Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Welche Schritte werden Sie beziehungsweise die Bundesregierung auf europäi­scher und auch auf nationaler Ebene setzen, um auf die Preissteigerungen, die ja jetzt durch den Ausfall der Produktion in der Ukraine drohen, zu reagieren? Das vor allem deswegen, weil wir ja wissen, dass sehr viel des Getreides aus der Ukraine nach Nord- und Mittelafrika geht. Wie könnte man da eventuell auf Hungersnöte reagieren, um si­cherzustellen, dass die Menschen auch zu leistbarem Getreide kommen?

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Die schriftlich eingebrachte Frage, 153/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche Schritte wird die Bundesministerin bzw. die Bundesregierung auf europäischer bzw. nationaler Ebene setzen, um auf die durch den Krieg in der Ukraine drohenden Preissteigerungen und Hungersnöte zu reagieren?“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Ich habe bereits darauf verwiesen, dass wir im Landwirtschaftsministerium von Beginn an einen Krisenstab eingerichtet haben, der genau diese unterschiedlichen Faktoren beobachtet und auch entsprechende Analysen erstellt. Wir sind ja in allen EU-Lenkungs­gremien vertreten und versuchen, uns dort bestmöglich einzubringen.

Bracheflächen für die zusätzliche Produktion haben wir bereits erörtert und ange­sprochen.

Es ist auch vonseiten der EU-Kommission geplant, den EU-rechtlichen Beihilfenrahmen zu erhöhen. Das wird auch Österreich die Möglichkeit geben, die bäuerliche Produktion zu unterstützen, aber leider nur in einem sehr geringen Ausmaß. Es gibt ja die De-minimis-Regelungen, die entsprechend einzuhalten sind; gleichzeitig gibt es auch die Agrarmarktmaßnahmen im Rahmen der Gemeinsamen Marktordnung auf europäischer Ebene und auf österreichischer Ebene, also auf nationaler Ebene.

Wir haben da beispielsweise die Möglichkeit der Lagerhaltung, zum einen der Inter­vention auf europäischer Ebene, gleichzeitig auch der privaten Lagerhaltung. Da haben wir auch schon informelle Gespräche mit der EU-Kommission geführt, inwieweit das vor allem perspektivisch dann auch Sinn machen wird. Wir alle müssen davon ausgehen, dass die aktuelle Krisensituation länger dauern wird; vor allem in der Ukraine wird es Jahre dauern, bis die Agrarinfrastruktur wieder aufgebaut sein wird. Wir sehen aktuell, dass ganz strategisch auch Agrarinfrastruktur zerstört wird, um wirklich auch den zen­tralen Nerv der Versorgung zu treffen, auch Wasserinfrastruktur  auch in der Ukraine etwas ganz Entscheidendes. Also das wird Jahre dauern. Es braucht jetzt schon Planung vonseiten der EU-Kommission, wie wir vor allem auch im Bereich der Intervention tätig werden, um auf diese Situation vorbereitet zu sein.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete, bitte.

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Sie haben da etwas ganz Wich­tiges angesprochen, dass die agrarische Produktion in der Ukraine natürlich auf Jahre leider nicht mehr so funktionieren wird, wie wir es gewohnt waren.

Wenn Sie über potenzielle Interventionen sprechen: Haben Sie da vielleicht schon kon­kretere Ideen beziehungsweise konkretere Vorschläge? Was haben Sie zum Beispiel der Kommission vorgeschlagen?

Was mich in diesem Zusammenhang auch noch interessieren würde, sind die Mitarbeiter aus der Ukraine, die Arbeiter, die Mitarbeiter auf den Bauernhöfen in Österreich, so nen­ne ich sie immer, die aus der Ukraine gekommen sind. Sie haben vorhin ausgeführt, dass Sie nicht damit rechnen, dass heuer aus der Ukraine diese Unterstützung kommen wird.

Meine Frage ist: Werden Sie diese Plattform, die Sie aufgebaut haben, dielebensmittel­helfer.at, sozusagen wieder zum Leben erwecken? War diese 2020 denn ein Erfolg, hat es da viele Menschen gegeben, die sich dann für die Erntearbeit gemeldet haben?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Zum ersten Teil Ihrer Frage: Es gibt ja im Rahmen der EU-Marktordnungsgesetze genaue Regelungen, wie Intervention, private Lagerhaltung in Europa funktioniert. Wir glauben, dass hier sehr schnell vonseiten der Europäischen Kommission eine Folgenab­schätzung geliefert wird, inwieweit es jetzt Sinn macht, da stärker zu investieren.

Wir stehen jetzt vor dem Anbau. Aktuell ist die Lage eine sehr schwierige, auch in Mit­teleuropa, weil wir heuer schon im Frühjahr mit sehr viel Trockenheit konfrontiert sind. Das gibt uns jetzt schon eine gewisse Einschätzung auch für die nächsten Monate.

Es dürfte also die Produktion im heurigen Jahr in Europa durchaus nicht so ertragreich sein, wie wir es aus sonstigen Jahren kennen, und da macht es natürlich Sinn, sich im Rahmen der Gemeinsamen Marktordnung Strategien zu überlegen, wie wir Ernteaus­fälle in Europa vielleicht kompensieren können.

Ich halte noch einmal fest, dass ich die Freigabe der Bracheflächen – Hinweis: nicht Biodiversitätsflächen; das wird ja aktuell von NGOs zum Teil komplett falsch dargestellt – für sehr sinnvoll erachte, weil jeder Hektar, der jetzt in die Produktion geht, für uns po­tenziell auch in den nächsten Monaten und Jahren sehr, sehr hilfreich sein kann.

Zur Frage der Lebensmittelproduktion beziehungsweise vor allem auch der Saisonar­beitskräfte habe ich bereits ausgeführt, dass wir da vor allem gemeinsam mit dem Ar­beitsministerium sehr engagiert sind, zusätzliche Arbeitskräfte zu bekommen bezie­hungsweise zu finden. Die Plattform Lebensmittelhelfer, die wir im Frühjahr 2020 ins Leben gerufen haben, war aber einer anderen Ausgangssituation geschuldet. Da waren wir mitten in einem Lockdown, hatten geschlossene Grenzen. Jetzt wird es eher wichtig sein, dass wir wirklich zusätzlich zu Erntehelfern kommen, speziell im Gemüseanbau; die Selbstversorgung ist auch schon angesprochen worden, da hängen wir natürlich auch sehr stark davon ab.

Grundsätzlich war die Plattform lebensmittelhelfer.at sehr erfolgreich, aber wir haben halt auch gesehen, dass die professionelle Lebensmittelproduktion professionelle Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter braucht, damit sie effizient gestaltet werden kann.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Abgeordneter Stammler. – Bitte.

Abgeordneter Clemens Stammler (Grüne): Frau Bundesminister, Weizen, Mais, Soja und so weiter werden ja hauptsächlich auf den Finanzmärkten gehandelt. Gerade so hochspekulativer Handel im Hochfrequenzhandel beziehungsweise Shortselling lässt Menschen verdienen, die grundsätzlich nicht an der Grundversorgung teilhaben bezie­hungsweise dazu beitragen, gleichzeitig treibt das aber gerade ärmere Länder massiv in die Enge und übt Druck aus.

Werden Sie sich für ein Spekulationsverbot auf Lebensmittel einsetzen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Ich glaube, man muss grundsätzlich einmal unterscheiden. Sie sind ja selber auch Landwirt, und ich glaube, auch Sie schauen sich ganz genau an, wie die Preisgestaltung gerade ist, und versuchen, bestmöglich zu verkaufen. Grundsätzlich also ist das Markt­system, das wir haben, schon ein gutes.

Der Bereich, den Sie ansprechen, betrifft vor allem den Hochfrequenzhandel und damit eben wirklich die alleinigen Spekulationen auf den Agrarmärkten, um schnell bestmög­liche Gewinne zu erwirtschaften, wodurch aber sehr oft die Lebensmittelpreise in die Höhe getrieben werden. Das ist etwas, das schon seit vielen Jahren auf europäischer Ebene diskutiert wird und im Zuge des Platzens der Immobilienblase auch eingeschränkt worden ist.

Zudem haben wir auf den Finanzplätzen in Europa mittlerweile ein extremes Umdenken erlebt. Ich glaube, da war vor allem auch das Investment der Deutschen Bank in diesen Bereichen sehr hilfreich; viele der Fonds sind einfach komplett aus den Agrarspekula­tionen ausgestiegen. Das war eine meiner Meinung nach durchaus sehr wichtige Ent­wicklung, weil diese enormen Preissteigerungen vor allem auf Kosten der Nahrungsmit­telhilfe und vor allem auch der Entwicklungshilfe gegangen sind, und da hat es schon sehr viel gegeben.

Aktuell ist vor allem die Taxonomieverordnung der entscheidende Hebel in Europa, um auf der einen Seite Dinge auszuschließen, auf der anderen Seite aber die Investments in eine nachhaltige Richtung zu lenken. Ich glaube, da sind wir mittlerweile in der Euro­päischen Union mit sehr viel Bewusstsein gesegnet, wohin die Reise in Zukunft gehen muss.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Schmiedlechner. – Bitte.

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Frau Minister, gerade im tierischen Be­reich denken viele Produzenten, viele Landwirte darüber nach, die Produktion einzustel­len. Die Frage wird sein: Wie lange können sich die Bauern die Produktion noch leisten?

Sie haben vorhin gesagt, Sie hätten eine Kommission eingesetzt, die die Märkte beob­achtet. Meine Frage: Wie oft tagt diese, warum wurde der Bundeslenkungsausschuss gemäß Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz jetzt noch immer nicht einberufen und wann setzen Sie diesen ein?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Aktuell sind wir in Österreich Gott sei Dank mit einer guten Versorgungslage gesegnet. Das hat sehr viel mit unseren Lagerbeständen zu tun, und vor allem auch mit dem Selbstversorgungsgrad.

Der Krisenstab – es ist keine Kommission, sondern ein Krisenstab –, der im Landwirt­schaftsministerium eingerichtet wurde, sammelt aktuell Daten, analysiert vor allem auch Warenströme – ganz zentral ist für uns natürlich die Abhängigkeit von Betriebsmitteln, speziell Düngemitteln, Pflanzenschutzmitteln, die für die Produktion sehr wichtig sind – und bereitet das auf.

Der Krisenstab tagt regulär wöchentlich, die Sammlung der Daten und der Austausch erfolgen aber natürlich auf täglicher Basis.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Frau Abgeordnete Him­melbauer. – Bitte.