17.42

Abgeordnete Pia Philippa Strache (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Welcher Weg aus dieser Krise ist eigentlich der richtige? Diese Frage beschäftigt uns alle hier in diesem Raum schon sehr lange Zeit. Die heutige Sitzung ist eigentlich nur noch eine formale Sache, die Entscheidung ist im Grunde längst getroffen.

Viele Menschen sind von der Coronasituation zermürbt, sind nervlich am Ende, haben wirtschaftlich viel, wenn nicht sogar alles verloren. Die überwiegende Mehrheit der Men­schen in diesem Land hat bereitwillig jede Maßnahme mitgetragen, um endlich aus dieser Krise zu kommen. So viele Menschen sind in dieser Krise an ihre Grenze gegan­gen und viele auch darüber hinaus, um diese Krise zu meistern, um diese Krise ge­meinsam wieder in den Griff zu kriegen. Viele von ihnen haben vielleicht das Vertrauen in die Politik und vor allem in die politischen Akteure gänzlich verloren, aber dennoch alle Maßnahmen mitgetragen, um angesichts der Krise gegensteuern zu können.

Was ist jetzt aus über zwei Jahren Pandemie geblieben? – Im Grunde relativ wenig. Das Vertrauen ist weg, die Ängste überwiegen auf beiden Seiten, und Corona stellt beinahe im Monatstakt die Weichen im Grunde neu. Daher ist auch die Frage zu stellen: Ist diese Impfpflicht zum derzeitigen Zeitpunkt eine überschießende Maßnahme oder ist sie gerechtfertigt? Ist es zielführend, eine Million Menschen tatsächlich auf diese Art und Weise zu einer Impfung zu drängen?

Der Begriff Menschenwürde ist heute schon oft gefallen. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, ist eigentlich ein Satz mit ganz viel Tragweite. Der Schutz der Grundrechte ist unantastbar. Jetzt hat man dennoch diese rote Linie überschritten, hat sich da drübergewagt. Das muss eigentlich wirklich jedem Demokraten, nicht nur hier in diesem Haus, sondern grundsätzlich, schon ein ungutes Gefühl in die Magengegend zaubern.

Hätten wir nicht die letzten Wochen und vor allem den Sommer dazu nützen können, die Bevölkerung von ihren Ängsten zu befreien? Hätten wir den Menschen nicht erklären können, dass die Impfung der effektivste Weg aus dieser Krise ist, dass die Impfung, die Immunisierung ein ganz wichtiger Schlüssel aus dieser Krise ist, dass die Impfung eben wie angekündigt der versprochene Gamechanger sein wird? Hat man dafür wirklich alles gegeben? – Nein, hat man nicht!

Die Popularisierung der FSME-Impfung ist ein Erfolgsmodell aus Österreich. Damals hat man es genauso gemacht. Da sind die Expertinnen und Experten in die Gemeinden gezogen und haben Aufklärungsarbeit geleistet. Ich bin mir ganz sicher, dass wir viele Ärztinnen und Ärzte gefunden hätten, die bereit gewesen wären, diese Aufklärungsarbeit zu leisten, um diesen Ängsten und populistischen Ideen gar nicht erst den Spielraum zu geben.

Just zum jetzigen Zeitpunkt eine Impfpflicht einzuführen halte ich für fatal, weil den Menschen wieder suggeriert wird, dass damit ein Ende der Pandemie geschaffen wird, obwohl wir alle nicht sagen können, wie die Situation rund um Corona im Herbst sein wird.

Der Schritt der Regierungsparteien, durch eine Pflicht die Kontrolle über die Lage zu bekommen, offenbart vor allem eines: einen Kontrollverlust, den es gegeben hat; Ver­säumnisse in der Kommunikation, Versäumnisse, wenn es um den Kontakt mit der Bevölkerung geht, wenn es darum geht, die Aufklärungsarbeit wirklich zu leben und nicht schleifen zu lassen.

Spaltung ist noch einmal ein ganz anderes Thema, über das man ganz dringend sprechen müsste.

Man lässt zum momentanen Zeitpunkt auch einen weiteren Gamechanger außer Acht, nämlich Omikron. Zahlreiche Experten sagen jetzt schon, dass Omikron die Weichen neu stellt. Auch das hat man nicht reinevaluiert.

Ist eine Pflicht nicht im Grunde der letzte Schritt, den eine Demokratie gehen kann? Was bleibt uns denn dann noch als Druckmittel übrig? – Im Grunde bleibt uns dann wirklich nur noch der Zwang übrig.

Ich hätte mir einen Weg gewünscht, bei dem es möglich gewesen wäre, jedem Men­schen in diesem Land die Angst vor der Impfung zu nehmen, den Menschen auch die Möglichkeit zu geben, auf einen Totimpfstoff zurückzugreifen. Immerhin wären 40 Pro­zent der nicht geimpften Bevölkerung bereit gewesen, sich mit einem Totimpfstoff impfen zu lassen. Aber nein, man evaluiert nicht weiter, man schickt wieder einmal ein Gesetz los, das rechtlich auf sehr wackeligen Beinen steht und das, denke ich, sobald es beim Verfassungsgerichtshof landet, gekippt wird, weil es eben Fragezeichen gibt.

Ich bin absolut für die Impfung, weil ich der festen Überzeugung bin, dass dadurch nicht nur ein Schutz gegen Viren entsteht, sondern dass man dadurch die Symptome bei Erkrankten deutlich mildern und eben auch den nicht geimpften Teil der Bevölkerung bestmöglich schützen kann. Ich bin aber auch der festen Überzeugung, dass das, was in dieser Krise bereits an Schaden angerichtet wurde, nicht mit einem fehlerhaften Gesetz zur Impfpflicht repariert werden sollte, sondern dass wir alles tun sollten, um uns möglichst wieder einander anzunähern.

Ein guter Weg wäre eine erneute Evaluierung gewesen. Ein guter Weg wäre gewesen, eventuell ähnlich wie beim Klimarat einen Impfrat einzuführen, in dem es gelingen würde, Skeptiker und Befürworter an einen Tisch zu bekommen. Auch ein späterer Start im April wäre im Hinblick auf den Herbst noch machbar gewesen, und das wäre auch ein guter Schritt gewesen, den Frieden in diesem Land zu erhalten.

Ich möchte mich dennoch solidarisch erklären mit allen Menschen, die diese Maß­nah­men mittragen und auch in der Hoffnung auf Besserung diese Maßnahmen mittragen. Ich möchte mich auch bei der Exekutive, bei allen Menschen, die in systemrelevanten Berufen arbeiten und jetzt mit einer erheblichen Mehrarbeit konfrontiert sind, bedanken. Ich verlasse mich aber auch auf den VfGH beziehungsweise darauf, dass diese Impf­pflicht so nicht halten wird und damit weg ist. Weg ist jetzt aber, glaube ich, leider auch das Vertrauen in der Bevölkerung, und das zerstört leider auch Ihre Parabel.

Ich weiß nicht, ob ich der einzige Demokrat in diesem Raum bin, der den Bezug zur Bevölkerung nicht verlieren möchte, der Menschen mit ihren Ängsten nicht derart allein lassen und ausgrenzen möchte. Ich möchte nicht, dass sich die Spaltung in der Gesell­schaft weiter fortsetzt, sondern ich möchte, dass es uns gelingt, auf politischer Ebene und vor allem aus diesem Hohen Haus heraus politisch wieder Brücken zu bauen und keinen Spielraum für Populisten zu lassen.

Politik lebt von dem Herzen, mit dem man Politik macht, wobei am Ende immer die Bevölkerung der Gewinner sein muss. Das muss auch in einer Pandemie der Fall sein. Da darf es niemandem gelingen, mit den Ängsten der Menschen zu spielen.

17.49

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dietmar Keck zu Wort. – Bitte.