11.13

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrter Herr Außenminister! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die letzten sechs Tage haben unsere Republik kräftig durchgebeutelt, um nicht zu sagen erschüttert (Abg. Martin Graf: Na, eigentlich die ÖVP und die Grünen! Die Republik war nicht gebeutelt, sondern die ÖVP und die Grünen!) – die vielen Hausdurchsuchungen, die veröffentlichten Chats, eine veritable Regierungskrise (Zwischenruf des Abg. Hafenecker) –, sechs Tage, die zeigen, wie schnell unsere gewohnte Stabilität ins Wanken geraten kann, und sechs Tage, die zeigen, dass wir als Parlament, dass unser Bundespräsident und dass auch die Mitglieder der Bundesregierung handlungsfähig sind.

Diese Krise ist nun überwunden. Wir debattieren heute anlässlich der Angelobung eines neuen Bundeskanzlers, Alexander Schallenberg. – Das Parlament ist Ihnen nicht neu, aber Ihre Funktion ist es (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Martin Graf), und in dieser neuen Funktion möchte ich Sie hier im Abgeordnetenhaus herzlich willkommen heißen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wir schlagen heute mit dieser Erklärung der Bundesregierung, mit Ihrer Erklärung, Herr Bundeskanzler Schallenberg, ein neues Kapitel in der österreichischen Innenpolitik auf (Zwischenruf des Abg. Martin Graf – Abg. Belakowitsch: Was ist da neu?!), ein Kapitel, das mit vielen zentralen Projekten aus dem türkis-grünen Regierungsprogramm gefüllt sein wird, ein Kapitel, das ermöglicht, dass die Regierungsarbeit weitergehen kann und das Land nicht wieder in Neuwahlen stürzt, ein Kapitel, das auch vom Wiederaufbau des Vertrauens geprägt sein muss. (Beifall bei den Grünen.)

Es gilt einerseits, das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik wiederzugewinnen. Der Vizekanzler hat es gesagt, der Bundespräsident hat es gesagt: Verlässlichkeit, Ehrlich­keit, Stabilität. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) – Ich kann Ihnen versprechen, wir Grüne werden alles daransetzen, um dieses Vertrauen zurückzugewinnen und auch zu stärken. (Beifall bei den Grünen.) Und selbstverständlich gilt es auch, das Vertrauen zwischen den beiden Koalitionspartnern und zwischen den Parteien im Parlament allgemein wie­derherzustellen.

Innenpolitische Debatten sind oft laut und schrill. Ich bin der Überzeugung, dass jetzt eine Phase des Zur-Ruhe-Kommens folgen muss. Stabilität und Aufklärung waren die leitenden Motive für uns Grüne in den letzten Tagen. Wir haben mit Alexander Schallenberg nun einen neuen Bundeskanzler, mit dem die wichtigen Projekte in der Regierungsarbeit fortgesetzt werden können. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wir haben eine Justiz, die konsequent und unabhängig die im Raum stehenden Vorwürfe aufarbeiten und beurteilen wird, und wir werden einen Untersuchungsausschuss haben, der die politische Verantwortung zu klären hat. Diese Dreiteilung zwischen der Regie­rung – der Exekutive –, dem Parlament und der Justiz zeigt, dass unsere Verfassung die notwendigen Instrumente bereithält. Wir haben die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Stabilität gewährleisten, auch Checks and Balances, die Kontrolle der Macht. (Beifall bei den Grünen.)

Wir können uns darauf verlassen, dass diese demokratischen Institutionen uns weiter Stabilität garantieren werden, gut beobachtet von einem Bundespräsidenten, der seine Verantwortung ebenso ernst nimmt wie wir in Regierungsverantwortung.

Das neue Kapitel, das wir nun aufschlagen, wird viele zentrale Projekte dieser Regierung beinhalten. Morgen wird Finanzminister Blümel eine Budgetrede zu einem Budget halten, das den Rahmen für das nächste Jahr, für die nächsten Jahre steckt. Es beinhal­tet beispielsweise das Gewaltschutzpaket, den weiteren Ausbau des öffentlichen Verkehrs, die Übernahme der Kosten für die Pflegeausbildung, den Ausbau der Kinder­betreuung, aber natürlich auch so zentrale Maßnahmen wie die weitere Impfstoff­beschaffung für die Bekämpfung der Pandemie.

Ebenso wird die ökosoziale Steuerreform ein Teil des politischen Herbstes sein, eine Steuerreform, die erstmals in unserer Geschichte einen Preis für das schädliche CO2 festschreibt, eine Steuerreform, die gleichzeitig einen Klimabonus an die Bevölkerung, an alle Menschen in Österreich, vom Baby bis zur Uroma, zurückgibt (Beifall bei den Grünen), ein Klimabonus, mit dem umweltfreundliches Verhalten belohnt wird und der dazu dienen wird, dass wir Österreich insgesamt in eine klimafreundliche Richtung brin­gen können. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Das neue Kapitel, das wir nun aufschlagen, wird hoffentlich auch die endgültige Be­wältigung der Pandemie beinhalten. Sie ist noch nicht vorbei. Wir müssen weiterhin alles dafür tun, dass sich möglichst viele Menschen impfen lassen, dass sie sich ihre Gratis­impfung holen. Die vergangenen eineinhalb Jahre waren von vielen Einschränkungen geprägt, die große Spuren hinterlassen haben, in der psychischen Gesundheit unserer Jugendlichen, in der Bildungslaufbahn unserer Kinder, und auch Long Covid wird als eine Herausforderung für unser Gesundheitssystem und unsere Gesellschaft als Ge­samtes bleiben. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Dieses neue Kapitel, das wir nun aufschlagen, wird insbesondere der weiteren Bekämp­fung der Klimakrise gewidmet sein. Mit dem Klimaticket, dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das uns garantiert, dass 2030 jeder Strom, der aus der Steckdose kommt, aus erneuerbaren Energien kommt (Zwischenruf des Abg. Hafenecker), und mit der öko­sozialen Steuerreform haben wir schon zentrale Pflöcke eingeschlagen, aber die An­strengungen müssen und werden weitergehen, damit wir unseren Kindern einen funktio­nierenden, einen guten Planeten übergeben können. (Beifall bei den Grünen.)

Teil dieses neuen Kapitels, das wir gemeinsam schreiben werden, werden ebenso die Pflegereform und auch der Ausbau der ersten Bildungseinrichtung für unsere Kleinsten, die Kindergartenplätze für die unter Dreijährigen, sein. Beide Themen sind eine große Herausforderung, denn sie erfordern viel Abstimmung mit den Bundesländern, und auch für diese großen Aufgaben braucht es Stabilität und Vertrauen.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei den Klubobleuten aller Parteien für die Gespräche in den letzten Tagen und für die Bereitschaft, in dieser speziellen Situation darüber zu diskutieren und auszuloten, wie Stabilität in unserem Land gesichert werden kann, bedanken. Die Menschen in Österreich, die uns dieses Mandat gegeben haben, erwarten sich von uns Abgeordneten, dass wir alle verantwortungsvoll agieren.

Klubobmann Wöginger, selbstverständlich entspricht es der Demokratie, dass Parteien Mehrheiten im Parlament suchen, die auch unterschiedlich aussehen können. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte mich noch einmal bei Ihnen, Herr Bundeskanzler Schallenberg, für Ihre Bereitschaft bedanken, diese große und schwierige Aufgabe zu übernehmen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

11.21

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Klubobfrau Meinl-Reisinger. – Bitte sehr.