12.36

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Frau Präsidentin! Werte Regierungs­mitglieder! Hohes Haus! Ich habe mir heute im Zuge der Debatte schon die Frage gestellt, auf welcher Veranstaltung die Abgeordneten und Redner der ÖVP und auch der Grünen gewesen sind, wenn sie davon gesprochen haben, dass eine Regierungskrise beendet sei. – Jeder hier im Raum hat mitbekommen, dass Sie sich in einer Tour gegen­seitig belagert und belauert haben; jeder hat mitbekommen, dass in dieser Koalition nichts mehr gehen kann. Und, Herr Vizekanzler, weil Sie gerade zu mir herschauen: Sie müssen doch selbst wissen, dass Ihre Koalition fetzenhin ist. Die Frage ist jetzt nur mehr: Wer geht mit wem und wann über den Jordan?

Frau Kollegin Maurer grinst gerade in ihre Maske hinein – zumindest schaut es so aus. Kollegin Maurer, ich habe es Ihnen ja mehrfach gesagt, bei fast jeder Rede: Sie werden den Zeitpunkt eher früher als später erleben, an dem Sie mit dieser ganzen türkisen Gruppierung einen Fall erleben werden, der am Ende des Tages zu einer zweiten historischen Höchstleistung wird, nämlich zu jener, dass die Grünen das zweite Mal aus dem Parlament segeln und sich Peter Pilz, der schon in den Startlöchern scharrt, darüber freut.

Aber zurück zum Thema des heutigen Tages, zu einer Regierungserklärung, die mich eigentlich schon erschüttert hat, Herr Bundeskanzler: Der einzige Unterschied, den Sie zu Ihrem Vorgänger irgendwie haben erblicken lassen, war, dass Sie nicht so viel mit dem Handy spielen; das hätte Sebastian Kurz auch machen sollen, dann wäre vielleicht nicht so viel Blödsinn geschrieben worden, der ihm jetzt das Leben schwermacht. An­sonsten hat sich aber nichts verändert, Herr Bundeskanzler, im Gegenteil, Sie haben Ihre diplomatischen Skills abgelegt, Sie haben eigentlich einen Eid gegenüber dem ehe­maligen Bundeskanzler geschworen. Mit dem, was Sie gesagt haben, haben Sie auch geschworen, dass Sie genau dieses System, das so verludert ist, das System, das Öster­reich wirklich in Geiselhaft genommen hat, fortsetzen wollen, Herr Bundeskanzler – und ich hätte von Ihnen nicht gedacht, dass Sie einen Treueeid auf ein mafiöses System dieses Zuschnittes ablegen. (Beifall bei der FPÖ.)

Dieses System hat Österreich hinters Licht geführt, dieses System hat Steuergelder missbraucht, dieses System hat Kirchen unter Druck gesetzt, dieses System hat die Bürger dieses Landes als Pöbel bezeichnet und die Beamten dieses Landes als Tiere. – Herr Bundeskanzler, ich würde mir an Ihrer Stelle noch einmal gut überlegen, ob Sie all das unterschreiben, was in diesem vorhergegangenen System passiert ist, und ob Sie das wirklich fortsetzen wollen.

Im Prinzip hätte Ihre Erklärung noch kürzer sein sollen, als sie es ohnehin schon ge­wesen ist; im Prinzip hätten Sie, Herr Bundeskanzler, hier herausgehen und die Bevöl­kerung dieses Landes für das, was der Vorgängerkanzler angerichtet hat, um Entschul­digung bitten müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Und, Herr Bundeskanzler, noch ein persönliches Wort zu Ihnen: Sie sind gerade dabei, Ihre persönliche Reputation und Ihre Lebensleistung für jemanden aufs Spiel zu setzen, der das umgekehrt ganz, ganz sicher nicht gemacht hätte. Überlegen Sie sich, ob ein Sebastian Kurz und seine Kamarilla es wert sind, dass Sie Ihr Lebenswerk und Ihren Ruf jetzt so wegwerfen! (Beifall bei der FPÖ.)

Das System hat ein Ablaufdatum, die größten Opfer des Systems wollen es nur noch nicht wahrhaben – sie sitzen (in Richtung ÖVP weisend) da drüben. Sie haben sich zwar schon – wie Klubobmann Kickl gesagt hat – einiger türkiser Accessoires sozusagen erleichtert, aber nichtsdestotrotz will man noch nicht wahrhaben, dass das System Kurz am Ende ist. Ich kann Ihnen eines sagen, werte Damen und Herren von der ÖVP: Der Wind of Change im türkisen Bereich weht auch hier im Parlament; nicht nur die Nationalmannschaft hat ihre türkisen Trikots wieder ausgezogen und schwarze angezogen, auch die schwarze ÖVP wird all jene, die es bis heute nicht verstanden haben, demnächst noch einfangen und ihnen erklären, wie die ÖVP in Zukunft aussieht – türkis wird sie nicht mehr sein.

Warum kann ich das behaupten? – Weil ich auch in die ÖVP hineinhöre, weil ich weiß, was mir einzelne Abgeordnete sagen, wenn sie alleine und nicht glatt gebürstet wie hier in Wien mit mir sprechen und mir mitteilen, was sie von dieser Situation jetzt halten und auch was sie von den Machenschaften des ehemaligen Bundeskanzlers halten.

Sie haben uns gesagt, wie es ihnen mit den Kirchenchats, die aufgekommen sind, gegangen ist. Sie haben uns gesagt, was sie von dieser um sich greifenden Hybris gehalten haben, und Sie können sich eines sicher sein: Fragen Sie in Niederösterreich einmal nicht die glatt gebürsteten Kollegen von der türkisen Fraktion, sondern fragen Sie die alten Schwarzen, wie sie sich dort den Ausstieg vorstellen und wie sie ihn auch schon vorbereiten! Sie werden sehen, genau das führt dazu, dass dieses System nicht mehr besonders lange funktionieren kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Vielleicht noch ein Tipp, vielleicht für die Letzten, die daran zweifeln: Das System wird auch deswegen zu Bruch gehen, weil es im System von kriminellen Organisationen immer passiert, dass am Ende des Tages, wenn es zu gerichtlicher Verfolgung kommt, das große Umfallen stattfindet. Die Justiz wird jetzt zig Beschuldigte und Verdächtige vernehmen, und Sie können sicher sein: Jetzt wird es losgehen, der Run zur Staatsanwaltschaft, jetzt wird es losgehen, der Run darauf, dass man sich vielleicht noch einen Deal aushandeln möchte. Jetzt werden die Informationen übergeben, und jetzt, kann ich Ihnen sagen, wird es auch sicher so sein, dass Sebastian Kurz und sein System schneller weg sind, als Sie glauben können. Ich weiß gar nicht, ob er den Sessel des Klubobmannes überhaupt noch einnehmen wird, den er heute gar nicht haben wollte. Im Gegenteil: Er ist ja momentan unauffindbar. Ich bin gespannt, ob er den Weg ins Parlament, das er ja früher nicht geachtet hat, noch finden wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, leider läuft mir die Redezeit davon. Ich hätte noch viel zu sagen gehabt – das wird auch in den nächsten Tagen noch möglich sein –, aber eines ist klar: Handlungsunfähig ist in diesem Staat nur die ÖVP unter der Knute von Sebastian Kurz, mit dem Stockholmsyndrom, das Ihnen Sebastian Kurz verliehen hat, und handlungsunfähig ist der ehemalige Bundeskanzler selbst. Das Parlament ist es nicht.

Die Grünen wären gut damit beraten, uns jetzt dabei zu helfen, Transparenz herzustellen, das System aufzubrechen und vor allem auch den tiefen Staat offenzulegen und trockenzulegen. Deswegen möchten wir Ihnen auch von der FPÖ eine Chance geben, das zu tun, denn noch einmal, wie gesagt: Peter Pilz scharrt schon in den Startlöchern.

Ich bringe aus diesem Grunde, um den Staat wieder zum Funktionieren zu bringen, folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „So­fortmaßnahmen gegen den türkisen ,Tiefen Staat‘“

eingebracht im Zuge der Debatte zu den Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vize­kanzlers gemäß § 19 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich des Amtsantrittes des Bundeskanzlers und der Ernennung des Bundesministers für euro­päische und internationale Angelegenheiten, in der 124. Sitzung des Nationalrates, in der XXVII. GP, am 12. Oktober 2021.

Der Nationalrat wolle beschließen:

„I. Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Finanzminister wer­den aufgefordert sicherzustellen, dass all jene Personen, die zusammen mit dem Ex-Kanzler als Beschuldigte geführt werden und in Bundesministerien, insbesondere in Kabinetten tätig sind, umgehend vom Dienst suspendiert beziehungsweise freigestellt werden. Darüber hinaus sind alle Beschuldigten, die in Beraterfunktionen tätig sind, mit einem Betretungsverbot zu belegen, um insbesondere sicherzustellen, dass Beweis­material nicht vernichtet wird.

II. Die Finanzprokuratur ist zu beauftragen, Schadenersatzforderungen gegen alle Be­schul­digten zu prüfen und einzuklagen. Dem Nationalrat möge darüber berichtet werden.

III. Hinsichtlich der Zeichnungsberechtigungen in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation und Protokoll im BM für Finanzen soll geprüft werden, welche Personen zeichnungsberechtigt waren und Verträge, die mit den aktuellen Ermittlungen in einem sachlichen Zusammenhang stehen, freigegeben haben oder an der Freigabe mitgewirkt haben. Auch diesbezüglich sind Schadenersatzforderungen zu prüfen und ist dem Natio­nalrat zu berichten.

IV. Auflösung des Strategiestabs des Bundeskanzlers ,ThinkAustria‘“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Suspendierung der beteiligten Beamten ist unabdingbar. Ein Schadenersatz gegenüber der österreichischen Bevölkerung muss geleistet werden, Regressforderungen sind absolut zulässig, und am Ende cutten wir das System Kurz einfach damit, indem wir auch seinen Thinktank cutten, denn dann können wir auch sicherstellen, dass Staatsgeheimnisse in Zukunft nicht mehr in irgend­welche Bereiche rutschen, in die sie nicht gehören. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Oberrauner.)

12.43

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Hafenecker

und weiterer Abgeordneter

betreffend Sofortmaßnahmen gegen den türkisen „Tiefen Staat“

eingebracht im Zuge der Debatte zu den Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vize­kanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich des Amtsantrittes des Bundeskanzlers und der Ernennung des Bundesministers für euro­päische und internationale Angelegenheiten, in der 124. Sitzung des Nationalrates, in der XXVII. GP, am 12. Oktober 2021.

Nach Bekanntwerden der Korruptionsaffäre rund um Sebastian Kurz hat der Bundes­kanzler eingelenkt und ist zurückgetreten. Statt ihm übernimmt Außenminister Alexander Schallenberg den Kanzlersessel, Michael Linhart kommt als neuer Außenminister. Die Grünen geben sich damit zufrieden und haben die Regierungskrise damit beendet. Fak­tum ist aber, dass Kurz zwar als Kanzler weg ist, sein korruptes System aber nach wie vor vorhanden ist, weil die neben dem Ex-Kanzler beschuldigten Personen weiterhin zum großen Teil in Amt und Würden sind.

Kabinettchef Bernhard Bonelli – gegen ihn wird wegen Falschaussage im so genann­ten „Ibiza-Untersuchungsausschuss“ ermittelt – dient nun auch dem neuen Kanzler Schallenberg. Die Zukunft des Kanzleramts-Medienbeauftragten Gerald Fleischmann ist ebenso ungewiss wie jene von Ex-Kanzler-Sprecher Johannes Frischmann, der derzeit offenbar beurlaubt ist. Ebenso wartet die Öffentlichkeit darauf, was mit Stefan Steiner, dem engsten Berater von Kurz, in Zukunft beruflich passieren wird. Auch im Finanz­ministerium ist mit Johannes P. der Hauptverantwortliche für den türkisen Korruptions­skandal noch immer im Dienst. Unter seiner Verantwortung als Leiter für die Öffentlich­keitsarbeit des Ministeriums wurden die mutmaßlich gefälschten Umfragen abgerechnet.

Es ist also deutlich sichtbar: Die türkise ÖVP hat ein großes Netzwerk an der Spitze der Republik installiert und verwaltet das Land nach Lust und Laune. Wer hier glaubt, es ändere sich etwas an diesem türkisen System, der gibt sich falschen Hoffnungen hin. Das einzig Logische und Vernünftige wäre, das gesamte türkise System zu beenden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

I.          „Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Finanzminister werden aufgefordert sicherzustellen, dass all jene Personen, die zusammen mit dem Ex-Kanzler als Beschuldigte geführt werden und in Bundesministerien, insbesondere in Kabinetten tätig sind, umgehend vom Dienst suspendiert beziehungsweise freigestellt werden. Darüber hinaus sind alle Beschuldigten, die in Beraterfunktionen tätig sind, mit einem Betretungsverbot zu belegen, um insbesondere sicherzustellen, dass Beweis­material nicht vernichtet wird.

II.         Die Finanzprokuratur ist zu beauftragen, Schadenersatzforderungen gegen alle Beschuldigten zu prüfen und einzuklagen. Dem Nationalrat möge darüber berichtet werden.

III.        Hinsichtlich der Zeichnungsberechtigungen in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation und Protokoll im BM für Finanzen soll geprüft werden, welche Personen zeichnungsberechtigt waren und Verträge, die mit den aktuellen Ermittlungen in einem sachlichen Zusammenhang stehen, freigegeben haben oder an der Freigabe mitgewirkt haben. Auch diesbezüglich sind Schadenersatzforderungen zu prüfen und ist dem Natio­nalrat zu berichten.

IV.       Auflösung des Strategiestabs des Bundeskanzlers „ThinkAustria““

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Georg Strasser. – Bitte.