11.08

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Werte Mitglie­der der Bundesregierung! Hohes Haus! Herr Finanzminister! Es gibt diesen schönen Spruch, dass der Wille fürs Werk steht. – Sie sind hier jetzt ganz neu und sozusagen gerade erst in Ihrer Funktion gestartet. (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.) Ich kann es Ihnen aber trotzdem nicht so einfach machen, denn das Thema ist einfach zu wichtig. Es geht um eine sozial gerechte Ökologisierung des Steuersystems. (Abg. Ottenschläger: Das wird gemacht!)

Dafür braucht es zwei Dinge, die miteinander verbunden werden müssen. Das eine ist eben eine steuerliche Entlastung für alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und für die Unternehmerinnen und Unternehmer. Es braucht aber zweitens vor allem auch eine ehrliche Übernahme von Verantwortung betreffend das Thema Klima, um das Wohl­ergehen der kommenden Generationen wirklich zu sichern, und nicht nur eine schöne grüne Marketingpolitik oder ein schönes Narrativ, das hier vorgelegt wird.

Damit komme ich schon zu meiner Kritik: Diese Steuerreform schafft weder das eine noch das andere. Der notwendige Umschwung vor allem auch bei Österreichs CO2-Emissionen wird damit nicht erreicht werden. Das sagen auch alle Expertinnen und Experten.

Jetzt können wir schon darauf eingehen, dass es einzelne Punkte gibt, die wir wirklich sehr gut finden, die wir auch unterstützen. Das haben wir im Ausschuss schon gesagt, das werden wir heute auch so abstimmen – ich sage nur: klimafreundliche Investitionen oder auch die Senkung der zweiten und dritten Tarifstufe, die wir natürlich begrüßen, der erste Schritt zur Mitarbeiterbeteiligung, obwohl es da sicherlich noch mehrere Schritte brauchen wird, um auf das nächste Level zu gehen.

Was ich auch persönlich schön finde, war Ihre Ankündigung, dass eben die KESt für Wertpapiere abgeschafft werden soll. Vielleicht können Sie dazu nachher noch etwas sagen, das haben Sie ja auch ein paar Mal medial gesagt, das war eine Ankündigung. Ich hoffe sehr, dass sie kommen wird. Das wäre ein ganz, ganz wichtiges Zeichen. (Beifall bei den NEOS.)

Damit komme ich zur anderen Seite der Medaille. Was uns schmerzhaft fehlt, was wir schmerzhaft vermissen – das werden sich die meisten schon denken können –, ist die Abschaffung der kalten Progression. Wir haben es heute wieder gelesen, es gibt jetzt neue Inflationsankündigungen beziehungsweise -berechnungen, es sind ungefähr 4 Pro­zent. Sie haben vor der Wahl auch versprochen, diese kalte Progression abzu­schaffen, denn sie führt dazu, dass sich die Menschen die Tarifsenkungen einfach selber finan­zieren. Das heißt, das ist einfach schlitzohrig.

Länder wie die Schweiz oder Schweden haben es auch geschafft, das abzuschaffen, und das muss auch das Ziel hier sein. Sie sollten einfach darauf verzichten, den Steuer­zahlerInnen huldvoll das Geld, ehrlich gesagt auf nicht ganz korrekte Art und Weise, aus der Tasche zu ziehen. (Abg. Ottenschläger: Hallo! Hallo!) Das sollten Sie nicht tun, damit es wirklich eine faire Entlastung gibt. (Beifall bei den NEOS.)

Ich werde nicht müde werden, meine Damen und Herren, das immer wieder zu betonen, auch hier im Hohen Haus, und deswegen gibt es auch heute wieder einen Entschließungs­antrag von meiner Fraktion:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kalte Progression endlich abschaffen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage vorzulegen, die die Kalte Progression abschafft, indem die Steuer-Tarifstufen des § 33 Abs. 1 EStG 1988 jährlich an die Inflation angepasst werden.“

*****

Ich würde mich freuen, wenn Sie darauf eingehen.

Damit komme ich auch schon zu meinem zweiten Punkt, dabei geht es mir wirklich um die Klimafreundlichkeit dieses Pakets. Was wir NEOS wollen  wir haben das, glaube ich, auch sehr ernsthaft diskutiert , ist eine CO2-Bepreisung, die diesen Lenkungspfad zur Klimaneutralität auch wirklich schafft. Wir wollen das im Gegenzug aber natürlich aufkommensneutral. Die Steuern auf Erwerbsarbeit und Unternehmenssteuern müssen weiter gesenkt werden, denn was wir nicht wollen, ist eine Erhöhung der Steuerquote.

Was wäre also hier zu tun? Man bräuchte wirklich einen vernünftigen Preis, um diese Lenkung auch zu erreichen. Es haben alle Expertinnen und Experten gesagt: Das Paket, das hier vorgelegt worden ist, kann man einen ersten Schritt nennen, aber es wird definitiv nicht ausreichen, um die Ziele, die ausgeschildert worden sind, zu erreichen. Über den missglückten Klimabonus werden wir heute noch mehr hören, mein Kollege Loacker wird auch noch darauf eingehen.

Vielleicht noch ein letzter Punkt, da geht es mir um die Subventionen: Es gibt in Österreich 4 Milliarden Euro an umweltschädlichen Subventionen, die jedes Jahr bezahlt werden. Es geht um das Dienstwagenprivileg, es geht um das Dieselprivileg und es geht auch um die Pendlerpauschale. Das sind alles Themen, die Sie in dieser Reform nicht einmal angegriffen haben, daher kann man einfach nicht von einer geglückten Reform sprechen, die wirklich ihre Ziele erreichen wird.

Meine Damen und Herren, das ist nicht nur ein Thema für das Klima, sondern es ist vor allem auch ein Thema für den Steuerzahler, denn mit 2030 werden wir im Jahr 9 Mil­liarden Euro an Kosten auf uns zukommen sehen, wenn wir die Klimaziele nicht erreichen. Lassen Sie es mich zusammenfassen: Mit dieser Steuerreform wird es nicht gelingen, deswegen hätten wir uns gerade von einer grünen Regierungsbeteiligung viel mehr in diese Richtung erwartet. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

11.13

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Kalte Progression endlich abschaffen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 139. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1293 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Elektrizitätsabgabe­ge­setz, das Transparenzdatenbankgesetz 2012, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Finanzausgleichsgesetz 2017 geändert werden sowie das Nationale Emissionszertifi­katehandelsgesetz 2022 erlassen wird (Ökosoziales Steuerreformgesetz 2022 Teil I – ÖkoStRefG 2022 Teil I) (1306 d.B.) – TOP 1

Die versteckte Steuererhöhung

Die Kalte Progression, also die versteckte jährliche Steuererhöhung, entsteht, weil die Einkommen zwar Jahr für Jahr steigen, die Steuerstufen aber nicht an die Inflation ange­passt werden. Somit erhöhen sich der Durchschnittssteuersatz und die Steuerschuld stärker als die Inflation. Die Kalte Progression betrifft also alle Lohnsteuerpflichtigen und, entgegen der gängigen Auffassung, nicht nur jene, die aufgrund der Inflationsabgeltung in die nächst höhere Steuerstufe rutschen. Wenn der Bruttolohn steigt, steigt auch der Durchschnittssteuersatz – jener Anteil des Einkommens, der an den Finanzminister geht, nimmt also zu. Sie entsteht, sobald das zu versteuernde Einkommen einer Person an die Inflation angepasst wird und in der Folge zumindest den ersten Grenzsteuersatz überschreitet.

Entlastung aufgehalten, versprochen und doch nicht umgesetzt

Mehrfach haben Bundesregierungen die Abschaffung der Kalten Progression angekün­digt. Aktuell bekannt gewordene Akten zeigen auf, dass es bereits 2016 unter der Bundesregierung von Bundeskanzler Kern (SPÖ) und Vizekanzler Mitterlehner (ÖVP) Bestrebungen gab, die Kalte Progression abzuschaffen. Wie nun bekannt ist, interve­nierten 2016 einzelne Mitglieder der Bundesregierung und deren Umfeld, wie der spätere Mitterlehner-Nachfolger und der damalige Generalsekretär im Finanzministerium Schmid, um diese wichtige Reform aufzuhalten. Vor der Nationalratswahl 2017 hatten sowohl ÖVP als auch FPÖ die Abschaffung der Kalten Progression angekündigt, vor der letzten Wahl 2019 versprachen dies dann alle Parteien ausdrücklich. Im ausverhan­delten Regierungsprogramm der ÖVP und der Grünen fehlt wieder das volle Bekenntnis zum parteiübergreifenden Versprechen aus dem Wahlkampf 2019.

Selbst bezahlte Steuerreform statt versprochener Entlastung für Österreichs Steuer­zahler_innen

Am 3. Oktober 2021 präsentierte die Bundesregierung ihren Entwurf einer Steuerreform. Von der größten Entlastung der Steuerzahler_innen in der zweiten Republik war die Rede und dennoch hielt die Bundesregierung entgegen eigener Zusagen an der Kalten Progression fest. Der Effekt für das Budget ist nämlich zu bedeutsam. Pro Prozentpunkt Inflation fließen rund 250 Millionen Euro ins Budget, rechnete der ehemalige Finanzminister Hartwig Löger einmal vor. In den letzten Jahren haben die Menschen in Österreich sich die groß angekündigte Entlastung somit selbst finanziert.

Nach Berechnungen von NEOS belaufen sich die Mehreinnahmen durch die Kalte Pro­gression zwischen dem Jahr 2013 und 2023 auf rund 11,88 Milliarden Euro. Das Institut EcoAustria schätzt, dass die Kalte Progression ohne Steuerreform zwischen 2019 und 2025 zu einer zusätzlichen Steuerbelastung von insgesamt 19,5 Milliarden Euro führen würde. Anhand einzelner Beispiele lässt sich dies ebenfalls aufzeigen: Eine Beraterin in einer Kreativagentur mit einem Gehalt von 55.000 Jahresbrutto gab 2016-2021 insge­samt unbemerkt an den Finanzminister 1527 EUR ab und bekommt dafür im Jahr 2022 eine Entlastung von 325 EUR. Von der Entlastung bleibt ihr also nichts mehr übrig. Im Gegenteil: die Kalte Progression hat 1202 EUR mehr gekostet, als sie bei der Steuer­reform 2022 wieder zurückbekommt. Ohne Abschaffung der Kalten Progression kommt es trotz Steuerreform für einzelne Gruppen unterm Strich zu einer steuerlichen Mehr­belastung. Das betrifft vor allem Haushalte ohne Kinder, da ein wesentlicher Teil des Entlastungsvolumens auf den Familienbonus entfällt.

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Versprechen ernst nehmen und Kalte Progression abschaffen

Damit nicht jede Regierung aufs Neue die größte Steuerreform aller Zeiten beschließen muss, um den Steuerzahler_innen das zurückzugeben, was sie ihnen zuerst über die Kalte Progression abgenommen hat, sollte endlich die Kalte Progression dauerhaft abgeschafft werden. Die Steuerstufen müssen daher automatisch jährlich mit der Infla­tion angehoben werden. Nur so können Entlastungsmaßnahmen eine nachhaltige Wir­kung entfalten und Gehaltserhöhung würden in erster Linie jenen zugutekommen, die sich die Gehaltserhöhung mit ihrem Einsatz erarbeitet haben, und nicht zu einem wesentlichen Teil auch in den Taschen des Finanzministers landen.

Auch für diese Bundesregierung war die Möglichkeit, Steuergeschenke verteilen und mit der "größten Steuerreform" prahlen zu können, zu verlockend. Deshalb wurde die Ab­schaffung der Kalten Progression vage aufs Ende der Legislaturperiode verschoben. Dabei sollte diese dringende Reform unverzüglich umgesetzt und die Kalte Progression endlich abgeschafft werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefor­dert, dem Nationalrat umgehend eine Regierungsvorlage vorzulegen, die die Kalte Pro­gression abschafft, indem die Steuer-Tarifstufen des § 33 Abs. 1 EStG 1988 jährlich an die Inflation angepasst werden."

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nun hat sich Herr Bundesminister Magnus Brunner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.