9.57

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! – Herr Finanzminister und auch Frau Klubobfrau Maurer, Sie haben in Ihren Reden gestern und auch heute sehr oft das Wort Zukunft beschworen; ich glaube, Ihre Budgetrede war betitelt mit: eine Ansage in Richtung Zukunft, und Sie (in Richtung Abg. Maurer) haben das eben wieder betont. – Diese Zukunft sehen wir in dem vorge­legten Budget bedauerlicherweise gar nicht, und ich möchte Ihnen auch erklären, warum das so ist.

Ich verstehe den Wunsch danach, denn ich glaube, es ist gerade in der heutigen Zeit enorm wichtig, auf die Zukunftsfähigkeit, auf die, wie wir immer sagen, Enkelfähigkeit von Politik zu schauen; dass Politik eben nicht nur einen Horizont bis zur nächsten Wahl, diesen kurzfristigen Horizont, hat – und die Legislaturperioden wechseln bei uns ja fast schon jährlich –, sondern dass es tatsächlich eine enkelfähige Politik ist, die bereit ist, heute Reformen anzugehen, die vielleicht gar nicht so leicht sind, um eine bessere Zukunft für unsere Kinder zu haben. (Beifall bei den NEOS.)

Dahin gehend ist dieses vorgelegte Budget erstaunlich ambitionslos – ambitionslos! Es gibt darin überhaupt keine wirkliche Ansage, und auch hinsichtlich der Frage der Ökologisierung des Steuersystems ist es wirklich nur eine Schmalspurvariante. Darauf werde ich eingehen.

Ich habe auch in den Redebeiträgen von vorhin gehört, man würde so stark inves­tieren. – Nun, die Investitionen sind im Vergleich zum staatlichen Konsum marginal. Wir haben eine Situation – ich möchte das schon einmal sagen –, in der wir beispielsweise wissen, dass Investitionen im Bildungsbereich dringend notwendig sind. Immer mehr werden Aufgaben des Bildungssystems an Familien übertragen – nicht nur in Pande­miezeiten! –, an Familien, die zahlungskräftig genug sind, sich Nachhilfe zu leisten, oder, wenn Sie auf den Bereich der Lehre schauen, an den Mittelstand, an die Unternehme­rinnen und Unternehmer übertragen. Die Defizite im staatlichen Bildungssystem haben Familien aufzufangen, hat der Mittelstand aufzufangen. Das ist nur ein Bereich, den ich herauspicke, in dem Investitionen ganz dringend nötig sind; das findet aber gemäß Ihrem Budget nicht statt, weil Sie zukunftsvergessen agieren und lieber auf den staatlichen Konsum schauen. (Beifall bei den NEOS.)

Bevor ich das weiter ausführe, möchte ich aber eines sagen: Herr Finanzminister, ich habe Ihnen gestern zugehört. Ganz zu Beginn Ihrer Ansprache haben Sie sich an die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gewandt. Sie haben gesagt: Liebe – oder: sehr geehrte, das weiß ich nicht mehr genau – Steuerzahlerinnen und Steuerzahler!, aber später in Ihrer Budgetrede haben Sie dann genau diesen Steuerzahlerinnen und Steuer­zahlern nicht gedankt.

Ich habe genau zugehört: Sie haben den Ländern gedankt, Sie haben den Gemeinden gedankt, Sie haben den Bürgermeistern gedankt, aber nicht den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern. Daher hole ich das heute nach: Danke, liebe Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, Sie sind es, die dieses Budget überhaupt erst möglich gemacht haben! (Beifall bei den NEOS.)

Sie verlassen sich nämlich darauf, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler jeden Tag arbeiten gehen und fleißig sind, dass sie als Unternehmer innovativ sind, Ideen haben, Menschen anstellen und dass Ihnen so das Geld in die Kassa gespült wird. In Wahrheit geben Sie ja mit vollen Händen das Geld anderer Leute aus, und das Prinzip Linke-Tasche-rechte-Tasche wird mit diesem Budget wirklich einmal mehr fortge­schrie­ben.

Ich möchte auch in einer anderen Frage einen Blick auf die Zukunftsfähigkeit werfen, nämlich in jener eines soliden Haushalts, also dass man sagt: Na ja, wir machen mit dem Schuldenmachen Schluss. – Natürlich kommen wir aus einer Phase der Krise, aber ich möchte diese Krise nicht gerne prolongieren. In vielen Redebeiträgen in den letzten Tagen habe ich ja geradezu den Wunsch, von einer Krise in die nächste zu stolpern, gehört.

Im Moment schaut es ganz gut aus, es ist eine Boomzeit, die Steuereinnahmen sprudeln dank der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wieder. Zukunftsfähige Politik würde halt auch bedeuten, das im Budget entsprechend abzubilden. Länder wie die Schweiz – ja, ich weiß schon, es ist zwar die Schweiz, aber sie ist trotzdem unser Nachbarland – sind schon wieder in der Lage, einen Überschuss zu erwirtschaften. Sie von der türkis-grünen Regierung sind davon meilenweit entfernt.

Warum ist das so? – Weil Ihnen Mut und Tatkraft fehlen. Das Volumen, das Sie in die Hand nehmen, um die Menschen endlich zu entlasten – und sie müssen ganz dringend entlastet werden, insbesondere der Mittelstand, der in Österreich wirklich für alles zahlt, muss entlastet werden –, ist letztlich das Geld, das Ihnen durch die kalte Progression hineingespült worden ist.

Das ist dieses Linke-Tasche-rechte-Tasche-Prinzip: eine schleichende Steuererhöhung, die man dann großzügig und in Gutsherrenart – teilweise – an die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zurückgibt. Würde man eine wirkliche, nachhaltige Entlastung auch für kommende Generationen und insbesondere eine nachhaltige Entlastung des Mittel­stands anstreben, dann – Sie wissen das – bräuchte es strukturelle Reformen. Dazu findet sich nichts, aber auch gar nichts in Ihrem Budget. Das ist ambitionslos, das ist mutlos, und das ist alles andere als tatkräftig. (Beifall bei den NEOS.)

Die kalte Progression hätte schon längst abgeschafft sein können, das haben wir in den letzten Tagen erfahren. Neben strafrechtlichen Fragen, die Sache der Justiz sind, ist das für mich das Empörendste: Wenn man in die Akten schaut, erhält man den Eindruck, dass da Politik eigentlich ausschließlich zum Selbstzweck gemacht wird, für einen Pos­ten, damit man an die Macht kommt, eine Wahl gewinnt. Das, was die Menschen aber eigentlich erwarten, nämlich dass man Politik für die Menschen macht, indem man zum Beispiel die schleichende Steuererhöhung, die kalte Progression abschafft, verhindert man lieber, denn das könnte ja dann einem anderen Bundeskanzler und einem anderen Vizekanzler irgendwie zugutekommen. (Beifall bei den NEOS.) Die kalte Progression gehört weg, das wissen Sie – und es ist längst an der Zeit.

Jetzt komme ich zum Bereich der ökosozialen Steuerreform: Liebe Grüne, ihr wisst, dass ihr grundsätzlich in uns NEOS starke Verbündete habt, wenn es darum geht, enkel­fähige, nachhaltige Politik zu machen. Nach wie vor ist unser Modell für eine ökosoziale Steuerreform das ambitionierteste, das es in Österreich gibt und das auf dem Tisch liegt.

Das, was ihr aber da mit einem CO2-Preis von 30 Euro schafft – wir wissen das, und das sagen euch ja auch alle Expertinnen und Experten –, hat keinen Effekt. Es hat nicht den Lenkungseffekt, den ihr euch erhofft, vor allem dann nicht, wenn ihr das auf der anderen Seite mit einem Ökobonus sozusagen wieder zurückgebt. (Abg. Disoski: Autobahnen bauen ...!) So bleibt es eine reine Steuererhöhung, eine neue Steuer. Neue Steuern einführen, das haben vergangene Regierungen auch schon gekonnt, dafür haben wir nicht Türkis gebraucht. Zu wirklich zukunftsfähigen und ökologischen Schritten in Rich­tung Nachhaltigkeit kommen wir damit aber nicht, das ist eindeutig zu wenig. (Beifall bei den NEOS.)

Vielleicht ist es ja auch dieses Codewort, das ich immer so heraushöre: Klimaschutz mit Hausverstand. Da denke ich mir dann immer, lieber August Wöginger, Hausverstand ist – in Anführungszeichen – „Codewort“ für: Machen wir eh nicht! – Das ist das, was bei mir immer hängen bleibt. (Abg. Wöginger: Wir tunʼs aber! – Zwischenruf der Abg. Salzmann.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube daran, dass die Politik enkelfähig sein muss, zukunftsfähig sein muss. Ich glaube daran, dass die Politik in der Verantwortung ist, Mut und Tatkraft zu beweisen, auch und gerade dann strukturelle Reformen einzu­gehen, wenn es darum geht, bei sich selber zu sparen, um zu erreichen, dass man den Menschen gar nicht so viel Geld aus der Tasche zieht, das man dann wieder großzügig zurückgibt. (Zwischenruf des Abg. Hanger.)

Diese Zukunftsvergessenheit wird wirklich fortgeschrieben. August Wöginger, du hast Wolfgang Schüssel erwähnt: Man kann zu ihm stehen, wie man will, aber der ist ja wenigstens noch Reformen angegangen, der hat – und da kann man sagen, man findet das gut oder man findet das nicht gut – Reformen, zum Beispiel eine Pensionsreform, auf den Weg gebracht.

Was wird denn aber jetzt übrig bleiben? (Ruf bei der FPÖ: Nichts! – Zwischenruf des Abg. Hörl.) – Machterhalt als Selbstzweck das ist zu wenig. (Beifall bei den NEOS.) Es braucht endlich die neue Politik einer anständigen, wehrhaften Mitte, und diese finden Sie bei uns NEOS. – Danke. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

10.06

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Obernosterer. Das Wort steht bei ihm. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.