21.03

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Rech­nungshofpräsidentin! Dieser Bericht des Rechnungshofes war tatsächlich eine Großtat, denn es gibt kaum etwas in dieser Republik, das so kompliziert, so ver­schachtelt und so schwierig zu analysieren und interpretieren ist wie das österreichische Gesundheits­wesen. Die Akribie, mit der die Daten zusammengetragen und aufgearbeitet wurden und eine Analyse gemacht wurde, ist wirklich bemerkenswert. Ich glaube, das ist auch eine sehr gute Grundlage für weitere Diskussionen. Ich habe das mit Bun­desminister Mückstein schon mehrmals besprochen: Wir brauchen da sicherlich nicht nur einen, sondern mehrere gesonderte Termine, bei denen wir nur dieses Thema gemeinsam besprechen. Kollege Saxinger hat das ja schon angesprochen: Da gibt es tatsächlich sehr großen Handlungsbedarf.

Wie sieht die Situation aus, was hat der Rechnungshof festgestellt? – Kollege Saxinger hat es schon angesprochen: Mit Stand Ende 2019 gab es in Österreich 7 142 Plan­stellen, leider Gottes waren damals bereits 327 kassenärztliche Planstellen nicht be­setzt – paradoxerweise teilweise sogar geplant nicht besetzt –, und die Situation hat sich bis heute leider Gottes in keinster Weise verbessert, sondern ganz im Gegenteil: eher verschlimmert.

Wenn nun das Argument gebracht wird, dass das vielleicht daran liegt, dass wir aktuell zu wenige Ärzte haben, so stimmt das nur bedingt bis gar nicht, denn wenn man sich anschaut, dass in den letzten zehn Jahren die Zahl der Wahlärzte um 40 oder 50 Prozent gestiegen ist und gleichzeitig die Zahl der Kassenärzte stagniert, dann sieht man ja, dass durchaus Ärzte vorhanden wären, die in den niedergelassenen Bereich gehen, aber offensichtlich keine Kassenstellen annehmen wollen.

Warum ist das so? – Auch das hat sich der Rechnungshof angeschaut und festgestellt, dass die Bevölkerung in den letzten zehn Jahren zwar um 6 Prozent gewachsen ist und auch die Anzahl der kassenärztlichen Konsultationen, zum Beispiel bei den Allgemein­medizinern, um 6 Prozent gestiegen ist, es aber eben nicht mehr Kassenärzte gibt. Das heißt, die Arbeitsbelastung der Mediziner ist tatsächlich sukzessive Jahr für Jahr höher geworden, aber nicht nur durch die Patientenkonsultationen, sondern auch – und das ist dabei noch gar nicht miterfasst – durch den ganzen bürokratischen Aufwand, der dazu­kommt. Die Elga-Einführung, das ganze E-Card-System, das in den letzten zehn Jahren eingeführt worden ist, das elektronische Rezept, das jetzt dazukommt, die Fernverord­nungen, die wir weitergeführt haben, die ökonomischen Zwänge durch die Sozialver­sicher­ungen, die Ökotools, die umgesetzt werden müssen, das ganze Bewilligungs­we­sen, das damit zusammenhängt, auch die Problematik mit der Arzneimittelverfügbarkeit, sprich Umstellung von Patienten bei nicht verfügbaren Arzneimitteln und Ähnliches – all das belastet unsere Ärzte über Gebühr und findet in dieser 6-Prozent-Mehrbelastung, die da stattgefunden hat, noch gar keinen Ausdruck.

Auch andere Dinge, auch ökonomische Gründe sind in diesem Zusammenhang anzu­führen, denn auch das hat der Rechnungshof ermittelt: Der durchschnittliche Allgemein­mediziner mit Kassenvertrag hat 2019 ein Jahreseinkommen von ungefähr 130 000 Euro gehabt, der durchschnittliche Facharzt in etwa 200 000 Euro. Diese Diskrepanz führt natürlich auch dazu, dass allgemeinmedizinische Kassenstellen nicht besonders attraktiv sind und generell der Beruf des niedergelassenen Allgemeinmediziners, des Landarztes nicht sehr attraktiv ist.

Ich könnte noch sehr viele andere Punkte anführen, die dringlich zu verbessern wären. Sehr vieles davon hat der Rechnungshof in seinen Empfehlungen bereits festgehalten, und deshalb möchte ich folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicher­stellung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat dafür Sorge zu tragen, dass die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) und die Ärzte­kam­mer den Gesundheitsplan Österreich umgehend umsetzen und alle offenen kassen­ärztlichen Stellen in Österreich schnellstmöglich besetzen. Zudem hat er entsprechend der Empfehlungen des Rechnungshofes alle dafür notwendigen Maßnahmen zu treffen und Rahmenbedingungen zu schaffen.“

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Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

21.07

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak und weiterer Abgeordneter

betreffend Sicherstellung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 22.): Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Ärztliche Versorgung im niederge­las­senen Bereich – Reihe BUND 2021/30 (III-396/1047d.B.) in der 127. Sitzung, XXVII GP., am 14. Oktober 2021

Die Gesundheitsversorgung stellt eine der größten gesellschaftlichen und ökonomischen Herausforderungen dar. Besonders im ländlichen Raum ist in den letzten Jahren die Problematik der Bereitstellung eines bedarfsgerechten Angebots an medizinischer Ver­sorgung und dahingehend eines Fach- und Allgemeinärztemangels stetig gestiegen.

Besonders vom Ärztemangel betroffen sind Kassenplanstellen. „Demnach sind mit Stand Ende des zweiten Quartals 2019 österreichweit 59 Kassenplanstellen für Fach­ärzte sowie 94 Kassenplanstellen im Bereich Allgemeinmedizin unbesetzt. Diese Ent­wicklung wird sich in der Zukunft weiter intensivieren. Im Besonderen wird davon der ländliche Raum betroffen sein. Dieser Umstand ist einerseits der Altersstruktur von niedergelassenen Ärzten und andererseits den faktischen Rahmenbedingungen und Zukunftsperspektiven von angehenden niedergelassenen Ärzten geschuldet.“1

Studien belegen, dass ein Großteil der Studierenden der Humanmedizin in Österreich später nicht als niedergelassener Arzt in der Allgemeinmedizin tätig sein möchte. Gründe dafür sind „ein nicht facharztäquivalentes Gehalt, die zu geringe Zeit für Patienten, zu strenge Vorgaben seitens der Krankenversicherungsträger und die mangelnde Ab­rechenbarkeit von Leistungen“.1

Das zentrale Planungsinstrument für die integrative Versorgungsplanung auf Bundes­ebene ist in Österreich der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG). Er ist ebenso Bestandteil der Zielsteuerung-Gesundheit. „Mit dem ÖSG wird sichergestellt, dass Gesundheitsversorgung in Österreich ausgewogen verteilt und gut erreichbar ist und in vergleichbarer Qualität auf hohem Niveau angeboten wird.“2

„Der ÖSG stellt zudem die Grundlage für die Regionalen Strukturpläne Gesundheit (RSG) dar, die vom jeweiligen Land und den zuständigen Sozialversicherungsträgern vereinbart werden und die Versorgung im Detail regeln.“3

Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) und die Ärztekammer sind für die Erfüllung des Strukturplans Gesundheit verantwortlich und haben dafür zu sorgen, dass die vorgesehenen Planstellen so attraktiv wie möglich gestaltet werden, damit diese auch besetzt werden können. Nur so kann eine ausreichende ärztliche Versorgung im ländlichen Raum sichergestellt werden. Derzeit kommen GKK und Ärztekammer ihrem gesetzlich vorgeschriebenen Auftrag jedoch nicht nach. Dementsprechend sind von Bundesebene umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um alle offenen kassenärztlichen Stellen in Österreich zu besetzen, dem Ärztemangel im ländlichen Raum entgegen zu wirken und eine mögliche medizinische Unterversorgung der Bevölkerung in jedem Fall zu verhindern.

Auch die Anfang September veröffentlichte Ersuchensprüfung des Rechnungshofes zur ärztlichen Versorgung bestätigt die vorliegenden Mängel: In Österreich sind rund 4,6 Prozent der Planstellen unbesetzt. Die Maßnahmen zu unbesetzten Planstellen sind laut Rechnungshof uneinheitlich. Es werden Stellen zum Teil bewusst nicht besetzt und freigehalten. Es fehlt ein sektorenübergreifendes, bundesweites Monitoring der Öffnungs­zeiten und das Ziel der Errichtung von 75 Primärversorgungseinheiten bis Ende 2021 wird voraussichtlich nicht erreicht werden. Der Rechnungshof empfiehlt daher eine Strategie zur Besetzung von Planstellen, dazu gezielte Maßnahmen und diese nach regionalen Bedürfnissen anzuwenden.4

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nach­ste­hen­den

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat dafür Sorge zu tragen, dass die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) und die Ärztekam­mer den Gesundheitsplan Österreich umgehend umsetzen und alle offenen kassenärzt­lichen Stellen in Österreich schnellstmöglich besetzen. Zudem hat er entsprechend der Empfehlungen des Rechnungshofes alle dafür notwendigen Maßnahmen zu treffen und Rahmenbedingungen zu schaffen.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte.