12.47

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuseherInnen vor den Bildschirmen! Die Debatte zum Bundesrech­nungsabschluss 2020 gibt mir Gelegenheit, auf eine fiskalische Kleinigkeit, die aber im Verwaltungsablauf, in der Administration und vor allem für die Betroffenen äußerst är­gerlich ist und viel Aufwand verursacht, hinzuweisen. Es geht um die Rechtsgeschäfts­gebühr.

Die Rechtsgeschäftsgebühr wird in Österreich als frühere Papiersteuer aus vordigitalen Zeiten eingehoben. Sie war immer schon einigermaßen fragwürdig, weil bei Gebühren ja immer eine Gegenleistung des Staates dahinterstehen sollte, was bei der Rechtsge­schäftsgebühr eigentlich nicht erkennbar ist.

In der Praxis schaut das so aus – wir haben heute auch im Zuge Ihrer Rede, Herr Bun­desminister, gehört, wie wichtig es ist, Gründungen zu fördern, Jungunternehmer zu för­dern –: Was ist das Erste, das eine Jungunternehmerin oder ein Jungunternehmer, wenn sie ein Unternehmen starten wollen, brauchen? – Das Erste ist ein Geschäftslokal. Meis­tens werden sie dieses anmieten. Geschäftsraummieten unterliegen der Rechtsge­schäftsgebühr, und da gibt es dann eine Menge Probleme: Natürlich will der Unter­nehmer einen möglichst langen Vertrag haben, sodass er möglichst sicher ist und nicht nach drei Jahren wieder ein neues Lokal suchen muss. Das heißt, er ist an einem lang­fristigen Vertrag interessiert. Die Rechtsgeschäftsgebühr orientiert sich aber an der Ver­tragsdauer, und das kann dann ein ganz erheblicher Betrag werden, der gleich beim Starten des Unternehmens an den Fiskus an Rechtsgeschäftsgebühr zu zahlen ist. Selbst wenn es gelingt – und das sind juristisch äußerst diffizile Fragen –, das Miet­verhältnis so zu konstruieren, dass es als eines auf unbestimmte Zeit gilt, hat man zwar nur die 36-fache Jahresleistung als Bemessungsgrundlage für die Rechtsgeschäftsge­bühr, aber auch das geht ins Geld, das sind gleich einmal 1 000, 2 000 Euro. Das tut am Anfang einer Gründung weh. Es wäre also höchst an der Zeit, sich zu überlegen, ob es diese Rechtsgeschäftsgebühr braucht.

Da möchte ich den berühmten Satz in Erinnerung rufen: Auch Kleinvieh macht Mist! Das könnten Sie als Finanzminister natürlich gerne sagen.

Was macht die Rechtsgeschäftsgebühr aus? – Ich habe eine parlamentarische Anfrage gemacht, die zwar nicht ganz aktuell ist: Die letzte Zahl, jene von 2018, zeigt 142 Mil­lionen Euro. Die Jahreseinnahmen waren noch in keinem Jahr über 200 Millionen Euro. Der fiskalische Ertrag ist also äußerst überschaubar, der administrative Aufwand für die Betroffenen äußerst groß. Man sollte also schon überlegen, ob man diese Rechtsge­schäftsgebühr nicht streichen kann. Einen Bedeckungsvorschlag hätte ich auch: Bei den Inseraten ein bisschen sparen, dann hätten wir das Geld sehr schnell herinnen. (Beifall bei den NEOS.)

Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abschaf­fung der Rechtsgeschäftsgebühren“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, und insbesondere der Bundesminister für Finanzen, werden auf­gefordert, dem Nationalrat eine Gesetzesinitiative vorzulegen, die eine Abschaffung der Rechtsgeschäftsgebühren zum Inhalt hat. Sämtliche mit der Einhebung dieser Gebühren verknüpften Planstellen soll damit eingespart werden.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

12.51

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kol­legen

betreffend Abschaffung der Rechtsgeschäftsgebühren

eingebracht im Zuge der Debatte in der 125. Sitzung des Nationalrats über Bundesrech­nungsabschluss 2020 – TOP 2

Abschaffung der Rechtsgeschäftsgebühren

In kaum einem europäischen Land gibt es eine derartige Vielfalt und Höhe an Gebühren wie in Österreich. Eine wesentliche Rolle spielt hierbei das österreichische Justizsystem, das die europaweit höchste Gebührenbelastung aufweist. Neben den Gerichtsgebühren treffen dabei die Rechtsgeschäftsgebühren nicht nur die eigenen Bürger_innen und de­ren uneingeschränkten Zugang zum Recht, sondern auch ausländische Unternehme­r_innen und Investor_inen und damit den Wirtschafts- und Wettbewerbsstandort Ös­terreich. Die Rechtsgeschäftsgebühr war ursprünglich als "Papierverbrauchssteuer" konzipiert und ist damit in einer digitalisierten Welt, zu der auch der Rechtsverkehr und die Verwaltung rechtlich relevanter Daten zählen, anachronistisch. Die aus dem Bundes­rechnungsabschluss 2020 klar ersichtlichen überbordenden Belastung von Unterneh­mer_innen und Private durch Gebühren soll durch diesen Antrag endlich beseitigt wer­den.

Rechtsgeschäftsgebühren bedeuten für sozial Schwache ein faktisches und ganz we­sentliches Hindernis beim Zugang zum Recht, per se eine unverhältnismäßig hohe fi­nanzielle Belastung jedes Rechtsgeschäfts, einen massiven Standortnachteil und nicht zuletzt einen großen Wettbewerbsnachteil für österreichische Unternehmer_innen. Wo möglich, werden schriftliche Verträge vermieden, was zu Rechtsunsicherheit und Streit­fällen führt. Die eingehobenen Beträge stehen in keinem Verhältnis zu dem Aufwand, den die auslösenden Rechtsgeschäfte für die Justiz verursachen. Vielmehr entsteht dem Staat aus dem Abschluss eines Vertrages zwischen Privaten gar kein Aufwand, oder aber nur ein sehr geringer, der ohnehin durch andere Gebühren abgedeckt wird. Wenig nachvollziehbar ist insbesondere, warum ein außergerichtlicher Vergleich, durch den das Justizsystem eben gerade nicht belastet wird, gebührenpflichtig ist. Auch nicht nach­vollziehbar ist, dass etwa Ehepakte durch Rechtsgeschäftsgebühren als prozentualer Anteil an der vertraglich verfügten Summe belastet sind. Ehewillige, die vorausplanend einen Ehepakt errichten wollen, werden in Österreich durch eine eigene Steuer belastet. Besonders abwegig ist auch die Belastung eines außergerichtlichen Vergleichs mit Rechtsgeschäftsgebühr.

Expert_innen fordern Reform: Belastung der österreichischen Bevölkerung hoch genug - Rechtssicherheit darf keine Frage der finanziellen Mittel sein

Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) schließt sich dieser Forderung auch in seinem Tätigkeitsbericht 2019 an:

"Förderung der Rechtssicherheit durch Evaluierung des Gebührengesetzes

Ganz allgemein sind Gebühren, deren Höhe sich nach der Anzahl beschriebener Bögen oder Beilagen bemisst im 21. Jahrhundert entbehrlich und geradezu bürgerfeindlich.

Die Sinnhaftigkeit von Rechtsgeschäftsgebühren ist in Frage zu stellen. Es kann nicht im Interesse eines Rechtsstaates sein, dass schriftliche Vereinbarungen unterbleiben, nur weil Bürger bestrebt sind, hohe Rechtsgeschäftsgebühren zu vermeiden.

Hier treibt der Gesetzgeber die Bürger in eine gefährliche Zwickmühle. (...)

Rechtsgeschäftsgebühren wirken sich aber auch negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und des Wirtschaftsstandortes Österreich aus.

Unternehmerinnen und Unternehmer, die eine Auseinandersetzung einvernehmlich beilegen und darüber eine schriftliche Vereinbarung schließen, müssen eine 2%-ige Ver­gleichsgebühr entrichten.

Unternehmerinnen und Unternehmer, die zur Betriebsansiedlung eine Gewerbefläche anmieten und darüber einen 18-jährigen Mietvertrag schließen, müssen dafür 1% des 18-fachen Jahreswertes entrichten. Kostet also die Anmietung einer Gewerbefläche € 7.000,- pro Monat, so ergibt dies eine Gebühr von € 15.120,–.

Der ÖRAK empfiehlt daher die ersatzlose Abschaffung der Rechtsgeschäftsgebühren. Sie belasten Bürger und Unternehmen über die Maßen und haben negative Auswir­kungen auf die Rechtssicherheit."

Abschaffung der Rechtsgeschäftsgebühren auch für Verschlankung der Verwaltung nutzen

Im Jahr 2018 betrugen die Budgeteinnahmen aus der Vergebührung von Rechtsge­schäften in Summe 142 Mio. Euro, wovon alleine auf die Wettgebühr 45 Mio. Euro ent­fallen (NEOS Anfrage 121/AB). Die Wettgebühr ist daher die mit Abstand aufkommens­stärkste Rechtsgeschäftsgebühr und soll deshalb beibehalten werden. Im Übrigen be­treibt die Republik, in diesem Fall das Finanzministerium, im Bereich der Gebühren­einnahmen budgetären Blindflug. Das BMF kann nämlich keine Aussage dazu treffen, in welcher Höhe Einnahmen aus den einzelnen Tarifposten der Rechtsgeschäftsgebühren generiert werden. Bis zum Beweis des Gegenteils muss davon ausgegangen werden, dass die übrigen Tarifposten nicht wesentlich zum Gebührenaufkommen im Bereich der Rechtsgeschäftsgebühren beitragen, bzw. der Verwaltungsaufwand der Finanzbehör­den in diesem Bereich zu den Einnahmen außer Verhältnis steht. Im Zuge der Ab­schaffung der Rechtsgeschäftsgebühren sollen sämtliche mit der Einhebung dieser Ge­bühren verknüpften Planstellen eingespart werden.

Quellen:

•        http://www.rechtsanwaelte.at/fileadmin/user_upload/PDF/02_Kammer/         Stellungnahmen/Taetigkeitsbericht/tb_2019_hp.pdf

•           https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_00121/index.shtml

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, und insbesondere der Bundesminister für Finanzen, werden aufgefordert, dem Nationalrat eine Gesetzesinitiative vorzulegen, die eine Abschaffung der Rechtsgeschäftsgebühren zum Inhalt hat. Sämtliche mit der Einhebung dieser Ge­bühren verknüpften Planstellen soll damit eingespart werden."

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Christoph Matznetter. – Bitte.