12.24

Abgeordneter Rainer Wimmer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geschätzten Damen und Herren der Bundesregierung! Es gibt das Sprichwort: „Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.“ – Seit Donnerstag vergangener Woche ist nichts mehr so, wie es war. Eine Hausdurchsuchung im Bundeskanzleramt hat zutage gefördert, was lange schon vermutet wurde. Weil der Klubobmann heute das Wort Moral sehr strapaziert hat, möchte ich von dieser Stelle aus schon sagen: Ich wäre da ein bissl vorsichtiger, denn das Wort Moral aus türkisem Munde ist zurzeit nicht besonders oppor­tun, meine sehr geschätzten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Ex-Kanzler Kurz hat ein System geschaffen, in dem alles seiner Machtgier untergeordnet wurde – das haben wir heute schon einmal gehört –, und gerade die Art und Weise, wie man mit dem Ex-Vizekanzler umgegangen ist, ist ein Beispiel für einen Fall, in dem er wirklich perfide gespielt hat, und ist wirklich beispielhaft für die Morallosigkeit, meine Damen und Herren. Dieser Umgang mit Ex-Vizekanzler Mitterlehner war niederträchtig, war gemein und war menschenverachtend. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Wer Charakter hat, der macht so etwas nicht, meine sehr geschätzten Damen und Herren!

Kurz hat 2017 die damalige Bundesregierung sabotiert, hat sie in die Luft gesprengt und Neuwahlen provoziert. Das haben wir gewusst, aber seit Donnerstag wissen wir sehr viel mehr: Laut Staatsanwaltschaft geht es darum, manipulierte Umfragen veröffentlicht zu haben, es geht darum, gekaufte Berichterstattung umgesetzt zu haben, und es geht auch um Scheinrechnungen – und das alles mit Steuergeld finanziert, meine sehr ge­schätzten Damen und Herren.

Kurz ist mit ganz schäbigen Methoden an die Macht gekommen. Ihm ging es nie um Österreich und um die Menschen, sondern ihm ging es immer nur um sich selbst. Es ist auch heute schon sehr viel von strafrechtlicher Unschuldsvermutung gesprochen wor­den – jawohl, die gibt es; aber eine moralische Unschuldsvermutung, meine sehr ge­schätzten Damen und Herren, gibt es nicht, und genau um diese geht es in diesem Fall. (Beifall bei der SPÖ.)

Schauen wir uns an: Was sagt denn das europäische Umfeld über uns? Wie sehen das unsere Nachbarn? – Ich kann nur sagen, es ist wirklich erschreckend und verheerend, es ist zum Schämen:

„Nürnberger Nachrichten“: „Das Schmierentheater in Wien sollte als Lehrstück für die Gefährdung von Demokratien in die Annalen eingehen.“

„Berliner Zeitung“: „Die jungen Männer aus der Kurz-Truppe haben im Machtrausch jedes Maß verloren.“

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind das Gespött Europas, der Schaden für Österreich ist gewaltig – aber Ihnen ist wahr­scheinlich alles egal.

Herr Bundeskanzler, ich habe mich gestern gewundert: In Ihrem ersten Interview, das Sie gegeben haben, haben Sie dem geschiedenen Bundeskanzler einen Persilschein mitgegeben, sozusagen eine Heiligsprechung vorgenommen, indem Sie meinten, die Vorwürfe gegen Kurz stimmen nicht. Ich halte sie für falsch!, haben Sie gesagt.

Schauen wir einmal, Herr Bundeskanzler, wie lange dieser Kadavergehorsam noch bestehen bleibt! Ich glaube aber – und da haben Sie ja recht, Sie haben das auch im Interview wiedergegeben –, Sie werden es nicht leicht haben. Es sind ja all jene, die uns in diese verdammte Situation gebracht haben, noch da, meine sehr geschätzten Damen und Herren, ein paar sitzen heute sogar noch auf der Regierungsbank, und ich möchte Ihnen einen kleinen Tipp geben: Herr Bundeskanzler, passen Sie auf, dass von denen niemand hinter Ihnen steht. Das wäre gefährlich und ist schon einmal schiefgegangen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein paar Anmerkungen zum Regierungsprogramm, zunächst zum Thema Arbeits­markt­politik – damit wir auch ein bissl sachlicher werden –: Was ist mit den 150 000 Men­schen, die langzeitarbeitslos sind? Wo sind die Programme? Welche Perspektiven haben diese Menschen?

Was ist mit der Steuerreform? Was geschieht mit der kalten Progression, meine sehr geschätzten Damen und Herren? Diese Frage wird ja noch um eine Facette reicher, da wir jetzt mitbekommen haben, dass Kurz es war, der damals die Abschaffung der kalten Progression durch Schelling verhindert hat, sodass heute den Menschen aufgrund dieser Maßnahme, die Kurz eigennützig gesetzt hat, jährlich 2 000 Euro sozusagen wegge­nom­men werden.

Ich darf sagen, Herr Bundeskanzler: Sie wollen bei den Arbeitnehmern sparen, damit Sie den anderen Geschenke machen können – ich denke da nur an die Steuer­ge­schenke im Ausmaß von 1 Milliarde Euro, die Sie an die Großkonzerne geben werden.

Einen Punkt muss ich hier herinnen erwähnen, sonst zerreißt es mich: Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen! In Zeiten der CO2-Besteuerung einen Aspekt herauszugreifen und den Bauerndiesel zu verbilligen – also ich muss ehrlich sagen, das habe ich nie verstanden, das geht genau in die falsche Richtung. (Beifall bei der SPÖ.) Es geht gar nicht um die 50 Millionen Euro – auch das ist natürlich viel Geld –, aber es geht bei dem, was man da gemacht hat, um die Idee.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Punkt anführen, weil wir gestern bei den Kollektivvertragsverhandlungen, bei denen ich zurzeit sehr eingespannt bin, von den Arbeitgebern eine Forderung überreicht bekommen haben, zu der wir vor drei Jahren, als Sie, liebe Türkisen, liebe Volkspartei, die Weichen in diese Richtung gestellt haben, schon gesagt haben: Das wird ein riesiges Problem werden! Sie haben damals den 12-Stunden-Tag eingeführt, Sie haben die 60-Stunden-Woche salonfähig gemacht – das ist ja jetzt möglich –, und Sie haben die Sonntagsarbeit wieder eingeführt, viermal.

Wir haben gestern ein Forderungsprogramm überreicht bekommen, in dem die Arbeit­geber genau das jetzt noch einmal ausbreiten: Sie wollen 20 Mal 60 Stunden pro Woche arbeiten, und Sie wollen die Möglichkeit haben, an 52 Sonntagen zu arbeiten. (Abg. Hörl: ... gar nicht arbeiten! – Zwischenruf der Abg. Salzmann.) – Natürlich, liebe Freundinnen und Freunde, werden wir das bekämpfen; es geht einfach darum, dass Sie den Boden dafür aufbereitet haben, dass Menschen wie eine Zitrone ausgepresst wer­den können, Kolleginnen und Kollegen. Das ist die politische Arbeit, die wir vor allen Dingen als Gewerkschafter immer angeprangert haben und die jetzt Realität wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird nächste Woche Maßnahmen geben, die Arbeit­nehmer können sich auf ihre Betriebsräte und auf die Gewerkschaft verlassen, auch wenn sie von der Regierung im Stich gelassen werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Hörl.)

12.31

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Claudia Plakolm. – Bitte.