gerne darüber hinwegsehen.

Was uns aber noch wichtig ist: Zusätzlich zu diesem Veranstaltungsschutzschirm, der jetzt noch einmal weiter aufgespannt worden ist, braucht es einfach mehr, um diesen Sektor generell wieder in die Höhe zu bringen.

Kollege Schellhorn hat eine Anfrage gestellt, wie es generell strategisch mit der Stadtho­tellerie weitergeht, die ja in ganz Österreich wirklich massiv betroffen ist, so wie auch die Gastronomie, die da letztlich dranhängt. Die Anfragebeantwortung war dann doch ein bisschen dünn. Da war die Rede von ein bisschen mehr Werbung und zwei Veran­staltungen, und das ist schlicht und einfach zu wenig, wenn man davon ausgeht, dass die Umsätze wahrscheinlich erst 2024/25 – so die Schätzungen der Ökonomen – wieder dort sein werden, wo sie waren. Das heißt, das ist wirklich eine der betroffenen Bran­chen, für die es treffsichere Hilfen braucht und auch länger brauchen wird.

Deswegen würden wir uns zusätzlich zu dem, was gemacht worden ist, wünschen, dass es eine Strategie gibt, dass etwas dahin gehend geschaffen wird, wie man diese so ge­beutelte Industrie, diesen Zweig in die Zukunft führen kann. Es braucht diesbezüglich mehr als das, was im Augenblick am Tisch liegt. In anderen Bereichen – und das weiß ich als Budgetsprecherin sehr gut – wird mit dem Füllhorn drüber gegangen. In diesem Bereich wäre es wirklich notwendig, sich zu überlegen, wie die nächsten paar Jahre ausgestaltet werden können. Frau Bundesminister, das würde ich Ihnen gerne mitgeben: dass Sie dazu noch einmal tätig werden. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Kickl: Sie ist in ihr Manuskript vertieft!)

19.14


Präsidentin Doris Bures: Sie hat sich jetzt zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesmi­nisterin.


19.14.38

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Ich glaube, wir werden uns an den 19. Mai 2021 noch sehr lange erinnern. Das ist der Tag, an dem wir wieder aufsperren konnten, an dem wir das Gröbste dieser Coronapandemie über­standen haben. An dieser Stelle wirklich ein ganz großes Dankeschön an alle Österrei­cherinnen und Österreicher, die uns im Kampf gegen die Pandemie derartig unterstützt haben, die sich an die Kontaktbeschränkungen, die zum Teil sehr schmerzhaft waren, gehalten haben, vor allem aber ein ganz großes Dankeschön all den Betrieben, die zwangsläufig geschlossen halten mussten, und den vielen Hunderttausenden Mitarbei­terinnen und Mitarbeitern, die für diesen Tag, an dem wir Österreich wieder aufsperren können, durchgehalten haben. (Beifall bei der ÖVP.)


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Grundlage dafür, und das sei auch ganz klar ausgesprochen, ist der große Impffort­schritt, den wir zustande gebracht haben. Wir sind eines der Länder in der Europäischen Union mit dem größten Impffortschritt. An dieser Stelle auch ein ganz großes Danke­schön für die gute Zusammenarbeit mit den Bundesländern, es funktioniert hervorra­gend.

Wir öffnen natürlich nicht blauäugig, wir wissen, dass durchaus noch Gefahren durch Infektionen drohen. Deswegen gibt es dieses sehr große und breite Testangebot, das wir gemeinsam mit den Gemeinden, mit den Bundesländern und dem Bund herstellen konnten. Ein großes Dankeschön auch dafür.

Das heißt, wir sind eines der ersten Länder, die jetzt wieder die gesamten Branchen aufsperren können. Wir sehen vor allem bereits im Tourismus eine sehr, sehr gute Bu­chungslage im Bereich der Ferienhotellerie. Ganz Österreich freut sich, wieder auf Ur­laub zu fahren, und vor allem darüber, zum Wirten zu gehen. Das freut auch uns. Wir sehen aber, dass es in den nächsten Monaten, wenn nicht Jahren, durch die Pandemie – und die hat alle Länder der Welt betroffen – durchaus noch zu Einschränkungen der Reisefreiheit kommen wird. Vor allem der Flugverkehr ist diesbezüglich zu erwähnen und auch unsere Stadthotellerie, denn der Stadttourismus lebt maßgeblich von der An­kunft internationaler Gäste.

Damit wir darauf vorbereitet sind, im Bereich des Kunst- und Kulturangebots bestmög­liche Unterstützung zu bieten – auch was Messen, Kongresse und Veranstaltungen, vor allem auch Sportveranstaltungen, betrifft –, haben wir den Veranstalterschutzschirm in Höhe von 300 Millionen Euro geschaffen. Dieser erfreut sich sehr großer Beliebtheit. Wir unterstützen die Betriebe, die Veranstalter auch beim Einreichen, beim Organisieren, und wir haben gesehen, dass die EU-Vorgaben von 2 Millionen Euro viel zu eng gefasst sind. Wir haben mit der Europäischen Kommission Gespräche aufgenommen, diese wa­ren ein sehr großer Erfolg. Mit dem heutigen Beschluss können wir den Veranstalter­schutzschirm auf 10 Millionen Euro pro Einzelfall erhöhen. Das unterstützt vor allem kulturelle Großveranstaltungen, Messen, Kongresse, die für unser wirtschaftliches Le­ben in Österreich ein ganz, ganz entscheidender Bestandteil sind.

An dieser Stelle möchte ich ein ganz großes Dankeschön aussprechen, denn es geht nicht nur um den einen Veranstalter, es geht um eine Vielzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und vor allem auch um sehr kleine Unternehmen und Betriebe. Es leben unzählige Grafiker, Moderatoren, Musiker, Bühnenbauer, Lichttechniker davon, dass diese Veranstaltungen stattfinden. Für den Fall, dass Veranstaltungen im Sommer oder im Herbst aufgrund der Coronapandemie trotzdem abgesagt oder eingeschränkt werden müssen, übernehmen wir mit dem Veranstalterschutzschirm die nicht stornierbaren Kos­ten, was der gesamten Branche, den Hunderttausenden Mitarbeiterinnen und Mitarbei­tern, die Sicherheit bietet, jetzt zu organisieren, im Wissen, dass dieser Schutzschirm vorhanden ist. An dieser Stelle ein großes Dankeschön. Ich freue mich sehr über eine breite Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Maurer.)

19.18


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Franz Hörl zu Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter Hörl.


19.18.53

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Bundes­minister! Ich glaube auch, dass heute ein guter Tag für uns ist. Wir haben gestern gemeinsam erlebt, wie das normale Leben wieder stückweise angeht. Genauso wie wir den Fixkostenzuschuss im Dezember auf 3 Millionen Euro und den Verlustersatz auf 10 Millionen Euro erhöht haben, ist jetzt die logische Konsequenz, dass wir auch die Veranstalterbranche entsprechend unterstützen.


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Bisher sind ungefähr 37,2 Millionen Euro – meine VorrednerInnen haben das schon aus­geführt – ausbezahlt worden, 219 Fälle haben dieses Zuschussvolumen lukriert. Dieses möchte man jetzt für die größeren Veranstalter im Rahmen einer Haftung – weil es EU-rechtlich nicht anders geht – erhöhen. Damit, glaube ich, können wir uns als österreichi­sches Kongressland entsprechend präsentieren und vor allen Dingen auch Veranstalter aus dem Ausland zulassen. Ich glaube, es ist eine logische Konsequenz, dass man die­sen Bereich entsprechend unterstützt.

Ich bedanke mich ausdrücklich bei dir, Frau Bundesminister, für die Vorausschau. Ich möchte schon daran erinnern und vielleicht auch Kollegen Hauser ansprechen, weil wir vor drei, vier Wochen darüber geredet haben, wie es mit der Sommersaison ausschaut: Es war noch nicht klar, ob die internationalen Grenzen aufgehen, es war auch bei Wei­tem nicht absehbar, dass Deutschland die Grenzen aufmacht, dass wir von diesen Qua­rantänebestimmungen loskommen werden. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Es gab auch bei uns die Diskussion, die Quarantänebestimmungen bis zum Ende dieses Monats beizubehalten, und (in Richtung Bundesministerin Köstinger) deinem Einsatz ist es zu verdanken, dass wir diese Geißel des Tourismus der letzten Monate losgeworden sind. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Ich bin Gastwirt und Hotelier und freundlicher Touristiker (Heiterkeit und Beifall bei Abge­ordneten der ÖVP sowie Beifall des Abg. Zorba), und diese Erfindung, die aus Deutsch­land kam und die ich schon einmal ganz anders bezeichnet habe, hat dazu geführt, dass der Tourismus in den letzten Monaten völlig aus dem Binnenmarkt ausgeschlossen war, während die Industrie, der Handel und alles andere funktioniert haben.

Frau Bundesminister, danke, dass Österreich da Vorreiter ist. Wir hatten diese Quarantä­nebestimmung ja ursprünglich nur von 19. Dezember bis 9. Jänner beschlossen, und jetzt sind wir sie endgültig los. Auch die Deutschen haben die Grenzen geöffnet – für mich ein ganz wichtiger Punkt.

Und lieber Gerald (in Richtung Abg. Hauser), natürlich stimmt das! Ich war heute auch kurz unterwegs, ich war im Restaurant Kanzleramt essen, es waren wenige Gäste dort. Wo sollen die Gäste auch herkommen? Es gibt ja noch kaum Touristen, und es wird sicher so sein, dass wir in der Stadt wahrscheinlich im wahrsten Sinn des Wortes eine längere Durststrecke haben, bis internationale Gäste hierherkommen.

Auch betreffend den grünen Pass ein Danke an Sie, Frau Bundesminister, und an den Herrn Bundeskanzler; er sieht zwar noch nicht ganz dem digitalen Österreich entspre­chend aus (ein foliertes Schriftstück in die Höhe haltend), aber immerhin, ich konnte heute mit diesem grünen Pass schon etwas konsumieren. (Zwischenruf der Abg. Bela­kowitsch.) Das ist die Voraussetzung, und wir müssen scharf darauf schauen, dass die drei Gs eingehalten werden – getestet, geimpft oder genesen. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Und die, die sich nicht impfen lassen wollen, sollen sich eines Besseren belehren lassen – oder eben nicht ins Gasthaus gehen (Abg. Belakowitsch: Eh nicht!) –, dann bekommen wir vielleicht bis zum Herbst eine Impfrate zustande, mithilfe derer wir nicht wieder mit einem großen Risiko in den nächsten Winter hineingehen. (Zwischenruf der Abgeordneten Belakowitsch und Kassegger.)

Danke dafür, dass wir das heute einstimmig machen, auch Peter Wurm lacht und freut sich darüber. Alles in allem, glaube ich, sind wir auf einem guten Weg, auch wenn der Weg etwas langsam und holprig angeht.

Wir bräuchten natürlich auch bei den Tests noch Unterstützung. Es wäre günstig, wenn wir in den nächsten zwei Wochen in Tirol oder überhaupt als Übergang – ich glaube auch, dass wir nicht alles gratis machen können, aber als Übergang vielleicht – bei den Ärzten


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oder Apotheken für die Gäste noch einen Test bekommen könnten oder wenn die Deut­schen unsere Gurgeltests im Gasthaus anerkennen würden. Dann wäre das Problem auch gelöst. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kickl.)

19.22


19.22.54

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich frage die Fraktionen, ob wir gleich zu den Abstimmungen kommen können. – Gut, dann gehe ich so vor.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 847 der Beilagen.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist ein­stimmig.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein zustimmendes Zei­chen. – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ge­rald Hauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Hochzeitsfeiern mit Speisen und Ge­tränken ermöglichen“.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abge­lehnt.

19.23.5519. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten August Wöginger, Sigrid Maurer, BA, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Geschäftsord­nungsgesetz 1975 geändert wird (1550/A)


Präsidentin Doris Bures: Damit kommen wir zum 19. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Klaus Lindinger. – Bitte.


19.24.24

Abgeordneter Ing. Klaus Lindinger, BSc (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Seit über einem Jahr leben wir mit der größten Pandemie in der Geschichte der Menschheit. Genau diese Pandemie erfordert größte Disziplin von allen – Maske tragen, Abstand halten, bis ges­tern geschlossene Restaurants und Wirtshäuser. Doch eines zeigt sich jetzt: dass uns das regelmäßige Testen und vor allem der rasche Impffortschritt aus der Pandemie he­raushelfen und das auch Früchte trägt.

Ich möchte ein Dankeschön an die Bundesregierung, an die Bundesländer, die das so rasch organisiert haben, und auch an die Menschen für deren große Disziplin ausspre­chen. Genau diese Disziplin wäre von allen Abgeordneten des Nationalrates auch erwar­tet worden. Immerhin sollten wir Abgeordnete auch als Vorbild vorangehen, uns an die Regeln halten, die wir hier im Hohen Haus beschließen. (Abg. Kickl: Hast das dem Hörl auch gesagt?) Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit der Politik, Herr Kollege Kickl. (Abg. Kickl: Der Hörl war gerade ohne Maske unterwegs!) Doch leider hat ein Klub be­schlossen, die Maßnahmen nicht einzuhalten (Abg. Kickl: ... lauter Kasperl!), die Maß­nahmen zu ignorieren, und das war Ihr Klub, Herr Kollege Kickl (Abg. Kickl: Lauter


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Kasperl!), egal, ob aus politischen Erwägungen, egal, ob mit der Intention, zu polarisie­ren. Das tut uns weh. Sie haben demonstrativ keine Masken getragen und damit die Kolleginnen und Kollegen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Parlamentsdirektion und der Klubs auch dementsprechend gefährdet. Ihnen war es egal. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

So hat der Nationalratspräsident eindeutige Empfehlungen ausgesprochen, und Sie ha­ben sie ignoriert. (Zwischenruf des Abg. Kickl.) Der Nationalratspräsident hat klare Re­gelungen erlassen; auch das hat nichts geholfen, denn Sie haben sie wieder ignoriert. Genau deshalb gibt es diesen Antrag, meine sehr geehrten Damen und Herren, der es ermöglicht, ein Ordnungsgeld zu verhängen, wenn nach mehrmaligen Ermahnungen zum gesundheitlichen Schutz der Anwesenden diesen Regelungen nicht Folge geleistet wird.

Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen, meine sehr geehrten Damen und Her­ren: Die Debatten werden rauer, ich habe gar nichts dagegen, dass sie rauer werden, aber ich würde schon bitten, dass wir die Debatten auf einem bestimmten Niveau halten (Abg. Kassegger: Ja, ja, passt schon!), die politische Kultur auf einem bestimmten Ni­veau halten. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Ich glaube, dass wir uns auch dem­entsprechend gegenseitigen Respekt entgegenbringen sollten, meine sehr geehrten Da­men und Herren. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Kassegger.)

Ich würde noch einen Schritt weiter gehen und für jeden Ordnungsruf ein Ordnungsgeld verhängen. Ich freue mich auf die Debatte im Ausschuss. Schauen wir, wie es ausgeht! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Amesbauer.)

19.26


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Jörg Leichtfried. – Bitte. (Ruf: Jörg, bitte enttäusche uns nicht!)


19.27.06

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Wir leben in wirklich bemerkenswerten und nicht angenehmen Zeiten. Derartige Zeiten erfordern es auch, dass der Gesetzge­ber, aber nicht nur der Gesetzgeber, sondern auch die Ministerien, für die Menschen gewisse Einschränkungen normieren, und eine dieser Einschränkungen war und ist in ganz Österreich die Verpflichtung, in gewissen Bereichen Masken zu tragen.

Mein Zugang dazu ist, dass für Abgeordnete die Regeln eigentlich im selben Ausmaß gelten müssen wie für alle anderen Menschen. Es gibt zwei Ausnahmen: Eine Ausnah­me ist, wenn das freie Mandat dadurch eingeschränkt wird – das geht natürlich nicht. Die zweite Ausnahme ist, wenn das passive Wahlrecht eingeschränkt wird – auch das geht nicht, das ist nicht akzeptabel. Ich sage Ihnen offen: Das prinzipielle Tragen von Masken schränkt weder das freie Mandat noch das passive Wahlrecht ein, und deshalb ist es auch zulässig, es im österreichischen Nationalrat vorzuschreiben. (Beifall bei Ab­geordneten der SPÖ und bei den Grünen. Abg. Belakowitsch: Die SPÖ hat verges­sen, zu klatschen!)

Wir hätten in der Frage der Sanktionierbarkeit dieser Vorschrift einen Vorschlag ge­macht, aber leider ist es so gewesen – wie es sehr oft in dieser Pandemie der Fall war –, dass die Regierungsfraktionen dem einen anderen Vorschlag entgegengesetzt haben. Nach unserem Vorschlag wäre es möglich gewesen, diese Sanktionierbarkeit am 22.4. im Nationalrat und dann am 4.5. im Bundesrat zu beschließen, und sie wäre jetzt schon gültig gewesen. Das war nicht gewünscht, das nehmen wir zur Kenntnis.

Wir haben jetzt auch erfahren, dass der Bundeskanzler nach dieser illustren Runde im Schweizerhaus angeblich auch gemeint hat, dass die Maskenpflicht sowieso bald fallen


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wird. Also vielleicht erübrigt sich diese Debatte in Zukunft, ansonsten gilt für uns: Was für die Menschen in Österreich gilt, gilt natürlich auch für Abgeordnete. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.29


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Susanne Fürst. – Bitte.


19.29.18

Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr amüsant, wenn sich der Kollege von der ÖVP, Herr Lindinger, über das tiefe Niveau der Debatten hier echauffiert und Respekt einmahnt. – Herr Kollege Lindin­ger, Sie haben es schon gehört: Gerade vor 10 Minuten hat Abgeordneter Hörl aus Ihrer Fraktion noch gesagt: Wer net g’impft ist, bleibt daham! – Also ich weiß nicht, was das für ein Niveau ist, aber ich finde es nicht besonders hoch. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.) Ich mahne daher auch einen respektvollen Umgang ein, liebe Kollegen von der ÖVP.

Unser allseits geschätzter Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka tingelt ja seit Mona­ten durch die Medien und verkündet dort, was die Freiheitlichen nicht für rücksichtlose und egoistische Gesellen seien, weil sie hier im Plenarsaal und im ganzen Parlament keine Masken tragen. Die Mitarbeiter hier im Parlament würden sich so fürchten, hätten solche Angst, und es gebe massenweise Beschwerden. Darüber möchte ich mich nicht lustig machen, das nehme ich ernst, aber ich glaube nicht alles, was der Herr National­ratspräsident oder Klubobmann Wöginger sagen, sondern gehe dem selbst nach. (Bei­fall der Abg. Krisper.)

Ich startete daher eine persönliche Befragung von Parlamentsmitarbeitern – vertraulich. Ein gutes Dutzend habe ich bis jetzt geschafft – vielleicht nicht ganz repräsentativ, aber immerhin. Das Ergebnis ist: Kein Einziger hat Angst vor uns oder hat sich irgendwo, zu irgendeinem Zeitpunkt oder bei irgendjemandem über uns beschwert, weil wir Freiheitli­chen, auch wenn wir überhaupt keine Manieren haben, den Parlamentsmitarbeitern auch nie aufgelauert haben, um ihnen dann ins Gesicht zu husten. (Heiterkeit der Abg. Belakowitsch.) Es gab nun einmal Abstand, und sie vertrauen darauf, dass wir uns auch die Hände waschen, nachdem wir irgendwelche Anlagen benutzt haben. Es gab also keine Beschwerden, sondern – im Gegenteil – sie fühlen sich von den anderen Frak­tionen etwas vereinnahmt, weil es pausenlos heißt, sie hätten solche Angst und würden sich über uns beschweren.

Das Dritte: Sie haben nicht nur keine Angst vor uns, sondern sie leiden selbst massiv unter den Masken, die sie den ganzen Arbeitstag lang, viele Stunden – hier im Plenar­saal zum Teil über 8 Stunden lang – tragen müssen. Sie würden sie sofort ablegen, wenn sie sie nicht tragen müssten. – Das ist das Ergebnis meiner Befragung. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Martin Graf: Ich habe mehr als 100 befragt!)

Ich glaube, das spricht für sich. Das heißt, die Begründung für diesen Antrag, der hier eingebracht worden ist, dass zum Schutz der Mitarbeiter im Parlament diese Masken­pflicht unbedingt notwendig sei, kann man einmal vergessen. Wer hält sich sonst noch im Parlament auf? – Die Abgeordneten. Natürlich müssen auch diese geschützt werden. Wir alle wissen, jeder Einzelne von uns weiß, dass wir alle, wenn die Sitzung vorbei ist, die Lichter und vor allen Dingen die Kameras ausgeschaltet werden, da hinausgehen – nicht nur wir, sondern alle Fraktionen –, die Masken runternehmen, ohne jeden Abstand die Stiegen hinunterstürmen (Widerspruch bei ÖVP, SPÖ und Grünen) – ja, Sie haben sie dann noch auf – und in unsere Klubräumlichkeiten verschwinden. Wollen Sie allen Ernstes behaupten, dass Sie dann im Klub 2 Meter Abstand halten und die Masken auf­haben? (Rufe bei SPÖ und Grünen: Ja! Ja! – Unruhe im Saal.)


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Es gibt unzählige Fotos, sowohl aus den diversen Klubs der Grünen als auch aus den ÖVP-Klubs, zum Beispiel auf Landesebene – ja, auch in dem Bezirk, in dem Herr Klub­obmann Wöginger zuständig ist, ein besonderer Maskeneiferer hier in Wien, oder in Wean, wie er sagt, aber in Oberösterreich hält man sich auch nicht immer daran. Ich will nur sagen: etwas scheinheilig, also auch hier zum Schutz Ihrer Gesundheit - -


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, ich habe Ihren Kollegen vorhin darauf hin­gewiesen. Bitte, Sie wissen es!


Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (fortsetzend): Ja, ich will damit nur sagen, das sind einfach keine lebbaren Vorschriften – wie so viele Vorschriften, die Sie im Rahmen Ihrer Coronapolitik veranlassen. (Abg. Martin Graf: ... scheinheilig ...!) Das kann niemand durchhalten, und hören Sie auf, uns das vorzuwerfen! (Beifall bei der FPÖ.)

Anstatt dass Sie diese Maskenpflicht für die arbeitende Bevölkerung, für die Angestell­ten – auch im Tourismus, von dem wir gerade gesprochen haben – und für die Kinder und Jugendlichen in den Schulen abschaffen, wollen Sie sie hier im Plenarsaal jetzt noch ausdehnen. Das ist unrechtmäßig – das möchte ich Ihnen zum Abschluss noch mitge­ben. Ich sage absichtlich, dass sämtliche Maskenpflichten, die jetzt aufrecht sind, un­rechtmäßig sind. Warum? – Der Verfassungsgerichtshof hat die Maskenpflichten bereits zweimal aufgehoben: einmal für die Kinder in den Schulen, einmal für sämtliche Perso­nen in den Taxis. Warum? – Weil die Bundesregierung dem Verfassungsgerichtshof seit 15 Monaten eine Erklärung schuldig ist, was diese Maskenpflicht bringt. Er sagt nicht, dass es nicht möglich ist, diese zu verhängen, aber er braucht eine Evidenz, er braucht einen Nachweis. Sogar eine Glaubhaftmachung würde schon reichen, aber Sie bleiben sie schuldig. Gesundheitsminister Anschober hat es nicht gemacht, der neue Minister auch nicht, und auch die gesamte Bundesregierung hat keine Evidenz vorgelegt. Da frage ich mich: Warum? Wir warten alle darauf. Gibt es vielleicht keine Nachweise? (Bei­fall der FPÖ.)

19.34


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Georg Bürstmayr zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Amesbauer: Das ist reine Boshaftigkeit! – Ruf bei den Grünen: Die Rede! Die Rede war reine Boshaftigkeit!)


19.34.49

Abgeordneter Mag. Georg Bürstmayr (Grüne) (eine FFP2-Maske tragend): Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Tragen einer Maske ist jedenfalls eines nicht: eine Einschränkung des freien Worts im Parlament. Ich hoffe, Sie verstehen mich, auch wenn ich eine Maske trage. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kickl: Schlechter Euphemismus! Lassen Sie sie oben! Lassen Sie sie oben!)

Warum tue ich das? (Abg. Martin Graf: Man versteht Sie nicht!) Warum tun das die meisten Abgeordneten in diesem Haus? (Abg. Martin Graf: Man versteht Sie nicht!) Weil es letztendlich um den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in diesem Saal geht (Abg. Martin Graf: Was sagt er? – Heiterkeit bei der FPÖ) – na hören Sie halt ein bissel zu, was ich sage! (Beifall bei Grünen und ÖVP) –, weil es seit vielen Jahren wissenschaftlich erwiesen ist (Zwischenruf des Abg. Wurm), dass Viren, die über Aero­sole übertragen werden, also über winzig kleine Wassertröpfchen in der Atemluft (Abg. Martin Graf: Was sagt er?), besser zurückgehalten werden, wenn wir Masken tragen, weil in diesem Haus schon einmal beinahe eine Parlamentssitzung ausgefallen ist, weil mehrere Mitarbeiter des Parlaments gleichzeitig in Quarantäne mussten, und weil dieses Haus hier funktionsfähig zu bleiben hat, auch dann, wenn - - (Abg. Deimek: Zum Lachen ist das! – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) – Ich hoffe, dass uns das nicht mehr pas­siert. Dieses Haus muss auch dann funktionieren, die parlamentarische Demokratie muss weiter funktionieren (Abg. Kickl: Jessas na, jetzt tragen Sie aber ganz dick auf!), sollte


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es noch einmal zu einem erhöhten Infektionsgeschehen kommen. (Weiterer Zwischenruf bei der FPÖ.)

Dass Sie, meine Damen und Herren von der FPÖ, eine Maßnahme ablehnen, die nicht Sie persönlich schützt, sondern hauptsächlich andere, Ihnen fremde Menschen, müssen Sie mit sich und Ihrer Ideologie ausmachen. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker. – Ruf bei der FPÖ: Vertreten Sie den Herrn Westenthaler?) – Ich danke für das Zuhören. (Bei­fall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Kickl: Das ist ganz einfach, ... anstecken! – Abg. Ha­fenecker: Kein Sympathieträger!)

19.37


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. – Bitte.


19.37.28

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Kollege Bürstmayr hat jetzt anscheinend ganz neu erfunden, dass die Maske nur noch denjenigen schützt, der einem gegenübersteht – also einen selbst eh nicht mehr. Das ist jetzt ein ganz neuer Ansatz, wieder einmal etwas Neues.

Das schließt eigentlich nahtlos an das an, was meine Kollegin Susanne Fürst hier gefragt hat: Wo ist denn die Evidenz für das Maskentragen? (Heiterkeit bei der ÖVP. – Abg. Gerstl: Meine Güte!) Wo ist sie denn? Wann immer ich irgendjemanden frage, sei es einen zuständiger Minister – das war schon bei Minister Anschober so, das ist jetzt auch bei Minister Mückstein so –, sei es einmal in einer Diskussionsrunde eine ORF-Wis­senschaftsjournalistin, wird mir erklärt, es gibt die Studien. Ich habe die Journalistin ge­beten, sie möge sie mir schicken. Bekommen habe ich ein einseitiges Essay, in dem gestanden ist: Na ja, die FFP2-Maske hat eine bessere Filterwirkung als eine OP-Maske und eine noch bessere Filterwirkung als eine Stoffmaske. – Ja, okay, sehr spannend, das ist aber keine Evidenz dafür, dass diese Maske überhaupt irgendeinen Schutz bie­tet. – Das ist Punkt eins.

Punkt zwei: Diese Masken, die Sie hier herinnen tragen und die Sie so gerne allen Ös­terreichern aufpfropfen, damit wir alle nur noch gesichtslose Wesen sind, kommen aus der Arbeitsmedizin und aus der Arbeitswelt. Das sind nämlich Staubmasken, und sie wurden ursprünglich dafür entwickelt, Arbeitnehmer vor giftigen Stoffen, vor Stäuben zu schützen. Es gab dazu auch ganz, ganz strenge Bestimmungen. Diese konnte man bis vor wenigen Wochen auch noch im Arbeitsschutzgesetz nachlesen, auch auf der Home­page der Arbeitsinspektion. Das ist jetzt weg. Man hat das runtergenommen (Abg. Kickl: Ah!), denn offensichtlich gelten diese Arbeitsschutzbestimmungen für das Tragen von FFP-Masken nicht mehr.

Da stand bis vor ungefähr fünf oder sechs Wochen, dass die maximale Tragezeit mit 75 Minuten beschränkt ist und dann eine Erholungsphase von mindestens 30 Minuten zu erfolgen hat. Maximal fünfmal pro Schicht darf man die Maske aufsetzen, und in ma­ximal vier Schichten pro Woche darf die Maske getragen werden.

Sie, meine Damen und Herren, haben im Jänner alle freudig gejubelt und diese Verord­nung mitbeschlossen, mit der Sie sämtliche Österreicher dazu verdonnert haben, diese Masken zu tragen. 14-jährige Kinder müssen diese Masken jetzt jeden Tag in der Schule tragen, manchmal über viele, viele Stunden. Die haben keine Maskenpause nach 75 Mi­nuten, denn in der Schule herrscht in den Pausen Maskenpflicht. Im Unterricht: Masken­pflicht. Die Kinder sind dann vielleicht auch noch im Schulbus nach Hause unterwegs: Maskenpflicht. Und wenn sie vielleicht in einer berufsbildenden höheren Schule sind, in der der Unterricht bis 17 Uhr, 18 Uhr dauert, dann – rechnen Sie sich das bitte aus! – tragen diese Kinder fünfmal pro Woche bis zu 10, 11, 12 Stunden diese Masken.


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Warum gab es denn diese strengen Bestimmungen? Es ist da nämlich noch eine Be­stimmung drinnen gestanden, und zwar dass Arbeitnehmer, die eine FFP-Maske tragen müssen, zuvor auch eine Lungenfunktionsprüfung machen müssen, um zu sehen, ob sie überhaupt geeignet sind, diese Maske zu tragen, denn diese Maske erhöht den Atemwiderstand ganz massiv. Das bedeutet, bei längerem Tragen stellt man sofort von der Nasenatmung auf die Mundatmung um. Das ist das Beste, was dann passieren kann, da werden die Schleimhäute gleich ausgetrocknet – wunderbar!

Sie verdonnern hier alle zum Maskentragen und Sie glauben auch, dass Sie das jetzt hier durchsetzen können, und das, obwohl der Herr Präsident vor wenigen Monaten hier solche Glaswände einbauen ließ. Deshalb sehen Sie zu Hause vor den Fernsehschir­men jetzt die Leute immer ein bisschen verspiegelt. Es spiegelt sich ja jetzt alles hier herinnen. Diese Glaswände nur hier herinnen im Sitzungssaal haben 104 000 Euro Steuergeld gekostet, diese Wände. Dann gibt es noch diese drei mobilen Wände, die noch einmal fast 4 000 Euro Steuergeld gekostet haben, und in den Ausschusslokalen gibt es auch noch so kleine mobile Trennwände. Das alles wurde angeschafft, weil der Herr Präsident gesagt hat: Dann sind wir geschützt, das ist laut Gesundheitsamt Wien gut genug, damit man hier ohne Maske sitzen kann. Das hat wenige Wochen oder weni­ge Monate später alles nicht mehr gegolten! Wir haben hier etwas um Steuergeld ein­bauen lassen, und trotzdem glauben Sie jetzt, Sie können allen eine Maske verordnen, weil Sie es sich so einbilden.

Diese FFP2-Masken-Pflicht gibt es ja nur in Österreich und in Bayern. Wissen Sie, wo es denn Skandale rund um die Beschaffung von FFP2-Masken gibt? – In Bayern – dort gab es übrigens Rücktritte bei Ihren Bruderparteien CDU und CSU – und in Österreich. Ich erinnere an die Hygiene Austria, die mit der FFP2-Masken-Produktion begonnen hat, lange bevor die Pflicht hier eingeführt worden ist – oder vermeintlich begonnen hat, denn in Wahrheit hat sie sie ja nicht produziert, sondern illegal eingeführt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Auch da ist die Politik verbandelt, vor allem die Kanzlerpartei, meine Damen und Herren! Da hege ich schon den Verdacht, dass diese FFP2-Masken-Pflicht nicht zufällig kam. Diese wurde im Übrigen weder von der WHO noch von der EMA empfohlen, bis heute nicht, auch wenn Gesundheitsminister Anschober im Jänner großspurig angekündigt hat: Sie werden sehen, das kommt noch! Es ist bis heute nicht gekommen und es wird nicht mehr kommen.

Ich sage Ihnen, es ist an der Zeit, diese Maskenpflicht generell fallen zu lassen. Wir haben heute eine Inzidenz von 53 in Österreich. Der R-Wert – auch so ein Wert, der herumgeschwirrt ist – liegt weit unter 0,8. Die Krankenhäuser in Österreich haben keine Überlastung, es befinden sich derzeit 782 Coronapatienten in Krankenhäusern, davon 252 auf Intensivstationen. Wir haben weniger als 10 000 aktive Fälle in Österreich. Ich glaube, es ist Zeit, meine Damen und Herren der Bundesregierung: Lassen Sie die Maß­nahmen endlich fallen! Weg mit dieser Maske und freie Luft für unsere Bürger! (Beifall bei der FPÖ.)

19.43


19.44.01

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich werde den Antrag 1550/A dem Geschäftsordnungsausschuss zuweisen.

19.44.1420. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch 1974 geän­dert wird (1568/A)



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Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 20. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Jörg Leichtfried. – Bitte.


19.44.40

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Dieses Hohe Haus, das Parlament, das Zentrum unserer Demokratie, hat ja vielfältige Aufgaben zu bewälti­gen. Im Kern dieser Aufgaben stehen zweifelsohne auf der einen Seite die Gesetzge­bung und auf der anderen Seite die Kontrolle der Regierung. Das ist auch die Aufgabe, die dieses Haus derzeit wahrscheinlich massiver wahrnehmen muss als in anderen Zei­ten.

Es muss sie deshalb massiver wahrnehmen, weil wir derzeit eine Regierung haben, die in Schönwetteransprachen behauptet, die parlamentarische Demokratie zu schätzen, aber in Wahrheit mit dieser parlamentarischen Demokratie nicht allzu viel anfängt; eine Regierung, die in Schönwetterreden den Rechtsstaat vorgibt zu schätzen, in Wahrheit aber diesen Rechtsstaat zu beugen und zu unterminieren versucht; und eine Regierung, deren Mitglieder eine schier einzigartige Dienstauffassung haben und, wenn dieses Par­lament tagt, ihre Zeit lieber im Biergarten verbringen.

Da muss es Aufgabe dieses Hauses, dieses Nationalrates sein, sehr bewusst in Rich­tung Kontrolle zu gehen, und dazu gibt es mehrere Mittel. Eines dieser Mittel ist der Untersuchungsausschuss, und dieser Untersuchungsausschuss hat bis jetzt bedrü­ckend bemerkenswerte Tatsachen über das Werken und Wirken dieser Regierung, ins­besondere über das Werken und Wirken des türkisen Teils dieser Bundesregierung, her­vorgebracht. Eines der wesentlichen Werkzeuge dieses Ausschusses ist und war natür­lich die Wahrheitspflicht, die im Ausschuss herrscht. Ohne diese Wahrheitspflicht, ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen, wäre wahrscheinlich nicht einmal die Hälfte von dem herausgekommen, was wir jetzt wissen und was wir nicht besonders schätzen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ja, es gibt Regierungsmitglieder, die gegen diese Wahrheitspflicht sind, auch ein Regie­rungsmitglied, das an diesem lustigen Ausflug in das Schweizerhaus teilgenommen hat, und die werden schon wissen, warum sie dagegen sind. Wir sind aber gegenteiliger Auf­fassung.

Es gibt noch ein zweites Instrument, das auch Kontrolle und Aufklärung möglich machen kann, das sind der Rechnungshofausschuss und sein Ständiger Unterausschuss. Auch da haben wir gesehen, dass eine Wahrheitspflicht wirklich helfen würde. Deshalb sind wir der Auffassung, dass wir diese Wahrheitspflicht auf diese Kontrollorgane ausdehnen sollten. Wir meinen, dass mehr Kontrolle weniger Korruptheit, weniger Rechtsbruch und mehr Demokratie bedeutet. Deshalb möchte ich Sie auffordern, dann, wenn es so weit ist, unserem Antrag zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.47


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste: Frau Abgeordnete Johanna Jachs. – Bitte.


19.47.40

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Die Politik ist ja ein bisschen wie ein Fußballspiel: Fußballspiel Opposition gegen Regierung. Das türkis-grüne Team führt von Anfang an, das Team der Opposition ist zwar geeint, aber es sind sehr viele Spieler auf der Ersatzbank. Die Spieler Leichtfried, Krainer, Krisper, Brandstätter, Kickl wechseln immer wieder ein und haben dabei ein bisschen die Spielregeln vergessen.


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Jetzt setzen diese Spieler zu einem neuen Zug an: Sie wollen den Ball über die Flanke spielen. Sie wollen nämlich mit diesem Antrag zwei von circa 30 Ausschüssen in den § 288 StGB, Falschaussage, aufnehmen. Zwei! Das ist der Rechnungshofausschuss und das ist dessen Ständiger Unterausschuss. In diesem Ausschuss bin ich selbst Mit­glied, und, liebe Zuseherinnen und Zuseher, ich kann Ihnen versichern, dass sich die Spieler der Opposition dort genauso verhalten wie hier am großen Spielfeld.

Lieber Kollege Leichtfried! Das, was du mit deinen Mitspielern hier heute versuchst (Abg. Loacker: Ein Spiel ist das für Sie?), ist nichts anderes als Anlassgesetzgebung. Ihr wollt nämlich zum nächsten Foul ausholen. (Abg. Loacker: Gesetzgebung ist kein Spiel!) Ihr wollt nur versuchen, eine Grundlage für neue Anzeigen zu schaffen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich sage dazu, wir werden diesen Antrag selbstverständlich im Ausschuss diskutieren, aber ihr solltet es besser wissen: Es würde auch eine Geschäftsordnungsänderung brau­chen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Spielerinnen und Spieler von der Opposition! Ihr bekommt heute von mir die Gelbe Karte (ein gelbes Kärtchen in Richtung SPÖ haltend), in der Hoffnung, dass ihr euch für die restliche Spielzeit auf das Fair Play besinnt. (Beifall bei der ÖVP.)

19.49


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Ries. – Bitte.


19.49.52

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Uns liegt also ein Antrag vor, den § 288 Strafgesetzbuch, also die Wahrheitspflicht vor dem U-Ausschuss und vor Gerichten, dahin gehend zu er­weitern, dass diese Wahrheitspflicht auch vor dem Rechnungshofausschuss und seinem Ständigen Unterausschuss gelten soll. Aus unserer Sicht unterstützen wir diese Forde­rung vorbehaltlos, es ist sozusagen eine Conditio sine qua non, denn natürlich muss man auch darauf vertrauen können, dass das, was man dort erzählt bekommt, den Tat­sachen entspricht.

Das gerade jetzt rechtlich abzusichern, ist meiner Meinung nicht nur legitim, sondern geradezu angebracht und verpflichtend, wenn wir an die letzten Wochen denken, in denen die Wahrheitspflicht – aus meiner Sicht war das völlig unverständlich – zur Dis­kussion gestanden ist, denn wenn man diese Wahrheitspflicht infrage stellt, stellt man die parlamentarische Kontrolle insgesamt infrage, und das kann wirklich niemand ernst­haft wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man dann noch wie Frau Minister Köstinger hergeht und einen Untersuchungs­ausschuss als Löwinger-Bühne tituliert, dann begibt man sich auf ein Niveau, das einer parlamentarischen Demokratie völlig unwürdig ist. Ich muss allerdings sagen, wenn ich daran denke, welche verbalen Kapriolen unser Bundeskanzler geschlagen hat, um zu rechtfertigen, warum er eben mutmaßlich nicht das ausgesagt hat, was den Tatsachen entsprochen hätte, dann gebe ich schon zu, dass man tatsächlich Vergleiche mit der Löwinger-Bühne ziehen kann.

Viele Stücke der Löwinger-Bühne haben wir ja sozusagen live im U-Ausschuss oder im Parlament präsentiert bekommen – ein paar Beispiele: „Der unschuldige Sünder“ – das passt haargenau auf das Narrativ, das die ÖVP von ihrem Bundeskanzler Sebastian Kurz hat. „Die drei Dorfheiligen“ – da fallen mir spontan der Herr Bundeskanzler, Herr Blümel und Herr Schmid ein. Oder: „Die falsche Annonce“ – das trifft haargenau auf die Öbag-Vorstandsausschreibung zu; besser könnte man es nicht ausdrücken. Oder: „Alles, nur keine Schwestern“ – dazu sage ich jetzt nichts, aber die Damen von der ÖVP


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wissen, was gemeint ist. (Abg. Höfinger: Ein schwaches Vorsprechen, Herr Kollege! Ein schwaches Casting!) Oder das Stück „’s Nullerl“, aber es waren mehrere Nullerl, die uns beim Budget gefehlt haben.

Kurz und gut, werte Damen und Herren von der ÖVP: Wir kommen als Fraktion unserer Pflicht im U-Ausschuss seriös nach. (Na-ja-Rufe bei der ÖVP.) Machen Sie das ganz einfach auch, und ein Vergleich zur Löwinger-Bühne erschließt sich gar nicht. Und bitte lassen Sie diese Versuche, die Wahrheitspflicht abzuschaffen, und stärken Sie stattdes­sen die parlamentarische Kontrolle! (Beifall bei der FPÖ.)

19.52


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter David Stögmüller. – Bitte.


19.53.01

Abgeordneter David Stögmüller (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir behandeln heute ein doch sehr wichtiges Thema in einer ersten Lesung, nämlich die Erweiterung der Wahrheitspflicht in anderen Ausschüssen und Gremien ne­ben dem Untersuchungsausschuss. Die Wahrheitspflicht vor dem Kontrollgremium des Parlaments ist ein wichtiges Instrument, auch wenn es nicht allen immer so gefällt, dass es sie gibt.

Am meisten fühlt man sich ja von der Wahrheit getroffen, wenn man etwas verheimlichen wollte. Aber dazu gibt es keinen Grund. Warum sollte man dem Parlament als Volksver­tretung, also in weiterer Folge auch den Bürgerinnen und Bürgern denn nicht die Wahr­heit sagen? Warum sollte man das wollen? – Dazu gibt es einfach keinen Grund, würden wir sagen.

Ich möchte eines hier auch einmal klar feststellen, weil es ja im Zuge dieser Debatte immer wieder in Diskussion war: Die Wahrheitspflicht im Untersuchungsausschuss ist ein Eckpfeiler der Verfahrensordnung und ist dementsprechend auch nicht verhandel­bar. – Punkt. (Beifall bei Grünen und NEOS sowie des Abg. Ries.)

Damit zurück zu dieser Diskussion, denn in der Causa des Rechnungshofausschusses ist es nämlich ein bisschen komplexer, und ich möchte auch ganz kurz erklären, warum es komplexer ist. Wir müssen natürlich über die genaue Ausgestaltung der Ausweitung der Wahrheitspflicht diskutieren, da diese Änderung ja nicht nur uns als Parlament be­trifft, sondern natürlich auch die Auskunftspersonen – und das ist der Punkt.

Im Untersuchungsausschuss herrscht ja, wie bereits erwähnt, die Wahrheitspflicht, aber dieser Ausschuss ist auch ganz besonders gestaltet: Die Auskunftsperson hat nämlich einerseits die Möglichkeit, eine Vertrauensperson mitzunehmen und mitzubringen, aber andererseits gibt es auch einen Verfahrensanwalt und einen Verfahrensrichter, die zur Wahrung – und das ist wichtig! – der Rechte der Auskunftspersonen verpflichtet – das ist wichtig: verpflichtet! – sind. Das ist auch gut so, und das ist ebenso ein Eckpfeiler der Verfahrensordnung des Untersuchungsausschusses.

Würden wir jetzt die Wahrheitspflicht auch in einem normalen Ausschuss, so wie der Ständige Unterausschuss des Rechnungshofausschusses eben einer ist, einführen, würden genau diese Barrieren fehlen. Das heißt, das Thema betreffend Schutz der Rechte der Auskunftsperson müssen wir breiter diskutieren – und zwar vor einer solchen Änderung breit diskutieren.

Wir müssen auch über das tatsächliche Ladungsverlangen, über die Ladungspraxis in Ausschüssen diskutieren, weil diese Wahrheitspflicht dann natürlich auch alle Auskunfts­personen treffen würde. Es gibt eine Differenzierung der Regelung zwischen MinisterIn­nen, so wie es in Ausschüssen ist, und den dem Ausschuss nur zur Verfügung stehen­den Personen, die also dem Ausschuss im Prinzip einfach nur zur Verfügung stehen.


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Nur Minister dürfen Fragen zur Beantwortung an ihre Kabinettsmitarbeiter weitergeben, im Gegensatz zum Beispiel zu Personen, Beamten, externen Personen, die in den Aus­schuss geladen werden – diese dürfen diese Fragen nicht weitergeben; das dürfen nur Ministerinnen und Minister. Das ist in der Geschäftsordnung des Nationalrates so gere­gelt – da gibt es einen Unterschied. Das ist auch ein bisschen unfair, weil ja Minister da besser aussteigen als Personen, die dann extern geladen werden. Sie sehen die Kom­plexität in dieser gesamten Causa.

Man muss sich auch überlegen, wie das mit grundsätzlichen Verfahrensgrundsätzen wie dem Recht auf ein faires Verfahren und dem Entschlagungsrecht von Beschuldigten beziehungsweise einem Selbstbelastungsverbot in Einklang gebracht werden kann. Denken wir an Hygiene Austria! Wenn wir hier Personen haben, die Beschuldigte in Ver­fahren sind, wie entschlagen sich diese? Das ist in einer Geschäftsordnung nicht gere­gelt.

Es sind da einige Fragen offen, wo zum einen dem Wunsch nach Wahrheitspflicht und zum anderen dem Schutz der Rechte der betroffenen Personen nachgekommen werden muss.

Wenn diesen Bedenken Genüge getan wird – die sehe ich ja als sehr sinnvoll an –, se­hen wir Grüne die Ausweitung der Wahrheitspflicht auch abseits des Untersuchungsaus­schusses doch als sinnvoll an, denn wir stehen dafür, dass der Staat so transparent wie möglich arbeitet – gerade auch das Parlament! –, um auch den Bürgerinnen und Bürgern die nötigen Einblicke in unsere alltägliche parlamentarische Arbeit zu ermöglichen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

19.57


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff zu Wort. – Bitte.


19.57.35

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Grund­sätzlich muss man sagen, dass der Vorschlag der SPÖ natürlich zu diskutieren ist, aber wie Kollege Stögmüller schon ausgeführt hat, gibt es gerade durch die Geschäftsord­nung sehr viele Dinge, die man bedenken muss, und es ist eine intensive Diskussion vor einer solchen Änderung, die durchaus umfassend wäre, hier zu führen.

Ich finde die Debattenbeiträge, die wir hier jetzt von eigentlich allen außer von Kollegen Stögmüller gehört haben, sehr bezeichnend, weil das sehr viel Show und sehr wenig Inhaltliches war. Wenn man hier über irgendwelche Karten spricht, die man verteilen will, und so weiter, fehlt genau das inhaltliche Fundament, über das wir diskutieren sollten, denn wenn wir über Geschäftsordnungsänderungen diskutieren – und das wäre eine, die danach folgen müsste –, dann sollten wir das hier durchaus ernsthaft machen und nicht mit Fußballspielen oder ähnlichen Vergleichen kommen. Dafür ist das Hohe Haus hier zu wertvoll. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich möchte nicht alles wiederholen, was Kollege Stögmüller vorhin gesagt hat, aber eine Sache, die wir uns in diesem Haus schon zu Herzen nehmen sollten, ist die Frage: Wa­rum kommt es überhaupt dazu? Man kann das Anlassgesetzgebung nennen, man kann sich aber auch die Frage stellen, warum wir überhaupt darüber diskutieren müssen, dass es möglicherweise so ist, dass Politiker vor wichtigen Gremien in diesem Haus nicht die Wahrheit sagen – und das sind Ausschüsse genauso wie Unterausschüsse oder auch ein Untersuchungsausschuss. Diese Diskussion sollten wir, glaube ich, schon führen, und der sollten wir uns auch stellen.

Wir haben in den letzten Wochen – oder eigentlich schon seit der Wahl von Sebastian Kurz – viel über politischen Stil gesprochen, und bin ich der Meinung, dass die Wahrheit


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absichtlich nicht zu sagen sicher nicht zum guten Stil gehört. Das ist ja die Debatte, die eigentlich mit diesem Vorschlag der SPÖ zu führen ist. Das ist auch das, was uns allen, glaube ich, zu denken geben sollte: Welches Licht wirft das auf uns als Politiker, auf dieses Haus, wenn bei der Bevölkerung das Gefühl entsteht – und dieses ist durchaus begründbar, wenn man sich die Protokolle anschaut –, dass hier nicht die Wahrheit ge­sagt wird?

Das ist ganz, ganz schlechter Stil, der leider insbesondere von einer Partei kommt, die genau was angekündigt hat? – Einen neuen Stil zu prägen! (Beifall bei den NEOS.)

Wir sehen das nicht nur im Ibiza-Untersuchungsausschuss, sondern wir sehen das leider auch im kleinen Untersuchungsausschuss, das muss man hier auch klipp und klar sa­gen. Auch dort ist es so: Wenn man sich die Aussagen verschiedener Personen an­schaut und genauer hinschaut, was gesagt wurde, gab es da durchaus große Auffas­sungsunterschiede, ob Gespräche stattgefunden haben, wann sie stattgefunden haben, was der Inhalt davon war. Und das sind auch wieder genau dieselben Player, weshalb man das Gefühl haben kann, dass das nicht ganz der Wahrheit zuträglich ist und dass sie hier nicht nur die Wahrheit von sich gegeben haben.

Das ist, glaube ich, etwas, das uns allen zu denken geben sollte, auch das Bild, das wir als Politiker abgeben. Deswegen sollten wir einfach danach trachten, dass wir solche Diskussionen nicht führen müssen. Politiker sollten einfach grundsätzlich nicht anfan­gen, nicht die Wahrheit zu sagen, denn dann müssten wir solche Debatten nicht führen. (Beifall bei den NEOS.)

20.01


20.01.08

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist nun dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Ich weise den Antrag 1568/A dem Justizausschuss zu.

20.01.2421. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch 1974 geändert wird (1523/A)


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen zum 21. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen gleich in die Debatte ein.

Herr Abgeordneter Mario Lindner, Sie gelangen zu Wort. Bitte.


20.01.43

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe alle! In einer meiner letzten Sitzungen in diesem Haus, im Juli 2019, haben wir gemeinsam einen Meilenstein gesetzt: Der Nationalrat hat beschlossen, dass sogenannte Konversionsthe­rapien in Österreich verboten werden sollen, und zwar einstimmig, mit den Stimmen aller Parteien. Das war der erste und seitdem einzige große Schritt im Bereich der Antidiskri­minierung von LGBTIQ-Personen, den dieses Haus in den letzten Jahren geschafft hat. Nach unserem Beschluss hat die Übergangsregierung gehandelt und durch einen Erlass die Durchführung solcher gefährlichen Praktiken im medizinischen Bereich verboten. Doch bis heute fehlt das, was wir damals einstimmig gefordert haben: ein gesetzliches Verbot. (Beifall bei der SPÖ.)

Genau dieses haben wir jetzt vorgelegt, und ich sage Ihnen, warum das so wichtig ist: Auch wenn TherapeutInnen und ÄrztInnen solche Umpolungstherapien nicht mehr durchführen dürfen, sind sie doch im privaten Bereich noch immer möglich, in Vereinen


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und Organisationen und durch Einzelpersonen. Es werden immer noch Konversionsthe­rapien durchgeführt, auch in Österreich und auch im Jahr 2021.

Reden Sie einmal mit den Beratungsstellen, die sich gerade um junge Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transpersonen kümmern, hören Sie sich die Lebensgeschichten der jungen Menschen an, die so etwas durchmachen mussten beziehungsweise müssen! Sie haben mit psychischen Problemen bis hin zu Selbstmordgedanken zu kämpfen, und die Langzeitfolgen solcher Praktiken werden sie wahrscheinlich ihr Leben lang begleiten.

Wir haben hier im Nationalrat die Chance, all dem ein Ende zu setzen. Deutschland hat uns gezeigt, wie das geht. Das Strafgesetz, das die SPÖ hier vorlegt, orientiert sich am deutschen Gesetz, das auch mit den Stimmen der Konservativen vor mehr als einem Jahr beschlossen wurde und wirkt.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, nutzen wir die Chance, beschließen wir das ge­setzliche Verbot von Konversionstherapien und zeigen wir den Menschen in Österreich, dass jeder Mensch das Recht hat, so zu leben und so zu lieben, wie er ist! Das ist das Minimum, das sich die Menschen in unserem Land verdient haben. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Lassen Sie mich zum Abschluss ein paar Worte in Richtung ÖVP sagen: Liebe Kolle­gInnen, Sie haben diesem Verbot schon einmal zugestimmt. Nehmen wir unsere Be­schlüsse ernst und verankern wir jetzt im Gesetz, was wir 2019 gemeinsam gefordert und beschlossen haben!

Ich weiß, manche von Ihnen werden mit diesem Ziel vielleicht ein Problem haben, deshalb möchte ich Ihnen einen Gedanken mitgeben, den mir ein befreundeter Priester vor zwei Jahren erzählt hat: Egal wie man zur Vielfalt ganz im Allgemeinen oder zu LGBTIQ-Themen im Speziellen steht, egal ob man für die Ehe für alle oder dagegen ist, das Ziel, dass jeder Mensch in seiner Würde unantastbar ist, muss uns alle verbinden.

Jeder von uns muss sich gegen jene Menschen aussprechen, die mit solchen Praktiken das Leben und damit die Würde von anderen gefährden. Bringen wir dieses Gesetz bald zur Abstimmung und lassen Sie uns gemeinsam diesem Spuk ein Ende setzen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

20.05


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Maria Smodics-Neu­mann. – Bitte.


20.05.47

Abgeordnete Mag. Maria Smodics-Neumann (ÖVP): Herzlichen Dank, Frau Präsiden­tin, fürs Wort! – Hohes Haus! Zum Antrag des Kollegen Lindner von der SPÖ möchte ich folgendermaßen Stellung nehmen und vielleicht ein bisschen etwas aufklären:

Im Jahr 1974 hat die Wissenschaft festgestellt, Homosexualität ist keine Krankheit. 1992 wurde der internationale Katalog für anerkannte Krankheiten diesbezüglich korrigiert, seither gilt auch weltweit: Homosexualität ist keine Krankheit.

Kollege Lindner hat schon erwähnt, die Psychologie und die Psychiatrie lehnen inversive Therapien wie die Konversionstherapie strikt ab. Lebensberater haben in ihren gesetz­lich verankerten Standesregeln dieser Situation Rechnung getragen, und anerkannte Religionsgemeinschaften nehmen in der Ausbildung ihrer Seelsorger darauf Bezug, ha­ben Beschwerdestellen eingerichtet, die beim geringsten Verdacht aktiv werden.

Kollege Lindner hat es erwähnt, wir hatten 2019 einen einstimmigen Beschluss gefasst. Daraufhin haben Fachexperten für psychische Gesundheit und auch das Gesundheits­ministerium selbst die gültige Rechtslage für ausreichend befunden. Jetzt wird dieser


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Antrag dem Justizausschuss zugewiesen und kann dort sozusagen auch noch einmal auf die Rechtslage überprüft werden.

Lassen Sie mich bitte die letzten Sekunden meiner Redezeit noch für einen Satz verwen­den: Sehr geehrte Damen und Herren und Menschen diversen Geschlechts, mir persön­lich ist es vollkommen egal, wie und mit wem Sie Ihre sexuelle Befriedigung erlangen, außer das Strafgesetzbuch hat etwas dagegen. Die Hauptsache ist, dass Sie die Mög­lichkeit dazu haben, denn Sexualität gehört zu unserer Natur und stärkt auch Körper und Geist. Für mich zählt Ihre Persönlichkeit, die sagt nämlich wesentlich mehr über Sie aus. (Beifall bei der ÖVP.)

20.08


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic. – Bitte.


20.08.14

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es gut, wie Sie bereits wissen, dass wir uns mit dem Thema auseinandersetzen, denn eines möchte ich klarstellen: Da geht es nicht um Befriedigung, sondern da geht es um Existenzen von Menschen. (Beifall bei Grünen, SPÖ und NEOS.) Da geht es um gleiche Rechte. Da geht es darum, dass niemand mehr – wie in Öster­reich bis 1971 – in den Kerker kommt, weil er oder sie eine andere sexuelle Orientierung als die Mehrheitsgesellschaft hat.

Ja, Sie haben vollkommen recht, das darf heutzutage kein Thema sein. Wir reden hier im Parlament immer wieder über die noch letzten offenen Punkte: Blutspendeverbot, Operationen an intergeschlechtlichen Kindern, fehlender Diskriminierungsschutz außer­halb des Arbeitslebens und, ja, auch die Pseudotherapien, diese sogenannten Konver­sionstherapien, die in Österreich tatsächlich noch durchgeführt werden. Dieser einstim­mig angenommene Antrag damals war verdammt wichtig. Wir haben das damals auch überprüft. Es ist tatsächlich in Österreich so, dass für jemanden, der als Psychothera­peut, Psychotherapeutin eingetragen ist, das sowieso nicht mehr zulässig ist. Das ist natürlich wichtig und gut so.

Wo haben wir keine Handhabe? – Bei den ganzen Vereinen, bei den Freikirchen, bei den religiösen Organisationen. Da müssen wir hin, und deswegen danke, Mario, für dei­nen Antrag, der uns eben erlaubt, hier auch weiter darüber zu diskutieren.

Wieso ist das so wichtig, dass wir dort hinkommen? – Stellen Sie sich eine junge Frau, einen jungen Burschen von zehn, zwölf, 14 Jahren, je nachdem, wann man sozusagen draufkommt, dass man vielleicht homosexuell oder transsexuell ist, vor! Diese Person geht dann zu den eigenen Eltern, und die eigenen Eltern sagen: Du bist krank, du musst therapiert werden. Wir schicken dich wo hin, und zwar nicht zu einer offiziellen Stelle, sondern zu irgendwelchen Exorzisten!, wenn man das nämlich gleichsetzt mit dem, was dann dort an Therapien betrieben wird. Das geht nicht! Natürlich geht das nicht. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Wir Grüne sind dafür, dass wir uns hier natürlich strafrechtlich anschauen, was noch an Lücken geschlossen werden muss, damit es in Österreich keine Kinder gibt, die sich davor fürchten müssen, dass ihre Eltern Angst haben, dass sie womöglich eben nicht heterosexuell sind, und sie zu einer Therapie gezwungen werden, die sie noch mehr traumatisiert, die sie noch mehr krank macht.

Ich denke, es ist gut und wichtig, dass es damals auch mit den Stimmen der ÖVP diesen Entschließungsantrag gab. Danke, Mario! Ja, wir sind dran und auch mit Justizministerin Alma Zadić im Gespräch darüber, was es hier noch bräuchte, um eben diese Lücken zu


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schließen, um diese Kinder in Österreich zu schützen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grü­nen, SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.11


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster: Herr Abgeordneter Yannick Shetty. – Bitte.


20.11.31

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Frau Präsidentin! Lassen Sie mich viel­leicht eingangs noch auf Kollegin Smodics-Neumann antworten! Sie haben hier nicht wortwörtlich, aber sinngemäß gesagt, Sie respektieren so quasi alles, was nicht hetero­sexuell ist, solange man nicht mit dem Strafrecht in Berührung kommt, und merken dabei gar nicht, dass Sie mit dieser Kontextualisierung ja genau das in Berührung bringen. Und das finde ich wirklich letztklassig – letztklassig! –, und es offenbart eine Haltung. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Kopf: Diese Selbstgerechtigkeit ist nicht mehr auszuhalten!)

Um jetzt zum vorliegenden Antrag zu kommen, der in erster Lesung hier zur Debatte steht: Wissen Sie, was die häufigste Todesursache bei Kindern und Jugendlichen im Allgemeinen ist? Das wissen viele nicht. Viele glauben, Unfälle, Ertrinken oder andere Todesursachen. Nein, die häufigste Todesursache bei Kindern und Jugendlichen ist Sui­zid. Das wird selten ausgesprochen, obwohl es mittlerweile wissenschaftliche Studien gibt, dass über Selbstmord reden eben nicht zu mehr Selbstmorden führt, sondern viel­leicht den gegenteiligen, den sogenannten Papagenoeffekt haben kann. Aber es ist auf jeden Fall eine Tatsache.

Wissen Sie, wie sich die Neigung zu Selbstmord, also Suizidalität, bei LGBTIQ-Jugend­lichen im Vergleich zur Mehrheitsbevölkerung der jungen Menschen verhält? – Sie ist fünfmal so hoch. Verfünffacht! Fünfmal so viele LGBT-Jugendliche nehmen sich das Le­ben im Vergleich zu ihren heterosexuellen Mitmenschen. Ich finde das extrem schockie­rend. Ich finde, dass uns das alle schockieren und aufrütteln muss. Und ich finde, wir müssen alles tun, wir müssen viel mehr tun, dass LGBT-Kids, die sich in einer unglaub­lich schwierigen Phase befinden, mehr geschützt werden.

Viele von Ihnen haben doch Kinder. Wenn wir sagen, 10 bis 15 Prozent der Kinder sind nicht heteronormativ, dann muss es doch unsere gemeinsame Anstrengung sein, dass wir all diese Kinder bestmöglich schützen. Deswegen befassen wir uns heute auch mit einem Thema, bei dem es genau darum geht, eben Kindern, die besonderen Schutz benötigen, diesen auch zu geben – mit einem Thema, das eigentlich für uns als Parla­ment beschämend ist; beschämend, weil wir uns mit diesem Verbot von Umpolungs­therapien, also eigentlich Pseudotherapien an Kindern und Jugendlichen, in deren Rah­men die sexuelle Orientierung oder sexuelle Identität umgepolt werden soll, weil wir uns mit diesem Thema eigentlich hier schon beschäftigt haben. Kollege Mario Lindner hat es ausgesprochen: Es gibt einen einstimmigen Beschluss hier im Nationalrat, aber seitdem ist nichts passiert.

Ich finde es ganz unabhängig von unserer Beschlusslage krank, dass wir uns im 21. Jahrhundert noch immer mit solchen Therapien oder einem Verbot dieser Therapien beschäftigen müssen.

Es ist seitdem nichts passiert. Ich finde es auch enttäuschend, dass Anfragebeantwort­ungen der Bundesregierung ergeben haben, dass sie eigentlich auch keine Notwendig­keit sieht, hier etwas zu tun. Deswegen freut es mich sehr, Ewa (in Richtung Abg. Ernst-Dziedzic), dass du heute auch angesprochen hast, dass vonseiten der Grünen hier auch mehr Anstrengungen unternommen werden sollen. Vielleicht schaffen wir es ja im Pride-Monat, da weiterzukommen und mehr zu erreichen. Auf jeden Fall vielen Dank an dich, Mario Lindner, dass du hier wieder die Initiative ergriffen hast. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)


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Konversionstherapien werden auch als sogenannte reparative Therapien oder Umpo­lungstherapien bezeichnet. Damit wird suggeriert, irgendetwas stimmt nicht, wir müssen irgendetwas reparieren, wir müssen irgendetwas umkehren, umpolen.

Wenn Sie jetzt sagen, ich kann mir nicht vorstellen, dass es das bei uns noch gibt, dann sage ich Ihnen, schauen Sie sich zum Beispiel eine sehr aktuelle Dokumentation des ZDF an, in der Journalisten mit versteckter Kamera bei Ärzten, bei Psychotherapeuten in Therapie sind, wo die ihnen erklären, wie sie in den nächsten fünf Sitzungen umgepolt werden, wie sie ihnen das in Rechnung stellen werden. Das ist Realität. Wenn man sich das ausführliche Gutachten der deutschen Bundesstiftung Magnus Hirschfeld  für den deutschen Bundesgesundheitsminister anschaut, dann sieht man auch, dass das ein­fach ein sehr aktuelles Thema ist.

Die Konsequenzen solcher Konversionstherapien sind für die Betroffenen verheerend: Selbststigmatisierung, ein gesteigertes Suizidverhalten, Depression, Selbsthass, Identi­tätsverlust. Man kann es sich, glaube ich, in Ansätzen vorstellen. Gerade bei Kindern und Jugendlichen, glaube ich, müssen wir dafür sorgen, dass kein einziges Kind, kein einziger Jugendlicher in Österreich in so eine Konversionstherapie geschickt wird.

Deutschland hat vorgezeigt, wie es gehen kann. Dort gibt es seit 2020 ein gesetzliches Verbot der Konversionstherapie. Wissen Sie, liebe Kollegen von der ÖVP, wer das dort in die Wege geleitet hat? – Der konservative deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn. Er hat dieses Thema sehr mutig auch innerparteilich vorangetrieben, obwohl es da auch Gegner gegeben hat. Er hat, wie ich finde, ein vergleichsweise sehr gutes Gesetz auf den Weg gebracht.

Ich möchte, weil ich noch ein bisschen verbliebene Restredezeit habe, noch ganz kurz darauf eingehen, was in Deutschland genau verboten wurde. Dort wurde ein Gesetz auf den Weg gebracht, das Konversionsbehandlungen an Minderjährigen generell und an Volljährigen, deren Einwilligung auf einem Willensmangel beruht, wenn der Behand­ler sie beispielsweise nicht über die Schädlichkeit der Behandlung aufklärt, verbietet. Das Bewerben, Anbieten und Vermitteln solcher Behandlungen wurde ebenfalls verbo­ten. Verstöße gegen dieses Gesetz werden mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr und Verstöße gegen das Verbot der Werbung mit einer Geldstrafe von bis zu 30 000 Euro bestraft. So einfach kann es gehen.

Abschließend: Der Weltärztebund hat 2013 sogenannte Konversionstherapien als Men­schenrechtsverletzung, als mit der Ethik ärztlichen Handelns unvereinbar verurteilt. Der Deutsche Ärztetag hat auch schon 2014 vor den negativen Auswirkungen gewarnt.

In Österreich ist dieses Therapieren im Rahmen von freikirchlichen Settings, im Rahmen von Psychotherapie oder medizinischen Settings noch immer nicht unter Strafe. Wir wer­den jedenfalls gemeinsam weiterhin mit Nachdruck dafür kämpfen, dass so ein Verbot kommt und dass solche Umpolungen von Kindern und Jugendlichen in Österreich der Vergangenheit angehören. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.17


20.17.31

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Ich weise den Antrag 1523/A dem Justizausschuss zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

20.17.45Kurze Debatte über einen Antrag zur Verlängerung des Ibiza-Us


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A


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen noch zur kurzen Debatte über den Antrag der Abgeordneten Rendi-Wagner, Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 53 Abs. 6 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse auf nochmalige Verlängerung des Untersuchungsausschusses betreffend „mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung“ um drei Monate.

Wir gehen sogleich in die Debatte ein.

Im Sinne des § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung weise ich darauf hin, dass jeder Red­ner eine Redezeit von 5 Minuten hat, wobei dem Erstredner 10 Minuten zur Verfügung stehen.

Diesem erteile ich jetzt das Wort. Das ist Herr Abgeordneter Kai Jan Krainer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.18.41

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ibiza-Untersuchungsausschuss, der ja in der Langform „mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung“ heißt, ist vor circa eineinhalb Jahren von der sozialdemokratischen Fraktion und den NEOS verlangt worden. Von Tag eins an war er Angriffen ausgesetzt, vor allem von der ÖVP, wobei es darum ging, dessen Ein­setzung und die Arbeit dort zu verzögern, das zu zensurieren, was sich der Untersu­chungsausschuss überhaupt ansehen darf, und um den Versuch, die Arbeit zu sabo­tieren – nicht nur durch die Art und Weise, wie die ÖVP-Abgeordneten im Untersu­chungsausschuss agieren, nicht nur durch die Vorsitzführung des Vorsitzenden Sobot­ka, sondern auch zum Beispiel durch die Art und Weise, wie vor allem die türkisen Minis­terien Akten nicht an den Untersuchungsausschuss geliefert haben.

Über ein Jahr mussten wir de facto über den Verfassungsgerichtshof mit Bundeskanzler Kurz, mit Bundesminister Blümel streiten und prozessieren, damit wir überhaupt die Ak­ten und Unterlagen aus dem Ministerium bekommen. Da wurde behauptet, es gibt gar keine. Selbst als der Verfassungsgerichtshof Bundesminister Blümel verpflichtet hat, zu liefern, hat er sich noch immer geweigert. Erst als der Exekutor in Person des Bundes­präsidenten Van der Bellen vor der Tür gestanden ist, hat er begonnen, Akten zu liefern, und hat diese natürlich in vollkommen rechtswidriger Weise als geheim eingestuft.

Bei Bundeskanzler Kurz ist es nicht viel besser. Der hat behauptet, es gibt überhaupt keine Akten und Unterlagen. Jetzt hat er begonnen, bevor auch bei ihm der Exekutor auftaucht, zu liefern, und siehe da, das, von dem er behauptet hat, dass es das gar nicht gäbe, gibt es offenbar. Zumindest sehen wir zum Beispiel bereits aus den ersten Liefe­rungen, dass Novomatic-Vorstand Neumann im Bundeskanzleramt ein und aus gegan­gen ist. Das, was bisher bestritten wurde, ist in Wahrheit in der Zwischenzeit schon be­wiesen.

Die Arbeit im Untersuchungsausschuss ist relativ einfach zu beschreiben. Es gibt vier Fraktionen, die zwar alle eine unterschiedliche Sicht auf den Untersuchungsgegenstand haben, die aber konstruktiv mitarbeiten. Es gibt aber eine Fraktion, die eigentlich nur durch Destruktivität auffällt, und das ist die ÖVP (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Hafenecker), nicht nur vonseiten der Ministerien, sondern auch vonseiten der Abgeord­neten.

Und jetzt, da wir diese Akten und Unterlagen seit wenigen Tagen bekommen, geht es der ÖVP anscheinend darum, den Untersuchungsausschuss abzuwürgen, anstatt dass man den Untersuchungsausschuss seine Arbeit ordentlich abschließen lässt. Wir brau­chen diese zusätzlichen drei Monate, um diese Arbeit einfach ordnungsgemäß und sau­ber abzuschließen. Selbst die ÖVP hat noch vor wenigen Wochen zum Beispiel einen Antrag gestellt, dass es Chatauswertungen vom Handy des ehemaligen Vizekanzlers Strache geben soll. Die Justizbehörden haben gesagt: Machen wir gerne, blöderweise sind Schmid-Handy, Löger-Handy, Blümel-Handy, Fuchs-Handy, Pilnacek-Handy vorher


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dran, wir können das Strache-Handy auch gerne auswerten, aber da brauchen wir bis in den Herbst!

Da stellt sich natürlich die Frage: Geht es der ÖVP hier wirklich um Aufklärung? Dann müsste sie ja eigentlich der Verlängerung des Untersuchungsausschusses um diese drei Monate zustimmen, damit der Untersuchungsausschuss wirklich die Akten und Unterla­gen hat, um seine Arbeit auch abschließen zu können. Doch das, was wir hier erleben – in Wahrheit in den letzten Tagen –, ist, dass es zwischen der ÖVP und den Grünen offensichtlich die Übereinkunft gibt, diesen Untersuchungsausschuss abzuwürgen und ihn seine Arbeit nicht abschließen zu lassen. Die Begründungen, vor allem jene der Klubvorsitzenden Maurer, sind mehr als überraschend. In Wahrheit schlägt sie vor, dass das Parlament einen großen Schildbürgerstreich begehen soll. Sie schlägt nämlich vor, dass man im September circa eineinhalb Millionen Aktenseiten schreddert und dafür dieselben Akten womöglich im Jänner oder im Feber noch einmal anliefert. Wenn man den Untersuchungsausschuss einfach um drei Monate verlängern würde, dann wären wir im Oktober fertig und bräuchten diese Akten gar nicht mehr. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Was soll das für eine Idee sein, eineinhalb Millionen Aktenseiten im September zu schreddern und dann darauf zu hoffen, dass sie im Jänner oder im Feber wieder geliefert werden, falls dann nicht wieder das Spiel von vorne beginnt, dass Bundeskanzler Kurz und Finanzminister Blümel dem Ausschuss, dem Parlament, dem Verfassungsgerichts­hof und dem Bundespräsidenten wieder die lange Nase zeigen, wie sie es das ganze letzte Jahr über gemacht haben, und wir wieder beginnen müssen, um jeden Akt und jede Unterlage aufs Neue zu streiten?! – Nein, für Schildbürgerstreiche sind wir nicht zu haben. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Die Motivation sowohl der ÖVP als auch der Grünen für diesen Schritt scheint meines Erachtens Angst zu sein (Abg. Stögmüller: Wovor sollen wir Angst haben?), Angst der ÖVP, dass die Liste von ÖVP-Funktionären, die Verdächtige, Beschuldigte oder Ange­klagte sind, noch länger wird, als sie ohnehin schon ist, und dass noch mehr Licht ins Dunkel kommt (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Stögmüller), nämlich darüber, wie die ÖVP in der Zeit der türkis-blauen Bundesregierung gegen Spenden, von denen Sie ge­nug kassiert haben, dann auch politische Gefälligkeiten, Postenbesetzungen und Geset­ze geliefert hat. (Abg. Hanger: Das sind permanente Unterstellungen!)

Wir sehen das genauso. Wir haben das hieb- und stichfest (Abg. Hanger: Du hast noch keinen einzigen Beweis auf den Tisch gelegt! Leg einmal einen Beweis auf den Tisch!) bei den Privatkliniken abgearbeitet. Jeder weiß das im Untersuchungsausschuss, jede Fraktion im Untersuchungsausschuss sieht das, nur Herr Hanger nicht. Er verwechselt den Untersuchungsausschuss mit einem Ernährungsausschuss, aber bitte, er kann sich natürlich auch um Ernährungsgewohnheiten kümmern (Heiterkeit bei der SPÖ), wir küm­mern uns um die Frage der Korruption und der Käuflichkeit der Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die Grünen haben anscheinend Angst vor der Basis. Bevor überhaupt noch ein Antrag auf Verlängerung geschrieben ist, bevor dieser überhaupt noch eingebracht ist, haben die Grünen schon gesagt: Nein, die Diskussion existiert nicht, weil wir ihn ablehnen! – Das ist auch neu im Parlamentarismus, dass Parteien schon zu Anträgen Stellung neh­men, die noch nicht einmal geschrieben sind.

Anscheinend haben Sie Angst vor der eigenen Basis. Ich kann Ihnen sagen, diese Angst ist wohl berechtigt, weil wir alle wissen, dass die grüne Basis natürlich der Meinung ist, dass das, was man vor der Wahl sagt, nämlich dass es um Transparenz, um saubere Politik, um politische Aufklärung geht, für die Basis auch nach der Wahl gilt, und natürlich werden sich die Abgeordneten der Grünen die Frage stellen müssen, ob das für sie auch


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gilt. Wenn sie nämlich diesen Antrag, um drei Monate zu verlängern, ablehnen (Zwi­schenruf des Abg. Hafenecker), bedeutet das, dass sie sich auf die Seite jener stellen, die eigentlich nur schreddern wollen, die nur verbergen und verdunkeln und die Arbeit der parlamentarischen Aufklärung hier sabotieren wollen. (Abg. Gödl: Ihr tuts nur verna­dern!) Diese Entscheidung müssen Sie selber treffen, und die Verantwortung dafür müssen Sie auch tragen. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Scherak. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Gödl.)

Wenn Sie das tun, muss Ihnen auch eines klar sein: dass Sie das, was Bundeskanzler Kurz, und das, was Finanzminister Blümel in den letzten 14, 15 Monaten gemacht ha­ben, legitimieren – nämlich den Untersuchungsausschuss zu verzögern, die Akten rechtswidrigerweise zurückzuhalten, zuerst einmal zu behaupten, es gibt sie nicht, selbst die Verfassungsgerichtshofurteile zu ignorieren, die ihn verpflichtet haben, zu liefern, und erst als der Exekutor vor der Tür gestanden ist, dann noch rechtswidrig in Stufe 3 zu liefern. Sie legitimieren diese Vorgangsweise, die dazu geführt hat, dass wir jetzt gar nicht mehr die Zeit haben, all diese Akten, E-Mails und Unterlagen überhaupt seriös durchzulesen. (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.)

Fragen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen im Untersuchungsausschuss, die dort sehr konstruktive Arbeit leisten, ob das überhaupt geht, und die werden Ihnen sagen: Nein, das geht in dieser kurzen Zeit seriös natürlich gar nicht! – Und damit machen Sie jenen die Mauer, die die politische Aufklärung verhindern. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

Kollegin Krisper und ich (eine Tafel mit der Aufschrift „Jetzt unterstützen: bit.ly/IbizaUA­verlaengern“ auf das Rednerpult stellend) haben gestern Abend eine parlamentarische Petition eingebracht. Sie ist vor 4 Stunden online gegangen, und sie hat in diesen 4 Stun­den bereits mehr als 5 000 UnterstützerInnen – in 4 Stunden! (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.) Und ich weiß, das sind nicht lauter Rote (Zwi­schenruf des Abg. Michael Hammer), und ich nehme an, das sind nicht lauter NEOS-Anhänger (Abg. Michael Hammer: Ich glaube, es sind schon alles Rote!), sondern da sind auch viele Grüne dabei, da sind wahrscheinlich von allen Parteien Unterstützer da­bei, denen die parlamentarische Aufklärung wichtig ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich fordere die Grünen ausdrücklich auf, den Weg zu gehen, den sie lange Jahre ge­gangen sind, nämlich den der parlamentarischen Aufklärung, und diesem Antrag hier zuzustimmen. Alle Zuseher ersuche ich, auch zu unterstützen, Sie sehen hier einge­blendet, unter welcher URL Sie diese Petition auf der Homepage des Parlaments unter­stützen können. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

20.29


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Hanger. – Bitte.


20.29.09

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Verlängerung des Ibiza-U-Ausschusses: Herr Kollege Krainer sagt ja liebend gern nach einer Ausschusssitzung: Wir wissen jetzt! – Herr Kollege Krainer, ich möchte einmal in aller Deutlichkeit festhalten, du weißt ganz wenig, denn du hast noch keinen einzigen Beweis auf den Tisch gelegt, dass deine Vorhalte richtig sind, und ich fordere dich einmal eindringlich auf, auch einmal etwas auf den Tisch zu legen und nicht immer nur zu be­haupten. Wenn man etwas behauptet und es nicht beweisen kann, dann ist es eine Un­terstellung, und wir erleben seit vielen Monaten in Wirklichkeit keinen Untersuchungs­ausschuss, sondern einen Unterstellungsausschuss. (Beifall bei der ÖVP.) – Das möch­te ich in aller Deutlichkeit festhalten.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 205

Wir bekennen uns natürlich zur parlamentarischen Kontrolle, gar keine Frage. Dazu braucht es aber zuerst eine Reform der Geschäftsordnung. Vorab möchte ich – weil das natürlich eine gute Gelegenheit ist – ein kleines Zwischenresümee ziehen. Das muss man schon einmal dazusagen: Wir hatten im Ausschuss mittlerweile 102 Auskunftsper­sonen – 102! – an 44 Befragungstagen. Die durchschnittliche Dauer einer Sitzung be­trug 10 Stunden, das ergibt fast 500 Stunden Befragungsdauer. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Mittlerweile wurden Millionen von Aktenseiten geliefert. Sie könnten sich längst hinset­zen und diese auswerten, Sie jammern aber darüber, dass wir eine Verlängerung brau­chen. Setzen Sie sich hin und werten Sie aus, Sie haben noch jede Menge Zeit dazu!

200 Millionen Euro Kosten: Von den Menschen, mit denen ich draußen rede, versteht es niemand, dass wir einen derart hohen Millionenbetrag brauchen, dass wir jetzt noch acht Befragungstage haben, die wieder sehr viel Geld kosten, wir aber seit Wochen und Mo­naten – und das wird von allen bestätigt – keinen relevanten Erkenntnisgewinn mehr haben. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek, Hafenecker und Matznetter.) – Wenn wir Auskunftspersonen ein zweites und ein drittes Mal geladen haben, stellen Sie sich üblicherweise gemeinsam mit Kollegin Krisper vor die Medien und sagen: Na ja, heute haben wir wieder keine neuen Erkenntnisse gewonnen! – Neh­men Sie das doch einfach einmal zur Kenntnis! Das ist aus meiner Sicht das Allerwich­tigste. (Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Hoyos-Trauttmansdorff.)

Vier Dinge, die wir in die Zukunft gerichtet brauchen, damit parlamentarische Kontrolle wirklich Sinn macht (Zwischenruf der Abg. Krisper): Wir brauchen eine klare Zuordnung des Untersuchungsgegenstandes. Wir haben derzeit eine Situation, dass das Kraut und Rüben ist, wir untersuchen alles und nichts, wir haben unterschiedliche Auskunftsperso­nen da. Für Beobachter von außen ist es kaum nachzuvollziehen, was wir da tun. Wir brauchen eine klare Definition des Untersuchungsgegenstandes.

Zweitens brauchen wir ein klares Prozedere in Fragen der Aktenlieferung. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Der Verfassungsgerichtshof hat uns einen neuen Rechtsrahmen gegeben. Wir sprechen ja teilweise nicht mehr nur von abstrakter Relevanz, sondern es ist alles zu liefern. Ich halte aber schon auch deutlich fest: Wir müssen auch die persönlichen Rechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ministerien schützen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Es kann nicht sein, dass persönliche Daten übermittelt werden, die dann sofort wieder an die Medien hinausgespielt werden, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diffamiert werden. Da braucht es auch ein ordentliches Prozedere. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Zum Dritten, und das möchte ich insbesondere Kollegen Krainer sagen: Wir brauchen eine stärkere Rolle des Verfahrensrichters. Es war eine Weiterentwicklung, dass es ei­nen Verfahrensrichter gibt, der wesentliche Fragen beantwortet: Sind Fragen zulässig, nicht zulässig? Sind sie unterstellend? Sind sie vom Untersuchungsgegenstand ge­deckt? Darf sich eine Auskunftsperson entschlagen?

Ich sage Ihnen, Herr Kollege Krainer: Ich habe elendslange Geschäftsordnungsdebatten erlebt, in denen Sie die Dinge ganz einfach nicht zur Kenntnis genommen haben. Für Sie hat der Verfahrensrichter null Autorität. Da muss ich leider auch Sie, Frau Kollegin Krisper, anschauen. Sie wissen, wie Sie mit der sehr erfahrenen Verfahrensrichterin um­gegangen sind – das war letztklassig, das möchte ich schon auch festhalten. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch, Hafenecker und Hoyos-Trauttmansdorff.) Sie haben gesagt: Das nehme ich mit Bedauern zurück!, aber Sie haben sich bis zum heutigen Tag nicht bei Frau Verfahrensrichterin Dr. Ilse Huber ent­schuldigt, und das sollten Sie längst einmal machen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Stög­müller: Das ist auch unterstellend! – Zwischenruf des Abg. Deimek. – Ruf bei der FPÖ: Unterstellungspolitik!)


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 206

Zum Vierten: Was brauchen wir noch? – Wir brauchen eine ausgewogene Situation zwischen dem, der befragt, und der Auskunftsperson. Ich stelle die Wahrheitspflicht der Auskunftsperson nicht infrage. Es ist aber tatsächlich eine sehr herausfordernde Situa­tion, weil das einzige Ziel des Kollegen Krainer immer jenes ist, die Auskunftsperson in einen Widerspruch zu verwickeln und dann auch gleich eine Strafanzeige zu machen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Kollross und Schnedlitz.) Was ich mir auf der ande­ren Seite aber schon wünsche, ist, dass auch der Befragende nach bestimmten Regeln agiert. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist einfach unerhört, Herr Kollege Krainer, wenn Sie dort die Unwahrheit sprechen, Geschichten erzählen, die jeder Grundlage entbehren, und einfach Dinge, die der Ver­fahrensrichter sagt, nicht zur Kenntnis nehmen. Ich bin tief davon überzeugt: Wir brau­chen zuerst eine Reform der Geschäftsordnung und ein faires Miteinander (Abg. Ha­fenecker: Da fangt es einmal an!), erst dann ist ordentliche Kontrollarbeit möglich. Eine Verlängerung dieses Ausschusses kommt für uns überhaupt nicht infrage. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)

20.34


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Eva Maria Holzleit­ner. – Bitte.


20.34.21

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Ich würde mir bei einer Debatte rund um den Ibiza-Untersuchungsausschuss wirklich einmal wünschen, dass sich die ÖVP herstellt und auch über Inhalte diskutiert. (Die Rednerin stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Jetzt unterstützen: bit.ly/IbizaUAverlaengern“ auf das Rednerpult.) Es geht immer nur um Anpatzen und die Geschäftsordnung. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS sowie des Abg. Stögmüller. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ihr seid nicht an Aufklärung interessiert, jede Diskussion zeigt das!

Auch wissen alle, die an Sitzungen dieses Untersuchungsausschusses teilnehmen – ob Abgeordnete oder auch Journalistinnen und Journalisten –, dass es keinen Erkenntnis­gewinn an ÖVP-Tagen gibt. ÖVP-Tage sind die Tage, an denen im Untersuchungsaus­schuss nur Auskunftspersonen befragt werden, die von der ÖVP geladen wurden, denn die ÖVP denkt sich einfach: Laden wir einfach random irgendwen und fragen wir irgend­etwas! Nach 5 Minuten ist eigentlich alles vorbei und niemand hat einen Erkenntnisge­winn. Auch das ist keine Aufklärung! (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS sowie bei Abge­ordneten der Grünen.)

Der Untersuchungsausschuss hat aber bereits – tatsächlich! – wirklich viel zutage ge­bracht: Chats über Scheißweiber und Scheißquoten, wie die ÖVP schreibt; den selbstge­bastelten Weg von Thomas Schmid zum Öbag-Chef – die Schmid AG. Noch bevor das Profil des Vorstandes überhaupt ausgeschrieben worden ist, hat es handschriftliche No­tizen gegeben, was gut für ihn ist, was schlecht für ihn ist, mit welchen Aufsichtsräten man den Öbag-Aufsichtsrat besetzt, dass man mit ihnen am besten vorher auch noch persönlich essen geht, damit die eh alle gewogen sind. Mittendrin statt nur dabei bei der Bestellung war Sebastian Kurz, auch das wissen wir.

Wir haben uns auch eine zweite Postenbestellung angeschaut, natürlich die von Peter Sidlo bei den Casinos Austria. Auch da hat es vorangegangene Absprachen gegeben, die wir uns angeschaut haben. Wir haben uns aber auch angeschaut, dass es im Wahl­kampf 2017 Spenden gegeben hat, und zwar Spenden von Privatklinikbetreibern an die ÖVP und die FPÖ. Komischerweise haben beide in der letzten Gesetzgebungsperiode den Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds reformiert und ganze 5 Millionen Euro – „zack, zack, zack“ – für die Privatkliniken ausgeschüttet.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 207

Und wir haben aufgezeigt, dass die geschredderten Festplatten im Bundeskanzleramt wohl nicht nur aus Multifunktionsdruckgeräten waren, sondern von Laptops (Abg. Mel­chior: Unterstellung, Unterstellung, Unterstellung!) – von Laptops, auf denen man Da­ten, Worddokumente, PDFs, E-Mails – alles! – speichern kann. Und alles, was unbe­quem und unangenehm für die ÖVP ist, muss weg. (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der NEOS. – Zwischenruf des Abg. Gödl.)

Alles, was unangenehm und unbequem für die ÖVP ist, muss zugedeckt werden. Das ist das oberste Credo, und deswegen werden in diesem Haus Minderheitsrechte mit Füßen getreten, Dinge verzögert, vertuscht wie noch nie zuvor. (Oh-Rufe bei der ÖVP.)

Ein paar Beispiele – es sind eigentlich viel zu viele und es schmerzt in der Seele einer Parlamentarierin, dass man das alles aufzählen muss –: Es geht um die Streichung von relevanten Untersuchungsgegenständen. Das haben Sie von der ÖVP leider gemein­sam mit den Grünen gemacht. Wir haben zum VfGH gehen müssen, wir haben recht bekommen, wir haben dann gut untersuchen können. Auch die Grünen haben sich da beteiligt.

Wir waren mit verzögerten Aktenlieferungen konfrontiert – Sitzung für Sitzung für Sit­zung –, auch deshalb haben wir zum Verfassungsgerichtshof gehen müssen. Der Bun­despräsident hat zur Exekution schreiten müssen, auch das ist erstmalig in der Republik geschehen. Das ist das Auf-die-Spitze-Treiben der Sabotage durch ÖVP-geführte Minis­terien. (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS. – Abg. Hafenecker: Bravo! – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Ich erwähne auch das bewusste Nichtliefern von Akten, Kalendern und Nachrichten, von allem Möglichen, von ÖVP-Seite. Es gab riesengroße Erinnerungslücken – komischer­weise gerade bei ÖVP-Ministern. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wir haben einen Natio­nalratspräsidenten, der sich nicht schützend vor das Parlament und vor das Recht Ab­geordneter, Kontrolle auszuüben, stellt, sondern die Aufklärungsarbeit auch noch in den Schmutz zieht und bewusst schlechtmacht, damit die Aufklärungsarbeit auch da ver­tuscht wird.

Der Präsident war außerdem auch schon Mittelpunkt von Befragungen in unserem Un­tersuchungsausschuss – er stand und steht nach wie vor mittendrin. (Ruf bei der ÖVP: Hört, hört!) Wir haben einen ÖVP-Klub, der sich nicht an der Aufklärung beteiligen möchte, weil er lieber Sudeldossiers über Oppositionspolitikerinnen und Oppositionspoli­tiker erstellt. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS. – Ruf bei der ÖVP: Geh bitte! Redezeit! – Zwischenruf des Abg. Hanger. – Abg. Sobotka: Das ist das Protokoll!)

Werte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP – gerade die, die im Untersuchungsaus­schuss sitzen –, ich würde Ihnen empfehlen: Lesen Sie doch die Akten und nicht die Sudeldossiers, dann könnten Sie vielleicht auch etwas zur Aufklärung beitragen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS. – Abg. Sobotka: Das ist das Protokoll, Frau Abgeordnete! – Zwischenrufe der Abgeordneten Michael Hammer, Mel­chior und Zarits.) – Ganz peinlich ist eigentlich, dass der Nationalratspräsident selbst bei einer Debatte mit Zwischenrufen glänzt. Auch das ist eigentlich wirklich unfassbar. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Abschließend möchte ich noch einen Appell an die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen richten: Wir würden gerne gemeinsam aufklären, wir würden gerne weiterar­beiten - -


Präsidentin Doris Bures: Sie müssen den Schlusssatz formulieren!


Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (fortsetzend): Schlusssatz (die Rednerin hält eine Tafel mit einem Wahlplakat der Grünen mit der Aufschrift „Wen würde der Anstand


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wählen? 29. September: Zurück zu den Grünen“ vor dem Hintergrund eines Bildes aus dem Ibizavideo in die Höhe): Wen würde der Anstand wählen? Was würde der Anstand wählen? Die Grünen hatten einmal keinen Klubzwang - - (Anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist ausgeschöpft, Sie haben die 5 Minuten erreicht.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hafenecker. – Bitte.


20.40.14

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Frau Präsident! Ich möchte meiner Vorrednerin absolut recht geben. Sie ist leider nicht mehr fertig geworden mit der Ge­schichte mit dem Anstand. (Ruf bei der ÖVP: Wo ist Kickl? Wieder nicht da!) Ich kann Ihnen sagen, was aus dem Anstand bei den Grünen geworden ist: Der wählt natürlich die Grünen nicht, sondern er hat sich mit Abscheu von den Grünen abgewandt. Das kann man jetzt schon sagen, vor allem wenn man sich die entsprechenden Foren, zum Beispiel auf derstandard.at, durchliest.

Spannend habe ich den vorigen Redebeitrag des Kollegen Hanger gefunden, weil ich mir nicht sicher bin, in welchem Ausschuss er immer ist, wenn er sagt, wir haben nichts zustande gebracht, wir haben nichts herausgefunden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hanger, Melchior und Ottenschläger.) – Entschuldigung! Mittlerweile ist die halbe Bun­desregierung beschuldigt und generell die Führungsriege der ÖVP. Kollege Hanger, ich würde also nicht sagen, dass es nichts ist, sondern ich würde eher sagen: Es ist bei­spiellos für einen Untersuchungsausschuss in der Zweiten Republik, was schon jetzt alles zutage gefördert worden ist. Jetzt, da bei Ihnen jeden Tag ein neuer Beschuldigter dazukommt (Abg. Hanger: Geh bitte!), werden Sie nervös und drehen das ab, Kollege Hanger. Wir werden Ihnen diesen Gefallen nicht machen, wir werden irgendeine Option finden, wie wir da weitermachen können.

Da Sie vorhin gesagt haben, dass das Finanzministerium zum Schutz von persönlichen Daten auf Stufe 3 klassifiziert hat: Kollege Hanger, wir wissen ja, wie Sie arbeiten, und ich bin schon geneigt zu glauben, dass Sie sogar bewusst persönliche Daten in das Aktenpaket hineinpacken, damit Sie alles auf Stufe 3 klassifizieren können. Auch so ei­nen Trick kann man machen, und ich unterstelle dem Herrn Bundesminister, dass genau das die Überlegung dahinter gewesen ist.

Wenn man sich anschaut, was Sie sonst noch liefern, wenn man sich die neueste Ak­tenlieferung aus dem Bundeskanzleramt genau anschaut, dann sieht man ganz genau, dass der Bundeskanzler höchstens seinen Spamordner geliefert hat, aber sonst nichts, Kollege Hanger. So agieren Sie im Ausschuss und so sabotieren Sie samt Ihrer Minister­riege auch den Ausschuss. (Abg. Hanger: Sie haben Glück, dass Sie nicht unter Wahr­heitspflicht stehen! So ein Blödsinn!) – Das ist so, Kollege Hanger! Tu die Maske runter, dann kriegst ein bissl Luft, dann kannst einmal ordentlich durchatmen und vielleicht ver­nünftigere Zwischenrufe machen, als das bis jetzt der Fall ist! (Abg. Hörl: Was war das jetzt für eine Aufforderung?!)

Zurück zu den Grünen: Mir tut es auch leid, dass die Grünen diesen Weg der Transpa­renz und Aufklärungsarbeit, den sie eigentlich ursprünglich eingeschlagen haben, verlassen haben. Sie haben ihn aber nicht erst jetzt verlassen. Kollegin Holzleitner hat es vorhin schon gesagt: Die Grünen haben den Weg schon verlassen, als der Untersu­chungsausschuss begonnen hat, weil sie sich bereits zu diesem Zeitpunkt bei der ÖVP eingehängt haben und versucht haben, die erste Beitragstäterschaft für die ÖVP si­cherzustellen und zu schauen, dass in gewisse Bereiche nicht hineingegriffen und hi­neingesehen wird. Liebe Grüne, ihr habt damals schon begonnen und hättet jetzt die Möglichkeit gehabt, den Rest eurer Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Ihr habt das


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nicht gemacht. Ihr wollt weiterhin Schoßhündchen der ÖVP sein, ihr wollt weiterhin beim Vertuschen mithelfen.

Es gibt ja doch einige Bereiche, bei denen sie jetzt beim Zuschütten mit dabei sind. Ich möchte nur kurz ein paar Begriffe nennen: Öbag, Prikraf, Benkos Immobiliendeals, die Justiz, Pilnacek, die politische Polizei, die es mittlerweile in Österreich gibt, die kriminelle Vereinigung rund um die Erstellung des Ibizavideos, das Projekt Ballhausplatz, das Projekt Edelstein, die Wohnbauspekulationen, die Kollegin Tomaselli eigentlich sehr gut herausgearbeitet hat, und auch die Spendenaffäre rund um die ÖVP – alles das decken Sie jetzt mit einem Federstrich zu, Kollegin Maurer, und ich bin schon gespannt, wie Sie das rechtfertigen. (Zwischenruf des Abg. Jakob Schwarz.)

Ich habe es eh gestern schon gesagt und Sie wissen es ja selber ganz genau: Peter Pilz steht bereits in den Startlöchern, und wenn man sich anschaut, was Ihre Parteibasis über Sie schreibt, dann können Sie jetzt noch die letzten paar Monate im Parlament genießen, danach werdet ihr das Kunststück zuwege gebracht haben, noch einmal aus dem Parlament hinauszufliegen – ist ja auch etwas Neues in der Zweiten Republik. (Ruf bei der ÖVP: Gehen Sie ins Schweizerhaus! – Zwischenrufe der Abgeordneten Hörl und Schmuckenschlager.)

Jedenfalls ist es jetzt so hinzunehmen, dass die Grünen wieder einmal einen Umfaller hinlegen. Wir müssen das zur Kenntnis nehmen. Nichtsdestotrotz – ich habe es vorhin schon gesagt – werden wir natürlich weiter daran interessiert sein, hier entsprechende Aufklärung sicherzustellen. Sobald es möglich ist, werden wir mit den anderen Opposi­tionsparteien danach trachten, einen neuen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Man kann natürlich in den bestehenden Bereichen weiterarbeiten. Ich würde das aber noch rund um diese ganzen suspekten Coronabeschaffungsvorgänge erweitern, um die PR-Ausgaben, die explodiert sind, und auch um den Medienkauf, den Sie betrieben haben. Die Entstehung der Cofag ist für mich ebenso ein Punkt, den man sich anschauen muss. Der Fall Chorherr – Kollegin Maurer, vielleicht können Sie dann auch etwas dazu sa­gen – ist auch etwas, das man sich hier noch genauer anschauen muss, und auch der Postenschacher im Verkehrsministerium, den man ja mittlerweile, ohne irgendetwas wei­ter vertuschen zu wollen, ganz offen durchführt. Auch das könnte natürlich noch ein Bereich sein, den wir uns anschauen.

Ich finde es traurig, dass Sie uns nicht die Möglichkeit geben, noch drei Monate weiter­zuarbeiten. Das Finanzargument der ÖVP weise ich insofern zurück, als sich die ÖVP mit dem Abdrehen des Untersuchungsausschusses überlegen sollte, wie viel Geld in Form von Akten vernichtet wird und was es kosten wird, wenn wir diese Akten wiederum neu anliefern lassen müssen. (Ruf bei der ÖVP: Christian, Redezeit! – Abg. Stögmüller: Das war alles ...! – Abg. Hörl: Wo ist der Kickl?) Das ist das Geld, das Sie zum Fenster hinauswerfen!

Vielleicht noch an die Grünen: 1,5 Millionen Aktenseiten – rechnen Sie einmal um, wie viele Bäume das sind! Auch unter diesem Aspekt könnte man darüber nachdenken, ob man es sich nicht doch noch einmal überlegt und der Verlängerung des Untersuchungs­ausschusses zustimmt.

Meine Damen und Herren, die ÖVP hat einen tiefen Staat errichtet, und wir werden si­cherlich nicht damit aufhören, diesem tiefen Staat nachzugehen, um schlussendlich da­für zu sorgen, dass die ÖVP nicht mehr herumfuhrwerken kann, wie sie möchte. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

20.45


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt nun Klubvorsitzende Sigrid Maurer. – Bitte. (Ruf bei der FPÖ: Jetzt kommt die Selbstanklage! – Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)



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20.45.34

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! Ich muss sagen, es amüsiert mich dann doch jedes Mal wieder, wie die FPÖ hier versucht, sich als Sauberpartei herzustellen. Wir erinnern uns: Wer war noch einmal in Ibiza? – Ich glaube, es war Heinz-Christian Stra­che. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Wer hat im Postenschacher einen völlig inkompe­tenten Bezirksrat in die Casinos gesetzt? – Ich glaube, es war die Freiheitliche Partei. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Lausch: Christoph Chorherr! – Zwischenrufe der Abgeordneten Leichtfried und Scherak.)

Wir kennen das ja schon, aber ich glaube, dieser Versuch, sich nachträglich wieder so hinzustellen, als hätte man mit der mutmaßlichen Korruption nichts zu tun gehabt, ist ziemlich lächerlich. (Abg. Hafenecker: Was ist die Aufgabe ...?!) Man braucht sich ja nur das Register der Verurteilungen der Freiheitlichen Partei anzuschauen. Da wird es ziem­lich deutlich: Spesenskandale, Korruptionsskandale. Ich glaube, das richtet sich von selbst. (Beifall bei den Grünen – Abg. Stefan: Da hat wer sein Studium abgeschlossen, im Gegensatz zu anderen! – Ruf bei der FPÖ: Ganz schwache Rede!)


Präsidentin Doris Bures: Frau Klubvorsitzende, eine Sekunde nur: Irgendein Abgeord­neter – wer auch immer das ist – trommelt als Zeichen der Zustimmung immer so stark aufs Pult, dass alles zittert. Ich würde bitten, dass wir dabei bleiben, dass wir applau­dieren, wenn wir den Ausführungen zustimmen. (Allgemeine Heiterkeit. – Ruf bei der FPÖ: Das ist der Präsident, der ist ein Musikant!)

Frau Abgeordnete, Sie kriegen die Zeit natürlich dazu. – Bitte.


Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (fortsetzend): Okay, zum eigentlichen Gegenstand: Ich habe am Montag hier eine Rede gehalten, in der ich auf unsere Verantwortung als Abgeordnete hier im Parlament verwiesen habe: unverbrüchliche Treue auf die Repu­blik, auf die Verfassungsgesetze und alle anderen Gesetze – darauf sind wir angelobt worden. (Abg. Hafenecker: Das ist schon der erste Widerspruch!) Die Verfassung und dieser Auftrag gelten für alle Abgeordneten dieses Hauses. (Ruf bei der SPÖ: Anstand!) Die Kontrolle der Exekutive ist nicht ausschließlich eine Aufgabe der Opposition, sondern aller Abgeordneter. (Abg. Belakowitsch: Eben!) Das wichtigste oder stärkste Instru­ment, das wir zur Kontrolle der Exekutive haben, ist der Untersuchungsausschuss. (Abg. Hafenecker: Warum drehen Sie ihn ab?! – Weitere Zwischenrufe bei Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Der Untersuchungsausschuss ist in der Vergangenheit massiv gestärkt worden, weil wir Grüne dafür gesorgt haben, dass er ein Minderheitsrecht ist und die Mehrheit nicht mehr darüber bestimmen kann, welcher U-Ausschuss eingesetzt wird und welcher nicht. (Bei­fall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Hafenecker: Die ... würde sich im Grab umdrehen! – Zwischenruf des Abg. Schnedlitz.)

Die parlamentarische Kontrolle und wie sie zu erfolgen hat wird von diesem Haus defi­niert. Mit Verlaub, Kollege Hanger: Was sinnvolle Kontrolle ist und was sinnvolle parla­mentarische Kontrolle ist, bestimmt nicht die kontrollierte Partei, sondern das bestimmen immer noch die Abgeordneten, die etwas wissen wollen, die Anfragen stellen, die Zeu­gInnen in den U-Ausschuss laden et cetera. (Abg. Schnedlitz: Spar dir das!)

Sie kanzeln den Untersuchungsausschuss auf Ihre Art und Weise ab, auch indem Sie sagen: 2 Millionen: Es ist zu teuer!  – Und wenn es 5 Millionen wären: Parlamentarische Kontrolle ist es wert! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hafenecker: Ganz schwache Rede!)

Was diskutieren wir hier? – Es geht um eine weitere Verlängerung des Untersuchungs­ausschusses, der bereits zweimal verlängert worden ist. Wir haben ihn einmal pande­miebedingt um drei Monate verlängert, ein zweites Mal ist er mit Minderheitsverlangen


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verlängert worden. Jetzt gäbe es ein letztes Mal die Möglichkeit, ihn mit Mehrheitsbe­schluss um drei Monate zu verlängern, aber seien wir ehrlich: Wir alle wissen – Sie alle haben ja schon von den Aktenbergen gesprochen –, auch diese drei Monate würden nicht ausreichen, um das, was angefordert ist, zu bearbeiten und alle ZeugInnen zu la­den. (Abg. Martin Graf: Es ist zu lang, deshalb drehen wir es ab! – Abg. Shetty: Was hätten Sie gemacht? – Zwischenrufe der Abgeordneten Herr und Matznetter.)

Sie haben es gehört: Die ÖVP hat sehr deutlich formuliert, dass eine Verlängerung des Untersuchungsausschusses für sie in keinem Fall infrage kommt. Finden wir, dass der U-Ausschuss verlängert werden sollte? – Ja, natürlich finden wir, dass der U-Ausschuss verlängert werden sollte! (Beifall bei den Grünen.)

Wir sind aber gleichzeitig in einer Koalition. Die Verlängerung um drei Monate, die nicht ausreichen würde, um das alles zu bearbeiten, was Sie richtigerweise bearbeiten wollen, würde bedeuten, dass wir riskieren, in Neuwahlen zu gehen. (Ruf bei der FPÖ: Jede Minute von Ihrer Rede kostet ...! – Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek, Martin Graf und Schnedlitz.) Denn zu glauben, dass sich die ÖVP das gefallen lässt, wenn wir den U-Ausschuss gegen die Stimmen der ÖVP verlängern, und dass das ohne Konsequen­zen bleibt, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist naiv! (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben in diesem Land Verantwortung übernommen, wir befinden uns noch in einer Pandemie, wir befinden uns in einer Beschäftigungskrise, wir haben eine Klimakrise zu bewältigen. (Rufe bei der FPÖ: Steht im Koalitionsabkommen, was die ÖVP ...? Selbst­aufgabe! – Abg. Lausch: Dann müssen Sie bei der ÖVP die Menschenrechte einfor­dern!) Das ist die Arbeit, die sich die Bürgerinnen und Bürger zu Recht von uns erwarten. Für eine dreimonatige Verlängerung die Regierungsbeteiligung aufs Spiel zu setzen, das wäre absolut unverantwortlich.

Da wir Grüne erkämpft haben, dass es das Minderheitsrecht für den Untersuchungsaus­schuss gibt, liegt es in Ihrer Hand, liebe Opposition, den Untersuchungsausschuss wie­der einzurichten – nach allen Wünschen, so wie Sie ihn wollen, für 12 Monate, mit den Erkenntnissen, die wir jetzt gewonnen haben, in der gleichen Form, in veränderter Form, wie auch immer Sie wollen. Es ist Ihre Verantwortung, werte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, dafür zu sorgen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Martin Graf: Da sieht man, was Masken mit Menschen machen! – Zwischenruf des Abg. Hoyos-Trautt­mansdorff. – Abg. Deimek: Den Stiefel kann man ja nicht anhorchen! – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Hätten Sie die Frau Tomaselli rausgehen lassen! – Abg. Martin Graf: Grüne töten Bäume!)

Ich möchte an dieser Stelle auch noch sagen, weil es hier Sorge wegen der Bäume gibt: Ich bin mir sicher, dass es, sollte der Untersuchungsgegenstand gleich oder ähnlich aus­fallen und dieselben Akten zu liefern sein, möglich sein wird, einen pragmatischen Weg zu finden, die bereits gedruckten Akten zu versperren und dann wieder herauszuholen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Eypeltauer.) Ich bin mir sicher, dass uns das gelingen kann, das gemeinsam in der Präsidiale zu diskutieren (Abg. Belakowitsch: Na sicher, genau!), auch mit den Ministerien, denen die Akten gehören und die sie zu­rückbekommen könnten. Also das ist sicher nicht ein Hindernis, das unüberwindbar ist.

Wie gesagt, Sie haben es in der Hand, werte Abgeordnete der Sozialdemokratie und der NEOS – die Freiheitlichen zähle ich da nicht wirklich als glaubwürdig hinzu –, den U-Ausschuss einzurichten, den Sie wollen. (Zwischenrufe bei FPÖ und NEOS. – Ruf bei der FPÖ: Die Zeit ist aus!) Ich höre, Sie sind sich selber nicht ganz einig, welcher U-Ausschuss das sein soll, darüber muss man sich dann halt klar werden, aber Sie haben es in der Hand. Ich erwarte auch, dass dieser U-Ausschuss kommen wird - -


Präsidentin Doris Bures: Sie müssen jetzt den Schlusssatz formulieren.



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Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (fortsetzend): Unsere Abgeordneten Nina Tomaselli und David Stögmüller werden auch in jedem weiteren Untersuchungsausschuss ihre Ar­beit in der gewohnten Professionalität fortsetzen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grü­nen. – Ruf bei der FPÖ: Sehr schlechte Rede! – Abg. Martin Graf: Grüner Anstand ist verhandelbar!)

20.52


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Stephanie Krisper, Sie sind jetzt zu Wort gemeldet. – Bitte.


20.52.36

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Der Ibiza-Untersuchungsausschuss wur­de aufgrund eines Verlangens von SPÖ und NEOS am 22. Jänner 2020 eingesetzt. Er heißt eigentlich: mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung. Mittler­weile werden wesentliche Entscheidungsträger der türkisen ÖVP in Strafverfahren als Beschuldigte geführt. Der darüber hinausgehenden Frage der politischen Verantwortung für Machtmissbrauch, Postenschacher und Weiteres unter der Regierung Kurz I widmet sich dieser Untersuchungsausschuss.

Er ist jetzt mit 15. Juli 2021 befristet. Wie lief es denn bisher? – Seit Beginn versucht die ÖVP, die Arbeit des Ausschusses zu behindern. Es begann damit, dass sie mit Unter­stützung der Grünen beim Verfassungsgerichtshof versuchte, ihn massivst im Untersu­chungsgegenstand zu beschneiden. Kollege Hanger, der VfGH hat uns recht gegeben: Es ist ein abgeschlossener Untersuchungsgegenstand. (Zwischenruf des Abg. Hanger.) Wir durften beginnen, in vollem Umfang aufzuklären beziehungsweise, Herr Kollege Hanger, es zu versuchen (Zwischenruf des Abg. Hanger), weil die ÖVP seit Tag 1, seit­dem der Ausschuss lief (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hanger), so wie Sie jetzt gerade versuchen, meine Rede zu stören, alles unternommen hat, um zu verhindern, dass wir möglicher Käuflichkeit und Machtmissbrauch nachgehen und das aufdecken. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hanger.)

Abgesehen von dem Verhalten der ÖVP im Untersuchungsausschuss zeigt sich auch außerhalb dieses Ausschusses und dessen Sitzungen an den Lieferungen und dem Umgang mit der Lieferpflicht gerade aus ÖVP-Ministerien und aus dem Kanzleramt, wie es die ÖVP mit dem Ausschuss meint. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Mittlerweile mussten wir schon mehrmals zum Verfassungsgerichtshof gehen, um das Kontrollrecht des Par­laments gegen die Regierung, gegen die ÖVP durchzusetzen.

Die ÖVP spielte durch ihre Blockade auf Zeit. Die permanente Behinderung hat bekann­termaßen darin gegipfelt, dass sogar der Bundespräsident mit der Exekution drohen musste, damit Finanzminister Blümel eine Entscheidung des VfGH umsetzt und uns die Ausschussakten, die uns zustehen, liefert. Das tat er dann, aber in Klassifizierungsstu­fe 3, mit der wir nicht Aufklärungsarbeit leisten können. Jetzt plötzlich wird runterklassi­fiziert. Das beweist, dass diese Lieferung in Klassifizierungsstufe 3 in Bausch und Bogen wieder eine klare Blockade- und Boykottierungsmaßnahme war.

Auch vonseiten des Kanzlers sind weiterhin Dokumente ausständig. Der Verfassungsge­richtshof hat klargestellt – er ist sich sicher, dass gelöscht wurde –, dass er sich nicht sicher ist, dass nicht vielleicht Gelöschtes wiederherstellbar ist, und hat demnach auch da angeregt, dass wir über den Exekutionsweg über den Bundespräsidenten versuchen, zu unserem Recht zu kommen.

Durch dieses Verhalten, insbesondere von Minister Blümel und Kanzler Kurz, gegenüber dem Parlament als Volksvertretung und dem VfGH, aber auch insgesamt zeigt die ÖVP ihre fragwürdige Vorstellung von unserem Land, in dem nur Recht sein soll, was der ÖVP recht ist. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)


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Wenn wir nicht verlängern, hat die ÖVP gewonnen. Wenn wir nicht verlängern, bekommt der U-Ausschuss auch nicht alle für die ÖVP sehr unangenehmen, weil sehr entlarven­den Thomas-Schmid-Chats, aber auch keine Strache-Chats, die der ÖVP in den letzten Wochen doch so wichtig waren. Wenn wir nicht verlängern, war das Spiel der ÖVP auf Zeit erfolgreich und es ist Schluss mit Aufklärung – und zwar mittendrin.

Jetzt komme ich zu den Grünen. Es war schon beschämend genug, dass ihr bei dem Versuch mitgemacht habt, den Untersuchungsgegenstand zu beschneiden. Im Aus­schuss an sich kann ich mich nur dem Lob und dem Dank der Kollegen Krainer und Hafenecker dafür anschließen, dass Kollegin Nina Tomaselli und Kollege David Stög­müller wirklich an Aufklärungsarbeit interessiert sind und sich sehr engagieren. Wie verhält sich aber die Fraktion zur Frage der Verlängerung?

Die Grünen kommen mit Koalitionstreue gegenüber den Türkisen und glauben, sie müs­sen hier Nein sagen. Ich glaube, es gibt sehr wohl die Möglichkeit und die Chance, hier Anstand zu zeigen. Frau Kollegin Sigi Maurer, Sie kennen die ÖVP jetzt gut. Glauben Sie, sie benimmt sich bei einem neuen Ausschuss anders? Glauben Sie, wir müssen nicht wieder Monate um unser Recht kämpfen, damit wir die Akten bekommen, die uns einfach zustehen? (Abg. Hanger: Sie haben mir nicht zugehört!) Glauben Sie nicht, dass wieder Monate vergehen, bis wir wieder da sind, wo wir jetzt stehen? Wir müssen bei Stunde null anfangen, und das wissen Sie und das weiß die ÖVP. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Dementsprechend: Nützen Sie die Chance, Anstand zu zeigen und Ihre DNA nicht auf­zugeben, für Aufklärung, Transparenz und Kontrolle zu stehen und der Verlängerung zuzustimmen!


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, den Schlusssatz bitte.


Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (fortsetzend): Die Hoffnung stirbt zuletzt. Hören Sie auf die Bürgerinnen und Bürger! Es sind mittlerweile, innerhalb von 4 Stunden, 6 000 Unterschriften. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

20.58


20.58.18

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich frage die Fraktionen, ob wir mit den Abstimmungen fortfahren können. Ja? – Dann gehe ich so vor.

Bevor ich zur Abstimmung komme, gebe ich bekannt, dass mir ein Antrag von 20 Abge­ordneten auf Durchführung einer geheimen Abstimmung vorliegt.

Eine geheime Abstimmung ist durchzuführen, wenn dies der Nationalrat beschließt. Daher werde ich über den gegenständlichen Antrag nun abstimmen lassen.

Wer sich für eine geheime Abstimmung ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

Damit gelangen wir zu den nächsten Abstimmungen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Rendi-Wagner, Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 53 Abs. 6 der Geschäftsordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse auf nochmalige Verlängerung des Un­tersuchungsausschusses betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bun­desregierung, Ibiza-Untersuchungsausschuss, um drei Monate.

Wer sich dafür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, das wurde abgelehnt.


Nationalrat, XXVII.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung, 20. Mai 2021 / Seite 214

20.59.45Einlauf


Präsidentin Doris Bures: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbstän­digen Anträge 1635/A bis 1689/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 21 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

21.00.13Schluss der Sitzung: 21 Uhr

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