18.21

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer zu Hause! Jedes Menschenleben ist unendlich wertvoll, egal in welcher Lebenslage. Die Selbsttötung ist nie privat, sie hat immer Aus­wirkungen auf das Umfeld, auf nahe Angehörige, aber sie hat auch immer Auswirkungen auf Menschen, die in ähnlichen Situationen sind. Deshalb geht es nicht um die Assistenz bei der Selbsttötung, sondern immer um die Assistenz zum Leben. Das sage ich auch Ihnen, Herr Troch, nach Ihrer Rede. (Beifall bei der ÖVP.)

Deswegen ist es so wichtig, dass die Regierung gestern Unterstützung auf den Weg gebracht hat, und zwar einerseits psychologische Unterstützung für die Angehörigen und andererseits auch den Ausbau der und die Regelfinanzierung für Palliativmedizin und Hospize. Das hat man viele Jahre lang gefordert und versucht – jetzt ist es da.

Wir haben jedoch die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes im Dezember 2020 nicht gut gefunden. Wir haben sie kritisiert und sehen sie als höchst problematisch. Wir anerkennen sie – das ist Demokratie. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Heute stimmen wir über Rahmenbedingungen ab. Diese Rahmenbedingungen sollen restriktiv und präventiv sein. Wir haben verhandelt, wir haben einen Kompromiss erzielt – auch das ist Demokratie.

Wir hätten einiges anders gemacht. Wir von der Volkspartei haben dafür gekämpft, dass das Sterbeverfügungsgesetz die einzige Ausnahme im StGB ist, dass wir den neuen Status quo in den Verfassungsrang heben, auch die Bezeichnungen, wie heute schon erwähnt wurde. Wir haben dafür gekämpft. Wir haben uns nicht in allen Punkten durch­gesetzt – auch das ist Demokratie. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ich möchte aber heute sagen, warum wir gegenüber dem Erkenntnis des Verfassungs­gerichtshofes, das uns da hingebracht hat, wo wir jetzt sind, so kritisch sind. Viele haben zu Recht von einem Dammbruch oder einem Kulturbruch gesprochen. Unser Leitmotiv war: Leben ist ein absolutes Gut; beim Leben helfen, aber nicht beim Töten oder beim Selbsttöten. Das Wort Würde bekommt plötzlich eine neue Bedeutung. Auch das Wort Hilfe bekommt jetzt eine neue Bedeutung. Fast ist man versucht zu sagen: Wir sprechen hier von einem bewaffneten Mitleid. (Abg. Loacker: Bewaffnetes Mitleid?! Das ist un­fassbar! – Zwischenruf der Abg. Yildirim.) Die Befürworter sagen dann: Selbstbestim­mung und Freiheit. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Herr Troch, die sogenannte Selbstbestimmung wird ganz schnell zu einer Fremdbestim­mung, und die beschworene Freiheit wird ganz schnell zu einer Unfreiheit. Ein Mitglied der belgischen Euthanasiekontrollbehörde, der selber 4 000 Fälle geprüft hat, hat ge­sagt – ich zitiere –: „Ich habe tatsächlich viele Fälle gesehen, wo ein gewichtiger Teil des Leidens war, dass der Patient gedacht hat: Ich bin eine Last für meine Angehörigen.“ Niemand will für seine Angehörigen eine Last sein. Da wird dann ein Recht ganz schnell zur Pflicht, darum wollten wir diese Tür keinen Spalt breit öffnen.

Bildlich, literarisch könnte man fast sagen: Diese beschworene Freiheit ist die Freiheit eines Waisenkindes, und unsere Gesellschaft wird einsamer und unsolidarischer. (Zwi­schenruf bei den NEOS: ... Predigt!) Wir werden weiterhin dafür kämpfen, dass wir den Menschen nicht alleinlassen, denn jeder Mensch, egal in welcher Lebenslage, ist unend­lich wertvoll. (Beifall bei der ÖVP.)

18.24

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Helmut Brandstät­ter. – Bitte, Herr Abgeordneter.