Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Schönen guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Viele Leute in Österreich glauben, die Inflation wäre hausgemacht, dabei steht die Welt im Umbruch: Einerseits haben wir durch Corona noch immer Unterbrechungen der Lieferketten, andererseits hat die EZB mit ihrer Zinspolitik ziemlich sicher viel zu spät reagiert, drittens hat Putin das Gas als Waffe gegen Europa eingesetzt, viertens hat Putin den Getreideexport aus der Ukraine gestoppt und fünftens gibt es schlussendlich einen Krieg in der Ukraine.

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„Was kann Österreich in dieser schwierigen Situation beitragen, dass die Menschen in unserem Land und in Europa die in allen Staaten steigende Inflation gut überstehen?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Einen schönen guten Morgen auch von meiner Seite an alle hier Anwesenden! Danke für die Frage, Herr Abgeordneter. Es ist tatsäch­lich so, es gibt eine Vielzahl an Krisen – Sie haben sie aufgezählt –, die Auswirkungen nicht nur auf Österreich, sondern auf Europa und auf die gesamte Welt haben. Man muss aber sagen, dass wir es trotz Pandemie – und das ist die Leistung von allen, die daran mitgewirkt haben – geschafft haben, das Wirtschaftswachstum zu steigern. Wir sind auch weiter dabei, Schulden abzubauen, zumindest sagen das die Prognosen, und wir haben derzeit Rekordbeschäftigung. Das ist dem Fleiß, dem Einsatz der Menschen in Österreich zu verdanken.

Auf der anderen Seite ist es unsere Aufgabe, durch Begleitmaßnahmen die Folgen die­ser Teuerung, der hohen Inflation, aber auch der Problematik der Lieferkettenausfälle, wie Sie sie schon beschrieben haben, die wiederum zu Produktionsverzögerungen füh­ren, auszugleichen. Wie tun wir das? – Mit einem umfassenden Paket an Sofortmaßnah­men, das bedeutet 300 Euro für Menschen mit geringem Einkommen, das heißt, dass wir Familien mit einer zusätzlichen Familienbeihilfe in der Höhe von 180 Euro im August besonders entlasten, das bedeutet, dass wir im September den Familienbonus von 1 500 auf 2 000 Euro pro Kind erhöhen. Genauso gehen wir dann im Oktober vor und machen dann tatsächlich das Antiteuerungspaket plus den Klimabonus, das sind 500 Euro in Summe.

Das heißt, das ist ein weiterer Schritt, es ist der dritte Schritt in diesem Jahr, um die Menschen bei diesen steigenden Kosten zu entlasten.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage?

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Ja. – Das heißt, die ökonomischen He­rausforderungen, die Österreich hat, bewältigt es einerseits selbst sehr gut durch hohe Beschäftigung, durch hohen Konsum, auf der anderen Seite durch die entsprechende Kampagne und auch die Ausgleichsmaßnahmen, Antiteuerungsmaßnahmen, die die Bun­desregierung gesetzt hat.

Jetzt möchte ich noch zu einem anderen Kapitel kommen. Die Welt steht ja nicht nur ökonomisch in einem Umbruch, sondern vor allem auch sicherheitspolitisch: Nach dem Angriffskrieg von Putin beginnt sich sozusagen die sicherheitspolitische Ordnung in Europa zu verändern. Wie sehen Sie die Situation? Vor welchen Herausforderungen steht hier Österreich?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Der Begriff Sicherheit an sich hat sich deutlich erweitert. Wir reden nicht mehr nur von der inneren Sicherheit oder von der sozialen Sicherheit, wir reden momentan von der Energieversorgungssicherheit, von der Lebens­mittelversorgungssicherheit und von der wirtschaftlichen Sicherheit. Diesbezüglich muss man auch unterschiedlich vorgehen.

Bei der Energieversorgungssicherheit sind wir dabei, die Speicher in Österreich zu füllen, wir als Republik, indem wir 20 Terawattstunden strategische Reserve einspeichern, die Unternehmen, die jetzt die Zeit nutzen, um hier ebenfalls die Speicher zu füllen und für den Winter vorbereitet zu sein.

Bei der wirtschaftlichen Sicherheit geht es jetzt vor allem darum, dass man die Industrie, die Unternehmen in diesen schwierigen Zeiten begleitet, das passiert durch die Strom­preiskompensation, durch die Entlastung bei Abgaben. Das heißt also auch, dass es jetzt darum geht, für die Herbstlohnrunde mit den Sozialpartnern Rahmenbedingungen zu schaffen, dass auf der einen Seite vernünftige Gehaltsabschlüsse möglich sind, aber auch Arbeitsplätze weiter gesichert werden.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Matznetter.

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Auch von meiner Seite einen schönen guten Morgen, Herr Bundeskanzler! Deutschland hat im Mai beschlossen, ab Juni steu­erliche Maßnahmen gegen die Inflation zu setzen. Deutschland hat im Juni erstmals seit Langem eine sinkende Inflation von 0,1 Prozent; Österreich hat aber einen dramatischen Anstieg von über 1 Prozent auf 8,7 Prozent. Sie wollten vor ein paar Wochen die Überge­winnbesteuerung diskutieren und ÖVP-Klubobmann August Wöginger hat am 8. Juni in einer Fernsehsendung auf Puls 24 gesagt, er persönlich sei für Preisdeckel, das schei­tere aber am Koalitionspartner.

Ist es richtig, dass vernünftige Maßnahmen wie Preisdeckel - - (Abg. Wöginger: Das habe ich überhaupt nicht gesagt!) – Das ist dokumentiert; kein Problem, Herr Klubobmann! (Abg. Wöginger: Was du da dahererzählst!) Ist es wirklich der Koalitionspartner, der verhindert, sinnvolle Maßnahmen gegen die Teuerung (Abg. Michael Hammer: „Kon­trast“, oder wo?) – zum Beispiel durch Preisdeckel auf Sprit – zu machen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Es gibt tatsächlich einige Staaten in Europa und im Speziellen in der Europäischen Union, die versuchen, durch Preisdeckel in die Teue­rungswelle einzugreifen. Bisher hat sich das nicht als probates Mittel erwiesen. Man kann das in Ungarn – dramatisch – beobachten, man kann es auch in der Bundesre­publik Deutschland, die Sie eben erwähnt haben und die die Mineralölsteuer gesenkt hat, beobachten: Es hat dann eine kurzfristige tatsächliche Preissenkung an den Zapf­säulen gegeben, aber die ist innerhalb von zwei Wochen wieder aufgefressen worden.

Grundsätzlich heißt es, wenn man Preisdeckel einführt, auch, dass da ja die Differenz immer auch vom Steuerzahler, von der Steuerzahlerin zu begleichen ist, damit es zu keiner Angebotsverknappung kommt. Wir haben uns in der Regierung gemeinsam dazu entschlossen, einen anderen Weg zu gehen, nämlich den Menschen direkt zu helfen, um so die Folgen der Teuerung abzufedern.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Grei­ner. – Bitte.