13.59

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher, Zuhörerinnen und Zuhörer! Sie haben eben ein Meister­beispiel gesehen, wie man auf sehr kritische Fragen keine Antwort geben kann. Das ist eigentlich auch eine Verletzung der Würde dieses Hauses nach der Methode: Schmeck’s, mei Herzerl! (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Was wäre Ihre Aufgabe gewesen, Herr Bundesminister für Finanzen, am Tag, an dem Sie Kenntnis darüber erlangt haben, dass in dem von Ihnen verwalteten Bundes­minis­terium der gravierende Verdacht besteht, dass Steuergeld veruntreut wurde, dass im Interesse dritter Personen Inserate geschaltet und Studien beauftragt worden sind? Sie hätten nicht nur mit dem Präsidenten der Finanzprokuratur die interne Revision nach­schauen lassen müssen  vielleicht gehen welche auf Urlaub , sondern den klaren Auftrag zu erteilen gehabt, das Geld zu beschaffen, das veruntreut wird, sprich: sich dem Verfahren gegen die Beschuldigten anzuschließen, selbst dann, wenn die Gefahr be­steht, dass Sie selbst in diesen Bereich verwickelt sind!

Ich komme jetzt gleich zu Ihrer persönlichen Verantwortung. Es ist ja kein Zufall, dass der Autor Klaus Knittelfelder in seinem Buch „Inside Türkis“ Gernot Blümel als des Kanzlers „ersten Offizier“ bezeichnet. Überall taucht Gernot Blümel auf – und er sitzt weiter an der entscheidenden Schaltstelle der Macht. Der Schattenkanzler von dort (in Richtung ÖVP weisend) kann jederzeit diktieren, was jedes einzelne Regierungsmitglied zu tun hat, weil der Zugriff aufs Budget entscheidend ist. Warum die ÖVP das macht, ist mir rätselhaft. Einen politischen Selbstmord mit Salamitaktik zu machen ist schmerzhaft und wird für Sie länger dauern, wird aber dem Land schaden.

Was mich aber besonders interessiert – und jetzt schaue ich ganz vertrauensvoll die Frau Klubobfrau der Grünen an –: Sie brüsteten sich an diesem Wochenende, dass Sie es geschafft haben, dass Herr Sebastian Kurz zurücktritt, weil ein Mitglied der Regierung untadelig sein müsse. Jetzt erklären Sie mir, Frau Klubobfrau Maurer: Was ist an dem derzeit amtierenden Finanzminister untadeliger? – Weil die Hausdurchsuchung zu Hause war? Weil der Laptop, den die Staatsanwaltschaft gesucht hat, im Kinderwagen war? Weil er sich nicht erinnern kann? Weil er bis zur Exekution des Bundespräsidenten keine Belege für den Ibiza-Untersuchungsausschuss geliefert hat? Ist das untadelig, Frau Kollegin? Deshalb bleiben Sie bei der Abstimmung über den Misstrauensantrag, den ich hiermit einbringe, sitzen?

Das müssen Sie uns erklären: Was ist da der Unterschied? Was ist da untadelig? Lap­tops vor der Beschlagnahme davontransportieren zu lassen? – Vielleicht ist Ihnen auf­gefallen, dass Frau Beinschab heute wegen Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft genommen werden musste. Sie hat nämlich die Festplatte gelöscht, die für die Auf­klärung dieses Kriminalfalls entscheidend ist.

Frau Präsidentin, ich möchte daher folgenden Misstrauensantrag einbringen, der - - (Abg. Leichtfried: Herr Präsident! – Heiterkeit bei der SPÖ.) Nach dem Wechsel mache ich es auch beim Herrn Präsidenten. – Der Antrag lautet wie folgt:

Misstrauensantrag

der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ver­sagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Finanzen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundesminister für Finanzen wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

Wenn es irgendeine Leitlinie von Anstand und Moral gibt und wenn sich unsere grünen Freunde nicht schuldig machen wollen (Zwischenruf bei den Grünen), dann müssen Sie da eigentlich mitgehen, denn: Welche Rechtfertigung gibt es, dass die Prätorianer­garde – sie haben sich selbst so bezeichnet – des Herrn Kurz bestimmend für die Innenpolitik bleibt? Diese Frage werden Sie uns beantworten müssen, und Sie werden uns hier sagen müssen, dass Sie von der Untadeligkeit von Personen ausgehen, die sich nicht erinnern können, die dem Untersuchungsausschuss das Aushändigen aller Unterlagen verweigert haben, die selbst Betroffene und Beschuldigte sind und die selbst Hausdurchsuchungen bei sich zu Hause hatten.

Auf diese Erklärung warte ich, Frau Klubobfrau, denn Ihre Vorgangsweise ist nur dann nachzuvollziehen, wenn Sie uns den Unterschied erklären.

Letzter Punkt, und ich glaube, da sind wir bei der entscheidenden Frage: Warum macht diese Gruppe weiter? Sie haben die Macht in diesem Land errungen und sie wollen sie nicht aus der Hand geben. Die Frage ist nur: Warum machen Sie (in Richtung ÖVP) keinen klaren Schnitt, räumen aus und machen es so, wie es manche Landeshauptleute gesagt haben: die ÖVP „besenrein übergeben“? Wenn Sie nämlich so weitermachen, diskreditieren Sie sich selber auf lange Zeit als mögliche Regierungspartei. Im anderen Fall könnten Sie nach dem Besenrein-Machen durchaus weitermachen, und dann hätte die grüne Fraktion Grund genug, mit Ihnen weiterzumachen, und auch jede andere Fraktion.

Ich würde es mir für das Land wünschen. Parteipolitisch gesehen ist diese Salami­taktik­suizidmethode natürlich für uns von Vorteil, das gebe ich zu, aber es kommt nicht auf uns an, sondern auf das Land. – Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

14.05

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Misstrauensantrag

der Abgeordneten Matznetter, GenossInnen

betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Finanzen

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage der Abgeordneten Krainer, GenossInnen, an den Bundesminister für Finanzen betreffend „System Kurz“ – Miss­brauch von Steuergeld zu persönlichen Zwecken und schwerwiegende Korruptions­vor­würfe Angelegenheiten in der 124. Sitzung des Nationalrates.

Bundesminister Mag. Gernot Blümel gelobte anlässlich seiner Angelobung durch den Bundes-präsidenten und bekräftigte mit Handschlag und seiner Unterschrift:

„Ich gelobe, dass ich die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich beob­achten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde.“

Am 22. Jänner 2020 setzte der Nationalrat den Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsaus­schuss) ein. Mit grundsätzlichem Beweisbeschluss vom selben Tag wurde der Bundes­minister für Finanzen aufgefordert, dem Untersuchungsausschuss alle seine Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes vorzulegen.

Infolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2020, UA1/2020, fasste der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates am 9. März 2020 einen ergänzenden grundsätzlichen Beweisbeschluss, mit der der Bundesminister für Finan­zen erneut zur Vorlage aller seiner Akten und Unterlagen – nunmehr im vollen Umfang des Untersuchungsgegenstandes – verpflichtet wurde.

Art. 53 Abs. 3 B-VG lautet:

„Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unter­lagen vorzulegen (…)“

Der Bundesminister für Finanzen legte dem Ibiza-Untersuchungsausschuss zunächst eine Vielzahl von Akten und Unterlagen vor, deren Vollständigkeit vom Untersuchungs­ausschuss jedoch bezweifelt wurde.

So forderte der Untersuchungsausschuss den Bundesminister für Finanzen u.a. am 30. September 2020 sowie am 11. November 2020 mittels ergänzender Beweisanforderung auf, ihm weitere Akten und Unterlagen vorzulegen.

Der Bundesminister für Finanzen verweigerte in beiden Fällen die Vorlage.

Am 13. Jänner 2021 setzte der Untersuchungsausschuss dem Bundesminister für Finan­zen eine zweiwöchige Frist, um seinen verfassungsgesetzlichen Verpflichtungen gegen­über dem Untersuchungsausschuss nachzukommen.

Auch diese Nachfrist ließ der Bundesminister für Finanzen verstreichen, ohne weitere Akten und Unterlagen vorzulegen.

Am 11. Februar 2021 stellte ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beim Verfassungsgerichtshof den Antrag, dass dieser aussprechen möge, dass der Bun­desminister für Finanzen zur Vorlage der vom Untersuchungsausschuss begehrten Akten und Unterlagen verpflichtet ist.

Am selben Tag fand eine von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ange­ordnete und gerichtlich genehmigte Hausdurchsuchung bei Mag. Gernot Blümel statt, da dieser als Beschuldigter im sogenannten Casinos-Verfahren im Verdacht steht, zur Bestechung von Amtsträgern – im Konkreten des damaligen Bundesministers Kurz – durch Vertreter der Novomatic AG beigetragen zu haben.

Am 3. März 2021 entschied der Verfassungsgerichtshof:

„Der Bundesminister für Finanzen ist verpflichtet, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss die E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien der Be­diensteten der Abteilung I/5 E.G., A.M. und G.B. sowie von Bediensteten des Bundes­ministeriums für Finanzen empfangene E-Mails von T.S., E.H.-S., M.K., B.P. und M.L. aus dem Untersuchungszeitraum vorzulegen.“

Der Bundesminister für Finanzen kam diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht nach.

Auf Grund der fortgesetzten Weigerung des Bundesministers für Finanzen, dem Unter­suchungsausschuss die ihm zustehenden Akten und Unterlagen vorzulegen, regte ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses am 22. März 2021 beim Verfas­sungs­gerichtshof die Exekution des genannten Erkenntnisses durch den Bundesprä­sidenten gemäß Art. 146 Abs. 2 B-VG an.

Am 5. Mai 2021 beantragte der Verfassungsgerichtshof beim Bundespräsidenten schlussendlich gemäß Art. 146 Abs. 2 B-VG die Exekution seines Erkenntnisses. Dies stellt einen historisch bislang einzigartigen Fall dar.

Als Reaktion auf diesen Antrag und eine entsprechende Ankündigung des Bundes­präsidenten legte der Bundesminister für Finanzen dem Untersuchungsausschuss wei­tere Akten und Unterlagen vor. Diese waren im Finanzministerium bereits in Kartons bereitgehalten worden und pauschal als „Geheim“ eingestuft.

Auf Grund der massiven Kritik an dieser Vorgangsweise legte der Bundesminister für Finanzen dem Untersuchungsausschuss diese Akten und Unterlagen wenige Tage später nochmals – nunmehr jedoch in niedrigerer Geheimhaltungsstufe – vor.

Nach Durchsicht der gelieferten Akten und Unterlagen wandten sich SPÖ, FPÖ und NEOS an den Bundespräsidenten und stellten fest, dass die Aktenlieferung weiterhin nicht vollständig war.

Am 23. Juni 2021 gab der Bundespräsident bekannt, die Exekution des VfGH-Erkennt­nisses nunmehr tatsächlich anzuordnen, was am folgenden Tag auch geschah. Der Bundespräsident beauftragte das Landesgericht für Strafsachen mit der Sicherstellung der geschuldeten Akten.

Bereits am 9. Juli 2021 übergab das Landesgericht für Strafsachen als Ergebnis der Sicherstellung umfangreiche Aktenbestände. Bereits bei erster Durchsicht ließ sich feststellen, dass diese deutlich über die bislang dem Untersuchungsausschuss vorlie­gen­den Akten hinausgehen. Dieser Befund bestätigte sich in weiterer Folge: so wurden zB bislang nicht bekannte Unterlagen zu mehreren Gesetzgebungsprojekten, Privatisie­rungsplänen und Absprachen mit der Novomatic im Finanzministerium sichergestellt, die dem Untersuchungsausschuss bislang vorenthalten wurden.

Eine derartige, historisch einmalige Missachtung der Verfassung bei gleichzeitiger Brüskierung des Parlaments, des Verfassungsgerichtshofes und des Bundespräsi­den­ten zu Zwecken der Vertuschung des eigenen Fehlverhaltens kann nicht folgenlos blei­ben. Denn wenn sich die obersten Organe der Republik nicht mehr durch die Verfassung gebunden fühlen, ist die Verfassung als Ganzes in Gefahr.

Doch damit nicht genug: Chats zwischen Gernot Blümel und Thomas Schmid belegen, dass letzterer dafür sorgte, dass dem BMEIA und somit Sebastian Kurz durch das BMF zusätzliche budgetäre Mittel zukommen, obwohl dies keine politische Zustimmung des damaligen Vizekanzlers gefunden hätte. Schmid schrieb – Zitat – „Kurz kann jetzt Geld scheißen“ sowie später an Kurz selbst: „Du schuldest mir was“. Die genaue Verwendung dieser zusätzlichen Mittel ist unklar, jedoch ergibt sich auf Grund eines Berichts des Rechnungshofs eindeutig eine beinahe Verdoppelung der Inserateausgaben des BMEIA zwischen 2016 und 2017, wofür offensichtlich keine sachliche Rechtfertigung besteht, sondern vielmehr in Erwartung einer Wahlauseinandersetzung erhöht wurde. In der Hausdurchsuchungs-Anordnung der WKStA lautet dies wie folgt (S. 11):

Der Chat zwischen Gernot Blümel und Thomas Schmid lautete im Wortlaut wie folgt und zeigt die umfassende Einbindung des nunmehrigen Finanzministers in die Macht­übernahmepläne der türkisen Truppe:

Es gibt laut Staatsanwaltschaft Hinweise, dass die Vorgangsweise, manipulierte Um­fragen in der Tageszeitung „Österreich“ veröffentlichen zu lassen, ab 2018 im Bundes­kanz­leramt weitergeführt wurde und das Finanzministerium weiterhin wesentliche Fi­nanzmittel dafür zur Verfügung stellte:

Über den Kenntnisstand von Gernot Blümel geben die Auswertungen der WKStA ebenfalls interessante Aufschlüsse. Schmid fragte bei Blümel bereits im Mai 2017 nach, ob er „einmal eine Umfrage brauche“ und „mit ÖSTERREICH zufrieden“ sei:

Auch aus weiteren Chats ergibt sich eine enge Einbindung von Gernot Blümel in die Beauftragung und Verwertung von Umfragen. Das Resümee der WKStA:

Gernot Blümel ist somit ein wesentlicher Teil des „Systems Kurz“. Die Mitglieder des Systems Kurz sind ganz offensichtlich dazu bereit, Steuermittel für parteipolitische Zwecke zu missbrauchen. Personen mit einer solchen Gesinnung können nicht das Vertrauen des Nationalrats genießen, der alle ÖsterreicherInnen repräsentiert.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundesminister für Finanzen wird gemäß Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Misstrauensantrag ist ausreichend unterstützt, ord­nungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Gabriela Schwarz. – Bitte, Frau Abgeordnete.